Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

Rache die Königin.

Die Gotenjünglinge: Amalasunta:

Bleibt -- ihr müßt leben -- zu verkündigen.
Wie ihr die Amnlungen habt gesehn
Zur Walhall eingehn. Zu den Vatergöttern --
König --


(sie hatte vorher, ehe sie wußte, daß Amalrich geblendet war, den Stirnreif von
ihrem Hnnpte genommen, um ihn damit zu krönen)


Steh aus!


Amalrich:

Wer -- ruft mich?

Freyr ruft.

Ainnlasunta:

Bringst du mir Flügel?

Amalrich:
Amalasunta:

Flügel dir und mir.

Gehst mit mir?

Amalrich:
Amalasunta:

In die Ewigkeit mit dir.

Amalrich:

Bringst mir die Welt, die einst du mir versprachst?

: Ich bringe dir die Welt der Frau, die Liebe.

Amalasunta

(Sie drückt die Lippen auf die seinen, beider Häupter, eng aneinander geschmiegt,
sinken langsam hintenüber, beide sterben zu gleicher Zeit.)
(Lautlose Pause.)

Justinian (steigt von seinein Sitze die Treppe herab; alles weicht aus seinem
Weg; er tritt zu Häupten Amalrichs und Amalnsuutas, steht in tiefer Ergriffen¬
heit, richtet sodann das Haupt auf):


Tod jedem, der ein höhnend Wort hier spricht.

Der Vorhang fällt, und man wird erst jetzt gewahr, daß man die letzten zehn
Minnten zu atmen vergessen hat.




Feuer!
Erinnerung aus dem russischen polizeileben
Alexander Andreas von(Fortsetzung)
12

^Ä"' Mer Richter ging wirklich scharf ins Zeug. Schon um Dienstag lief
die Nachricht von ihm im Stadtteilhanse ein, das; er die Klage gegen
Jsotow außer der Reihenfolge behandeln werde, weil zur Zeit so
häufiger Feuersbrünste alles, was sich auf Feuersgefahr beziehe, von
außerordentlicher Wichtigkeit sei. Neigefügt waren wie üblich die
Vorladungen an Jsotow und die Zeuge". Die Verhnudlung war
"uf den Sonnabend angesetzt. Grigori Ssemenytsch, der Schriftführer, wollte, wie
^ es gewöhnlich tat, die Vorladezettel durch einen Schutzmann um ihre Adressen
befördern lassen. Ich kam aber zur rechten Zeit dazu und nahm sie an mich. Mir
>"g soviel an der richtigen Bestellung, daß ich selbst mit dem Wachmeister den Gang
machte und die Papiere durch ihn gegen Empfangsbescheinigungen an die Leute
"nshnndigcn ließ.

Im Lnnfe der Woche gelang es mir nicht, die Ssawinskis zu besuchen. Die
nächtlichen Runden, die Aufsicht über die Straßen und die Schutzleute am Tage,
sowie zwei weitere Schornsteinrevisionen nahmen mich vollständig in Anspruch. Zu¬
dem ließ sich das Wetter so schlecht an wie gewöhnlich, wenn der Herbst ernstlich
Abschied nimmt, und der Winter im Begriff ist, in sein Recht zu treten. Bald
fror es, bald laute es. Der Wind sanfte und wehte eisig aus allen .Ammels-


Grenzboten I 1903 7g

Rache die Königin.

Die Gotenjünglinge: Amalasunta:

Bleibt — ihr müßt leben — zu verkündigen.
Wie ihr die Amnlungen habt gesehn
Zur Walhall eingehn. Zu den Vatergöttern —
König —


(sie hatte vorher, ehe sie wußte, daß Amalrich geblendet war, den Stirnreif von
ihrem Hnnpte genommen, um ihn damit zu krönen)


Steh aus!


Amalrich:

Wer — ruft mich?

Freyr ruft.

Ainnlasunta:

Bringst du mir Flügel?

Amalrich:
Amalasunta:

Flügel dir und mir.

Gehst mit mir?

Amalrich:
Amalasunta:

In die Ewigkeit mit dir.

Amalrich:

Bringst mir die Welt, die einst du mir versprachst?

: Ich bringe dir die Welt der Frau, die Liebe.

Amalasunta

(Sie drückt die Lippen auf die seinen, beider Häupter, eng aneinander geschmiegt,
sinken langsam hintenüber, beide sterben zu gleicher Zeit.)
(Lautlose Pause.)

Justinian (steigt von seinein Sitze die Treppe herab; alles weicht aus seinem
Weg; er tritt zu Häupten Amalrichs und Amalnsuutas, steht in tiefer Ergriffen¬
heit, richtet sodann das Haupt auf):


Tod jedem, der ein höhnend Wort hier spricht.

Der Vorhang fällt, und man wird erst jetzt gewahr, daß man die letzten zehn
Minnten zu atmen vergessen hat.




Feuer!
Erinnerung aus dem russischen polizeileben
Alexander Andreas von(Fortsetzung)
12

^Ä»' Mer Richter ging wirklich scharf ins Zeug. Schon um Dienstag lief
die Nachricht von ihm im Stadtteilhanse ein, das; er die Klage gegen
Jsotow außer der Reihenfolge behandeln werde, weil zur Zeit so
häufiger Feuersbrünste alles, was sich auf Feuersgefahr beziehe, von
außerordentlicher Wichtigkeit sei. Neigefügt waren wie üblich die
Vorladungen an Jsotow und die Zeuge». Die Verhnudlung war
"uf den Sonnabend angesetzt. Grigori Ssemenytsch, der Schriftführer, wollte, wie
^ es gewöhnlich tat, die Vorladezettel durch einen Schutzmann um ihre Adressen
befördern lassen. Ich kam aber zur rechten Zeit dazu und nahm sie an mich. Mir
>"g soviel an der richtigen Bestellung, daß ich selbst mit dem Wachmeister den Gang
machte und die Papiere durch ihn gegen Empfangsbescheinigungen an die Leute
"nshnndigcn ließ.

Im Lnnfe der Woche gelang es mir nicht, die Ssawinskis zu besuchen. Die
nächtlichen Runden, die Aufsicht über die Straßen und die Schutzleute am Tage,
sowie zwei weitere Schornsteinrevisionen nahmen mich vollständig in Anspruch. Zu¬
dem ließ sich das Wetter so schlecht an wie gewöhnlich, wenn der Herbst ernstlich
Abschied nimmt, und der Winter im Begriff ist, in sein Recht zu treten. Bald
fror es, bald laute es. Der Wind sanfte und wehte eisig aus allen .Ammels-


Grenzboten I 1903 7g
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0617" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/240173"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <quote>
            <p xml:id="ID_3322"> Rache die Königin.</p>
            <note type="speaker"> Die Gotenjünglinge: </note>
            <note type="speaker"> Amalasunta: </note>
            <p xml:id="ID_3323"> Bleibt &#x2014; ihr müßt leben &#x2014; zu verkündigen.<lb/>
Wie ihr die Amnlungen habt gesehn<lb/>
Zur Walhall eingehn.  Zu den Vatergöttern &#x2014;<lb/>
König &#x2014;</p>
          </quote><lb/>
          <p xml:id="ID_3324"> (sie hatte vorher, ehe sie wußte, daß Amalrich geblendet war, den Stirnreif von<lb/>
ihrem Hnnpte genommen, um ihn damit zu krönen)</p><lb/>
          <quote>
            <p xml:id="ID_3325"> Steh aus!</p><lb/>
            <note type="speaker"> Amalrich: </note>
            <p xml:id="ID_3326">  Wer &#x2014; ruft mich?</p>
            <p xml:id="ID_3327"> Freyr ruft.</p>
            <note type="speaker"> Ainnlasunta:</note>
            <p xml:id="ID_3328"> Bringst du mir Flügel?</p>
            <note type="speaker"> Amalrich: </note><lb/>
            <note type="speaker"> Amalasunta:</note>
            <p xml:id="ID_3329"> Flügel dir und mir.</p>
            <p xml:id="ID_3330"> Gehst mit mir?</p>
            <note type="speaker"> Amalrich:  </note><lb/>
            <note type="speaker"> Amalasunta:</note>
            <p xml:id="ID_3331"> In die Ewigkeit mit dir.</p>
            <note type="speaker"> Amalrich: </note>
            <p xml:id="ID_3332"> Bringst mir die Welt, die einst du mir versprachst?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_3333"> : Ich bringe dir die Welt der Frau, die Liebe.</p>
            <note type="speaker"> Amalasunta</note>
          </quote><lb/>
          <p xml:id="ID_3334"> (Sie drückt die Lippen auf die seinen, beider Häupter, eng aneinander geschmiegt,<lb/>
sinken langsam hintenüber, beide sterben zu gleicher Zeit.)<lb/>
(Lautlose Pause.)</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3335"> Justinian (steigt von seinein Sitze die Treppe herab; alles weicht aus seinem<lb/>
Weg; er tritt zu Häupten Amalrichs und Amalnsuutas, steht in tiefer Ergriffen¬<lb/>
heit, richtet sodann das Haupt auf):</p><lb/>
          <quote> Tod jedem, der ein höhnend Wort hier spricht.</quote><lb/>
          <p xml:id="ID_3336"> Der Vorhang fällt, und man wird erst jetzt gewahr, daß man die letzten zehn<lb/>
Minnten zu atmen vergessen hat.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Feuer!<lb/>
Erinnerung aus dem russischen polizeileben<lb/><note type="byline"> Alexander Andreas</note> von(Fortsetzung)<lb/>
12</head><lb/>
          <p xml:id="ID_3337"> ^Ä»' Mer Richter ging wirklich scharf ins Zeug. Schon um Dienstag lief<lb/>
die Nachricht von ihm im Stadtteilhanse ein, das; er die Klage gegen<lb/>
Jsotow außer der Reihenfolge behandeln werde, weil zur Zeit so<lb/>
häufiger Feuersbrünste alles, was sich auf Feuersgefahr beziehe, von<lb/>
außerordentlicher Wichtigkeit sei. Neigefügt waren wie üblich die<lb/>
Vorladungen an Jsotow und die Zeuge». Die Verhnudlung war<lb/>
"uf den Sonnabend angesetzt. Grigori Ssemenytsch, der Schriftführer, wollte, wie<lb/>
^ es gewöhnlich tat, die Vorladezettel durch einen Schutzmann um ihre Adressen<lb/>
befördern lassen. Ich kam aber zur rechten Zeit dazu und nahm sie an mich. Mir<lb/>
&gt;"g soviel an der richtigen Bestellung, daß ich selbst mit dem Wachmeister den Gang<lb/>
machte und die Papiere durch ihn gegen Empfangsbescheinigungen an die Leute<lb/>
"nshnndigcn ließ.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3338" next="#ID_3339"> Im Lnnfe der Woche gelang es mir nicht, die Ssawinskis zu besuchen. Die<lb/>
nächtlichen Runden, die Aufsicht über die Straßen und die Schutzleute am Tage,<lb/>
sowie zwei weitere Schornsteinrevisionen nahmen mich vollständig in Anspruch. Zu¬<lb/>
dem ließ sich das Wetter so schlecht an wie gewöhnlich, wenn der Herbst ernstlich<lb/>
Abschied nimmt, und der Winter im Begriff ist, in sein Recht zu treten. Bald<lb/>
fror es, bald laute es. Der Wind sanfte und wehte eisig aus allen .Ammels-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I 1903 7g</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0617] Rache die Königin. Die Gotenjünglinge: Amalasunta: Bleibt — ihr müßt leben — zu verkündigen. Wie ihr die Amnlungen habt gesehn Zur Walhall eingehn. Zu den Vatergöttern — König — (sie hatte vorher, ehe sie wußte, daß Amalrich geblendet war, den Stirnreif von ihrem Hnnpte genommen, um ihn damit zu krönen) Steh aus! Amalrich: Wer — ruft mich? Freyr ruft. Ainnlasunta: Bringst du mir Flügel? Amalrich: Amalasunta: Flügel dir und mir. Gehst mit mir? Amalrich: Amalasunta: In die Ewigkeit mit dir. Amalrich: Bringst mir die Welt, die einst du mir versprachst? : Ich bringe dir die Welt der Frau, die Liebe. Amalasunta (Sie drückt die Lippen auf die seinen, beider Häupter, eng aneinander geschmiegt, sinken langsam hintenüber, beide sterben zu gleicher Zeit.) (Lautlose Pause.) Justinian (steigt von seinein Sitze die Treppe herab; alles weicht aus seinem Weg; er tritt zu Häupten Amalrichs und Amalnsuutas, steht in tiefer Ergriffen¬ heit, richtet sodann das Haupt auf): Tod jedem, der ein höhnend Wort hier spricht. Der Vorhang fällt, und man wird erst jetzt gewahr, daß man die letzten zehn Minnten zu atmen vergessen hat. Feuer! Erinnerung aus dem russischen polizeileben Alexander Andreas von(Fortsetzung) 12 ^Ä»' Mer Richter ging wirklich scharf ins Zeug. Schon um Dienstag lief die Nachricht von ihm im Stadtteilhanse ein, das; er die Klage gegen Jsotow außer der Reihenfolge behandeln werde, weil zur Zeit so häufiger Feuersbrünste alles, was sich auf Feuersgefahr beziehe, von außerordentlicher Wichtigkeit sei. Neigefügt waren wie üblich die Vorladungen an Jsotow und die Zeuge». Die Verhnudlung war "uf den Sonnabend angesetzt. Grigori Ssemenytsch, der Schriftführer, wollte, wie ^ es gewöhnlich tat, die Vorladezettel durch einen Schutzmann um ihre Adressen befördern lassen. Ich kam aber zur rechten Zeit dazu und nahm sie an mich. Mir >"g soviel an der richtigen Bestellung, daß ich selbst mit dem Wachmeister den Gang machte und die Papiere durch ihn gegen Empfangsbescheinigungen an die Leute "nshnndigcn ließ. Im Lnnfe der Woche gelang es mir nicht, die Ssawinskis zu besuchen. Die nächtlichen Runden, die Aufsicht über die Straßen und die Schutzleute am Tage, sowie zwei weitere Schornsteinrevisionen nahmen mich vollständig in Anspruch. Zu¬ dem ließ sich das Wetter so schlecht an wie gewöhnlich, wenn der Herbst ernstlich Abschied nimmt, und der Winter im Begriff ist, in sein Recht zu treten. Bald fror es, bald laute es. Der Wind sanfte und wehte eisig aus allen .Ammels- Grenzboten I 1903 7g

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/617
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/617>, abgerufen am 24.11.2024.