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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Die Deutschen in Rom
Gelo Acicmmel veri

u keiner fremden Stadt hat das deutsche Volk ein so enges und
dauerndes Verhältnis gehabt wie zu Rom, und wiederum hat
Rom zu keinen, andern fremden Volk in so nahen Beziehungen
gestanden wie zu den Deutschen. Von der germanischen Kaiser¬
garde des Augustus an führt eine ununterbrochne Kette bis ans
Kaiser Wilhelm den Zweiten. Auch andre Volker haben Rom gelegentlich
erobert und beherrscht, die Normannen Robert Guiskcirds 1084, die Spanier
Karls des Fünften 1527, die Franzosen 1849, und diese haben sogar mit
kurzer Unterbrechung bis zum Juli 1870 dort gestanden, bis Deutschland mit
seinen siegreichen Waffen abermals das Geschick der "ewigen Stadt" bestimmte;
aber dauernd und zu Recht beherrscht haben sie nnr deutsche Könige als
römische Kaiser, als die anerkannten Nachfolger der Cüsaren, Keine der großen
Nativnalkirchen des Mittelalters hat mit Rom und dem Papsttum so nahe
zusammengehangen, wie die deutsche seit Otto dem Großen, denn dieser be¬
gründete seine Reichsverfassung auf die deutsche Kirche als auf die einzige
Kultnrmacht der Zeit und behandelte deshalb den Papst als den ersten Bischof
des deutsch-italienischen Reichs; und wiederum das Papsttum hat nirgends
tiefer in die innern Verhältnisse des Landes eingegriffen als in Deutschland,
freilich zuletzt zu seinem eignen und der Kirche schwerem Unheil. Denn die
Empörung des deutschen Gemüts über römische Aufsaugung und römische
Frivolität riß die Germanen zum größten Teil von Rom los, zerstörte eine
achthnndcrtjührige Verbindung, gestaltete freilich auch das Verhältnis der
katholischen Deutschen zu Rom nur um so enger. Zwei Jahrhunderte mußten
vergehn, ehe auch die protestantischen Deutschen den Weg nach Rom wieder
fanden, aber dann suchten sie dort nicht die Kirche, souderu die Denkmäler
des Altertums und der Renaissance, und das neue Band, das sie mit Rom
verknüpfte, war und ist ein rein geistiges.

Dieses höchst interessante Thema, die mehr als tausendjährige Geschichte
der Deutschen in Rom hat jetzt ein deutscher, lange in Rom lebender Schrift¬
steller, Georg von Grävcnitz, zum Gegenstand eines interessanten und tüchtigen


Grenzboten > 19N!j L8


Die Deutschen in Rom
Gelo Acicmmel veri

u keiner fremden Stadt hat das deutsche Volk ein so enges und
dauerndes Verhältnis gehabt wie zu Rom, und wiederum hat
Rom zu keinen, andern fremden Volk in so nahen Beziehungen
gestanden wie zu den Deutschen. Von der germanischen Kaiser¬
garde des Augustus an führt eine ununterbrochne Kette bis ans
Kaiser Wilhelm den Zweiten. Auch andre Volker haben Rom gelegentlich
erobert und beherrscht, die Normannen Robert Guiskcirds 1084, die Spanier
Karls des Fünften 1527, die Franzosen 1849, und diese haben sogar mit
kurzer Unterbrechung bis zum Juli 1870 dort gestanden, bis Deutschland mit
seinen siegreichen Waffen abermals das Geschick der „ewigen Stadt" bestimmte;
aber dauernd und zu Recht beherrscht haben sie nnr deutsche Könige als
römische Kaiser, als die anerkannten Nachfolger der Cüsaren, Keine der großen
Nativnalkirchen des Mittelalters hat mit Rom und dem Papsttum so nahe
zusammengehangen, wie die deutsche seit Otto dem Großen, denn dieser be¬
gründete seine Reichsverfassung auf die deutsche Kirche als auf die einzige
Kultnrmacht der Zeit und behandelte deshalb den Papst als den ersten Bischof
des deutsch-italienischen Reichs; und wiederum das Papsttum hat nirgends
tiefer in die innern Verhältnisse des Landes eingegriffen als in Deutschland,
freilich zuletzt zu seinem eignen und der Kirche schwerem Unheil. Denn die
Empörung des deutschen Gemüts über römische Aufsaugung und römische
Frivolität riß die Germanen zum größten Teil von Rom los, zerstörte eine
achthnndcrtjührige Verbindung, gestaltete freilich auch das Verhältnis der
katholischen Deutschen zu Rom nur um so enger. Zwei Jahrhunderte mußten
vergehn, ehe auch die protestantischen Deutschen den Weg nach Rom wieder
fanden, aber dann suchten sie dort nicht die Kirche, souderu die Denkmäler
des Altertums und der Renaissance, und das neue Band, das sie mit Rom
verknüpfte, war und ist ein rein geistiges.

Dieses höchst interessante Thema, die mehr als tausendjährige Geschichte
der Deutschen in Rom hat jetzt ein deutscher, lange in Rom lebender Schrift¬
steller, Georg von Grävcnitz, zum Gegenstand eines interessanten und tüchtigen


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[0697] [Abbildung] Die Deutschen in Rom Gelo Acicmmel veri u keiner fremden Stadt hat das deutsche Volk ein so enges und dauerndes Verhältnis gehabt wie zu Rom, und wiederum hat Rom zu keinen, andern fremden Volk in so nahen Beziehungen gestanden wie zu den Deutschen. Von der germanischen Kaiser¬ garde des Augustus an führt eine ununterbrochne Kette bis ans Kaiser Wilhelm den Zweiten. Auch andre Volker haben Rom gelegentlich erobert und beherrscht, die Normannen Robert Guiskcirds 1084, die Spanier Karls des Fünften 1527, die Franzosen 1849, und diese haben sogar mit kurzer Unterbrechung bis zum Juli 1870 dort gestanden, bis Deutschland mit seinen siegreichen Waffen abermals das Geschick der „ewigen Stadt" bestimmte; aber dauernd und zu Recht beherrscht haben sie nnr deutsche Könige als römische Kaiser, als die anerkannten Nachfolger der Cüsaren, Keine der großen Nativnalkirchen des Mittelalters hat mit Rom und dem Papsttum so nahe zusammengehangen, wie die deutsche seit Otto dem Großen, denn dieser be¬ gründete seine Reichsverfassung auf die deutsche Kirche als auf die einzige Kultnrmacht der Zeit und behandelte deshalb den Papst als den ersten Bischof des deutsch-italienischen Reichs; und wiederum das Papsttum hat nirgends tiefer in die innern Verhältnisse des Landes eingegriffen als in Deutschland, freilich zuletzt zu seinem eignen und der Kirche schwerem Unheil. Denn die Empörung des deutschen Gemüts über römische Aufsaugung und römische Frivolität riß die Germanen zum größten Teil von Rom los, zerstörte eine achthnndcrtjührige Verbindung, gestaltete freilich auch das Verhältnis der katholischen Deutschen zu Rom nur um so enger. Zwei Jahrhunderte mußten vergehn, ehe auch die protestantischen Deutschen den Weg nach Rom wieder fanden, aber dann suchten sie dort nicht die Kirche, souderu die Denkmäler des Altertums und der Renaissance, und das neue Band, das sie mit Rom verknüpfte, war und ist ein rein geistiges. Dieses höchst interessante Thema, die mehr als tausendjährige Geschichte der Deutschen in Rom hat jetzt ein deutscher, lange in Rom lebender Schrift¬ steller, Georg von Grävcnitz, zum Gegenstand eines interessanten und tüchtigen Grenzboten > 19N!j L8

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/697>, abgerufen am 24.11.2024.