Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.sondern wacht, so lauscht man andächtig dem Auftrage, den Theodahad erhält, und Als meinen Boten schick ich dich -- (Weiter kann es der Höhenwahnsinn offenbar nicht treiben) Sie laßt dir sagen, das; sie kommen will, Sie wird dem Boten in einem zweiten Schiffe folgen, und nachdem die Männer
Und Wie Gudalinde sich wundernd die Hände zusammenschlägt und das wahre Armes Seelchen schwindelt. Hat großsprecherische Vermessenheit wirklich keine Grenzen? Ist jemand, der Wie Wildenbruch darüber denkt, weiß man ja nicht, aber der Eindruck, den sondern wacht, so lauscht man andächtig dem Auftrage, den Theodahad erhält, und Als meinen Boten schick ich dich — (Weiter kann es der Höhenwahnsinn offenbar nicht treiben) Sie laßt dir sagen, das; sie kommen will, Sie wird dem Boten in einem zweiten Schiffe folgen, und nachdem die Männer
Und Wie Gudalinde sich wundernd die Hände zusammenschlägt und das wahre Armes Seelchen schwindelt. Hat großsprecherische Vermessenheit wirklich keine Grenzen? Ist jemand, der Wie Wildenbruch darüber denkt, weiß man ja nicht, aber der Eindruck, den <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0557" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/240113"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_2912" prev="#ID_2911"> sondern wacht, so lauscht man andächtig dem Auftrage, den Theodahad erhält, und<lb/> den er wie ein gelehriger stürmend Wort für Wort auswendig lernt:</p><lb/> <quote> Als meinen Boten schick ich dich —<lb/> Daß du ihm sagen sollst: Amalasnnta,<lb/> Die Königin ist, sowie du König bist,<lb/> Die einsnm ist, sonne du einsam bist,<lb/> Die kalt man nennt, sowie sie kalt dich nennen,<lb/> Weil unsre eigne Sonne uns bescheint,</quote><lb/> <p xml:id="ID_2913"> (Weiter kann es der Höhenwahnsinn offenbar nicht treiben)</p><lb/> <quote> Sie laßt dir sagen, das; sie kommen will,<lb/> Daß sie dich hören, sehn, erfahren will,<lb/> Ob deine Seele so nach Leben hungert.<lb/> Nach großem, wie die Seele lechzt in ihr.<lb/> Und bist du so, dann wollen wir uns beide,<lb/> Wir Hungernden, auf Gipfelhöhn der Welt<lb/> Die Tafel richte» und ein Mahl bereiten<lb/> Und eins am andern uns ersättigen.</quote><lb/> <p xml:id="ID_2914"> Sie wird dem Boten in einem zweiten Schiffe folgen, und nachdem die Männer<lb/> weg sind, kommen mit Gudalinde, Theodahads Gattin, einige die Weiblichkeit an¬<lb/> gehende Fragen zur Sprache. Gudalinde soll sie schmücken.</p><lb/> <quote> <p xml:id="ID_2915"> Heut ist ein neuer Tag.<lb/> Schön will ich sein.</p><lb/> <note type="speaker"> Gudalinde:</note> <p xml:id="ID_2916"> Du dises ja?</p> <p xml:id="ID_2917"> Schöner noch<lb/> Durch Schmuck ....<lb/> Heut, in Gedanken, dree ich vor den Mann,<lb/> Den ich erwählte.</p> <note type="speaker"> Amnlasunta:</note><lb/> <note type="speaker"> Gudalinde:</note> <p xml:id="ID_2918"> Drüben? In Buzcmz?<lb/> Der große Kaiser?</p> <p xml:id="ID_2919"> Hast du nicht gehört,<lb/> Er sticht nach mir — wie Adler überm Meer<lb/> Begegne» unsre beiden Seelen sich.<lb/> Gleiche zum gleichen — also komme ich.<lb/> Euch alle bring ich ihm zur Morgengabe:<lb/> Das Gotenreich vermähl ich mit Buzimz.</p> <note type="speaker"> Amalasnnta:</note> </quote><lb/> <p xml:id="ID_2920"> Und Wie Gudalinde sich wundernd die Hände zusammenschlägt und das wahre<lb/> Wort sagt: So — ungeheuer, streichelt ihr das Überweib lächelnd das Haar<lb/> und sagt:</p><lb/> <quote> Armes Seelchen schwindelt.<lb/> Weil mens zum erstenmal auf Höhen führt,<lb/> Wo Weltenschicksal ihm zu Füße» liegt?<lb/> Mngs euch erschrecken — ich bin euer Schicksal,<lb/> Und fliegen müßt ihr lernen, wie ich fliege,<lb/> Freiwillig oder widerstrebend! Komm —<lb/> So Großes kann der kleine Kopf nicht denken?</quote><lb/> <p xml:id="ID_2921"> Hat großsprecherische Vermessenheit wirklich keine Grenzen? Ist jemand, der<lb/> so ins Blaue hinausjagt, überhaupt noch vernünftig und bei Sinnen? Kann man<lb/> ihn, wenn er schließlich mit gebrochnen Gliedern daliegt, als ein unglückliches Opfer<lb/> bedauern, und muß man nicht vielmehr zugeben, daß ihm Recht geschehn ist?</p><lb/> <p xml:id="ID_2922"> Wie Wildenbruch darüber denkt, weiß man ja nicht, aber der Eindruck, den<lb/> solche selbstgefällige, jeder tatsächlichen Begründung entbehrende Reden machen, ist<lb/> deshalb so unbehaglich, weil man unwillkürlich glaubt, auch der Dichter täusche sich<lb/> mit schönen Worten über die Wirklichkeit hinweg und empfinde den Hochmut und<lb/> die Torheit, die er als Edelmut und Übermenschentum preist, nicht in ihrer ganzen<lb/> Erbärmlichkeit, sondern erwärme sich für sie an den eignen, leider Gottes einem<lb/> nur zu goldnen Munde entströmenden Worten. Auch Wnllenstein war ein ver¬<lb/> messener/hochmütiger Mann, der sein Schicksal nicht mit dem andrer Sterblicher<lb/> vergleichen wollte; sagt doch Schiller selbst:</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0557]
sondern wacht, so lauscht man andächtig dem Auftrage, den Theodahad erhält, und
den er wie ein gelehriger stürmend Wort für Wort auswendig lernt:
Als meinen Boten schick ich dich —
Daß du ihm sagen sollst: Amalasnnta,
Die Königin ist, sowie du König bist,
Die einsnm ist, sonne du einsam bist,
Die kalt man nennt, sowie sie kalt dich nennen,
Weil unsre eigne Sonne uns bescheint,
(Weiter kann es der Höhenwahnsinn offenbar nicht treiben)
Sie laßt dir sagen, das; sie kommen will,
Daß sie dich hören, sehn, erfahren will,
Ob deine Seele so nach Leben hungert.
Nach großem, wie die Seele lechzt in ihr.
Und bist du so, dann wollen wir uns beide,
Wir Hungernden, auf Gipfelhöhn der Welt
Die Tafel richte» und ein Mahl bereiten
Und eins am andern uns ersättigen.
Sie wird dem Boten in einem zweiten Schiffe folgen, und nachdem die Männer
weg sind, kommen mit Gudalinde, Theodahads Gattin, einige die Weiblichkeit an¬
gehende Fragen zur Sprache. Gudalinde soll sie schmücken.
Heut ist ein neuer Tag.
Schön will ich sein.
Gudalinde: Du dises ja?
Schöner noch
Durch Schmuck ....
Heut, in Gedanken, dree ich vor den Mann,
Den ich erwählte.
Amnlasunta:
Gudalinde: Drüben? In Buzcmz?
Der große Kaiser?
Hast du nicht gehört,
Er sticht nach mir — wie Adler überm Meer
Begegne» unsre beiden Seelen sich.
Gleiche zum gleichen — also komme ich.
Euch alle bring ich ihm zur Morgengabe:
Das Gotenreich vermähl ich mit Buzimz.
Amalasnnta:
Und Wie Gudalinde sich wundernd die Hände zusammenschlägt und das wahre
Wort sagt: So — ungeheuer, streichelt ihr das Überweib lächelnd das Haar
und sagt:
Armes Seelchen schwindelt.
Weil mens zum erstenmal auf Höhen führt,
Wo Weltenschicksal ihm zu Füße» liegt?
Mngs euch erschrecken — ich bin euer Schicksal,
Und fliegen müßt ihr lernen, wie ich fliege,
Freiwillig oder widerstrebend! Komm —
So Großes kann der kleine Kopf nicht denken?
Hat großsprecherische Vermessenheit wirklich keine Grenzen? Ist jemand, der
so ins Blaue hinausjagt, überhaupt noch vernünftig und bei Sinnen? Kann man
ihn, wenn er schließlich mit gebrochnen Gliedern daliegt, als ein unglückliches Opfer
bedauern, und muß man nicht vielmehr zugeben, daß ihm Recht geschehn ist?
Wie Wildenbruch darüber denkt, weiß man ja nicht, aber der Eindruck, den
solche selbstgefällige, jeder tatsächlichen Begründung entbehrende Reden machen, ist
deshalb so unbehaglich, weil man unwillkürlich glaubt, auch der Dichter täusche sich
mit schönen Worten über die Wirklichkeit hinweg und empfinde den Hochmut und
die Torheit, die er als Edelmut und Übermenschentum preist, nicht in ihrer ganzen
Erbärmlichkeit, sondern erwärme sich für sie an den eignen, leider Gottes einem
nur zu goldnen Munde entströmenden Worten. Auch Wnllenstein war ein ver¬
messener/hochmütiger Mann, der sein Schicksal nicht mit dem andrer Sterblicher
vergleichen wollte; sagt doch Schiller selbst:
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |