Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Feuer!

gegenber. Schneeflocken spielten in der Luft, und dann fiel wieder Hagel und
feiner Sprühregen, der sich auf dem erstarrten Boden und an allen harten Gegen-
ständen in eine durchsichtige, spiegelglatte Kruste verwandelte. Das Gehn wurde
namentlich auf dem Steinpflaster oft zu einem lebensgefährlichen Unternehmen, und
das Fahren fast zur Unmöglichkeit, denn mit stumpfen Sommereisen waren die
Pferde nicht imstande, auch nur einen Schritt zu machen, und scharfer Winter-
beschlng wurde in einer Stunde stumpf."

Es trieb mich allerdings, von Mahadas "Je eher, je lieber Gebrauch zu
machen. Am Donnerstag Abend wollte ich es tun, aber -- ich hatte in der Nacht
fast gar nicht geruht, am Vormittag mit den Schutzleuten und im Stadttcilhause
zu tun gehabt, und als ich mich am Nachmittag hinlegte, verschlief ich die Zeit.
Am Freitag hatte mich die Untersuchung der Schornsteine länger aufgehalten, als
ich beabsichtigte, und als ich gegen Abend uach Hause kam, naß, durchfroren,
schmutzig und müde wie ein Zwangsarbeiter, mich dann gereinigt, gegessen und
mich erwärmt hatte -- ließ ich mich durch die Gemütlichkeit meines Stübchens
fesseln und verschob den Besuch auf deu folgenden Tag. Dann aber, nach der
Verhandlung im Gericht, wollte ich mich durch nichts abhalten lassen und den Abend
bei deu SsawinskiS zubringen.

Draußen tobte der Nordwind. Meine Fensterscheiben bedeckten sich mit un¬
durchsichtigem Schweiß -- ein Zeichen, daß die Kälte der Luft im Freien zu¬
nahm. Wenn ich den Schweiß von einer Scheibe wegwischte und hinaussah, waren
die Stämme der Obstbäume neben meinem Hänschen die einzigen dunkeln Gegen¬
stände. Alles anßer ihnen stellte sich dem Auge als ununterbrochne weiße Fläche
dar. Es schneite immer stärker und dichter. Ich ging zu Bett und horchte noch
lange auf die Stöße des Windes, der sich zuweilen zum Sturme steigerte und die
Bäume zu entwurzeln oder das Dach wegzutragen drohte, bis mich endlich fester,
gesunder Schlaf umfing.

Das Wetter war still und mild geworden, als ich mich an. Morgen ankleidete,
um zur Gerichtsverhandlung zu gehn. Das Bild auf den Straßen hatte sich seit
gestern vollständig geändert. Trotz des Windes hatte sich der anfänglich feuchte
Schnee gleichmäßig an den gefrornen Boden geheftet, und diese erste Lage hatte die
spätern Flocken aufgehalten und nicht zu stark treiben lassen. So lag die weiße,
blendende Decke, einige Anhäufungen an Straßenecken und vorspringenden Gebäuden
und Zäunen abgerechnet, in der Stadt ziemlich eben. Draußen im Felde mochte
es wohl anders aussehen. Mit freudestrahlenden Gesichtern jagten einige Fuhr¬
leute i" Schlitten auf der frischen Winterbahn an mir vorüber. Sie fuhren niemand.
Sie glitten zu ihrem eignen Vergnügen über deu weichen Schnee hin.

Langsam! rief ich ihnen zu, während sie an die Pelzmützen griffen und vor
innerm Entzücken die breiten weißen Zähne zeigten. Wer erlaubt euch so schnell
zu fahren!

Was denn, Euer Wohlgeboren! sagten sie lachend, Schlittenbahn!

Bei Suskins Schenke bog ich in die Steinstraße, um mich zum Richter zu
begeben. Vor dein dritten Hause zur rechten Hand stand ein langer, hagerer
Mann, guckte zum Himmel empor und wandte dabei den Kopf nach verschiednen
Seiten. Es sah aus, als ob er in der Luft herumschnüffle. Kaum hatte ich das
scharfgeschuittue Gesicht und die in die Luft gereckte schmale Nase wahrgenommen,
als ich schon wußte, wer der Mann war. Der Hühnerhund ans dem Bilde Burins
war nicht zu verkennen. Ich hatte den Lehrer Specht vor mir, den Mann, vor
dem Burin, wie er sagte, jederzeit bereit war, die Mütze abzunehmen. Ich grüßte
im Vorübergehn. Er griff höflich und gewandt an seine Kopfbedeckung. Der kurze,
ungewöhnlich durchdringende Blick, mit dem er mich dabei streifte, charakterisierte
zur Genüge die Gewohnheit des Mannes, genau zu beobachten. Ich war über¬
zeugt, er hatte sich schou durch diesen einzigen Blick seine Meinung über mich
gebildet.

Ob es jetzt wohl Winter bleibt? warf ich flüchtig hin.


Feuer!

gegenber. Schneeflocken spielten in der Luft, und dann fiel wieder Hagel und
feiner Sprühregen, der sich auf dem erstarrten Boden und an allen harten Gegen-
ständen in eine durchsichtige, spiegelglatte Kruste verwandelte. Das Gehn wurde
namentlich auf dem Steinpflaster oft zu einem lebensgefährlichen Unternehmen, und
das Fahren fast zur Unmöglichkeit, denn mit stumpfen Sommereisen waren die
Pferde nicht imstande, auch nur einen Schritt zu machen, und scharfer Winter-
beschlng wurde in einer Stunde stumpf."

Es trieb mich allerdings, von Mahadas „Je eher, je lieber Gebrauch zu
machen. Am Donnerstag Abend wollte ich es tun, aber — ich hatte in der Nacht
fast gar nicht geruht, am Vormittag mit den Schutzleuten und im Stadttcilhause
zu tun gehabt, und als ich mich am Nachmittag hinlegte, verschlief ich die Zeit.
Am Freitag hatte mich die Untersuchung der Schornsteine länger aufgehalten, als
ich beabsichtigte, und als ich gegen Abend uach Hause kam, naß, durchfroren,
schmutzig und müde wie ein Zwangsarbeiter, mich dann gereinigt, gegessen und
mich erwärmt hatte — ließ ich mich durch die Gemütlichkeit meines Stübchens
fesseln und verschob den Besuch auf deu folgenden Tag. Dann aber, nach der
Verhandlung im Gericht, wollte ich mich durch nichts abhalten lassen und den Abend
bei deu SsawinskiS zubringen.

Draußen tobte der Nordwind. Meine Fensterscheiben bedeckten sich mit un¬
durchsichtigem Schweiß — ein Zeichen, daß die Kälte der Luft im Freien zu¬
nahm. Wenn ich den Schweiß von einer Scheibe wegwischte und hinaussah, waren
die Stämme der Obstbäume neben meinem Hänschen die einzigen dunkeln Gegen¬
stände. Alles anßer ihnen stellte sich dem Auge als ununterbrochne weiße Fläche
dar. Es schneite immer stärker und dichter. Ich ging zu Bett und horchte noch
lange auf die Stöße des Windes, der sich zuweilen zum Sturme steigerte und die
Bäume zu entwurzeln oder das Dach wegzutragen drohte, bis mich endlich fester,
gesunder Schlaf umfing.

Das Wetter war still und mild geworden, als ich mich an. Morgen ankleidete,
um zur Gerichtsverhandlung zu gehn. Das Bild auf den Straßen hatte sich seit
gestern vollständig geändert. Trotz des Windes hatte sich der anfänglich feuchte
Schnee gleichmäßig an den gefrornen Boden geheftet, und diese erste Lage hatte die
spätern Flocken aufgehalten und nicht zu stark treiben lassen. So lag die weiße,
blendende Decke, einige Anhäufungen an Straßenecken und vorspringenden Gebäuden
und Zäunen abgerechnet, in der Stadt ziemlich eben. Draußen im Felde mochte
es wohl anders aussehen. Mit freudestrahlenden Gesichtern jagten einige Fuhr¬
leute i» Schlitten auf der frischen Winterbahn an mir vorüber. Sie fuhren niemand.
Sie glitten zu ihrem eignen Vergnügen über deu weichen Schnee hin.

Langsam! rief ich ihnen zu, während sie an die Pelzmützen griffen und vor
innerm Entzücken die breiten weißen Zähne zeigten. Wer erlaubt euch so schnell
zu fahren!

Was denn, Euer Wohlgeboren! sagten sie lachend, Schlittenbahn!

Bei Suskins Schenke bog ich in die Steinstraße, um mich zum Richter zu
begeben. Vor dein dritten Hause zur rechten Hand stand ein langer, hagerer
Mann, guckte zum Himmel empor und wandte dabei den Kopf nach verschiednen
Seiten. Es sah aus, als ob er in der Luft herumschnüffle. Kaum hatte ich das
scharfgeschuittue Gesicht und die in die Luft gereckte schmale Nase wahrgenommen,
als ich schon wußte, wer der Mann war. Der Hühnerhund ans dem Bilde Burins
war nicht zu verkennen. Ich hatte den Lehrer Specht vor mir, den Mann, vor
dem Burin, wie er sagte, jederzeit bereit war, die Mütze abzunehmen. Ich grüßte
im Vorübergehn. Er griff höflich und gewandt an seine Kopfbedeckung. Der kurze,
ungewöhnlich durchdringende Blick, mit dem er mich dabei streifte, charakterisierte
zur Genüge die Gewohnheit des Mannes, genau zu beobachten. Ich war über¬
zeugt, er hatte sich schou durch diesen einzigen Blick seine Meinung über mich
gebildet.

Ob es jetzt wohl Winter bleibt? warf ich flüchtig hin.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0618" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/240174"/>
          <fw type="header" place="top"> Feuer!</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_3339" prev="#ID_3338"> gegenber. Schneeflocken spielten in der Luft, und dann fiel wieder Hagel und<lb/>
feiner Sprühregen, der sich auf dem erstarrten Boden und an allen harten Gegen-<lb/>
ständen in eine durchsichtige, spiegelglatte Kruste verwandelte. Das Gehn wurde<lb/>
namentlich auf dem Steinpflaster oft zu einem lebensgefährlichen Unternehmen, und<lb/>
das Fahren fast zur Unmöglichkeit, denn mit stumpfen Sommereisen waren die<lb/>
Pferde nicht imstande, auch nur einen Schritt zu machen, und scharfer Winter-<lb/>
beschlng wurde in einer Stunde stumpf."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3340"> Es trieb mich allerdings, von Mahadas &#x201E;Je eher, je lieber Gebrauch zu<lb/>
machen. Am Donnerstag Abend wollte ich es tun, aber &#x2014; ich hatte in der Nacht<lb/>
fast gar nicht geruht, am Vormittag mit den Schutzleuten und im Stadttcilhause<lb/>
zu tun gehabt, und als ich mich am Nachmittag hinlegte, verschlief ich die Zeit.<lb/>
Am Freitag hatte mich die Untersuchung der Schornsteine länger aufgehalten, als<lb/>
ich beabsichtigte, und als ich gegen Abend uach Hause kam, naß, durchfroren,<lb/>
schmutzig und müde wie ein Zwangsarbeiter, mich dann gereinigt, gegessen und<lb/>
mich erwärmt hatte &#x2014; ließ ich mich durch die Gemütlichkeit meines Stübchens<lb/>
fesseln und verschob den Besuch auf deu folgenden Tag. Dann aber, nach der<lb/>
Verhandlung im Gericht, wollte ich mich durch nichts abhalten lassen und den Abend<lb/>
bei deu SsawinskiS zubringen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3341"> Draußen tobte der Nordwind. Meine Fensterscheiben bedeckten sich mit un¬<lb/>
durchsichtigem Schweiß &#x2014; ein Zeichen, daß die Kälte der Luft im Freien zu¬<lb/>
nahm. Wenn ich den Schweiß von einer Scheibe wegwischte und hinaussah, waren<lb/>
die Stämme der Obstbäume neben meinem Hänschen die einzigen dunkeln Gegen¬<lb/>
stände. Alles anßer ihnen stellte sich dem Auge als ununterbrochne weiße Fläche<lb/>
dar. Es schneite immer stärker und dichter. Ich ging zu Bett und horchte noch<lb/>
lange auf die Stöße des Windes, der sich zuweilen zum Sturme steigerte und die<lb/>
Bäume zu entwurzeln oder das Dach wegzutragen drohte, bis mich endlich fester,<lb/>
gesunder Schlaf umfing.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3342"> Das Wetter war still und mild geworden, als ich mich an. Morgen ankleidete,<lb/>
um zur Gerichtsverhandlung zu gehn. Das Bild auf den Straßen hatte sich seit<lb/>
gestern vollständig geändert. Trotz des Windes hatte sich der anfänglich feuchte<lb/>
Schnee gleichmäßig an den gefrornen Boden geheftet, und diese erste Lage hatte die<lb/>
spätern Flocken aufgehalten und nicht zu stark treiben lassen. So lag die weiße,<lb/>
blendende Decke, einige Anhäufungen an Straßenecken und vorspringenden Gebäuden<lb/>
und Zäunen abgerechnet, in der Stadt ziemlich eben. Draußen im Felde mochte<lb/>
es wohl anders aussehen. Mit freudestrahlenden Gesichtern jagten einige Fuhr¬<lb/>
leute i» Schlitten auf der frischen Winterbahn an mir vorüber. Sie fuhren niemand.<lb/>
Sie glitten zu ihrem eignen Vergnügen über deu weichen Schnee hin.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3343"> Langsam! rief ich ihnen zu, während sie an die Pelzmützen griffen und vor<lb/>
innerm Entzücken die breiten weißen Zähne zeigten. Wer erlaubt euch so schnell<lb/>
zu fahren!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3344"> Was denn, Euer Wohlgeboren! sagten sie lachend, Schlittenbahn!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3345"> Bei Suskins Schenke bog ich in die Steinstraße, um mich zum Richter zu<lb/>
begeben. Vor dein dritten Hause zur rechten Hand stand ein langer, hagerer<lb/>
Mann, guckte zum Himmel empor und wandte dabei den Kopf nach verschiednen<lb/>
Seiten. Es sah aus, als ob er in der Luft herumschnüffle. Kaum hatte ich das<lb/>
scharfgeschuittue Gesicht und die in die Luft gereckte schmale Nase wahrgenommen,<lb/>
als ich schon wußte, wer der Mann war. Der Hühnerhund ans dem Bilde Burins<lb/>
war nicht zu verkennen. Ich hatte den Lehrer Specht vor mir, den Mann, vor<lb/>
dem Burin, wie er sagte, jederzeit bereit war, die Mütze abzunehmen. Ich grüßte<lb/>
im Vorübergehn. Er griff höflich und gewandt an seine Kopfbedeckung. Der kurze,<lb/>
ungewöhnlich durchdringende Blick, mit dem er mich dabei streifte, charakterisierte<lb/>
zur Genüge die Gewohnheit des Mannes, genau zu beobachten. Ich war über¬<lb/>
zeugt, er hatte sich schou durch diesen einzigen Blick seine Meinung über mich<lb/>
gebildet.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3346"> Ob es jetzt wohl Winter bleibt? warf ich flüchtig hin.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0618] Feuer! gegenber. Schneeflocken spielten in der Luft, und dann fiel wieder Hagel und feiner Sprühregen, der sich auf dem erstarrten Boden und an allen harten Gegen- ständen in eine durchsichtige, spiegelglatte Kruste verwandelte. Das Gehn wurde namentlich auf dem Steinpflaster oft zu einem lebensgefährlichen Unternehmen, und das Fahren fast zur Unmöglichkeit, denn mit stumpfen Sommereisen waren die Pferde nicht imstande, auch nur einen Schritt zu machen, und scharfer Winter- beschlng wurde in einer Stunde stumpf." Es trieb mich allerdings, von Mahadas „Je eher, je lieber Gebrauch zu machen. Am Donnerstag Abend wollte ich es tun, aber — ich hatte in der Nacht fast gar nicht geruht, am Vormittag mit den Schutzleuten und im Stadttcilhause zu tun gehabt, und als ich mich am Nachmittag hinlegte, verschlief ich die Zeit. Am Freitag hatte mich die Untersuchung der Schornsteine länger aufgehalten, als ich beabsichtigte, und als ich gegen Abend uach Hause kam, naß, durchfroren, schmutzig und müde wie ein Zwangsarbeiter, mich dann gereinigt, gegessen und mich erwärmt hatte — ließ ich mich durch die Gemütlichkeit meines Stübchens fesseln und verschob den Besuch auf deu folgenden Tag. Dann aber, nach der Verhandlung im Gericht, wollte ich mich durch nichts abhalten lassen und den Abend bei deu SsawinskiS zubringen. Draußen tobte der Nordwind. Meine Fensterscheiben bedeckten sich mit un¬ durchsichtigem Schweiß — ein Zeichen, daß die Kälte der Luft im Freien zu¬ nahm. Wenn ich den Schweiß von einer Scheibe wegwischte und hinaussah, waren die Stämme der Obstbäume neben meinem Hänschen die einzigen dunkeln Gegen¬ stände. Alles anßer ihnen stellte sich dem Auge als ununterbrochne weiße Fläche dar. Es schneite immer stärker und dichter. Ich ging zu Bett und horchte noch lange auf die Stöße des Windes, der sich zuweilen zum Sturme steigerte und die Bäume zu entwurzeln oder das Dach wegzutragen drohte, bis mich endlich fester, gesunder Schlaf umfing. Das Wetter war still und mild geworden, als ich mich an. Morgen ankleidete, um zur Gerichtsverhandlung zu gehn. Das Bild auf den Straßen hatte sich seit gestern vollständig geändert. Trotz des Windes hatte sich der anfänglich feuchte Schnee gleichmäßig an den gefrornen Boden geheftet, und diese erste Lage hatte die spätern Flocken aufgehalten und nicht zu stark treiben lassen. So lag die weiße, blendende Decke, einige Anhäufungen an Straßenecken und vorspringenden Gebäuden und Zäunen abgerechnet, in der Stadt ziemlich eben. Draußen im Felde mochte es wohl anders aussehen. Mit freudestrahlenden Gesichtern jagten einige Fuhr¬ leute i» Schlitten auf der frischen Winterbahn an mir vorüber. Sie fuhren niemand. Sie glitten zu ihrem eignen Vergnügen über deu weichen Schnee hin. Langsam! rief ich ihnen zu, während sie an die Pelzmützen griffen und vor innerm Entzücken die breiten weißen Zähne zeigten. Wer erlaubt euch so schnell zu fahren! Was denn, Euer Wohlgeboren! sagten sie lachend, Schlittenbahn! Bei Suskins Schenke bog ich in die Steinstraße, um mich zum Richter zu begeben. Vor dein dritten Hause zur rechten Hand stand ein langer, hagerer Mann, guckte zum Himmel empor und wandte dabei den Kopf nach verschiednen Seiten. Es sah aus, als ob er in der Luft herumschnüffle. Kaum hatte ich das scharfgeschuittue Gesicht und die in die Luft gereckte schmale Nase wahrgenommen, als ich schon wußte, wer der Mann war. Der Hühnerhund ans dem Bilde Burins war nicht zu verkennen. Ich hatte den Lehrer Specht vor mir, den Mann, vor dem Burin, wie er sagte, jederzeit bereit war, die Mütze abzunehmen. Ich grüßte im Vorübergehn. Er griff höflich und gewandt an seine Kopfbedeckung. Der kurze, ungewöhnlich durchdringende Blick, mit dem er mich dabei streifte, charakterisierte zur Genüge die Gewohnheit des Mannes, genau zu beobachten. Ich war über¬ zeugt, er hatte sich schou durch diesen einzigen Blick seine Meinung über mich gebildet. Ob es jetzt wohl Winter bleibt? warf ich flüchtig hin.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/618
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/618>, abgerufen am 27.07.2024.