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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Feuer!

Dcis ist gar nicht wahr! Glauben Sie ihm nicht, Herr Gehilfe! Sehen Sie,
wie er lügt, Herr Gehilfe! Er bemüht sich immer, uns etwas aufzubürden, der
schlechte Mensch! So riefen die Mädchen durcheinander.

Ach, ihr Schnattergänse! sagte der Händler. Belieben Sie zu hören, Herr
Gehilfe, wie sie die Zungen rühren. Wo der Herr Oberst nur diese herumtreiberischcn
Schreihälse aufgefischt hat! Zur Nachtzeit, wenn wir in den Betten liegen, quieken
und quietschen sie im Garten und auf der Straße, daß wir nicht einschlafen können.
Weiß der Teufel, wozu der Herr Oberst sie hält, und was er mit ihnen treibt!

Hören Sie nicht aus thu, Herr Gehilfe! Er ist ein Lügner, ein ganz gemeiner
Mensch! sagte die eine entrüstet.

Wir sind die ehrlichsten und anständigsten Mädchen von der Welt! verteidigte
sich die andre.

Ich war in der Absicht stehn geblieben, auf die Anklage Abrmnows hin die
Mädchen zu ernähren, daß sie den Schmutz ihrer Seite nicht über die Mittelsteiue
kehren sollten. Das Gespräch nahm aber eine Wendung, die möglicherweise zu
einem Protokoll führen konnte, wenn zum Unglück der Kutscher Timofü aus der
Pforte trat und sich an dem Zanke beteiligte. Wann wäre ich dann zu Mahada
gekommen! Ich warf deshalb flüchtig beiden Teilen die Mahnung hin, sich auf
der Straße nicht zu zanken, und eilte weiter.

Dieses mal kommt ihr noch so weg, ihr kahlbeinigen Nachteulen, schrie hinter
mir der Händler, aber nächstens klage ich ernstlich dem Herrn Gehilfen. Dann
sollt ihr schon. . .

Bauerndirne! Ungebildete Bcmerndirne! kreischte vor mir die Stimme des
Fräuleins Schtschepiu. Ich fuhr zusammen. Ich war fast der Pforte des Fräuleins
gegenüber. Die Pforte war geöffnet, und hart daran ließ sich die Stimme hören.
Bemerkte das Fräulein mich und konnte zeitig genug die Straße erreichen, um
mir den Weg zu vertreten, so kam ich nicht so bald los. Mir schien, daß in der
Pforte schon der Saum eines Kleides sichtbar wurde. Ich sprang zur Seite auf
das Trottoir, drückte mich rasch an dem Hause hin und hoffte, mit einem Satze
an der Pforte vorüberzuhuschen.

Ich habe es dir hundertmal gesagt, leiste sie unterdessen weiter, und ich sage
es dir wieder, dn bist eine ganz ungebildete Bauerndirne, ein Dorfteufel. Es ist
eine Sünde, daß ich mich mit dir gemein mache, denn ich bin ein Fräulein, und
zwar ein fein gebild . . .

Das Unglück war geschehn. Wie ich eben mit den Beinen unendlich weit
nusgriff, um die gefährliche Pforte hinter mich zu bringen, war sie hervorgetreten,
und wir waren zusammengerannt, so gewaltig zusammengerannt, daß ich fürchtete, sie
müsse niederstürzen und sich wenigstens einen Arm brechen. Sie fiel aber nicht,
denn sie hatte sich mit dem Instinkt der Selbsterhaltung mit beiden Händen an
mich geklammert und -- ließ nicht mehr los!

Mutter Gottgcbärerin! schrie sie auf. Herr Gott, wie bin ich erschrocken!
Ich glaubte, die Pforte stürze mir ans den Kopf. Ich wäre fast gefallen. Ah,
Herr Gehilfe, die Kniee zittern mir! Aber froh bin ich, daß ich Sie sehe,
Herr Gehilfe. Ich bin ein adliches Fräulein, ein gebildetes adliches Fräulein.
Darum leide ich und schweige, schweige, so lauge irgend eine Möglichkeit vorhanden
ist. Aber es ist nicht mehr möglich. Es läßt sich nicht länger ertragen. Diese
Bauerndirne, dieser Dorfteufel bringt mich um. Ach Gott, die Beine wollen mich
noch immer nicht tragen! So haben Sie mich erschreckt, Herr Gehilfe. Denken
Sie sich, daß dieser Waldteufel mir sogar an einem so großen Feiertage die ersten
Morgenstunden verbittert, zur Hölle macht. Sie ist faul. Sie ist grob. Wenn
ich nicht mehr schweigen kann und ein Wort sage, hat sie zehn, hundert zur Ant¬
wort. Ich darf den Mund nicht öffnen. Ich muß schweigen. Ich muß mich
fürchten vor ihr, vor diesem rohen Geschöpfe, diesem Bauernklotze. Ich .. .

Wie ein ertappter Verbrecher stand ich dn, blickte bald auf das erhitzte Gesicht


Feuer!

Dcis ist gar nicht wahr! Glauben Sie ihm nicht, Herr Gehilfe! Sehen Sie,
wie er lügt, Herr Gehilfe! Er bemüht sich immer, uns etwas aufzubürden, der
schlechte Mensch! So riefen die Mädchen durcheinander.

Ach, ihr Schnattergänse! sagte der Händler. Belieben Sie zu hören, Herr
Gehilfe, wie sie die Zungen rühren. Wo der Herr Oberst nur diese herumtreiberischcn
Schreihälse aufgefischt hat! Zur Nachtzeit, wenn wir in den Betten liegen, quieken
und quietschen sie im Garten und auf der Straße, daß wir nicht einschlafen können.
Weiß der Teufel, wozu der Herr Oberst sie hält, und was er mit ihnen treibt!

Hören Sie nicht aus thu, Herr Gehilfe! Er ist ein Lügner, ein ganz gemeiner
Mensch! sagte die eine entrüstet.

Wir sind die ehrlichsten und anständigsten Mädchen von der Welt! verteidigte
sich die andre.

Ich war in der Absicht stehn geblieben, auf die Anklage Abrmnows hin die
Mädchen zu ernähren, daß sie den Schmutz ihrer Seite nicht über die Mittelsteiue
kehren sollten. Das Gespräch nahm aber eine Wendung, die möglicherweise zu
einem Protokoll führen konnte, wenn zum Unglück der Kutscher Timofü aus der
Pforte trat und sich an dem Zanke beteiligte. Wann wäre ich dann zu Mahada
gekommen! Ich warf deshalb flüchtig beiden Teilen die Mahnung hin, sich auf
der Straße nicht zu zanken, und eilte weiter.

Dieses mal kommt ihr noch so weg, ihr kahlbeinigen Nachteulen, schrie hinter
mir der Händler, aber nächstens klage ich ernstlich dem Herrn Gehilfen. Dann
sollt ihr schon. . .

Bauerndirne! Ungebildete Bcmerndirne! kreischte vor mir die Stimme des
Fräuleins Schtschepiu. Ich fuhr zusammen. Ich war fast der Pforte des Fräuleins
gegenüber. Die Pforte war geöffnet, und hart daran ließ sich die Stimme hören.
Bemerkte das Fräulein mich und konnte zeitig genug die Straße erreichen, um
mir den Weg zu vertreten, so kam ich nicht so bald los. Mir schien, daß in der
Pforte schon der Saum eines Kleides sichtbar wurde. Ich sprang zur Seite auf
das Trottoir, drückte mich rasch an dem Hause hin und hoffte, mit einem Satze
an der Pforte vorüberzuhuschen.

Ich habe es dir hundertmal gesagt, leiste sie unterdessen weiter, und ich sage
es dir wieder, dn bist eine ganz ungebildete Bauerndirne, ein Dorfteufel. Es ist
eine Sünde, daß ich mich mit dir gemein mache, denn ich bin ein Fräulein, und
zwar ein fein gebild . . .

Das Unglück war geschehn. Wie ich eben mit den Beinen unendlich weit
nusgriff, um die gefährliche Pforte hinter mich zu bringen, war sie hervorgetreten,
und wir waren zusammengerannt, so gewaltig zusammengerannt, daß ich fürchtete, sie
müsse niederstürzen und sich wenigstens einen Arm brechen. Sie fiel aber nicht,
denn sie hatte sich mit dem Instinkt der Selbsterhaltung mit beiden Händen an
mich geklammert und — ließ nicht mehr los!

Mutter Gottgcbärerin! schrie sie auf. Herr Gott, wie bin ich erschrocken!
Ich glaubte, die Pforte stürze mir ans den Kopf. Ich wäre fast gefallen. Ah,
Herr Gehilfe, die Kniee zittern mir! Aber froh bin ich, daß ich Sie sehe,
Herr Gehilfe. Ich bin ein adliches Fräulein, ein gebildetes adliches Fräulein.
Darum leide ich und schweige, schweige, so lauge irgend eine Möglichkeit vorhanden
ist. Aber es ist nicht mehr möglich. Es läßt sich nicht länger ertragen. Diese
Bauerndirne, dieser Dorfteufel bringt mich um. Ach Gott, die Beine wollen mich
noch immer nicht tragen! So haben Sie mich erschreckt, Herr Gehilfe. Denken
Sie sich, daß dieser Waldteufel mir sogar an einem so großen Feiertage die ersten
Morgenstunden verbittert, zur Hölle macht. Sie ist faul. Sie ist grob. Wenn
ich nicht mehr schweigen kann und ein Wort sage, hat sie zehn, hundert zur Ant¬
wort. Ich darf den Mund nicht öffnen. Ich muß schweigen. Ich muß mich
fürchten vor ihr, vor diesem rohen Geschöpfe, diesem Bauernklotze. Ich .. .

Wie ein ertappter Verbrecher stand ich dn, blickte bald auf das erhitzte Gesicht


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[0236] Feuer! Dcis ist gar nicht wahr! Glauben Sie ihm nicht, Herr Gehilfe! Sehen Sie, wie er lügt, Herr Gehilfe! Er bemüht sich immer, uns etwas aufzubürden, der schlechte Mensch! So riefen die Mädchen durcheinander. Ach, ihr Schnattergänse! sagte der Händler. Belieben Sie zu hören, Herr Gehilfe, wie sie die Zungen rühren. Wo der Herr Oberst nur diese herumtreiberischcn Schreihälse aufgefischt hat! Zur Nachtzeit, wenn wir in den Betten liegen, quieken und quietschen sie im Garten und auf der Straße, daß wir nicht einschlafen können. Weiß der Teufel, wozu der Herr Oberst sie hält, und was er mit ihnen treibt! Hören Sie nicht aus thu, Herr Gehilfe! Er ist ein Lügner, ein ganz gemeiner Mensch! sagte die eine entrüstet. Wir sind die ehrlichsten und anständigsten Mädchen von der Welt! verteidigte sich die andre. Ich war in der Absicht stehn geblieben, auf die Anklage Abrmnows hin die Mädchen zu ernähren, daß sie den Schmutz ihrer Seite nicht über die Mittelsteiue kehren sollten. Das Gespräch nahm aber eine Wendung, die möglicherweise zu einem Protokoll führen konnte, wenn zum Unglück der Kutscher Timofü aus der Pforte trat und sich an dem Zanke beteiligte. Wann wäre ich dann zu Mahada gekommen! Ich warf deshalb flüchtig beiden Teilen die Mahnung hin, sich auf der Straße nicht zu zanken, und eilte weiter. Dieses mal kommt ihr noch so weg, ihr kahlbeinigen Nachteulen, schrie hinter mir der Händler, aber nächstens klage ich ernstlich dem Herrn Gehilfen. Dann sollt ihr schon. . . Bauerndirne! Ungebildete Bcmerndirne! kreischte vor mir die Stimme des Fräuleins Schtschepiu. Ich fuhr zusammen. Ich war fast der Pforte des Fräuleins gegenüber. Die Pforte war geöffnet, und hart daran ließ sich die Stimme hören. Bemerkte das Fräulein mich und konnte zeitig genug die Straße erreichen, um mir den Weg zu vertreten, so kam ich nicht so bald los. Mir schien, daß in der Pforte schon der Saum eines Kleides sichtbar wurde. Ich sprang zur Seite auf das Trottoir, drückte mich rasch an dem Hause hin und hoffte, mit einem Satze an der Pforte vorüberzuhuschen. Ich habe es dir hundertmal gesagt, leiste sie unterdessen weiter, und ich sage es dir wieder, dn bist eine ganz ungebildete Bauerndirne, ein Dorfteufel. Es ist eine Sünde, daß ich mich mit dir gemein mache, denn ich bin ein Fräulein, und zwar ein fein gebild . . . Das Unglück war geschehn. Wie ich eben mit den Beinen unendlich weit nusgriff, um die gefährliche Pforte hinter mich zu bringen, war sie hervorgetreten, und wir waren zusammengerannt, so gewaltig zusammengerannt, daß ich fürchtete, sie müsse niederstürzen und sich wenigstens einen Arm brechen. Sie fiel aber nicht, denn sie hatte sich mit dem Instinkt der Selbsterhaltung mit beiden Händen an mich geklammert und — ließ nicht mehr los! Mutter Gottgcbärerin! schrie sie auf. Herr Gott, wie bin ich erschrocken! Ich glaubte, die Pforte stürze mir ans den Kopf. Ich wäre fast gefallen. Ah, Herr Gehilfe, die Kniee zittern mir! Aber froh bin ich, daß ich Sie sehe, Herr Gehilfe. Ich bin ein adliches Fräulein, ein gebildetes adliches Fräulein. Darum leide ich und schweige, schweige, so lauge irgend eine Möglichkeit vorhanden ist. Aber es ist nicht mehr möglich. Es läßt sich nicht länger ertragen. Diese Bauerndirne, dieser Dorfteufel bringt mich um. Ach Gott, die Beine wollen mich noch immer nicht tragen! So haben Sie mich erschreckt, Herr Gehilfe. Denken Sie sich, daß dieser Waldteufel mir sogar an einem so großen Feiertage die ersten Morgenstunden verbittert, zur Hölle macht. Sie ist faul. Sie ist grob. Wenn ich nicht mehr schweigen kann und ein Wort sage, hat sie zehn, hundert zur Ant¬ wort. Ich darf den Mund nicht öffnen. Ich muß schweigen. Ich muß mich fürchten vor ihr, vor diesem rohen Geschöpfe, diesem Bauernklotze. Ich .. . Wie ein ertappter Verbrecher stand ich dn, blickte bald auf das erhitzte Gesicht

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/236>, abgerufen am 25.08.2024.