Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.Line Inselreihe durch das griechische Meer trat lieber an den Rand der Tempelterrasse, um den Blick in das wundervolle Inzwischen begann Dörpfeld seinen Lehrvortrag und hatte ihn fast beendet, Dn es schou dunkelte, öffnete uns das Kloster nicht mehr seine Pforten, Am andern Morgen früh um fünf verließ uns Professor Dudu aus Heidel¬ Grenzboten I 1903 6
Line Inselreihe durch das griechische Meer trat lieber an den Rand der Tempelterrasse, um den Blick in das wundervolle Inzwischen begann Dörpfeld seinen Lehrvortrag und hatte ihn fast beendet, Dn es schou dunkelte, öffnete uns das Kloster nicht mehr seine Pforten, Am andern Morgen früh um fünf verließ uns Professor Dudu aus Heidel¬ Grenzboten I 1903 6
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0049" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/239605"/> <fw type="header" place="top"> Line Inselreihe durch das griechische Meer</fw><lb/> <p xml:id="ID_129" prev="#ID_128"> trat lieber an den Rand der Tempelterrasse, um den Blick in das wundervolle<lb/> wilde Waldtal und über das blaue Meer bis Ägina und bis zu den um-<lb/> schleierten attischen Bergen zu genießen, wahrend sich die Gebirge von Methana<lb/> und Epidauros vom rötlichen Westhimmel silhouettenhaft abhoben.</p><lb/> <p xml:id="ID_130"> Inzwischen begann Dörpfeld seinen Lehrvortrag und hatte ihn fast beendet,<lb/> als die ausgesandten Amerikaner ihre verirrten, echauffierten und nu der Toilette<lb/> ziemlich ramponierten Schäflein zurückbrachten. Dann erklärte Dörpfeld, er wolle<lb/> das Kloster aufsuchen, wer dazu nicht Lust habe, solle direkt zur Stadt Poros<lb/> gehn. Ich schloß mich seiner Partei an, und er führte uns durch schönen<lb/> Fichtenhochwald, wie man ihn in Griechenland selten findet, rechts herum<lb/> durch Schluchten und über Höhen, stockte bisweilen und überlegte sich die<lb/> Richtung, bis wir plötzlich vou einem Waldhügel aus das große, wohlgebaute<lb/> Kloster im Tale vor uns sahen; wir schauten gerade in den Klosterhof hinein,<lb/> wo eine schlanke Zypresse mit einer noch schlankern Palme um den Preis der<lb/> Schönheit zu ringen schien. Durch eine Schlucht war von dem Monastiri ein<lb/> Primitives Kaffenion getrennt, das offenbar wegen seiner kühlen Lage und<lb/> seiner frischen Quelle den Neukalauriern oder Poriern zu einem beliebten Aus¬<lb/> flugsort diente. An zwei Tischen saßen, gerade wie bei uns, Honoratiorenfamilien,<lb/> die über den plötzlichen Einbruch der Fremden vom Innern der Insel her nicht<lb/> wenig erstand schienen, uns aber mit griechischer Freundlichkeit begrüßten.<lb/> Noch mehr fast wurde die Überkultur dieses Ortes bezeugt durch einen an der<lb/> Felswand aufgetürmten Berg leerer Limonadegnzcuseflaschen, aus den Nur uns<lb/> sofort losstürzten, um damit das köstliche dein Felsen entströmende Wasser zu<lb/> schöpfen. Der während der verschiednen Klettereien anfgesammelte, seit lange<lb/> ungestillte Durst war so groß, daß zehn Hände zugleich die Flaschen unter den<lb/> Strahl zu halten suchten, und eine allgemeine Planscherci und Durchnässung<lb/> das Ende des allzu gierigen Drängens wurde.</p><lb/> <p xml:id="ID_131"> Dn es schou dunkelte, öffnete uns das Kloster nicht mehr seine Pforten,<lb/> wir eilten vielmehr die Schlucht hinab zum nahen Meere, bestiegen das dort<lb/> harrende Boot und fuhren um die durch einen schmalen Landstreifcn mit Ka-<lb/> lauria verbundne kleine Insel herum, auf der die Stadt liegt. Hier steckte im<lb/> Jahre 1831 Miaulis die griechische Flotte in Brand, um sie nicht dem Befehl<lb/> des Präsidenten Knpodistria gemäß den Russen ausliefern zu müssen. Später<lb/> wurde der Hafen der Hauptkriegshafen des Königreichs. Wir sahen beim Mond¬<lb/> schein die weißen Häuser der Stadt, wie sie in Form einer unregelmäßigen<lb/> Pyramide den Berg hinausliegen, und die zahlreichen Lichter am Strande —<lb/> ein herrlicher Anblick. Selbstverständlich stimmte eine deutsche Dame, während<lb/> wir über das schwarze, vom Mond zitternd gestreifte Wasser dahinfuhren, von<lb/> der Poesie dieser Fahrt überwältigt, das Lied „In einem kühlen Grunde" an,<lb/> dessen letzten Vers wir noch sangen, während wir um Bord stiegen. Bei Wind¬<lb/> lichtern wurde uns dann unter ausgespannten Zeltdache das Mahl serviert.<lb/> Um Mitternacht etwa, als wir schon in den Kabinen ruhten, setzte sich unser<lb/> Schiff nordwärts in Bewegung.</p><lb/> <p xml:id="ID_132" next="#ID_133"> Am andern Morgen früh um fünf verließ uns Professor Dudu aus Heidel¬<lb/> berg, um nach Laurion hinüber zu fahren, das wir soeben passierten. Als</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I 1903 6</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0049]
Line Inselreihe durch das griechische Meer
trat lieber an den Rand der Tempelterrasse, um den Blick in das wundervolle
wilde Waldtal und über das blaue Meer bis Ägina und bis zu den um-
schleierten attischen Bergen zu genießen, wahrend sich die Gebirge von Methana
und Epidauros vom rötlichen Westhimmel silhouettenhaft abhoben.
Inzwischen begann Dörpfeld seinen Lehrvortrag und hatte ihn fast beendet,
als die ausgesandten Amerikaner ihre verirrten, echauffierten und nu der Toilette
ziemlich ramponierten Schäflein zurückbrachten. Dann erklärte Dörpfeld, er wolle
das Kloster aufsuchen, wer dazu nicht Lust habe, solle direkt zur Stadt Poros
gehn. Ich schloß mich seiner Partei an, und er führte uns durch schönen
Fichtenhochwald, wie man ihn in Griechenland selten findet, rechts herum
durch Schluchten und über Höhen, stockte bisweilen und überlegte sich die
Richtung, bis wir plötzlich vou einem Waldhügel aus das große, wohlgebaute
Kloster im Tale vor uns sahen; wir schauten gerade in den Klosterhof hinein,
wo eine schlanke Zypresse mit einer noch schlankern Palme um den Preis der
Schönheit zu ringen schien. Durch eine Schlucht war von dem Monastiri ein
Primitives Kaffenion getrennt, das offenbar wegen seiner kühlen Lage und
seiner frischen Quelle den Neukalauriern oder Poriern zu einem beliebten Aus¬
flugsort diente. An zwei Tischen saßen, gerade wie bei uns, Honoratiorenfamilien,
die über den plötzlichen Einbruch der Fremden vom Innern der Insel her nicht
wenig erstand schienen, uns aber mit griechischer Freundlichkeit begrüßten.
Noch mehr fast wurde die Überkultur dieses Ortes bezeugt durch einen an der
Felswand aufgetürmten Berg leerer Limonadegnzcuseflaschen, aus den Nur uns
sofort losstürzten, um damit das köstliche dein Felsen entströmende Wasser zu
schöpfen. Der während der verschiednen Klettereien anfgesammelte, seit lange
ungestillte Durst war so groß, daß zehn Hände zugleich die Flaschen unter den
Strahl zu halten suchten, und eine allgemeine Planscherci und Durchnässung
das Ende des allzu gierigen Drängens wurde.
Dn es schou dunkelte, öffnete uns das Kloster nicht mehr seine Pforten,
wir eilten vielmehr die Schlucht hinab zum nahen Meere, bestiegen das dort
harrende Boot und fuhren um die durch einen schmalen Landstreifcn mit Ka-
lauria verbundne kleine Insel herum, auf der die Stadt liegt. Hier steckte im
Jahre 1831 Miaulis die griechische Flotte in Brand, um sie nicht dem Befehl
des Präsidenten Knpodistria gemäß den Russen ausliefern zu müssen. Später
wurde der Hafen der Hauptkriegshafen des Königreichs. Wir sahen beim Mond¬
schein die weißen Häuser der Stadt, wie sie in Form einer unregelmäßigen
Pyramide den Berg hinausliegen, und die zahlreichen Lichter am Strande —
ein herrlicher Anblick. Selbstverständlich stimmte eine deutsche Dame, während
wir über das schwarze, vom Mond zitternd gestreifte Wasser dahinfuhren, von
der Poesie dieser Fahrt überwältigt, das Lied „In einem kühlen Grunde" an,
dessen letzten Vers wir noch sangen, während wir um Bord stiegen. Bei Wind¬
lichtern wurde uns dann unter ausgespannten Zeltdache das Mahl serviert.
Um Mitternacht etwa, als wir schon in den Kabinen ruhten, setzte sich unser
Schiff nordwärts in Bewegung.
Am andern Morgen früh um fünf verließ uns Professor Dudu aus Heidel¬
berg, um nach Laurion hinüber zu fahren, das wir soeben passierten. Als
Grenzboten I 1903 6
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