Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.Feuer I In, wer das sagen könnte! gab er bedächtig zur Antwort. Als ich mich dem Hause der Schtschepiu näherte, sah ich, daß die Pforte Ich machte nun den Umweg durch die Verküudiguugsstrciße, erfuhr von Iwan, Unsre Geduld wurde auf die Probe gesetzt. Auf zehn Uhr waren wir bestellt, Gleich seinen ersten Worten hörte man an, daß er sich zu dieser Sitzung vor¬ Der Vertreter der Polizei als Kläger! Ich antwortete und verneigte mich. Der Kaufmann Jsotow als Angeklagter! Ein kleines kahlköpfiges Individuum in einem fadenscheinigen Frack und an¬ Überrascht nahm der Richter das Blatt entgegen und las es. In Ordnung Tas sage, der Kaufmann Jsotvw als Angeklagter! grollte er in seinem tiefen Feuer I In, wer das sagen könnte! gab er bedächtig zur Antwort. Als ich mich dem Hause der Schtschepiu näherte, sah ich, daß die Pforte Ich machte nun den Umweg durch die Verküudiguugsstrciße, erfuhr von Iwan, Unsre Geduld wurde auf die Probe gesetzt. Auf zehn Uhr waren wir bestellt, Gleich seinen ersten Worten hörte man an, daß er sich zu dieser Sitzung vor¬ Der Vertreter der Polizei als Kläger! Ich antwortete und verneigte mich. Der Kaufmann Jsotow als Angeklagter! Ein kleines kahlköpfiges Individuum in einem fadenscheinigen Frack und an¬ Überrascht nahm der Richter das Blatt entgegen und las es. In Ordnung Tas sage, der Kaufmann Jsotvw als Angeklagter! grollte er in seinem tiefen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0619" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/240175"/> <fw type="header" place="top"> Feuer I</fw><lb/> <p xml:id="ID_3347"> In, wer das sagen könnte! gab er bedächtig zur Antwort.</p><lb/> <p xml:id="ID_3348"> Als ich mich dem Hause der Schtschepiu näherte, sah ich, daß die Pforte<lb/> breit offenstand, und auf dem Trottoir vor der Pforte stand das Fräulein selbst.<lb/> Sie schien böse und aufgeregt zu sein und sah mir mit einem Gesicht entgegen,<lb/> als ob sie mich fressen wollte. Es war weniger Überlegung als die Folge un¬<lb/> willkürlicher Scheu vor der Zungenfertigkeit des Fräuleins, was mich bewog, zu<lb/> tu», als ob ich sie nicht sähe, stehn zu bleiben, um wir herumznfühlen, als ob ich<lb/> etwas vergessen hätte, und dann schleunigst umzukehren.</p><lb/> <p xml:id="ID_3349"> Ich machte nun den Umweg durch die Verküudiguugsstrciße, erfuhr von Iwan,<lb/> der vor dem Stadtteilhause seine Pfeife rauchte, daß der Aufseher nicht da sei, und<lb/> gelangte von der Seite des Flusses zum Gerichtslokal. Ich fand den Raum ge¬<lb/> füllt von Menschen. Alle Bänke, Stühle und Fensterbretter waren besetzt, und<lb/> außerdem standen an der Tür und im Vorzimmer mehrere Leute, deuen es an<lb/> Platz zum Sitzen gebrach. Die Uniform war zahlreich vertreten. Ich sah Jemeljan<lb/> Afanasjcwitsch, Prorwin, den Brandmeister und noch einige Männer in der Polizei-<lb/> uniform, wie ich später erfuhr, Beamte aus den andern Stadtteile». Die Klage gegen<lb/> Jsotow war — wahrscheinlich durch Jemeljan Afanasjewitsch — in den Kreisen,<lb/> die unmittelbar mit den Feuersbrünsten in Berührung kamen, bekannt geworden<lb/> und hatte Interesse und Neugier erweckt. Ich erkannte die Schornsteinfeger, die<lb/> heute in gewöhnlicher bürgerlicher Kleidung steckten, erkannte die vier Hauswirte<lb/> der Kommission, umringt von eiuer Gruppe einfacher aber behäbiger Männer, fand<lb/> auch Vurin heraus, der in eine Ecke gepreßt war und mir durch Grimassen zu<lb/> versteh,! gab, daß er eingesperrt sei, aber den Kaufmann Jsotvw vermochte ich nicht<lb/> zu Gesicht zu bekommen.</p><lb/> <p xml:id="ID_3350"> Unsre Geduld wurde auf die Probe gesetzt. Auf zehn Uhr waren wir bestellt,<lb/> hatten uus schon früher eingefunden, und es war schon fast elf, als der Gerichts¬<lb/> schreiber erschien, an des Richters Platze die Papiere ordnete und die Amtskette<lb/> bnranflegte. Dann trat auch der Richter ein und nahm Platz. Er sah in einige<lb/> Papiere, blätterte in dem Reglement, überflog mit den Augen die Anwesenden und<lb/> hängte sich die Kette um.</p><lb/> <p xml:id="ID_3351"> Gleich seinen ersten Worten hörte man an, daß er sich zu dieser Sitzung vor¬<lb/> bereitet hatte. Er sprach klar, gewandt und eindringlich. Er hob hervor, wie zu<lb/> einer so gefährlichen Zeit, wo das Feuer onde und überhnnd nehme gleich einer<lb/> gefährlichen Epidemie, gegen alles, was die Ausbreitung fördern könne, schnelles<lb/> und entschiednes Einschreiten Pflicht sei, und wie er darum eine Sache, die nach<lb/> filier Überzeugung Gefahr in sich schließe, schon am heutigen Tage zur Verhand¬<lb/> lung bringe, obgleich einige ältere Sachen dadurch Aufschub erlitten. Er nannte<lb/> darauf den Gegenstand der Klage und rief die vorgeladuen Beteiligten auf.</p><lb/> <p xml:id="ID_3352"> Der Vertreter der Polizei als Kläger!</p><lb/> <p xml:id="ID_3353"> Ich antwortete und verneigte mich.</p><lb/> <p xml:id="ID_3354"> Der Kaufmann Jsotow als Angeklagter!</p><lb/> <p xml:id="ID_3355"> Ein kleines kahlköpfiges Individuum in einem fadenscheinigen Frack und an¬<lb/> getan mit Wäsche von zweifelhafter Weiße hatte sich schon lange in dem Raume<lb/> vor dem Tisch umhergcdreht und bald in ein Papier gesehen, das er in den Händen<lb/> '^t, bald die wenigen Haare um Kinn mit den Fingern gezaust. Jetzt trat dieser<lb/> iiahlkopf nicht ohne Würde an den Tisch, verbeugte sich tief, aber selbstbewußt,<lb/> Uellte sich als Rechtsbeistand seines Klienten, des Kaufmanns Jsotow, vor und<lb/> überreichte den. Richter das Papier — seine Vollmacht.</p><lb/> <p xml:id="ID_3356"> Überrascht nahm der Richter das Blatt entgegen und las es. In Ordnung<lb/> "küßte es sein, denn er behielt es in der Hand und gab es nicht zurück. Er sah<lb/> den Kahlkopf, der mit Sicherheit in der Haltung vor ihm stand, vom Kopfe bis zu den<lb/> 6üßen an, und sein Gesicht verfinsterte sich. Er schob nervös die Papiere uns dein Tische<lb/> durcheinander und schaute dann von neuem, aber drohend ans den Rechtsbeistand.</p><lb/> <p xml:id="ID_3357"> Tas sage, der Kaufmann Jsotvw als Angeklagter! grollte er in seinem tiefen<lb/> Unngvollen Baß. Ist er erschienen?</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0619]
Feuer I
In, wer das sagen könnte! gab er bedächtig zur Antwort.
Als ich mich dem Hause der Schtschepiu näherte, sah ich, daß die Pforte
breit offenstand, und auf dem Trottoir vor der Pforte stand das Fräulein selbst.
Sie schien böse und aufgeregt zu sein und sah mir mit einem Gesicht entgegen,
als ob sie mich fressen wollte. Es war weniger Überlegung als die Folge un¬
willkürlicher Scheu vor der Zungenfertigkeit des Fräuleins, was mich bewog, zu
tu», als ob ich sie nicht sähe, stehn zu bleiben, um wir herumznfühlen, als ob ich
etwas vergessen hätte, und dann schleunigst umzukehren.
Ich machte nun den Umweg durch die Verküudiguugsstrciße, erfuhr von Iwan,
der vor dem Stadtteilhause seine Pfeife rauchte, daß der Aufseher nicht da sei, und
gelangte von der Seite des Flusses zum Gerichtslokal. Ich fand den Raum ge¬
füllt von Menschen. Alle Bänke, Stühle und Fensterbretter waren besetzt, und
außerdem standen an der Tür und im Vorzimmer mehrere Leute, deuen es an
Platz zum Sitzen gebrach. Die Uniform war zahlreich vertreten. Ich sah Jemeljan
Afanasjcwitsch, Prorwin, den Brandmeister und noch einige Männer in der Polizei-
uniform, wie ich später erfuhr, Beamte aus den andern Stadtteile». Die Klage gegen
Jsotow war — wahrscheinlich durch Jemeljan Afanasjewitsch — in den Kreisen,
die unmittelbar mit den Feuersbrünsten in Berührung kamen, bekannt geworden
und hatte Interesse und Neugier erweckt. Ich erkannte die Schornsteinfeger, die
heute in gewöhnlicher bürgerlicher Kleidung steckten, erkannte die vier Hauswirte
der Kommission, umringt von eiuer Gruppe einfacher aber behäbiger Männer, fand
auch Vurin heraus, der in eine Ecke gepreßt war und mir durch Grimassen zu
versteh,! gab, daß er eingesperrt sei, aber den Kaufmann Jsotvw vermochte ich nicht
zu Gesicht zu bekommen.
Unsre Geduld wurde auf die Probe gesetzt. Auf zehn Uhr waren wir bestellt,
hatten uus schon früher eingefunden, und es war schon fast elf, als der Gerichts¬
schreiber erschien, an des Richters Platze die Papiere ordnete und die Amtskette
bnranflegte. Dann trat auch der Richter ein und nahm Platz. Er sah in einige
Papiere, blätterte in dem Reglement, überflog mit den Augen die Anwesenden und
hängte sich die Kette um.
Gleich seinen ersten Worten hörte man an, daß er sich zu dieser Sitzung vor¬
bereitet hatte. Er sprach klar, gewandt und eindringlich. Er hob hervor, wie zu
einer so gefährlichen Zeit, wo das Feuer onde und überhnnd nehme gleich einer
gefährlichen Epidemie, gegen alles, was die Ausbreitung fördern könne, schnelles
und entschiednes Einschreiten Pflicht sei, und wie er darum eine Sache, die nach
filier Überzeugung Gefahr in sich schließe, schon am heutigen Tage zur Verhand¬
lung bringe, obgleich einige ältere Sachen dadurch Aufschub erlitten. Er nannte
darauf den Gegenstand der Klage und rief die vorgeladuen Beteiligten auf.
Der Vertreter der Polizei als Kläger!
Ich antwortete und verneigte mich.
Der Kaufmann Jsotow als Angeklagter!
Ein kleines kahlköpfiges Individuum in einem fadenscheinigen Frack und an¬
getan mit Wäsche von zweifelhafter Weiße hatte sich schon lange in dem Raume
vor dem Tisch umhergcdreht und bald in ein Papier gesehen, das er in den Händen
'^t, bald die wenigen Haare um Kinn mit den Fingern gezaust. Jetzt trat dieser
iiahlkopf nicht ohne Würde an den Tisch, verbeugte sich tief, aber selbstbewußt,
Uellte sich als Rechtsbeistand seines Klienten, des Kaufmanns Jsotow, vor und
überreichte den. Richter das Papier — seine Vollmacht.
Überrascht nahm der Richter das Blatt entgegen und las es. In Ordnung
"küßte es sein, denn er behielt es in der Hand und gab es nicht zurück. Er sah
den Kahlkopf, der mit Sicherheit in der Haltung vor ihm stand, vom Kopfe bis zu den
6üßen an, und sein Gesicht verfinsterte sich. Er schob nervös die Papiere uns dein Tische
durcheinander und schaute dann von neuem, aber drohend ans den Rechtsbeistand.
Tas sage, der Kaufmann Jsotvw als Angeklagter! grollte er in seinem tiefen
Unngvollen Baß. Ist er erschienen?
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