Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.Luise Liirtius nahm Curtius den Ruf an, "Es kam nur unwürdig vor, jetzt einen Handel ^ Die Göttinger Arbeitszeit brachte die Griechische Geschichte hervor, deren Luise Liirtius nahm Curtius den Ruf an, „Es kam nur unwürdig vor, jetzt einen Handel ^ Die Göttinger Arbeitszeit brachte die Griechische Geschichte hervor, deren <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0595" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/240151"/> <fw type="header" place="top"> Luise Liirtius</fw><lb/> <p xml:id="ID_3193" prev="#ID_3192"> nahm Curtius den Ruf an, „Es kam nur unwürdig vor, jetzt einen Handel<lb/> um einige hundert Taler anzufangen. Nach manchen Schwaniuugeu kam ich<lb/> zu der Überzeugung, daß mir eine Verpflanzung jetzt heilsam sei. Es ist nicht<lb/> leicht für mich, hier loszukommen, aber ich gehe mit Gott. Heute gehe ich<lb/> zum Prinzen von Preußen, »in nur dessen Genehmigung zu diesen. Schritte<lb/> und durch ihn die des Königs zu erwirken. das ist noch das Einzige, wcw<lb/> mich hier festhält." , , </p><lb/> <p xml:id="ID_3194"> ^<lb/> Die zwölfjährige Tätigkeit in dem ländlich stillen Göttingen war in jeder<lb/> Hinsicht ein Glück für ihn.' er konnte sich seinen Arbeiten mit einer Seelen¬<lb/> ruhe hingeben, die ihn. das zerstreuende Berliner Leben nicht gegönnt hatte<lb/> und als Lehrer gewann er einen Wirkungskreis, wie er ihn Nicht annähernd<lb/> gehabt hatte. „Für die alte Geschichte, schreibt er 1852. haben sich nur vier<lb/> eingefunden, ewige kommen wohl noch, aber kümmerlich ist und bleibt es. Da¬<lb/> gegen waren im Aristophanes gegen dreißig. Das Verhältnis der Zuhörer-<lb/> zahl bleibt ein ewiges Rätsel. Mein bestes Kolleg bleibt das erste, da ich<lb/> ganz unbekannt hier ankam, um über römische Altertümer zu lese... Auch als<lb/> ^1 zuerst über alte Geschichte las, hatte ich doch zwainzig Zuhörer. Was<lb/> Ms! Man n.nß sich nicht abschrecken lassen, ...an muß sich in Resignation<lb/> darauf vorbereiten, einmal die Alten zu ersetzen, und sich einstweilen damit<lb/> begnügen, daß nun. noch viel mehr zu lernen als zu lehren hat." Anders<lb/> wurde es erst 1855: „Ich habe die Freude gehabt, in vollen Auditorien meine<lb/> Vorlesungen zu beginnen. Die römischen Altertümer scheine., von gegen vierzig<lb/> besucht zu werden.'in der Elektra sind sämtliche Bänke besetzt, auch von Juristen<lb/> und Theologen." In Göttingen aber brachte die vollwertige philologische Pro¬<lb/> fessur ihn als Lehrer auf seiue Höhe. Seine anregende Frische wirkte geradezu<lb/> begeisternd. Sein bestes Kolleg über Länder- und Völkerkunde ist allen Teil¬<lb/> nehmern unvergeßlich geblieben; sie nahmen daraus einen weiten und leben¬<lb/> digen, auf Anschauung aller Art gegründeten Begriff ...it in ihr Leben hinein,<lb/> wie man ihn damals schwerlich auf einer zweiten Universität durch eine ein-<lb/> zelne Vorlesung übermittelt bekam. Auch in der wissenschaftlichen Förderung<lb/> der Studenten hatte er schöne Erfolge, an die er später in Berlin oft mit<lb/> Wehmut zurückdachte. Dort schreibt er z. B. 1872: „Es herrscht unter den<lb/> hiesigen Philologen eine sehr banausische Richtung. In Göttingen war<lb/> schließlich kaum ein einziger, der nicht eine Vorlesung über Kunstgeschichte<lb/> hörte. Hier vielleicht kaum der sechste Teil. Und dann ist das schlimme,<lb/> daß die mit alter Kunst sich befassenden wieder der Philologie gern den<lb/> Rücken kehren. Die schöne Verbindung zwischen Archäologie. Geschichte und<lb/> Philologie, wie ich sie bei einer Reihe meiner Göttinger Schüler sich hatte<lb/> entwickeln sehen, gelingt hier fast nie."</p><lb/> <p xml:id="ID_3195" next="#ID_3196"> Die Göttinger Arbeitszeit brachte die Griechische Geschichte hervor, deren<lb/> erster Band 1857 erschien, dann kamen neue Auflagen, bis auf die sechste<lb/> (1889), ein großer äußerer Erfolg, der alle Erwartungen übertraf. Dafür<lb/> begleitete ihn nun aber auch die Sorge für dieses Kind seines Geistes bis an<lb/> das Ende. „Ich werde mich, schreibt er 1885, in meinen alten Tagen nochtüchtig meiner Haut zu wehren haben. Das spüre ich bei der Durchsicht des</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0595]
Luise Liirtius
nahm Curtius den Ruf an, „Es kam nur unwürdig vor, jetzt einen Handel
um einige hundert Taler anzufangen. Nach manchen Schwaniuugeu kam ich
zu der Überzeugung, daß mir eine Verpflanzung jetzt heilsam sei. Es ist nicht
leicht für mich, hier loszukommen, aber ich gehe mit Gott. Heute gehe ich
zum Prinzen von Preußen, »in nur dessen Genehmigung zu diesen. Schritte
und durch ihn die des Königs zu erwirken. das ist noch das Einzige, wcw
mich hier festhält." , ,
^
Die zwölfjährige Tätigkeit in dem ländlich stillen Göttingen war in jeder
Hinsicht ein Glück für ihn.' er konnte sich seinen Arbeiten mit einer Seelen¬
ruhe hingeben, die ihn. das zerstreuende Berliner Leben nicht gegönnt hatte
und als Lehrer gewann er einen Wirkungskreis, wie er ihn Nicht annähernd
gehabt hatte. „Für die alte Geschichte, schreibt er 1852. haben sich nur vier
eingefunden, ewige kommen wohl noch, aber kümmerlich ist und bleibt es. Da¬
gegen waren im Aristophanes gegen dreißig. Das Verhältnis der Zuhörer-
zahl bleibt ein ewiges Rätsel. Mein bestes Kolleg bleibt das erste, da ich
ganz unbekannt hier ankam, um über römische Altertümer zu lese... Auch als
^1 zuerst über alte Geschichte las, hatte ich doch zwainzig Zuhörer. Was
Ms! Man n.nß sich nicht abschrecken lassen, ...an muß sich in Resignation
darauf vorbereiten, einmal die Alten zu ersetzen, und sich einstweilen damit
begnügen, daß nun. noch viel mehr zu lernen als zu lehren hat." Anders
wurde es erst 1855: „Ich habe die Freude gehabt, in vollen Auditorien meine
Vorlesungen zu beginnen. Die römischen Altertümer scheine., von gegen vierzig
besucht zu werden.'in der Elektra sind sämtliche Bänke besetzt, auch von Juristen
und Theologen." In Göttingen aber brachte die vollwertige philologische Pro¬
fessur ihn als Lehrer auf seiue Höhe. Seine anregende Frische wirkte geradezu
begeisternd. Sein bestes Kolleg über Länder- und Völkerkunde ist allen Teil¬
nehmern unvergeßlich geblieben; sie nahmen daraus einen weiten und leben¬
digen, auf Anschauung aller Art gegründeten Begriff ...it in ihr Leben hinein,
wie man ihn damals schwerlich auf einer zweiten Universität durch eine ein-
zelne Vorlesung übermittelt bekam. Auch in der wissenschaftlichen Förderung
der Studenten hatte er schöne Erfolge, an die er später in Berlin oft mit
Wehmut zurückdachte. Dort schreibt er z. B. 1872: „Es herrscht unter den
hiesigen Philologen eine sehr banausische Richtung. In Göttingen war
schließlich kaum ein einziger, der nicht eine Vorlesung über Kunstgeschichte
hörte. Hier vielleicht kaum der sechste Teil. Und dann ist das schlimme,
daß die mit alter Kunst sich befassenden wieder der Philologie gern den
Rücken kehren. Die schöne Verbindung zwischen Archäologie. Geschichte und
Philologie, wie ich sie bei einer Reihe meiner Göttinger Schüler sich hatte
entwickeln sehen, gelingt hier fast nie."
Die Göttinger Arbeitszeit brachte die Griechische Geschichte hervor, deren
erster Band 1857 erschien, dann kamen neue Auflagen, bis auf die sechste
(1889), ein großer äußerer Erfolg, der alle Erwartungen übertraf. Dafür
begleitete ihn nun aber auch die Sorge für dieses Kind seines Geistes bis an
das Ende. „Ich werde mich, schreibt er 1885, in meinen alten Tagen nochtüchtig meiner Haut zu wehren haben. Das spüre ich bei der Durchsicht des
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