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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Herbstbilder von der Roter und der Pnlsmtz

dem alten Weinberge, zwei vom Lehmacker bis an das Kalberhegerich, vier bei
dem neuen Weinberge, sieben Schwaden Wiesenwachs vorm Bruch, sechzehn
Schwaden auf dem schwarzen Eichenhorst, acht in der Kaupeu. Die Bewohner
von Plessa bei Elsterwerda zahlen dem Diakonus drei alte Schock dafür, daß
er ihnen Sonntags das Evangelium wendisch und deutsch auslegt, und in Elster-
werd" selbst stiftet die "wendisch Beckerin" zwei Schock zum Malen des jüngsten
Gerichts in der Kirche, Dabei denke ich an die Kirche in Großthiemig, in der
noch heute die ganze Empore durch eine halb verbundne, nicht eben kunstvolle
Tafelmalerei halbkatholischen Charakters verziert ist. Der Künstler nennt sich
Johannes Heidenreich Dresdensis; gestiftet hat die Malerei der Pfarrer im
Jahre 1579, doch ist sein Name verwischt. Wenn wir aber um im Visitations¬
protokoll von 1575 über den Pfarrer Andreas Schnricht in Großthiemig lesen:
"Der Pfarrer hat die eine Schenke gekauft, was das Konsistorium ohne Zweifel
darum erlaubt hat, weil es sein väterliches Gut gewesen ist. Da aber hieraus
allerlei Unrichtigkeit und Ärgernis entsteht, so ist dein Pfarrer auferlegt worden,
binnen Jahresfrist die scheute zu verkaufen und sich solcher Nahrung forthin
zu entschlagen. Der Pfarrer ist zwar leidlicher Geschicklichkeit, aber in seinem
Amte etwas nachlässig erfunden worden, weshalb er unter Strafandrohung ver¬
warnt worden ist," so füllt auf diese Stiftung vielleicht eine ganz besondre
Beleuchtung. Auch anderwärts sah es mit der Kirchlichkeit der Pfarrer in den
Walddörfern etwas dünn aus. In Nannhof (an der Straße von Nadeburg
nach Meißen) heißt es: "Der Pfarrer dieses Orts ist gar ein ungelehrter
Mann, ist seines Handwerks ein Tuchmacher gewesen und von einer Glöcknern
zu diesem Pfarramte gekommen. Weil ihm aber die Eingepfnrrten samt dem
Lehnsherrn ein gutes Zeugnis geben, so hat man mit ihm Geduld getragen."
Auch mit dem Kirchendiener des Orts ist nicht alles in Ordnung; ihm wird
bei Strafe von zwei Schock geboten, daß er künftig unterlasse, "für die Gemeinde
vom Altar aus Güter feilzubieten und sonstiges auszurufen." Freilich wars
den armen Schulmeistern teilweise auch recht schwer gemacht, in normaler Weise
ihr Einkommen zu erhalten; denn z. B. der in Bärwalde hat einen Garten
am Hause, in den "man vier Scheffel säen könnte, wenn es des Wildes
wegen möglich wäre,"

Schließlich gewähren uns die reichhaltigen Nittergutsarchive, insbesondre
die Erbbücher von Fraueuhaiu und Merzdorf, einen Einblick in die bäuerlichen
Verhältnisse während des achtzehnten und zu Anfang des neunzehnten Jahr¬
hunderts. Wir ersehen daraus mit Erstaunen, daß sich die Lasten der Bauern
im Zeitalter der Aufklärung in Sachsen nicht verminderten, sondern eher ver¬
mehrten und namentlich in dem Falle drückend gestalteten, wenn an Stelle einer
alteingesessenen Adelsfamilie ein bürgerlicher Besitzer, am schlimmsten, wenn eine
bürgerliche Frau die Rechte der Gutsherrschaft ausübte. In Frauenhain hat
in dieser Hinsicht die Frau Anna Dorothea verwitwete Baldauf geborne Svnue-
waldin (1725 bis 1737), in Merzdorf die etwa zu gleicher Zeit residierende
Anna Juliane Schmiedin kein gesegnetes Andenken hinterlassen. Die Soune-
waldin suchte alle Fronten und Dienste der Gemeinde willkürlich zu steigern,
während sie den Leuten das Lehnholz verkürzte; auch bei einem Umbau der


Herbstbilder von der Roter und der Pnlsmtz

dem alten Weinberge, zwei vom Lehmacker bis an das Kalberhegerich, vier bei
dem neuen Weinberge, sieben Schwaden Wiesenwachs vorm Bruch, sechzehn
Schwaden auf dem schwarzen Eichenhorst, acht in der Kaupeu. Die Bewohner
von Plessa bei Elsterwerda zahlen dem Diakonus drei alte Schock dafür, daß
er ihnen Sonntags das Evangelium wendisch und deutsch auslegt, und in Elster-
werd« selbst stiftet die „wendisch Beckerin" zwei Schock zum Malen des jüngsten
Gerichts in der Kirche, Dabei denke ich an die Kirche in Großthiemig, in der
noch heute die ganze Empore durch eine halb verbundne, nicht eben kunstvolle
Tafelmalerei halbkatholischen Charakters verziert ist. Der Künstler nennt sich
Johannes Heidenreich Dresdensis; gestiftet hat die Malerei der Pfarrer im
Jahre 1579, doch ist sein Name verwischt. Wenn wir aber um im Visitations¬
protokoll von 1575 über den Pfarrer Andreas Schnricht in Großthiemig lesen:
„Der Pfarrer hat die eine Schenke gekauft, was das Konsistorium ohne Zweifel
darum erlaubt hat, weil es sein väterliches Gut gewesen ist. Da aber hieraus
allerlei Unrichtigkeit und Ärgernis entsteht, so ist dein Pfarrer auferlegt worden,
binnen Jahresfrist die scheute zu verkaufen und sich solcher Nahrung forthin
zu entschlagen. Der Pfarrer ist zwar leidlicher Geschicklichkeit, aber in seinem
Amte etwas nachlässig erfunden worden, weshalb er unter Strafandrohung ver¬
warnt worden ist," so füllt auf diese Stiftung vielleicht eine ganz besondre
Beleuchtung. Auch anderwärts sah es mit der Kirchlichkeit der Pfarrer in den
Walddörfern etwas dünn aus. In Nannhof (an der Straße von Nadeburg
nach Meißen) heißt es: „Der Pfarrer dieses Orts ist gar ein ungelehrter
Mann, ist seines Handwerks ein Tuchmacher gewesen und von einer Glöcknern
zu diesem Pfarramte gekommen. Weil ihm aber die Eingepfnrrten samt dem
Lehnsherrn ein gutes Zeugnis geben, so hat man mit ihm Geduld getragen."
Auch mit dem Kirchendiener des Orts ist nicht alles in Ordnung; ihm wird
bei Strafe von zwei Schock geboten, daß er künftig unterlasse, „für die Gemeinde
vom Altar aus Güter feilzubieten und sonstiges auszurufen." Freilich wars
den armen Schulmeistern teilweise auch recht schwer gemacht, in normaler Weise
ihr Einkommen zu erhalten; denn z. B. der in Bärwalde hat einen Garten
am Hause, in den „man vier Scheffel säen könnte, wenn es des Wildes
wegen möglich wäre,"

Schließlich gewähren uns die reichhaltigen Nittergutsarchive, insbesondre
die Erbbücher von Fraueuhaiu und Merzdorf, einen Einblick in die bäuerlichen
Verhältnisse während des achtzehnten und zu Anfang des neunzehnten Jahr¬
hunderts. Wir ersehen daraus mit Erstaunen, daß sich die Lasten der Bauern
im Zeitalter der Aufklärung in Sachsen nicht verminderten, sondern eher ver¬
mehrten und namentlich in dem Falle drückend gestalteten, wenn an Stelle einer
alteingesessenen Adelsfamilie ein bürgerlicher Besitzer, am schlimmsten, wenn eine
bürgerliche Frau die Rechte der Gutsherrschaft ausübte. In Frauenhain hat
in dieser Hinsicht die Frau Anna Dorothea verwitwete Baldauf geborne Svnue-
waldin (1725 bis 1737), in Merzdorf die etwa zu gleicher Zeit residierende
Anna Juliane Schmiedin kein gesegnetes Andenken hinterlassen. Die Soune-
waldin suchte alle Fronten und Dienste der Gemeinde willkürlich zu steigern,
während sie den Leuten das Lehnholz verkürzte; auch bei einem Umbau der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/538>, abgerufen am 24.11.2024.