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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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König Laurin

brechen, wird ihm die Sache doch bedenklich: War denn bei dem allen etwas nicht
in Ordnung? fragt er, "ut da ihm gesagt wird, in der Ordnung sei zwar alles ge¬
wesen, über gerade daß es in Ordnung gewesen sei, sei schlimm, sagt er:


Drum ahnt mir-


Triguilla:

AHM dir was?

Amalrich
(starr vor sich hinblickend):

Der Teufel hat die Hand im Spiel gehabt
Und dem verdammten schwarzen Zwerg geholfen.


Der schwarze Zwerg ist der Zwergenkönig Lnurin, dessen Rosengarten in
Bern der Sage nach Theuderichs Mannen zerstört haben sollten, und aus dem
Amalrich einen Zauberer macht, der in verschiednen Avatars immer von neuem er¬
scheint, ohne je zu sterben, und der -- so behauptet der junge Amalunge -- jetzt
als Kaiser Justinian lebe.


Heut heißt er Justininn, einst hieß er anders,
Heißt morgen wieder anders; niemand weiß,
Wie er sich übermorgen nennen wird.
Und immer ists Lnurin, der schwarze Zwerg.
Ihm ist versprochen, daß er leben soll,
Bis alle weißen blonden Menschen tot.

Laurin, sagt Amalrich, sei der klügste und stärkste von allen Männern aus
Erden, nnr eine sei ihm überlegen:


Die ist noch klüger,
Sie denkt dreimal, da wo er zweimal denkt.
Er ist voll Furcht -- sie weiß von Fürchten nicht.
Sie ist so schon, wie nie ein Weib gewesen.
Ihr Wille überflügelt seinen Willen,
Sowie der Falke überm Reiher fliegt.
Sie wird den Fuß aus seinen Nacken setzen.
Sie ist die Stärkste, und sie hat Gemalt.

In dem Augenblick wird es in der Loggte hinter dem Purpurvorhnng hell:
weder die Goten noch die Zuschauer können einen Augenblick darüber im Zweifel
sein, daß Amalasuntn, die sich eben in der Loggie eingefunden hat, mit der von
Amalrich berichteten Prophezeiung gemeint ist, eine Prophezeiung, die freilich in
der kläglichsten Weise zu Wasser wird, und von der man glauben möchte, sie hätte
ebensowohl wie Amalasnntas maßloses Prahlen etwas abgemildert werden können,
da es in der gegenwärtigen Form und Fassung uni poetischen Gleichgewicht zwischen
Prophezeiung, Schuld und endlichem Schicksal doch einigermaßen fehlt.

Amalrich scheint Theuderich nnr unter dem Namen Dietrichs von Bern zu
kennen, und als ihm die Goten wegen dieser Unkenntnis verwehren wollen, als
einziger anwesender Amalunge ans dem Königsbecher Bescheid zu tun, schwingt er
ihn hohnlachend:


Ihr -- mir?


Triquilla:

Nicht trinken
Soll aus des Königs Becher, wer nichts weiß
Von seinem König.


Amalrich:

Was ihr all nicht wißt.
Weiß ich von ihm: Ich habe ihn gesehn.


Vitiges:

Den -- toten König? Wann?

In einer Nacht --
Alles war totenstill -- hab ich gehört --
Von Afrika herüber tum ein Schrei,
Wie wenn ein Mensch in Todesnöten ruft.
Es war kein Wind, und plötzlich hub dus Meer
Von selbst zu wirbeln und zu schäumen um.
Und da --- in Lüften -- auf nachtfarbgein Roß
Geritten kams --

Amalrich: Vitiges:

In -- Lüften?

Kraf geritten
Groß wie ein Berg --

Amalrich: Vitiges:

Was tum?


König Laurin

brechen, wird ihm die Sache doch bedenklich: War denn bei dem allen etwas nicht
in Ordnung? fragt er, »ut da ihm gesagt wird, in der Ordnung sei zwar alles ge¬
wesen, über gerade daß es in Ordnung gewesen sei, sei schlimm, sagt er:


Drum ahnt mir-


Triguilla:

AHM dir was?

Amalrich
(starr vor sich hinblickend):

Der Teufel hat die Hand im Spiel gehabt
Und dem verdammten schwarzen Zwerg geholfen.


Der schwarze Zwerg ist der Zwergenkönig Lnurin, dessen Rosengarten in
Bern der Sage nach Theuderichs Mannen zerstört haben sollten, und aus dem
Amalrich einen Zauberer macht, der in verschiednen Avatars immer von neuem er¬
scheint, ohne je zu sterben, und der — so behauptet der junge Amalunge — jetzt
als Kaiser Justinian lebe.


Heut heißt er Justininn, einst hieß er anders,
Heißt morgen wieder anders; niemand weiß,
Wie er sich übermorgen nennen wird.
Und immer ists Lnurin, der schwarze Zwerg.
Ihm ist versprochen, daß er leben soll,
Bis alle weißen blonden Menschen tot.

Laurin, sagt Amalrich, sei der klügste und stärkste von allen Männern aus
Erden, nnr eine sei ihm überlegen:


Die ist noch klüger,
Sie denkt dreimal, da wo er zweimal denkt.
Er ist voll Furcht — sie weiß von Fürchten nicht.
Sie ist so schon, wie nie ein Weib gewesen.
Ihr Wille überflügelt seinen Willen,
Sowie der Falke überm Reiher fliegt.
Sie wird den Fuß aus seinen Nacken setzen.
Sie ist die Stärkste, und sie hat Gemalt.

In dem Augenblick wird es in der Loggte hinter dem Purpurvorhnng hell:
weder die Goten noch die Zuschauer können einen Augenblick darüber im Zweifel
sein, daß Amalasuntn, die sich eben in der Loggie eingefunden hat, mit der von
Amalrich berichteten Prophezeiung gemeint ist, eine Prophezeiung, die freilich in
der kläglichsten Weise zu Wasser wird, und von der man glauben möchte, sie hätte
ebensowohl wie Amalasnntas maßloses Prahlen etwas abgemildert werden können,
da es in der gegenwärtigen Form und Fassung uni poetischen Gleichgewicht zwischen
Prophezeiung, Schuld und endlichem Schicksal doch einigermaßen fehlt.

Amalrich scheint Theuderich nnr unter dem Namen Dietrichs von Bern zu
kennen, und als ihm die Goten wegen dieser Unkenntnis verwehren wollen, als
einziger anwesender Amalunge ans dem Königsbecher Bescheid zu tun, schwingt er
ihn hohnlachend:


Ihr — mir?


Triquilla:

Nicht trinken
Soll aus des Königs Becher, wer nichts weiß
Von seinem König.


Amalrich:

Was ihr all nicht wißt.
Weiß ich von ihm: Ich habe ihn gesehn.


Vitiges:

Den — toten König? Wann?

In einer Nacht —
Alles war totenstill — hab ich gehört —
Von Afrika herüber tum ein Schrei,
Wie wenn ein Mensch in Todesnöten ruft.
Es war kein Wind, und plötzlich hub dus Meer
Von selbst zu wirbeln und zu schäumen um.
Und da —- in Lüften — auf nachtfarbgein Roß
Geritten kams —

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In — Lüften?

Kraf geritten
Groß wie ein Berg —

Amalrich: Vitiges:

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[0559] König Laurin brechen, wird ihm die Sache doch bedenklich: War denn bei dem allen etwas nicht in Ordnung? fragt er, »ut da ihm gesagt wird, in der Ordnung sei zwar alles ge¬ wesen, über gerade daß es in Ordnung gewesen sei, sei schlimm, sagt er: Drum ahnt mir- Triguilla: AHM dir was? Amalrich (starr vor sich hinblickend): Der Teufel hat die Hand im Spiel gehabt Und dem verdammten schwarzen Zwerg geholfen. Der schwarze Zwerg ist der Zwergenkönig Lnurin, dessen Rosengarten in Bern der Sage nach Theuderichs Mannen zerstört haben sollten, und aus dem Amalrich einen Zauberer macht, der in verschiednen Avatars immer von neuem er¬ scheint, ohne je zu sterben, und der — so behauptet der junge Amalunge — jetzt als Kaiser Justinian lebe. Heut heißt er Justininn, einst hieß er anders, Heißt morgen wieder anders; niemand weiß, Wie er sich übermorgen nennen wird. Und immer ists Lnurin, der schwarze Zwerg. Ihm ist versprochen, daß er leben soll, Bis alle weißen blonden Menschen tot. Laurin, sagt Amalrich, sei der klügste und stärkste von allen Männern aus Erden, nnr eine sei ihm überlegen: Die ist noch klüger, Sie denkt dreimal, da wo er zweimal denkt. Er ist voll Furcht — sie weiß von Fürchten nicht. Sie ist so schon, wie nie ein Weib gewesen. Ihr Wille überflügelt seinen Willen, Sowie der Falke überm Reiher fliegt. Sie wird den Fuß aus seinen Nacken setzen. Sie ist die Stärkste, und sie hat Gemalt. In dem Augenblick wird es in der Loggte hinter dem Purpurvorhnng hell: weder die Goten noch die Zuschauer können einen Augenblick darüber im Zweifel sein, daß Amalasuntn, die sich eben in der Loggie eingefunden hat, mit der von Amalrich berichteten Prophezeiung gemeint ist, eine Prophezeiung, die freilich in der kläglichsten Weise zu Wasser wird, und von der man glauben möchte, sie hätte ebensowohl wie Amalasnntas maßloses Prahlen etwas abgemildert werden können, da es in der gegenwärtigen Form und Fassung uni poetischen Gleichgewicht zwischen Prophezeiung, Schuld und endlichem Schicksal doch einigermaßen fehlt. Amalrich scheint Theuderich nnr unter dem Namen Dietrichs von Bern zu kennen, und als ihm die Goten wegen dieser Unkenntnis verwehren wollen, als einziger anwesender Amalunge ans dem Königsbecher Bescheid zu tun, schwingt er ihn hohnlachend: Ihr — mir? Triquilla: Nicht trinken Soll aus des Königs Becher, wer nichts weiß Von seinem König. Amalrich: Was ihr all nicht wißt. Weiß ich von ihm: Ich habe ihn gesehn. Vitiges: Den — toten König? Wann? In einer Nacht — Alles war totenstill — hab ich gehört — Von Afrika herüber tum ein Schrei, Wie wenn ein Mensch in Todesnöten ruft. Es war kein Wind, und plötzlich hub dus Meer Von selbst zu wirbeln und zu schäumen um. Und da —- in Lüften — auf nachtfarbgein Roß Geritten kams — Amalrich: Vitiges: In — Lüften? Kraf geritten Groß wie ein Berg — Amalrich: Vitiges: Was tum?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/559>, abgerufen am 24.11.2024.