Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.<Lin 5ommernrlaul> in j)omnem und Friedrich Wilhelm, der wieder seinen Damenreitsattelsitz mir gegenüber ein¬ Er hatte mir übrigens, sobald wir in bewohntere Gegenden gekommen waren, War es mir schon unmöglich gewesen, bei der Abfahrt ans Lindemanns Hotel <Lin 5ommernrlaul> in j)omnem und Friedrich Wilhelm, der wieder seinen Damenreitsattelsitz mir gegenüber ein¬ Er hatte mir übrigens, sobald wir in bewohntere Gegenden gekommen waren, War es mir schon unmöglich gewesen, bei der Abfahrt ans Lindemanns Hotel <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0674" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/240230"/> <fw type="header" place="top"> <Lin 5ommernrlaul> in j)omnem</fw><lb/> <p xml:id="ID_3595" prev="#ID_3594"> und Friedrich Wilhelm, der wieder seinen Damenreitsattelsitz mir gegenüber ein¬<lb/> genommen hatte, schloß mir sein Herz auf, worin, wie dies bisweilen auf dem<lb/> Lande, ja sogar auch in der Stadt vorkommen soll, ans allen Altären ein und das¬<lb/> selbe weibliche Wesen ausschließlich verehrt wurde. Sie hieß Pauline, und Friedrich<lb/> Wilhelm hatte den Wunsch, sie je eher je lieber heimzuführen, aber er getraute sich<lb/> uicht, den „gnädigen Herrn" darum anzusprechen, weil sich der — so drückte er<lb/> sich aus — „zu sehr wundern" werde. Ob dem Oheim nach dem damaligen<lb/> dortigen Recht wirklich ein Veto zustand, oder ob es uur darauf hinauslief, daß<lb/> er einem Knechte, der sich gegen seinen, des Gutsherrn Wunsch verheiratete, am<lb/> Ende des Jahres den Stuhl vor die Tür hätte setzen können, weiß ich nicht, genug,<lb/> daß Friedrich Wilhelm vou der Unentbehrlichkeit des gutsherrlichen Konsenses über¬<lb/> zeugt war und sich bisher uicht hatte entschließen können, eine Bitte vorzubringen,<lb/> von der er — mit Recht oder Unrecht — glaubte, Herr von Fork werde sich darüber<lb/> „sehr wundern." Ich hatte in den letzten Jahren sowohl in streitigen Zivilsachen<lb/> als im Gesindepolizcifache gearbeitet, und ich konnte nicht recht einsehen, woher die<lb/> Verwunderung des Gutsherrn über einen Fall herkommen sollte, der doch auch in<lb/> Forksdorf nicht zu den Seltenheiten gehören konnte, aber da ich das Terrain nicht<lb/> kannte und nicht wußte, inwieweit Tante Nadiegedas Gatte in solchen Dingen<lb/> seine eignen Ansichten haben mochte, so nahm ich mir vor, mich vor allem vor¬<lb/> sichtig zu orientieren, und wein, ich fände, daß die Asche zu heiß sei, es dem guten<lb/> Friedrich Wilhelm zu überlassen, die Kastanien lieber selbst von, Herde zu holen.</p><lb/> <p xml:id="ID_3596"> Er hatte mir übrigens, sobald wir in bewohntere Gegenden gekommen waren,<lb/> seine Gesellschaft entzogen und war, nachdem sie beide die Kirchcnröcke losgeschnürt<lb/> und angezogen hatten, wieder zu Pferd gestiegen; wir hatten Ziunowitz passiert<lb/> und hatten uns schon ein gutes Stück im Sande der Forkschen Halbinsel vorwärts<lb/> gearbeitet, als er sich mit unglaublicher Behendigkeit aus dem Sattel schwang, um<lb/> nur flüsternd und grinsend die Mitteilung zu machen, dort vorn rechts, wo das<lb/> Haferfeld anfange, stehe auf dem Raine — Pauline. Können Sie sie sehen? An<lb/> jedem Arm hat sie einen Handkorb: sie hat den Schnittern das Halbabendbrot<lb/> gebracht. Er war im Nu fort und längst schon wieder auf seinem Gaule, als wir<lb/> — die Fuhre ging noch immer Schritt — an die Haferfeldecke kamen und ich —<lb/> Pauline sah. Ich hätte sie eher für seine Großmutter als für seiue Braut, am<lb/> liebsten aber für seine Mutter gehalten. Nun war mir alles klar, und als er<lb/> nochmals kam, um mich zu fragen, ob ich sie gesehen hätte, machte ich ihm den<lb/> Vorschlag, ich wolle mit dem „gnädigen Herrn" sprechen, was er mit größter<lb/> Freude und geradezu feurigem Danke annahm. Der Oheim War, wie dem Leser<lb/> schon jetzt gesagt werden kann, der beste, einsichtigste, wohlwollendste Mensch unter<lb/> der Sonne, der für jeden gemütlichen Scherz wie für jedes feinere Gefühl volles<lb/> Verständnis hatte. Er dekretierte, daß ich nicht eher wieder fort dürfe als nach<lb/> Friedrich Wilhelms Hochzeit, die er selbst ausrichten wolle, und bei der ich der<lb/> eine der beiden Brautführer sein müsse. So geschah es auch wirklich, und als ich<lb/> nach der Kirche mit dem Pfarrer über die Sache sprach und Friedrich Wilhelms<lb/> spaßhafte Verlegenheit nochmals erwähnte, sagte der erfahrne Mann mit einer feinen<lb/> Wendung: die Initiative war offenbar von ihr ausgegangen; daß das jedem klar<lb/> sein mußte, war das, was ihn bei der Sache so verlegen machte.</p><lb/> <p xml:id="ID_3597" next="#ID_3598"> War es mir schon unmöglich gewesen, bei der Abfahrt ans Lindemanns Hotel<lb/> eine würdevolle Haltung zu bewahren, so war das bei der Ankunft in Forksdorf<lb/> noch ungleich schwieriger, weil hier das Manövergelände weit kupierter war als in<lb/> Heringsdorf. Laxionti sat. Das Haus, einstöckig mit einem Giebelausvau im Dach,<lb/> wo ich nach vornheraus hauste, war innen so behaglich, so solid und Praktisch ein¬<lb/> gerichtet wie möglich, aber zwischen der Dorfstraße, an der es lag, und der ^.vouuö<lb/> 6u Lois Louloxno war, was die Härte, Ebenheit und Glätte des Straßenkörpers<lb/> anlangte, ein kaum wegzuleugnender Unterschied. Das Haus war, wie wenige,<lb/> voll freundschaftlichen Wohlwollens und verwandtschaftlicher Liebe, ja es war daran</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0674]
<Lin 5ommernrlaul> in j)omnem
und Friedrich Wilhelm, der wieder seinen Damenreitsattelsitz mir gegenüber ein¬
genommen hatte, schloß mir sein Herz auf, worin, wie dies bisweilen auf dem
Lande, ja sogar auch in der Stadt vorkommen soll, ans allen Altären ein und das¬
selbe weibliche Wesen ausschließlich verehrt wurde. Sie hieß Pauline, und Friedrich
Wilhelm hatte den Wunsch, sie je eher je lieber heimzuführen, aber er getraute sich
uicht, den „gnädigen Herrn" darum anzusprechen, weil sich der — so drückte er
sich aus — „zu sehr wundern" werde. Ob dem Oheim nach dem damaligen
dortigen Recht wirklich ein Veto zustand, oder ob es uur darauf hinauslief, daß
er einem Knechte, der sich gegen seinen, des Gutsherrn Wunsch verheiratete, am
Ende des Jahres den Stuhl vor die Tür hätte setzen können, weiß ich nicht, genug,
daß Friedrich Wilhelm vou der Unentbehrlichkeit des gutsherrlichen Konsenses über¬
zeugt war und sich bisher uicht hatte entschließen können, eine Bitte vorzubringen,
von der er — mit Recht oder Unrecht — glaubte, Herr von Fork werde sich darüber
„sehr wundern." Ich hatte in den letzten Jahren sowohl in streitigen Zivilsachen
als im Gesindepolizcifache gearbeitet, und ich konnte nicht recht einsehen, woher die
Verwunderung des Gutsherrn über einen Fall herkommen sollte, der doch auch in
Forksdorf nicht zu den Seltenheiten gehören konnte, aber da ich das Terrain nicht
kannte und nicht wußte, inwieweit Tante Nadiegedas Gatte in solchen Dingen
seine eignen Ansichten haben mochte, so nahm ich mir vor, mich vor allem vor¬
sichtig zu orientieren, und wein, ich fände, daß die Asche zu heiß sei, es dem guten
Friedrich Wilhelm zu überlassen, die Kastanien lieber selbst von, Herde zu holen.
Er hatte mir übrigens, sobald wir in bewohntere Gegenden gekommen waren,
seine Gesellschaft entzogen und war, nachdem sie beide die Kirchcnröcke losgeschnürt
und angezogen hatten, wieder zu Pferd gestiegen; wir hatten Ziunowitz passiert
und hatten uns schon ein gutes Stück im Sande der Forkschen Halbinsel vorwärts
gearbeitet, als er sich mit unglaublicher Behendigkeit aus dem Sattel schwang, um
nur flüsternd und grinsend die Mitteilung zu machen, dort vorn rechts, wo das
Haferfeld anfange, stehe auf dem Raine — Pauline. Können Sie sie sehen? An
jedem Arm hat sie einen Handkorb: sie hat den Schnittern das Halbabendbrot
gebracht. Er war im Nu fort und längst schon wieder auf seinem Gaule, als wir
— die Fuhre ging noch immer Schritt — an die Haferfeldecke kamen und ich —
Pauline sah. Ich hätte sie eher für seine Großmutter als für seiue Braut, am
liebsten aber für seine Mutter gehalten. Nun war mir alles klar, und als er
nochmals kam, um mich zu fragen, ob ich sie gesehen hätte, machte ich ihm den
Vorschlag, ich wolle mit dem „gnädigen Herrn" sprechen, was er mit größter
Freude und geradezu feurigem Danke annahm. Der Oheim War, wie dem Leser
schon jetzt gesagt werden kann, der beste, einsichtigste, wohlwollendste Mensch unter
der Sonne, der für jeden gemütlichen Scherz wie für jedes feinere Gefühl volles
Verständnis hatte. Er dekretierte, daß ich nicht eher wieder fort dürfe als nach
Friedrich Wilhelms Hochzeit, die er selbst ausrichten wolle, und bei der ich der
eine der beiden Brautführer sein müsse. So geschah es auch wirklich, und als ich
nach der Kirche mit dem Pfarrer über die Sache sprach und Friedrich Wilhelms
spaßhafte Verlegenheit nochmals erwähnte, sagte der erfahrne Mann mit einer feinen
Wendung: die Initiative war offenbar von ihr ausgegangen; daß das jedem klar
sein mußte, war das, was ihn bei der Sache so verlegen machte.
War es mir schon unmöglich gewesen, bei der Abfahrt ans Lindemanns Hotel
eine würdevolle Haltung zu bewahren, so war das bei der Ankunft in Forksdorf
noch ungleich schwieriger, weil hier das Manövergelände weit kupierter war als in
Heringsdorf. Laxionti sat. Das Haus, einstöckig mit einem Giebelausvau im Dach,
wo ich nach vornheraus hauste, war innen so behaglich, so solid und Praktisch ein¬
gerichtet wie möglich, aber zwischen der Dorfstraße, an der es lag, und der ^.vouuö
6u Lois Louloxno war, was die Härte, Ebenheit und Glätte des Straßenkörpers
anlangte, ein kaum wegzuleugnender Unterschied. Das Haus war, wie wenige,
voll freundschaftlichen Wohlwollens und verwandtschaftlicher Liebe, ja es war daran
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