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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Leuer!

Spalten und unterirdisches Feuer, und es traten kleine Eruptionen ein,
wodurch Asche und lockre Blöcke ausgeworfen wurden. So sind diese "ver¬
brannten" Inseln entstanden.

Der Eindruck dieser vulkanischen Landschaft ist der der furchtbarsten Wild¬
heit und Unnahbarkeit. Auf diesen Lava- und Aschenkegeln grünt kein Halm,
und keine bunte Farbe, keine weiche Linie erfreut das Auge. Alles ist schwarz,
schroff, zerrissen, dem Menschen und seiner Kultur unzugänglich. Jetzt war
mich die Sonne hinter Therasia verschwunden, der letzte rosige Schimmer, der
noch da oben um den Dächern der Häuser von Phira hing, verblich, bläuliche,
graue und schwarze Töne breiteten sich aus, und rasch nahm die Dunkelheit
zu. Ein kalter Wind erhob sich und blies zwischen den Inseln in den
Kratersee hinein, sodaß das bis dahin ruhige Meer dumpf zu brciuseu begann,
und die weiße Brandung um den schwarzen Lavablöcken aufschäumte. Es
fröstelte uns, und ein leises Grauen überkam wohl die meisten; wir fühlten
plötzlich unsre gänzliche Schwäche und Hilflosigkeit angesichts dieser allgewaltigen,
steinernen, mitleidlosen Natur. So rasch es ging, rutschten und kletterten wir
die steilen Hänge hinunter, jeder darauf bedacht, die vor ihm Rutschenden
nicht mit Geröll zu überschütten. Mit Mühe brachten die Schiffer das Boot
dnrch die enge Pforte in den Kratersee hinaus, wo uns ein starker Wellenschlag
empfing. Heftig schaukelnd fuhren wir dnrch die unheimliche Öde auf die
freundlich glänzenden Lichter unsers Schiffes zu. Da stimmte Frau Bruckner
das altbekannte Lied an:

Unter allgemeiner Heiterkeit fielen wir alle der Reihe nach ein und sangen
noch, als wir an Bord des Schiffes stiegen.




Feuer!
Erinnerung aus dem russischen polizeileben
Alexander Andreas von (Fortsetzung)

is wir ans die Strciße traten, ließ sich noch immer kein Heller Schein
wahrnehmen. Wir gingen über die Steinstraße und bogen in die
Verkündigungsstraße ein. Dort begegneten wir dem Krüppel Iwan,
der uns rüstig entgegenstelzte. Auf meinen Anruf meldete er, daß die
Feuerwehr kein Feuer gefunden habe und schon zurückgekehrt sei.
Der Posten auf dem Feuerturme habe falschen Lärm gemacht. Wahr¬
scheinlich habe es in einem Schornsteine gebrannt, und die Bewohner des Hauses
hätten die Flamme gelöscht, ehe die Feuerwehr ankam.

Und wohin marschierst du in der Dunkelheit? fragte ich.

Er lachte kurz auf.


Leuer!

Spalten und unterirdisches Feuer, und es traten kleine Eruptionen ein,
wodurch Asche und lockre Blöcke ausgeworfen wurden. So sind diese „ver¬
brannten" Inseln entstanden.

Der Eindruck dieser vulkanischen Landschaft ist der der furchtbarsten Wild¬
heit und Unnahbarkeit. Auf diesen Lava- und Aschenkegeln grünt kein Halm,
und keine bunte Farbe, keine weiche Linie erfreut das Auge. Alles ist schwarz,
schroff, zerrissen, dem Menschen und seiner Kultur unzugänglich. Jetzt war
mich die Sonne hinter Therasia verschwunden, der letzte rosige Schimmer, der
noch da oben um den Dächern der Häuser von Phira hing, verblich, bläuliche,
graue und schwarze Töne breiteten sich aus, und rasch nahm die Dunkelheit
zu. Ein kalter Wind erhob sich und blies zwischen den Inseln in den
Kratersee hinein, sodaß das bis dahin ruhige Meer dumpf zu brciuseu begann,
und die weiße Brandung um den schwarzen Lavablöcken aufschäumte. Es
fröstelte uns, und ein leises Grauen überkam wohl die meisten; wir fühlten
plötzlich unsre gänzliche Schwäche und Hilflosigkeit angesichts dieser allgewaltigen,
steinernen, mitleidlosen Natur. So rasch es ging, rutschten und kletterten wir
die steilen Hänge hinunter, jeder darauf bedacht, die vor ihm Rutschenden
nicht mit Geröll zu überschütten. Mit Mühe brachten die Schiffer das Boot
dnrch die enge Pforte in den Kratersee hinaus, wo uns ein starker Wellenschlag
empfing. Heftig schaukelnd fuhren wir dnrch die unheimliche Öde auf die
freundlich glänzenden Lichter unsers Schiffes zu. Da stimmte Frau Bruckner
das altbekannte Lied an:

Unter allgemeiner Heiterkeit fielen wir alle der Reihe nach ein und sangen
noch, als wir an Bord des Schiffes stiegen.




Feuer!
Erinnerung aus dem russischen polizeileben
Alexander Andreas von (Fortsetzung)

is wir ans die Strciße traten, ließ sich noch immer kein Heller Schein
wahrnehmen. Wir gingen über die Steinstraße und bogen in die
Verkündigungsstraße ein. Dort begegneten wir dem Krüppel Iwan,
der uns rüstig entgegenstelzte. Auf meinen Anruf meldete er, daß die
Feuerwehr kein Feuer gefunden habe und schon zurückgekehrt sei.
Der Posten auf dem Feuerturme habe falschen Lärm gemacht. Wahr¬
scheinlich habe es in einem Schornsteine gebrannt, und die Bewohner des Hauses
hätten die Flamme gelöscht, ehe die Feuerwehr ankam.

Und wohin marschierst du in der Dunkelheit? fragte ich.

Er lachte kurz auf.


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[0427] Leuer! Spalten und unterirdisches Feuer, und es traten kleine Eruptionen ein, wodurch Asche und lockre Blöcke ausgeworfen wurden. So sind diese „ver¬ brannten" Inseln entstanden. Der Eindruck dieser vulkanischen Landschaft ist der der furchtbarsten Wild¬ heit und Unnahbarkeit. Auf diesen Lava- und Aschenkegeln grünt kein Halm, und keine bunte Farbe, keine weiche Linie erfreut das Auge. Alles ist schwarz, schroff, zerrissen, dem Menschen und seiner Kultur unzugänglich. Jetzt war mich die Sonne hinter Therasia verschwunden, der letzte rosige Schimmer, der noch da oben um den Dächern der Häuser von Phira hing, verblich, bläuliche, graue und schwarze Töne breiteten sich aus, und rasch nahm die Dunkelheit zu. Ein kalter Wind erhob sich und blies zwischen den Inseln in den Kratersee hinein, sodaß das bis dahin ruhige Meer dumpf zu brciuseu begann, und die weiße Brandung um den schwarzen Lavablöcken aufschäumte. Es fröstelte uns, und ein leises Grauen überkam wohl die meisten; wir fühlten plötzlich unsre gänzliche Schwäche und Hilflosigkeit angesichts dieser allgewaltigen, steinernen, mitleidlosen Natur. So rasch es ging, rutschten und kletterten wir die steilen Hänge hinunter, jeder darauf bedacht, die vor ihm Rutschenden nicht mit Geröll zu überschütten. Mit Mühe brachten die Schiffer das Boot dnrch die enge Pforte in den Kratersee hinaus, wo uns ein starker Wellenschlag empfing. Heftig schaukelnd fuhren wir dnrch die unheimliche Öde auf die freundlich glänzenden Lichter unsers Schiffes zu. Da stimmte Frau Bruckner das altbekannte Lied an: Unter allgemeiner Heiterkeit fielen wir alle der Reihe nach ein und sangen noch, als wir an Bord des Schiffes stiegen. Feuer! Erinnerung aus dem russischen polizeileben Alexander Andreas von (Fortsetzung) is wir ans die Strciße traten, ließ sich noch immer kein Heller Schein wahrnehmen. Wir gingen über die Steinstraße und bogen in die Verkündigungsstraße ein. Dort begegneten wir dem Krüppel Iwan, der uns rüstig entgegenstelzte. Auf meinen Anruf meldete er, daß die Feuerwehr kein Feuer gefunden habe und schon zurückgekehrt sei. Der Posten auf dem Feuerturme habe falschen Lärm gemacht. Wahr¬ scheinlich habe es in einem Schornsteine gebrannt, und die Bewohner des Hauses hätten die Flamme gelöscht, ehe die Feuerwehr ankam. Und wohin marschierst du in der Dunkelheit? fragte ich. Er lachte kurz auf.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/427>, abgerufen am 27.07.2024.