Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.König Laurin Ihr kennet ihn , , , , Und doch, wie überlegt, wie zagend, wie menschlich ist dieser Wallenstein in Wer nennt das Glück noch falsch? Mir war es treu, Aber wie fein und sicher hat Schiller dafür gesorgt, daß wir es fühlen, wie Mit leichtem Mute knüpft der arme Fischer Und: Furcht soll das Haupt des Glücklichen umschweben, Und von Max sagt Wallenstein selbst: O ihm ist wohl! Wer aber weiß, was uns So vereinigen sich denn abends die Goten zur Festfeier in dem durch Fackeln Amalrich ist der Sohn Arigers, des Amalungen, den Theoderich nebst tausend Da die ander", deuen der junge Mann aus der von ihm dem Befehl gegen¬ König Laurin Ihr kennet ihn , , , , Und doch, wie überlegt, wie zagend, wie menschlich ist dieser Wallenstein in Wer nennt das Glück noch falsch? Mir war es treu, Aber wie fein und sicher hat Schiller dafür gesorgt, daß wir es fühlen, wie Mit leichtem Mute knüpft der arme Fischer Und: Furcht soll das Haupt des Glücklichen umschweben, Und von Max sagt Wallenstein selbst: O ihm ist wohl! Wer aber weiß, was uns So vereinigen sich denn abends die Goten zur Festfeier in dem durch Fackeln Amalrich ist der Sohn Arigers, des Amalungen, den Theoderich nebst tausend Da die ander», deuen der junge Mann aus der von ihm dem Befehl gegen¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0558" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/240114"/> <fw type="header" place="top"> König Laurin</fw><lb/> <quote> Ihr kennet ihn , , , ,<lb/> Des Glückes abenteuerlichen Sohn,<lb/> Der, von der Zeiten Gunst emporgetragen,<lb/> Der Ehre höchste Staffeln rasch erstieg '<lb/> Und, ungefällige immer weiter strebend,<lb/> Der unbezähmten Ehrsucht Opfer siel.</quote><lb/> <p xml:id="ID_2923"> Und doch, wie überlegt, wie zagend, wie menschlich ist dieser Wallenstein in<lb/> Schillers Schilderung, verglichen mit dem sinnlos dahinstürmenden Überweib.<lb/> Gordon gegenüber freilich spricht er, schon am Rande des Abgrunds wandelnd, von<lb/> seinen großmütiger Sternen und ruft verblendet aus:</p><lb/> <quote> Wer nennt das Glück noch falsch? Mir war es treu,<lb/> Hob aus der Menschen Reihen mich heraus.<lb/> Mit Liebe, durch des Lebens Stufen mich<lb/> Mit kraftvoll leichten Götterarinen tragend.</quote><lb/> <p xml:id="ID_2924"> Aber wie fein und sicher hat Schiller dafür gesorgt, daß wir es fühlen, wie<lb/> des Dichters Ohr den gewaltigen Schritt des unerbittlichen Schicksals vernimmt:</p><lb/> <quote> Mit leichtem Mute knüpft der arme Fischer<lb/> — sagt Gordon —<lb/> Den kleinen Nachen um im sichern Port,<lb/> Sicht er im Sturm das große Meerschiff stranden.</quote><lb/> <p xml:id="ID_2925"> Und:</p><lb/> <quote> Furcht soll das Haupt des Glücklichen umschweben,<lb/> Denn ewig wanket des Geschickes Wage.</quote><lb/> <p xml:id="ID_2926"> Und von Max sagt Wallenstein selbst:</p><lb/> <quote> O ihm ist wohl! Wer aber weiß, was uns<lb/> Die nächste Stunde schwarzverschleiert bringt.</quote><lb/> <p xml:id="ID_2927"> So vereinigen sich denn abends die Goten zur Festfeier in dem durch Fackeln<lb/> erleuchteten Saale. Der königliche Stuhl steht auf einer Stufe erhöht und mit<lb/> Lorbeer geschmückt, davor ein Tisch mit dem Kvnigshumpen, und wie es sich<lb/> darum handelt, dem toten König, dessen Platz man sich auf dem leeren Königs¬<lb/> stuhle zu denken hat, die beiden vornehmsten Goten zu Gesellschaftern zu geben, be¬<lb/> zeichnet Vttiges, der Gotenführer, als zweiten, der neben des Königs Stuhl sitzen<lb/> soll, einen jungen Mann, deu die andern nicht kennen; er heißt Amalrich und ist<lb/> anßer Theodcchad der einzige noch lebende männliche Amalunge. Sein Auftreten,<lb/> seine Art zu sein und seine Rede erinnern bisweilen an Parsifal, bisweilen, jedoch<lb/> in durchaus veredelter Weise, an Kaliban. Die Figur ist Wildenbruch in der Ge¬<lb/> samtanlage und in der einzelnen Durchführung außerordentlich gelungen. Man<lb/> kann sagen, er hat damit einen genialen Griff getan, der das ganze Stück mit<lb/> einem Wurf in die höhere Region des nationalen Heldenepos emporhebt. Wunderlich<lb/> und verträumt ist Amnlrich allerdings, aber die Art, wie sich Wildenbruch des<lb/> Charakters seines Helden bedient, um die Legende, die Vision, das Übernatürliche,<lb/> die Volkspoesie in den Kreis seines Stücks hereinzuziehn, ist meisterlich.</p><lb/> <p xml:id="ID_2928"> Amalrich ist der Sohn Arigers, des Amalungen, den Theoderich nebst tausend<lb/> edeln Goten und fünftausend Knechten seiner Schwester Amcilafrida mitgegeben hatte,<lb/> um deren Brnntschatz zu bewahren. Nach des Vaters Tode ist der Sohn im Lily-<lb/> bäischen Land an dessen Stelle getreten. In einer vorzüglich gut angelegten Szene<lb/> erfahren die Goten, was Amalrich getan hat, als Belisar, nach seinem Siege über<lb/> die Vandalen in Afrika, die sizilischen Goten auffordern ließ, als Mitbesiegte das<lb/> Land zu räumen. Statt dem Überbringer dieser numaßenden Forderung zu ant¬<lb/> worten, hatte er ihn bei der Gurgel gepackt und ins Meer geworfen. Das war<lb/> offenbar die einzig richtige, obwohl völkerrechtlich anstößige Antwort gewesen, aber<lb/> freilich, als dann kurz darauf vou Ravenna der Befehl gekommen war, das Land<lb/> zu räumen, hatte Amalrich ebenso ohne weiteres gehorcht.</p><lb/> <p xml:id="ID_2929" next="#ID_2930"> Da die ander», deuen der junge Mann aus der von ihm dem Befehl gegen¬<lb/> über bewiesenen Nachgiebigkeit keinen Hehl macht, in ein unwilliges Gemurmel aus-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0558]
König Laurin
Ihr kennet ihn , , , ,
Des Glückes abenteuerlichen Sohn,
Der, von der Zeiten Gunst emporgetragen,
Der Ehre höchste Staffeln rasch erstieg '
Und, ungefällige immer weiter strebend,
Der unbezähmten Ehrsucht Opfer siel.
Und doch, wie überlegt, wie zagend, wie menschlich ist dieser Wallenstein in
Schillers Schilderung, verglichen mit dem sinnlos dahinstürmenden Überweib.
Gordon gegenüber freilich spricht er, schon am Rande des Abgrunds wandelnd, von
seinen großmütiger Sternen und ruft verblendet aus:
Wer nennt das Glück noch falsch? Mir war es treu,
Hob aus der Menschen Reihen mich heraus.
Mit Liebe, durch des Lebens Stufen mich
Mit kraftvoll leichten Götterarinen tragend.
Aber wie fein und sicher hat Schiller dafür gesorgt, daß wir es fühlen, wie
des Dichters Ohr den gewaltigen Schritt des unerbittlichen Schicksals vernimmt:
Mit leichtem Mute knüpft der arme Fischer
— sagt Gordon —
Den kleinen Nachen um im sichern Port,
Sicht er im Sturm das große Meerschiff stranden.
Und:
Furcht soll das Haupt des Glücklichen umschweben,
Denn ewig wanket des Geschickes Wage.
Und von Max sagt Wallenstein selbst:
O ihm ist wohl! Wer aber weiß, was uns
Die nächste Stunde schwarzverschleiert bringt.
So vereinigen sich denn abends die Goten zur Festfeier in dem durch Fackeln
erleuchteten Saale. Der königliche Stuhl steht auf einer Stufe erhöht und mit
Lorbeer geschmückt, davor ein Tisch mit dem Kvnigshumpen, und wie es sich
darum handelt, dem toten König, dessen Platz man sich auf dem leeren Königs¬
stuhle zu denken hat, die beiden vornehmsten Goten zu Gesellschaftern zu geben, be¬
zeichnet Vttiges, der Gotenführer, als zweiten, der neben des Königs Stuhl sitzen
soll, einen jungen Mann, deu die andern nicht kennen; er heißt Amalrich und ist
anßer Theodcchad der einzige noch lebende männliche Amalunge. Sein Auftreten,
seine Art zu sein und seine Rede erinnern bisweilen an Parsifal, bisweilen, jedoch
in durchaus veredelter Weise, an Kaliban. Die Figur ist Wildenbruch in der Ge¬
samtanlage und in der einzelnen Durchführung außerordentlich gelungen. Man
kann sagen, er hat damit einen genialen Griff getan, der das ganze Stück mit
einem Wurf in die höhere Region des nationalen Heldenepos emporhebt. Wunderlich
und verträumt ist Amnlrich allerdings, aber die Art, wie sich Wildenbruch des
Charakters seines Helden bedient, um die Legende, die Vision, das Übernatürliche,
die Volkspoesie in den Kreis seines Stücks hereinzuziehn, ist meisterlich.
Amalrich ist der Sohn Arigers, des Amalungen, den Theoderich nebst tausend
edeln Goten und fünftausend Knechten seiner Schwester Amcilafrida mitgegeben hatte,
um deren Brnntschatz zu bewahren. Nach des Vaters Tode ist der Sohn im Lily-
bäischen Land an dessen Stelle getreten. In einer vorzüglich gut angelegten Szene
erfahren die Goten, was Amalrich getan hat, als Belisar, nach seinem Siege über
die Vandalen in Afrika, die sizilischen Goten auffordern ließ, als Mitbesiegte das
Land zu räumen. Statt dem Überbringer dieser numaßenden Forderung zu ant¬
worten, hatte er ihn bei der Gurgel gepackt und ins Meer geworfen. Das war
offenbar die einzig richtige, obwohl völkerrechtlich anstößige Antwort gewesen, aber
freilich, als dann kurz darauf vou Ravenna der Befehl gekommen war, das Land
zu räumen, hatte Amalrich ebenso ohne weiteres gehorcht.
Da die ander», deuen der junge Mann aus der von ihm dem Befehl gegen¬
über bewiesenen Nachgiebigkeit keinen Hehl macht, in ein unwilliges Gemurmel aus-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |