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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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so reich, und es war für die. die in dieser weichen und duftigen Treibhausatmo-
sphäre aufwuchsen, so verwöhnend, daß es mich nicht gewundert hätte zu hören,
die jungen Leute hätten, wenn sie herauskamen, die Welt draußen in der ersten
Zeit ein wenig hartkantig und rücksichtslos gefunden. Für deu in der Familie
herrschende" Ton, der von dem Onkel ausging und von seiner Gattin und den
unmutigsten Fioritnren geschmückt wurde, spricht am deutlichsten der Umstand, daß
w Forksdorf sogar der Hauslehrer und die Gouvernante froh und glücklich waren.
In unbestrittener Alleinherrschaft wurde das Haus regiert von dem jüngsten ein
bis anderthalb Jahr alten Töchterchen, das Wie die Mutter Nadiegeda hieß. Die
Zügel führte hierbei deren alte Wartefrau, die auch für die Pflege und Wartung
der übrigen Kinder der Mutter zur Hand gegangen war und nun durch die ehren¬
volle Stellung eines völlig unverantwortlichen und dabei das höchste Ansehen ge-
nießenden Premierministers für die geleisteten Dienste belohnt wurde. Am Tage
nach meiner Ankunft wurde mir jubelnd und mit einer Wichtigkeit, die ich
damals noch nicht recht verstand, mitgeteilt, die alte Frau habe sich günstig
über mich ausgesprochen. Da man nicht vorauswissen konnte, was ihr Urteil ein
würde, so hatte man auch in meinem Falle dem Orakelspruch mit bangen Zweifeln
entgegengesehen, und da ich nnn ihr Planet hatte, war alles gut: man konnte sich
ungetrübter Freude über meine Ankunft hingeben. Nur zwei wichtigen Personen
gegenüber ist es mir -- das will ich hier bemerken, damit man sieht, daß auch
'n Pommern dafür Sorge getragen ist, daß die Bäume nicht in den Himmel
wachsen -- nicht gelungen, das Eis ihrer Bedenken gegen meine Person zu brechen:
dem Förster und dem Schäfer. Beim Schäfer hing die Sache, glaube ich. mit
astrologischen Warnungen zusammen, die ihm der gestirnte Himmel in der wich
"ach meiner Ankunft erteilt hatte; der Förster konnte mir das Fiasko einer Jagd auf
Wildente", an dem ich allerdings Schuld trug, nicht verzeihen: unter wie schwierigen
Umständen ich diese geflügelten Kobolde erlegen sollte und nicht erlegte wird der
Leser erfahren. Damit gleich von vornherein alles Schmerzliche gebührende Er¬
wähnung finde, und dann nur des Lebens Süßigkeit für den Rest meines Berichts
verbleibe, n.nß ich reuig bekennen, daß ich das Wohlwollen der mir aufangs ge¬
wognen Psarrersgattin dadurch verscherzte, daß ich bei einem Nachmittagskaffee. zu
dem sie mich nebst andern einzuladen die Güte hatte, einschlief. Meine ^ante, die
einen ausgesprochnen Sinn für harmlose Komik hatte, war am Abend dieses ver¬
hängnisvollen Nachmittags, als wir zurück waren und dem Onkel berichteten, in
der größten Erstickungsgefahr, so oft sie sich die Situation, über die natürlich in
schonender Weise weggeglitten worden war, vergegenwärtigte. Zu meiner Ent¬
schuldigung muß ich sagen, daß mich die pommersche Luft ermüdete, und dann war
^ mir. wenn ich den Gesprächen, die geführt wurden, lauschte, immer, als horte
ich den Sand von den Radspeichen wie im Pudaglaer Forst eintönig singend herab¬
rinnen: alle, alle, Ruhe, Ruhe, aus, aus. Die gute Dame hat mir und dem Schlaf-
gotte nie verziehen: als ich ihr v^r meinem Weggange von Forksdorf meine letzte
Aufwartung machte, war ihre Haltung würdevoll aber -- kühl.

Die beideu Tektosaqeu Waren leider nicht da: entweder dienten s.e ihrem
König schou mit dem Degen, oder sie bereiteten sich dazu vor. Auch der dritte
Erließ uns nach einigen Wochen, um in eine Geistesschmiede ich glaube "ach
Anklam, zurückzugehen Der Schmerz, den ich mit ihm empfand, als er sich mit
männlichem Mute von deu Eltern und den Geschwistern losreißen mußte überstieg
bei weitem, was ich je am Ferieuschluß auf eigne Rechnung an Betrübnis em¬
pfunden hatte. Ich hatte ihn soweit begleitet, wie ihn der Wagen bringen sollte,
ich glaube, bis Wolgast, und als ich allem zurückkehrte, waren die Schwestern in
Tränen, und ich hatte den Eindruck, einem Exilierten das Konntat bis halb nach
Sibirien gegeben zu haben. Seine Schritte und die der beiden andern abwesenden
Brüder wurden nun oft von den jungen Damen gehört, und ich wurde niemand
geraten haben, die Wirklichkeit dieser Wahrnehmungen in Zweifel zu ziehw


so reich, und es war für die. die in dieser weichen und duftigen Treibhausatmo-
sphäre aufwuchsen, so verwöhnend, daß es mich nicht gewundert hätte zu hören,
die jungen Leute hätten, wenn sie herauskamen, die Welt draußen in der ersten
Zeit ein wenig hartkantig und rücksichtslos gefunden. Für deu in der Familie
herrschende» Ton, der von dem Onkel ausging und von seiner Gattin und den
unmutigsten Fioritnren geschmückt wurde, spricht am deutlichsten der Umstand, daß
w Forksdorf sogar der Hauslehrer und die Gouvernante froh und glücklich waren.
In unbestrittener Alleinherrschaft wurde das Haus regiert von dem jüngsten ein
bis anderthalb Jahr alten Töchterchen, das Wie die Mutter Nadiegeda hieß. Die
Zügel führte hierbei deren alte Wartefrau, die auch für die Pflege und Wartung
der übrigen Kinder der Mutter zur Hand gegangen war und nun durch die ehren¬
volle Stellung eines völlig unverantwortlichen und dabei das höchste Ansehen ge-
nießenden Premierministers für die geleisteten Dienste belohnt wurde. Am Tage
nach meiner Ankunft wurde mir jubelnd und mit einer Wichtigkeit, die ich
damals noch nicht recht verstand, mitgeteilt, die alte Frau habe sich günstig
über mich ausgesprochen. Da man nicht vorauswissen konnte, was ihr Urteil ein
würde, so hatte man auch in meinem Falle dem Orakelspruch mit bangen Zweifeln
entgegengesehen, und da ich nnn ihr Planet hatte, war alles gut: man konnte sich
ungetrübter Freude über meine Ankunft hingeben. Nur zwei wichtigen Personen
gegenüber ist es mir — das will ich hier bemerken, damit man sieht, daß auch
'n Pommern dafür Sorge getragen ist, daß die Bäume nicht in den Himmel
wachsen — nicht gelungen, das Eis ihrer Bedenken gegen meine Person zu brechen:
dem Förster und dem Schäfer. Beim Schäfer hing die Sache, glaube ich. mit
astrologischen Warnungen zusammen, die ihm der gestirnte Himmel in der wich
«ach meiner Ankunft erteilt hatte; der Förster konnte mir das Fiasko einer Jagd auf
Wildente», an dem ich allerdings Schuld trug, nicht verzeihen: unter wie schwierigen
Umständen ich diese geflügelten Kobolde erlegen sollte und nicht erlegte wird der
Leser erfahren. Damit gleich von vornherein alles Schmerzliche gebührende Er¬
wähnung finde, und dann nur des Lebens Süßigkeit für den Rest meines Berichts
verbleibe, n.nß ich reuig bekennen, daß ich das Wohlwollen der mir aufangs ge¬
wognen Psarrersgattin dadurch verscherzte, daß ich bei einem Nachmittagskaffee. zu
dem sie mich nebst andern einzuladen die Güte hatte, einschlief. Meine ^ante, die
einen ausgesprochnen Sinn für harmlose Komik hatte, war am Abend dieses ver¬
hängnisvollen Nachmittags, als wir zurück waren und dem Onkel berichteten, in
der größten Erstickungsgefahr, so oft sie sich die Situation, über die natürlich in
schonender Weise weggeglitten worden war, vergegenwärtigte. Zu meiner Ent¬
schuldigung muß ich sagen, daß mich die pommersche Luft ermüdete, und dann war
^ mir. wenn ich den Gesprächen, die geführt wurden, lauschte, immer, als horte
ich den Sand von den Radspeichen wie im Pudaglaer Forst eintönig singend herab¬
rinnen: alle, alle, Ruhe, Ruhe, aus, aus. Die gute Dame hat mir und dem Schlaf-
gotte nie verziehen: als ich ihr v^r meinem Weggange von Forksdorf meine letzte
Aufwartung machte, war ihre Haltung würdevoll aber — kühl.

Die beideu Tektosaqeu Waren leider nicht da: entweder dienten s.e ihrem
König schou mit dem Degen, oder sie bereiteten sich dazu vor. Auch der dritte
Erließ uns nach einigen Wochen, um in eine Geistesschmiede ich glaube »ach
Anklam, zurückzugehen Der Schmerz, den ich mit ihm empfand, als er sich mit
männlichem Mute von deu Eltern und den Geschwistern losreißen mußte überstieg
bei weitem, was ich je am Ferieuschluß auf eigne Rechnung an Betrübnis em¬
pfunden hatte. Ich hatte ihn soweit begleitet, wie ihn der Wagen bringen sollte,
ich glaube, bis Wolgast, und als ich allem zurückkehrte, waren die Schwestern in
Tränen, und ich hatte den Eindruck, einem Exilierten das Konntat bis halb nach
Sibirien gegeben zu haben. Seine Schritte und die der beiden andern abwesenden
Brüder wurden nun oft von den jungen Damen gehört, und ich wurde niemand
geraten haben, die Wirklichkeit dieser Wahrnehmungen in Zweifel zu ziehw


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[0675] so reich, und es war für die. die in dieser weichen und duftigen Treibhausatmo- sphäre aufwuchsen, so verwöhnend, daß es mich nicht gewundert hätte zu hören, die jungen Leute hätten, wenn sie herauskamen, die Welt draußen in der ersten Zeit ein wenig hartkantig und rücksichtslos gefunden. Für deu in der Familie herrschende» Ton, der von dem Onkel ausging und von seiner Gattin und den unmutigsten Fioritnren geschmückt wurde, spricht am deutlichsten der Umstand, daß w Forksdorf sogar der Hauslehrer und die Gouvernante froh und glücklich waren. In unbestrittener Alleinherrschaft wurde das Haus regiert von dem jüngsten ein bis anderthalb Jahr alten Töchterchen, das Wie die Mutter Nadiegeda hieß. Die Zügel führte hierbei deren alte Wartefrau, die auch für die Pflege und Wartung der übrigen Kinder der Mutter zur Hand gegangen war und nun durch die ehren¬ volle Stellung eines völlig unverantwortlichen und dabei das höchste Ansehen ge- nießenden Premierministers für die geleisteten Dienste belohnt wurde. Am Tage nach meiner Ankunft wurde mir jubelnd und mit einer Wichtigkeit, die ich damals noch nicht recht verstand, mitgeteilt, die alte Frau habe sich günstig über mich ausgesprochen. Da man nicht vorauswissen konnte, was ihr Urteil ein würde, so hatte man auch in meinem Falle dem Orakelspruch mit bangen Zweifeln entgegengesehen, und da ich nnn ihr Planet hatte, war alles gut: man konnte sich ungetrübter Freude über meine Ankunft hingeben. Nur zwei wichtigen Personen gegenüber ist es mir — das will ich hier bemerken, damit man sieht, daß auch 'n Pommern dafür Sorge getragen ist, daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen — nicht gelungen, das Eis ihrer Bedenken gegen meine Person zu brechen: dem Förster und dem Schäfer. Beim Schäfer hing die Sache, glaube ich. mit astrologischen Warnungen zusammen, die ihm der gestirnte Himmel in der wich «ach meiner Ankunft erteilt hatte; der Förster konnte mir das Fiasko einer Jagd auf Wildente», an dem ich allerdings Schuld trug, nicht verzeihen: unter wie schwierigen Umständen ich diese geflügelten Kobolde erlegen sollte und nicht erlegte wird der Leser erfahren. Damit gleich von vornherein alles Schmerzliche gebührende Er¬ wähnung finde, und dann nur des Lebens Süßigkeit für den Rest meines Berichts verbleibe, n.nß ich reuig bekennen, daß ich das Wohlwollen der mir aufangs ge¬ wognen Psarrersgattin dadurch verscherzte, daß ich bei einem Nachmittagskaffee. zu dem sie mich nebst andern einzuladen die Güte hatte, einschlief. Meine ^ante, die einen ausgesprochnen Sinn für harmlose Komik hatte, war am Abend dieses ver¬ hängnisvollen Nachmittags, als wir zurück waren und dem Onkel berichteten, in der größten Erstickungsgefahr, so oft sie sich die Situation, über die natürlich in schonender Weise weggeglitten worden war, vergegenwärtigte. Zu meiner Ent¬ schuldigung muß ich sagen, daß mich die pommersche Luft ermüdete, und dann war ^ mir. wenn ich den Gesprächen, die geführt wurden, lauschte, immer, als horte ich den Sand von den Radspeichen wie im Pudaglaer Forst eintönig singend herab¬ rinnen: alle, alle, Ruhe, Ruhe, aus, aus. Die gute Dame hat mir und dem Schlaf- gotte nie verziehen: als ich ihr v^r meinem Weggange von Forksdorf meine letzte Aufwartung machte, war ihre Haltung würdevoll aber — kühl. Die beideu Tektosaqeu Waren leider nicht da: entweder dienten s.e ihrem König schou mit dem Degen, oder sie bereiteten sich dazu vor. Auch der dritte Erließ uns nach einigen Wochen, um in eine Geistesschmiede ich glaube »ach Anklam, zurückzugehen Der Schmerz, den ich mit ihm empfand, als er sich mit männlichem Mute von deu Eltern und den Geschwistern losreißen mußte überstieg bei weitem, was ich je am Ferieuschluß auf eigne Rechnung an Betrübnis em¬ pfunden hatte. Ich hatte ihn soweit begleitet, wie ihn der Wagen bringen sollte, ich glaube, bis Wolgast, und als ich allem zurückkehrte, waren die Schwestern in Tränen, und ich hatte den Eindruck, einem Exilierten das Konntat bis halb nach Sibirien gegeben zu haben. Seine Schritte und die der beiden andern abwesenden Brüder wurden nun oft von den jungen Damen gehört, und ich wurde niemand geraten haben, die Wirklichkeit dieser Wahrnehmungen in Zweifel zu ziehw

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/675>, abgerufen am 28.07.2024.