Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.Line Inselreihe durch das griechische Neer ein lebendiger Briefkasten zog er ab, mit Briefen und Karten reich beladen; In Eretria selbst gab es mancherlei zu sehen, das übliche Lokalmuseum Vom Theater wurden wir zum Gymnasium geführt, wo besonders die Line Inselreihe durch das griechische Neer ein lebendiger Briefkasten zog er ab, mit Briefen und Karten reich beladen; In Eretria selbst gab es mancherlei zu sehen, das übliche Lokalmuseum Vom Theater wurden wir zum Gymnasium geführt, wo besonders die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0050" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/239606"/> <fw type="header" place="top"> Line Inselreihe durch das griechische Neer</fw><lb/> <p xml:id="ID_133" prev="#ID_132"> ein lebendiger Briefkasten zog er ab, mit Briefen und Karten reich beladen;<lb/> wir brauchten bei ihm ja nicht dasselbe zu riskieren, wie bei dem griechischen<lb/> Lukumihändlcr. Wir andern landeten einige Stunden später in Eretria auf<lb/> Euböa und frontem hier zunächst dein herrlichsten Vergnügen, das uns die<lb/> Inselreihe gewährte, wir nahmen ein Bad in den Fluten des Meeres. Dörpfeld<lb/> pflegte schon vor der Landung den Herren- und den Damenstrand zu bezeichnen,<lb/> und es war dann ein Hochgenuß, sich von den lanlichen, bläulichen Wogen<lb/> umplätschern zu lassen. Freilich hatten diese sanften Fluten auch ihre Mucken,<lb/> die sich in der Folge einigen von uns recht unangenehm fühlbar machten.<lb/> Diesem ersten Bade gewährte eine gewisse Weihe der Blick auf den gegenüber¬<lb/> liegenden Strand von Antis, wo Agamemnon, der Hirt der Völker, seine<lb/> Scharen zur Ausfahrt nach Ilion gesammelt hatte, wo die schöne Iphigenia dein<lb/> Opfermesser entrückt und zu einer literarischen Persönlichkeit geworden war.</p><lb/> <p xml:id="ID_134"> In Eretria selbst gab es mancherlei zu sehen, das übliche Lokalmuseum<lb/> mit Stelen, Lekhthen und ganzen Körben voll Gefüßscherben, sodann Mauer-<lb/> und Tempelreste, und vor allem ein gut erhaltenes Theater, an dein uns in<lb/> ausführlichen, besonders gegen Puchstein gerichtetem Vortrage mancherlei Un¬<lb/> erwartetes gezeigt und gelehrt wurde. Wir erfuhren, daß schon die Griechen<lb/> den Gewölbebau gekannt und hier für den engen „charontischen Durchgang"<lb/> benutzt haben, mit Hilfe dessen Geister, z. B. der des Darms, plötzlich dicht vor<lb/> den Zuschauern erschienen. Zu meiner großen Befriedigung räumte Dörpfeld<lb/> energisch mit dem sogenannten McMöirm auf, einer Rollmaschine, durch die<lb/> Personen oder Persvnengrnppen aus dem Palaste des Hintergrundes auf die<lb/> Bühne herausgerollt sein sollten, z. B. die schlafenden Eumeniden, die dann vor<lb/> den Augen der Zuschauer erwacht seien. Ich habe diese Einrichtung im Innersten<lb/> meiner Seele immer für unglaublich gehalten, obwohl ich sie gewissenhaft gelernt<lb/> und wieder gelehrt habe. Dörpfeld erklärte sie schlankweg für eine Erfindung<lb/> der Lexikographen, die sich nicht mehr vorstellen konnten, wie es in Wirklichkeit<lb/> zugegangen war. Es wurde nämlich einfach die Tür des Palastes geöffnet,<lb/> dann konnten die Schauspieler hineinschauen und dem Publikum, das nur zum<lb/> Teil ebenfalls hineinsehen konnte, berichten, was sie drinnen sahen. Die<lb/> Götter aber erschienen teils auf einem Flügelwagen, dessen Geleis noch zu sehen<lb/> war, teils an einem Kran hangend, der herein und wieder hinaus gedreht<lb/> wurde. Aristophanes, der diese Göttererscheiuuugen mit seinem Käfer per¬<lb/> sifliert hat, gebraucht dafür die Ausdrücke oKKM-M und el8lcMsw, und daraus<lb/> haben die spätern Grammatiker das ganze slcliMsnm erdichtet. Beiläufig äußerte<lb/> Dörpfeld auch, er glaube nicht daran, daß bloß drei Schauspieler in jedem<lb/> Stücke aufgetreten seien, auch die Nebenrollen seien nach seiner Meinung von<lb/> besondern Schauspielern gegeben wordeu. Über alle diese Dinge wird jedenfalls<lb/> noch ein heftiger Streit entbrennen.</p><lb/> <p xml:id="ID_135" next="#ID_136"> Vom Theater wurden wir zum Gymnasium geführt, wo besonders die<lb/> Waschgelegenheit unsre Aufmerksamkeit fesselte, drei große und tiefe Stein¬<lb/> becken nebeneinander, mit Buchstaben bezeichnet und mit Wasserdurchfluß ver¬<lb/> sehen. Die Jünglinge mußten, wenn sie sich in reinen: Wasser waschen wollten,<lb/> um das oberste, mit ^ bezeichnete Becken zu gelangen suchen. Bon der Atro-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0050]
Line Inselreihe durch das griechische Neer
ein lebendiger Briefkasten zog er ab, mit Briefen und Karten reich beladen;
wir brauchten bei ihm ja nicht dasselbe zu riskieren, wie bei dem griechischen
Lukumihändlcr. Wir andern landeten einige Stunden später in Eretria auf
Euböa und frontem hier zunächst dein herrlichsten Vergnügen, das uns die
Inselreihe gewährte, wir nahmen ein Bad in den Fluten des Meeres. Dörpfeld
pflegte schon vor der Landung den Herren- und den Damenstrand zu bezeichnen,
und es war dann ein Hochgenuß, sich von den lanlichen, bläulichen Wogen
umplätschern zu lassen. Freilich hatten diese sanften Fluten auch ihre Mucken,
die sich in der Folge einigen von uns recht unangenehm fühlbar machten.
Diesem ersten Bade gewährte eine gewisse Weihe der Blick auf den gegenüber¬
liegenden Strand von Antis, wo Agamemnon, der Hirt der Völker, seine
Scharen zur Ausfahrt nach Ilion gesammelt hatte, wo die schöne Iphigenia dein
Opfermesser entrückt und zu einer literarischen Persönlichkeit geworden war.
In Eretria selbst gab es mancherlei zu sehen, das übliche Lokalmuseum
mit Stelen, Lekhthen und ganzen Körben voll Gefüßscherben, sodann Mauer-
und Tempelreste, und vor allem ein gut erhaltenes Theater, an dein uns in
ausführlichen, besonders gegen Puchstein gerichtetem Vortrage mancherlei Un¬
erwartetes gezeigt und gelehrt wurde. Wir erfuhren, daß schon die Griechen
den Gewölbebau gekannt und hier für den engen „charontischen Durchgang"
benutzt haben, mit Hilfe dessen Geister, z. B. der des Darms, plötzlich dicht vor
den Zuschauern erschienen. Zu meiner großen Befriedigung räumte Dörpfeld
energisch mit dem sogenannten McMöirm auf, einer Rollmaschine, durch die
Personen oder Persvnengrnppen aus dem Palaste des Hintergrundes auf die
Bühne herausgerollt sein sollten, z. B. die schlafenden Eumeniden, die dann vor
den Augen der Zuschauer erwacht seien. Ich habe diese Einrichtung im Innersten
meiner Seele immer für unglaublich gehalten, obwohl ich sie gewissenhaft gelernt
und wieder gelehrt habe. Dörpfeld erklärte sie schlankweg für eine Erfindung
der Lexikographen, die sich nicht mehr vorstellen konnten, wie es in Wirklichkeit
zugegangen war. Es wurde nämlich einfach die Tür des Palastes geöffnet,
dann konnten die Schauspieler hineinschauen und dem Publikum, das nur zum
Teil ebenfalls hineinsehen konnte, berichten, was sie drinnen sahen. Die
Götter aber erschienen teils auf einem Flügelwagen, dessen Geleis noch zu sehen
war, teils an einem Kran hangend, der herein und wieder hinaus gedreht
wurde. Aristophanes, der diese Göttererscheiuuugen mit seinem Käfer per¬
sifliert hat, gebraucht dafür die Ausdrücke oKKM-M und el8lcMsw, und daraus
haben die spätern Grammatiker das ganze slcliMsnm erdichtet. Beiläufig äußerte
Dörpfeld auch, er glaube nicht daran, daß bloß drei Schauspieler in jedem
Stücke aufgetreten seien, auch die Nebenrollen seien nach seiner Meinung von
besondern Schauspielern gegeben wordeu. Über alle diese Dinge wird jedenfalls
noch ein heftiger Streit entbrennen.
Vom Theater wurden wir zum Gymnasium geführt, wo besonders die
Waschgelegenheit unsre Aufmerksamkeit fesselte, drei große und tiefe Stein¬
becken nebeneinander, mit Buchstaben bezeichnet und mit Wasserdurchfluß ver¬
sehen. Die Jünglinge mußten, wenn sie sich in reinen: Wasser waschen wollten,
um das oberste, mit ^ bezeichnete Becken zu gelangen suchen. Bon der Atro-
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