Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.Zur neuen Rechtschreibung brauchen; dasselbe gilt natürlich auch von den aus den modernen Sprachen Wahrend in rein deutschen Wörtern das es überall abgeschafft ist, ent¬ Auch ob man in zusammengesetzten Fremdwörtern s oder s schreibt, dafür Gerade fünfundzwanzig Jahre lagen zwischen den beiden Berliner Kon¬ Zur neuen Rechtschreibung brauchen; dasselbe gilt natürlich auch von den aus den modernen Sprachen Wahrend in rein deutschen Wörtern das es überall abgeschafft ist, ent¬ Auch ob man in zusammengesetzten Fremdwörtern s oder s schreibt, dafür Gerade fünfundzwanzig Jahre lagen zwischen den beiden Berliner Kon¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0795" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/240351"/> <fw type="header" place="top"> Zur neuen Rechtschreibung</fw><lb/> <p xml:id="ID_4201" prev="#ID_4200"> brauchen; dasselbe gilt natürlich auch von den aus den modernen Sprachen<lb/> entlehnten.</p><lb/> <p xml:id="ID_4202"> Wahrend in rein deutschen Wörtern das es überall abgeschafft ist, ent¬<lb/> scheidet bei Fremdwörtern — ihre Herkunft. Nur wer Griechisch getrieben<lb/> hat, kann hiernach wissen, daß Lithographie, aber Photographie, Kathete, aber<lb/> Kategorie, Hypothese, aber Hypotenuse, Ethik, aber Etymologie zu schreiben<lb/> ist, die Aussprache macht hier gar keinen Unterschied. Weshalb die von niemand<lb/> mehr als fremd empfundnen Wörter Thron und Thunfisch, wozu bei Duden<lb/> und z. B. auch im sächsischen amtlichen Wörterverzeichnis der Panther hinzu¬<lb/> kommt, immer noch als Eindringlinge aus dem Griechische» gebrandmarkt<lb/> werden, während sie zum Beispiel im Italienischen alle drei ihr h längst ver¬<lb/> loren haben, trono, torno (tonnino), xantsr^, und im Französischen wenigstens<lb/> tröinz, das ist wohl nur von wenigen besonders Begnadeten begriffen worden.<lb/> Der Kladderadatsch sagt freilich, man habe vor dem Throne Halt gemacht;<lb/> aber vor dem Thunfisch? Warum hat der der Kommission so imponiert?<lb/> Oder wars auch hier nur der Eine?</p><lb/> <p xml:id="ID_4203"> Auch ob man in zusammengesetzten Fremdwörtern s oder s schreibt, dafür<lb/> ist manchmal, manchmal aber auch nicht, ihre Abstammung maßgebend:<lb/> Mikroskop, aber Diskurs, dagegen Dispens und Dispens, rekognoszieren (!) und<lb/> rekognoszieren. Noch üppiger wuchern hier die Doppelschreibungen, wenn es<lb/> sich um das lateinische oder das französische c handelt, das entweder beibe¬<lb/> halten oder je nach der Aussprache durch k oder z ersetzt wird: Accusativ und<lb/> Akkusativ, Accent und Akzent, Cylinder und Zylinder, Circus und Zirkus,<lb/> Scepter und Zepter, Couvert und Kuvert. Der einzelne tut wohl daran, sich<lb/> in all solchen Fällen gleichmüßig für die eine oder die andre Schreibung zu<lb/> entscheiden. So gibt Sarrazin k und z den Vorzug, weil das Rcgelbuch bei<lb/> der Vorsilbe Ko- (Koi-, Kom-, Kor-, Kor-) sowie bei le (Edikt, faktisch) nur<lb/> k zuläßt und in Wörtern wie Konzert, Konzil, Kruzifix die Schreibung mit z<lb/> fordert. Umgekehrt werden die Grenzboten überall, wo es erlaubt ist, die<lb/> ursprüngliche fremde Schreibung beibehalten.</p><lb/> <p xml:id="ID_4204"> Gerade fünfundzwanzig Jahre lagen zwischen den beiden Berliner Kon¬<lb/> ferenzen von 1876 und 1901. Auf beiden war der Wunsch, eine Einigung<lb/> herbeizuführen, größer als das Streben nach Vereinfachung, auf der letzten noch<lb/> wehr als auf der frühern. Im Jahre 1901 wurde geradezu von den Einzel¬<lb/> regierungen Einigung als das Hauptziel der Verhandlungen bezeichnet, nur<lb/> ganz nebenbei und in bescheidensten Maße sollte auch Vereinfachung ins Auge<lb/> gefaßt werden. So war denn unter den gegenwärtigen Verhältnissen kaum<lb/> mehr erreichbar, als was erreicht worden ist, und für einige kleine Besserungen<lb/> ist ja, wie wir sahen, auch innerhalb der amtlichen Bestimmungen Spielraum<lb/> gelassen. Aber der Wunsch nach einer durchgreifenden Umgestaltung bleibt<lb/> bestehn. Wird die nächste Konferenz sie uns bringen? Vielleicht erst wieder<lb/> "ach einem Vierteljahrhundert? Trotz der Schulbuchverleger erwarten wir<lb/> sie früher!</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0795]
Zur neuen Rechtschreibung
brauchen; dasselbe gilt natürlich auch von den aus den modernen Sprachen
entlehnten.
Wahrend in rein deutschen Wörtern das es überall abgeschafft ist, ent¬
scheidet bei Fremdwörtern — ihre Herkunft. Nur wer Griechisch getrieben
hat, kann hiernach wissen, daß Lithographie, aber Photographie, Kathete, aber
Kategorie, Hypothese, aber Hypotenuse, Ethik, aber Etymologie zu schreiben
ist, die Aussprache macht hier gar keinen Unterschied. Weshalb die von niemand
mehr als fremd empfundnen Wörter Thron und Thunfisch, wozu bei Duden
und z. B. auch im sächsischen amtlichen Wörterverzeichnis der Panther hinzu¬
kommt, immer noch als Eindringlinge aus dem Griechische» gebrandmarkt
werden, während sie zum Beispiel im Italienischen alle drei ihr h längst ver¬
loren haben, trono, torno (tonnino), xantsr^, und im Französischen wenigstens
tröinz, das ist wohl nur von wenigen besonders Begnadeten begriffen worden.
Der Kladderadatsch sagt freilich, man habe vor dem Throne Halt gemacht;
aber vor dem Thunfisch? Warum hat der der Kommission so imponiert?
Oder wars auch hier nur der Eine?
Auch ob man in zusammengesetzten Fremdwörtern s oder s schreibt, dafür
ist manchmal, manchmal aber auch nicht, ihre Abstammung maßgebend:
Mikroskop, aber Diskurs, dagegen Dispens und Dispens, rekognoszieren (!) und
rekognoszieren. Noch üppiger wuchern hier die Doppelschreibungen, wenn es
sich um das lateinische oder das französische c handelt, das entweder beibe¬
halten oder je nach der Aussprache durch k oder z ersetzt wird: Accusativ und
Akkusativ, Accent und Akzent, Cylinder und Zylinder, Circus und Zirkus,
Scepter und Zepter, Couvert und Kuvert. Der einzelne tut wohl daran, sich
in all solchen Fällen gleichmüßig für die eine oder die andre Schreibung zu
entscheiden. So gibt Sarrazin k und z den Vorzug, weil das Rcgelbuch bei
der Vorsilbe Ko- (Koi-, Kom-, Kor-, Kor-) sowie bei le (Edikt, faktisch) nur
k zuläßt und in Wörtern wie Konzert, Konzil, Kruzifix die Schreibung mit z
fordert. Umgekehrt werden die Grenzboten überall, wo es erlaubt ist, die
ursprüngliche fremde Schreibung beibehalten.
Gerade fünfundzwanzig Jahre lagen zwischen den beiden Berliner Kon¬
ferenzen von 1876 und 1901. Auf beiden war der Wunsch, eine Einigung
herbeizuführen, größer als das Streben nach Vereinfachung, auf der letzten noch
wehr als auf der frühern. Im Jahre 1901 wurde geradezu von den Einzel¬
regierungen Einigung als das Hauptziel der Verhandlungen bezeichnet, nur
ganz nebenbei und in bescheidensten Maße sollte auch Vereinfachung ins Auge
gefaßt werden. So war denn unter den gegenwärtigen Verhältnissen kaum
mehr erreichbar, als was erreicht worden ist, und für einige kleine Besserungen
ist ja, wie wir sahen, auch innerhalb der amtlichen Bestimmungen Spielraum
gelassen. Aber der Wunsch nach einer durchgreifenden Umgestaltung bleibt
bestehn. Wird die nächste Konferenz sie uns bringen? Vielleicht erst wieder
"ach einem Vierteljahrhundert? Trotz der Schulbuchverleger erwarten wir
sie früher!
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |