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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Wenig Kautelen gegen leichtfertige, ja geradezu schädliche Gesetze, Nirgends in
der zivilisierten Welt sind die Besten der Nation so indifferent in politischen
Dingen wie dort, halten sie sich in unverantwortlicher Gleichgiltigkeit so fern
vom Staatsdienst und überlassen die Wahlmache und Ämterbesetzung so sehr
einer Koterie von professionellen Politikern, die. begünstigt durch die Zurück¬
haltung der eigentlich berufnen Kreise, eine viel zu aufdringliche Rolle im
öffentlichen Leben spielen. Kein andres Land könnte sich eine solche all¬
gemein zugegebne Korruption gefallen lassen, wie sie die Union in einzelnen
ihrer Staaten und vielen ihrer Kommunen duldet. Kein Staatswesen hatte
es wagen dürfen ^ schon ans dein Triebe der Selbsterhaltung heraus nicht -
Unsitten zur Regel werden zu lassen, wie das spoil sMc-in bei den Wahlen
und die rotMon der Ämter.

Aber in einem großen Körper verteilen sich die Schäden über einen weiten
Ren.in; außerdem hängen die einzelnen Glieder der Konföderation recht lose
zusammen, und daher braucht, wenn an einer Stelle Krankheit herrscht, noch
lange nicht der ganze Körper davon ergriffen zu sein. Störungen, durch die
ein kleinerer zentralistischer Staat wahrscheinlich völlig gelähmt würde, verlang¬
samen hier höchstens den Gang der Maschine. Der Fortschritt in, ganzen kann
>"ehe aufgehalten werden. So kraftstrotzend und elastisch, so lebensfähig und
widerstmldsträftig ist diese Nation, daß sie die in reichem Maße vorhandnen
schlechten Säfte doch immer "och auszuscheiden vermag, daß sie spielend Bissen
^'erbaut. an denen eine schwächere Konstitution wohl zu Grunde geh" wurde.

Ein großes Volk kann uur an seinen eignen Fehlern scheitern. Wenn
'nan die Gefahren abwägt, die Amerika ans dem eignen Innern drohn die
ersetzenden, verderblichen Säfte, die in seinen Adern kreisen, wenn man Kräfte
">n Werke sieht die es nach dem Abgrund ziehn möchten, und dagegen all
das Gute, Gesunde. Fördernde und Erhaltende stellt, das zu feinen Gunsten
in die Wagschnle geworfen werden kann, wenn man dabei nicht anßer acht laßt,
daß man es mit einem recht jungen Lebewesen zu tun hat. dessen Fehler sich noch
auswachsen sollen, so wird man zu dem Urteil kommen, daß hente vielleicht kein
Land der Welt einen solchen Vorrat von entwicklungsfähigen und zukunftver-
heißenden Keimen in sich birgt wie die Vereinigten Staaten von Amerika.




Die Deutschen in Rom
Gelo Rciemmel voll (Schluß)

om erschien seitdem den eifrigsten protestantischen Deutschen als
der Sitz des Antichrists. Nachdem die Inquisition dort 1546 ihr
Tribunal aufgeschlagen hatte, war es für sie unter Umstünden
geradezu gefährlich, die glänzende Hauptstadt der Hochrenaissance
zu betreten, und sie verlor auch an innerer Anzichnngskrafc,
ehr die Jesuiten den freien Humanismus erwürgten.

Während deutsche Juristen uoch bis ins siebzehnte Jahrhundert hinein


Wenig Kautelen gegen leichtfertige, ja geradezu schädliche Gesetze, Nirgends in
der zivilisierten Welt sind die Besten der Nation so indifferent in politischen
Dingen wie dort, halten sie sich in unverantwortlicher Gleichgiltigkeit so fern
vom Staatsdienst und überlassen die Wahlmache und Ämterbesetzung so sehr
einer Koterie von professionellen Politikern, die. begünstigt durch die Zurück¬
haltung der eigentlich berufnen Kreise, eine viel zu aufdringliche Rolle im
öffentlichen Leben spielen. Kein andres Land könnte sich eine solche all¬
gemein zugegebne Korruption gefallen lassen, wie sie die Union in einzelnen
ihrer Staaten und vielen ihrer Kommunen duldet. Kein Staatswesen hatte
es wagen dürfen ^ schon ans dein Triebe der Selbsterhaltung heraus nicht -
Unsitten zur Regel werden zu lassen, wie das spoil sMc-in bei den Wahlen
und die rotMon der Ämter.

Aber in einem großen Körper verteilen sich die Schäden über einen weiten
Ren.in; außerdem hängen die einzelnen Glieder der Konföderation recht lose
zusammen, und daher braucht, wenn an einer Stelle Krankheit herrscht, noch
lange nicht der ganze Körper davon ergriffen zu sein. Störungen, durch die
ein kleinerer zentralistischer Staat wahrscheinlich völlig gelähmt würde, verlang¬
samen hier höchstens den Gang der Maschine. Der Fortschritt in, ganzen kann
>"ehe aufgehalten werden. So kraftstrotzend und elastisch, so lebensfähig und
widerstmldsträftig ist diese Nation, daß sie die in reichem Maße vorhandnen
schlechten Säfte doch immer «och auszuscheiden vermag, daß sie spielend Bissen
^'erbaut. an denen eine schwächere Konstitution wohl zu Grunde geh» wurde.

Ein großes Volk kann uur an seinen eignen Fehlern scheitern. Wenn
'nan die Gefahren abwägt, die Amerika ans dem eignen Innern drohn die
ersetzenden, verderblichen Säfte, die in seinen Adern kreisen, wenn man Kräfte
">n Werke sieht die es nach dem Abgrund ziehn möchten, und dagegen all
das Gute, Gesunde. Fördernde und Erhaltende stellt, das zu feinen Gunsten
in die Wagschnle geworfen werden kann, wenn man dabei nicht anßer acht laßt,
daß man es mit einem recht jungen Lebewesen zu tun hat. dessen Fehler sich noch
auswachsen sollen, so wird man zu dem Urteil kommen, daß hente vielleicht kein
Land der Welt einen solchen Vorrat von entwicklungsfähigen und zukunftver-
heißenden Keimen in sich birgt wie die Vereinigten Staaten von Amerika.




Die Deutschen in Rom
Gelo Rciemmel voll (Schluß)

om erschien seitdem den eifrigsten protestantischen Deutschen als
der Sitz des Antichrists. Nachdem die Inquisition dort 1546 ihr
Tribunal aufgeschlagen hatte, war es für sie unter Umstünden
geradezu gefährlich, die glänzende Hauptstadt der Hochrenaissance
zu betreten, und sie verlor auch an innerer Anzichnngskrafc,
ehr die Jesuiten den freien Humanismus erwürgten.

Während deutsche Juristen uoch bis ins siebzehnte Jahrhundert hinein


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[0773] Wenig Kautelen gegen leichtfertige, ja geradezu schädliche Gesetze, Nirgends in der zivilisierten Welt sind die Besten der Nation so indifferent in politischen Dingen wie dort, halten sie sich in unverantwortlicher Gleichgiltigkeit so fern vom Staatsdienst und überlassen die Wahlmache und Ämterbesetzung so sehr einer Koterie von professionellen Politikern, die. begünstigt durch die Zurück¬ haltung der eigentlich berufnen Kreise, eine viel zu aufdringliche Rolle im öffentlichen Leben spielen. Kein andres Land könnte sich eine solche all¬ gemein zugegebne Korruption gefallen lassen, wie sie die Union in einzelnen ihrer Staaten und vielen ihrer Kommunen duldet. Kein Staatswesen hatte es wagen dürfen ^ schon ans dein Triebe der Selbsterhaltung heraus nicht - Unsitten zur Regel werden zu lassen, wie das spoil sMc-in bei den Wahlen und die rotMon der Ämter. Aber in einem großen Körper verteilen sich die Schäden über einen weiten Ren.in; außerdem hängen die einzelnen Glieder der Konföderation recht lose zusammen, und daher braucht, wenn an einer Stelle Krankheit herrscht, noch lange nicht der ganze Körper davon ergriffen zu sein. Störungen, durch die ein kleinerer zentralistischer Staat wahrscheinlich völlig gelähmt würde, verlang¬ samen hier höchstens den Gang der Maschine. Der Fortschritt in, ganzen kann >"ehe aufgehalten werden. So kraftstrotzend und elastisch, so lebensfähig und widerstmldsträftig ist diese Nation, daß sie die in reichem Maße vorhandnen schlechten Säfte doch immer «och auszuscheiden vermag, daß sie spielend Bissen ^'erbaut. an denen eine schwächere Konstitution wohl zu Grunde geh» wurde. Ein großes Volk kann uur an seinen eignen Fehlern scheitern. Wenn 'nan die Gefahren abwägt, die Amerika ans dem eignen Innern drohn die ersetzenden, verderblichen Säfte, die in seinen Adern kreisen, wenn man Kräfte ">n Werke sieht die es nach dem Abgrund ziehn möchten, und dagegen all das Gute, Gesunde. Fördernde und Erhaltende stellt, das zu feinen Gunsten in die Wagschnle geworfen werden kann, wenn man dabei nicht anßer acht laßt, daß man es mit einem recht jungen Lebewesen zu tun hat. dessen Fehler sich noch auswachsen sollen, so wird man zu dem Urteil kommen, daß hente vielleicht kein Land der Welt einen solchen Vorrat von entwicklungsfähigen und zukunftver- heißenden Keimen in sich birgt wie die Vereinigten Staaten von Amerika. Die Deutschen in Rom Gelo Rciemmel voll (Schluß) om erschien seitdem den eifrigsten protestantischen Deutschen als der Sitz des Antichrists. Nachdem die Inquisition dort 1546 ihr Tribunal aufgeschlagen hatte, war es für sie unter Umstünden geradezu gefährlich, die glänzende Hauptstadt der Hochrenaissance zu betreten, und sie verlor auch an innerer Anzichnngskrafc, ehr die Jesuiten den freien Humanismus erwürgten. Während deutsche Juristen uoch bis ins siebzehnte Jahrhundert hinein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/773>, abgerufen am 24.11.2024.