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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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den Eiuschützungsbehörden durchaus nicht als "unbequeme Einrichtung" an¬
gesehen, sie ist ihr im Gegenteil zur Klärung der Rechtsfragen und für die
Gleichmäßigkeit des Verfahrens höchst erwünscht. Die "vordem geübte Nach¬
sicht" hat niemand schmerzlicher empfunden als die Beamten der Re¬
gierungen, denen die Ausführung der Vorschriften des alten Einkommensteuer¬
gesetzes oblag.

Auch Gesetze werden alt. Aber sie werden länger jung erhalten bei auf¬
merksamer, vorbeugender Pflege. Wohldurchdachte Organisation der Behörden,
sorgfältige Durchbildung der mit dem Gesetze arbeitenden Beamten, richtige
Auswahl bei der Besetzung der verschiednen Unter und Stärkung der mit er¬
höhter Verantwortlichkeit belasteten Stellen -- das sind die Mittel, die not
tun. Nicht abgebröckelt, nicht gelockert, sondern gebaut, ausgebaut, vorgebaut
muß werdeu.

Die Anzeichen sind vorhanden, daß eine Reorganisation der preußischen
Verwaltungsbehörden nur eine Frage der Zeit ist. Sie wird da sein, sobald
der Mann dafür gefunden und an die berufne Stelle gesetzt ist. Möge dieser
alsdann das Finanzministerium vorbereitet für die Mitarbeit an dem Reform¬
werk finden, gerüstet Vorschläge zu machen und durchzusetzen, geeignet das
Miquelsche Einkommensteuergesetz dem Staate zum Nutzen noch Jahrzehnte
jugendfrisch zu erhalten.




Ernst (Lurtius
(Schluß)

GIMlan vermißte an Curtius politisches Urteil und die volle Herr¬
schaft über die Quellen. Der erste Vorwurf traf in der Tat
die schwächste Seite seines Buchs, wie er denn überhaupt auch
als Person für politische Dinge kein sehr lebendiges Interesse
! hatte, aber es muß auch gesagt werden, daß die Schwäche bei
der knappen Fassung, in die er seine Darstellung zu konzentrieren gezwungen war,
schärfer und störender hervortreten mußte, als es der Fall gewesen wäre, wenn
er, wie Grote und Duncker, auf drei- oder Sechsfachen Raum die Berichte der
Alten hätte ausschreiben und mit ausführlichen kritischem Raisonnement be¬
gleiten können. Dabei bleibt freilich bestehn, daß jene beiden als wirkliche
Politiker anch für die politischen Grundlagen eiuer Geschichtschreibung besser
ausgerüstet waren als er. Auch bei dem zweiten Vorwurf hat man zunächst
die notwendige Kürze der Darstellung entlastend in Anschlag zu bringen, so¬
dann aber die Beschaffenheit der Überlieferung mit dem vielfach umstrittnen
Sinn und Wert ihrer Nachrichten, worüber jemand leicht, ohne seinen Ruf
zu gefährden, die gelehrtesten Untersuchungen anstellen kann, der als Darsteller,
sozusagen als positiver Dogmatiker, eine Meute von Kritikern gegen sich und
seine "Wissenschaftlichkeit" entfesseln würde. Die immerhin vorhandnen Mängel
in der quellenmäßigen Behandlung hätten sich ohne Frage durch die Arbeit


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den Eiuschützungsbehörden durchaus nicht als „unbequeme Einrichtung" an¬
gesehen, sie ist ihr im Gegenteil zur Klärung der Rechtsfragen und für die
Gleichmäßigkeit des Verfahrens höchst erwünscht. Die „vordem geübte Nach¬
sicht" hat niemand schmerzlicher empfunden als die Beamten der Re¬
gierungen, denen die Ausführung der Vorschriften des alten Einkommensteuer¬
gesetzes oblag.

Auch Gesetze werden alt. Aber sie werden länger jung erhalten bei auf¬
merksamer, vorbeugender Pflege. Wohldurchdachte Organisation der Behörden,
sorgfältige Durchbildung der mit dem Gesetze arbeitenden Beamten, richtige
Auswahl bei der Besetzung der verschiednen Unter und Stärkung der mit er¬
höhter Verantwortlichkeit belasteten Stellen — das sind die Mittel, die not
tun. Nicht abgebröckelt, nicht gelockert, sondern gebaut, ausgebaut, vorgebaut
muß werdeu.

Die Anzeichen sind vorhanden, daß eine Reorganisation der preußischen
Verwaltungsbehörden nur eine Frage der Zeit ist. Sie wird da sein, sobald
der Mann dafür gefunden und an die berufne Stelle gesetzt ist. Möge dieser
alsdann das Finanzministerium vorbereitet für die Mitarbeit an dem Reform¬
werk finden, gerüstet Vorschläge zu machen und durchzusetzen, geeignet das
Miquelsche Einkommensteuergesetz dem Staate zum Nutzen noch Jahrzehnte
jugendfrisch zu erhalten.




Ernst (Lurtius
(Schluß)

GIMlan vermißte an Curtius politisches Urteil und die volle Herr¬
schaft über die Quellen. Der erste Vorwurf traf in der Tat
die schwächste Seite seines Buchs, wie er denn überhaupt auch
als Person für politische Dinge kein sehr lebendiges Interesse
! hatte, aber es muß auch gesagt werden, daß die Schwäche bei
der knappen Fassung, in die er seine Darstellung zu konzentrieren gezwungen war,
schärfer und störender hervortreten mußte, als es der Fall gewesen wäre, wenn
er, wie Grote und Duncker, auf drei- oder Sechsfachen Raum die Berichte der
Alten hätte ausschreiben und mit ausführlichen kritischem Raisonnement be¬
gleiten können. Dabei bleibt freilich bestehn, daß jene beiden als wirkliche
Politiker anch für die politischen Grundlagen eiuer Geschichtschreibung besser
ausgerüstet waren als er. Auch bei dem zweiten Vorwurf hat man zunächst
die notwendige Kürze der Darstellung entlastend in Anschlag zu bringen, so¬
dann aber die Beschaffenheit der Überlieferung mit dem vielfach umstrittnen
Sinn und Wert ihrer Nachrichten, worüber jemand leicht, ohne seinen Ruf
zu gefährden, die gelehrtesten Untersuchungen anstellen kann, der als Darsteller,
sozusagen als positiver Dogmatiker, eine Meute von Kritikern gegen sich und
seine „Wissenschaftlichkeit" entfesseln würde. Die immerhin vorhandnen Mängel
in der quellenmäßigen Behandlung hätten sich ohne Frage durch die Arbeit


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[0660] Ernst Lnrtius den Eiuschützungsbehörden durchaus nicht als „unbequeme Einrichtung" an¬ gesehen, sie ist ihr im Gegenteil zur Klärung der Rechtsfragen und für die Gleichmäßigkeit des Verfahrens höchst erwünscht. Die „vordem geübte Nach¬ sicht" hat niemand schmerzlicher empfunden als die Beamten der Re¬ gierungen, denen die Ausführung der Vorschriften des alten Einkommensteuer¬ gesetzes oblag. Auch Gesetze werden alt. Aber sie werden länger jung erhalten bei auf¬ merksamer, vorbeugender Pflege. Wohldurchdachte Organisation der Behörden, sorgfältige Durchbildung der mit dem Gesetze arbeitenden Beamten, richtige Auswahl bei der Besetzung der verschiednen Unter und Stärkung der mit er¬ höhter Verantwortlichkeit belasteten Stellen — das sind die Mittel, die not tun. Nicht abgebröckelt, nicht gelockert, sondern gebaut, ausgebaut, vorgebaut muß werdeu. Die Anzeichen sind vorhanden, daß eine Reorganisation der preußischen Verwaltungsbehörden nur eine Frage der Zeit ist. Sie wird da sein, sobald der Mann dafür gefunden und an die berufne Stelle gesetzt ist. Möge dieser alsdann das Finanzministerium vorbereitet für die Mitarbeit an dem Reform¬ werk finden, gerüstet Vorschläge zu machen und durchzusetzen, geeignet das Miquelsche Einkommensteuergesetz dem Staate zum Nutzen noch Jahrzehnte jugendfrisch zu erhalten. Ernst (Lurtius (Schluß) GIMlan vermißte an Curtius politisches Urteil und die volle Herr¬ schaft über die Quellen. Der erste Vorwurf traf in der Tat die schwächste Seite seines Buchs, wie er denn überhaupt auch als Person für politische Dinge kein sehr lebendiges Interesse ! hatte, aber es muß auch gesagt werden, daß die Schwäche bei der knappen Fassung, in die er seine Darstellung zu konzentrieren gezwungen war, schärfer und störender hervortreten mußte, als es der Fall gewesen wäre, wenn er, wie Grote und Duncker, auf drei- oder Sechsfachen Raum die Berichte der Alten hätte ausschreiben und mit ausführlichen kritischem Raisonnement be¬ gleiten können. Dabei bleibt freilich bestehn, daß jene beiden als wirkliche Politiker anch für die politischen Grundlagen eiuer Geschichtschreibung besser ausgerüstet waren als er. Auch bei dem zweiten Vorwurf hat man zunächst die notwendige Kürze der Darstellung entlastend in Anschlag zu bringen, so¬ dann aber die Beschaffenheit der Überlieferung mit dem vielfach umstrittnen Sinn und Wert ihrer Nachrichten, worüber jemand leicht, ohne seinen Ruf zu gefährden, die gelehrtesten Untersuchungen anstellen kann, der als Darsteller, sozusagen als positiver Dogmatiker, eine Meute von Kritikern gegen sich und seine „Wissenschaftlichkeit" entfesseln würde. Die immerhin vorhandnen Mängel in der quellenmäßigen Behandlung hätten sich ohne Frage durch die Arbeit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/660>, abgerufen am 24.11.2024.