Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.waren uns die Quellen, die an der Sellada entspringen, weit wichtiger. Wir Wir trafen unsre Gesellschaft auf einem schmalen Plateau, wo unter steilem In dem Kirchlein nämlich, in dessen Schatten wir lagerten, hat seit 1896 Wir schritten nun langsam durch ihre engen, steilen Straßen und traten waren uns die Quellen, die an der Sellada entspringen, weit wichtiger. Wir Wir trafen unsre Gesellschaft auf einem schmalen Plateau, wo unter steilem In dem Kirchlein nämlich, in dessen Schatten wir lagerten, hat seit 1896 Wir schritten nun langsam durch ihre engen, steilen Straßen und traten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0426" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/239981"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_2125" prev="#ID_2124"> waren uns die Quellen, die an der Sellada entspringen, weit wichtiger. Wir<lb/> taten einen erquickenden Trunk und sahen mit Befriedigung, daß einige Agojaten<lb/> ein Fäßchen mit dem köstlichen Naß zu füllen im Begriff waren. Dann bestiegen<lb/> wir wieder unsre Esel und ritten nun zum zweiten Gipfel, dem Messavuno,<lb/> in die Höhe. Auf diesem, der unmittelbar aus dem Meere bis zu 370 Metern<lb/> emporsteigt, lag die Stadt der alten dorischen Therüer, die die Veranlassung<lb/> zu unserm Besuche der Insel gegeben hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_2126"> Wir trafen unsre Gesellschaft auf einem schmalen Plateau, wo unter steilem<lb/> Felsenhang ein Kirchlein liegt, der sogenannte Evangelismvs. Daneben steht<lb/> ein Häuschen für den Wächter der Ausgrabungen, davor aber grünt ein Maul¬<lb/> beerbaum, einer der wenigen Bäume, die es überhaupt auf der Insel gibt, eine<lb/> Erquickung für das von dem flimmernden Kalkstein und der flimmernden Luft<lb/> geblendete Auge. Unter diesem Baume und im Schatten der beiden kleinen<lb/> Gebäude und der überhangenden Felsen lagerte sich malerisch auf Steinen und<lb/> ausgebreiteten Tüchern und Mänteln unsre Gesellschaft und wartete mit Sehn¬<lb/> sucht der verheißenen Getränke. Bald brachte denn auch ein Maultier das Faß<lb/> mit Wasser, gleich darauf ein zweites das mit dem Wein aus Pyrgos herbei.<lb/> Jeder mischte nach seinem Geschmack und Wohlgefallen, und es trat dabei die<lb/> eigentümliche Erscheinung zu Tage, daß diese Mischungen, je mehr der Durst<lb/> gestillt wurde, um so feuriger wurden und zuletzt ganz aufhörten, Mischung<lb/> zu sein. Auch die Damen schlürften mit Wohlbehagen das durchaus nicht<lb/> harmlos zu nennende Getränk, und mancher und manche hätten auf dieser<lb/> Höhe angesichts des unendlichen Meeres wohl am liebsten stundenlang träumend<lb/> und plaudernd gesessen, aber unser gestrenger Führer mahnte zum Aufbruch<lb/> nach der ausgegrabnen Stadt.</p><lb/> <p xml:id="ID_2127"> In dem Kirchlein nämlich, in dessen Schatten wir lagerten, hat seit 1896<lb/> mehrere Sommer Herr Hiller von Gürtringen gehaust. Er hatte den Auftrag,<lb/> für die große Sammlung griechischer Inschriften die Inseln von Rhodos an<lb/> nach unbekannten Inschriften abzusuchen, und fand dabei auf dem Stadtgebiete<lb/> des alten Thera eine überreiche Ausbeute. Man konnte leicht erkennen, daß<lb/> eine regelrechte Ausgrabung hier noch viel mehr ergeben würde, und so faßte<lb/> er den Entschluß, auf eigne Kosten die ganze Stadt bis auf den natürlichen<lb/> Felsen auszugraben. Er warb sich zu diesem Behuf einige tüchtige Mitarbeiter,<lb/> auch Männer der Naturwissenschaft, um die Flora und die Fauna, das Klima<lb/> und die meteorologischen Erscheinungen der Insel zu erforschen. Während<lb/> er sich selbst mit einem Genossen in der Kirche einquartierte, wohnten vier andre<lb/> Herren in dem zugleich als Küche eingerichteten Wächterhäuschen. Die deutschen<lb/> Forscher brachten hier in der reinsten Gottesnatur mit dem weiten Blick über<lb/> das Meer köstliche Monate und Jahre in erfolgreichster Arbeit hin, und im<lb/> Jahre 1900 war das ganze alte Thera aus dem Schütte der Jahrhunderte<lb/> herausgeholt. Es ist allerdings nur eine kleine Jnselstadt, auf dem hohen,<lb/> zerrissenen Berghügel unregelmäßig angelegt, aber dafür bis jetzt die einzige<lb/> griechische Stadt, die vollständig wieder ans Tageslicht gebracht worden ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_2128" next="#ID_2129"> Wir schritten nun langsam durch ihre engen, steilen Straßen und traten<lb/> ein in ihre Gymnasien, Tempel und Theater. Das Jnteressanteste ist die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0426]
waren uns die Quellen, die an der Sellada entspringen, weit wichtiger. Wir
taten einen erquickenden Trunk und sahen mit Befriedigung, daß einige Agojaten
ein Fäßchen mit dem köstlichen Naß zu füllen im Begriff waren. Dann bestiegen
wir wieder unsre Esel und ritten nun zum zweiten Gipfel, dem Messavuno,
in die Höhe. Auf diesem, der unmittelbar aus dem Meere bis zu 370 Metern
emporsteigt, lag die Stadt der alten dorischen Therüer, die die Veranlassung
zu unserm Besuche der Insel gegeben hatte.
Wir trafen unsre Gesellschaft auf einem schmalen Plateau, wo unter steilem
Felsenhang ein Kirchlein liegt, der sogenannte Evangelismvs. Daneben steht
ein Häuschen für den Wächter der Ausgrabungen, davor aber grünt ein Maul¬
beerbaum, einer der wenigen Bäume, die es überhaupt auf der Insel gibt, eine
Erquickung für das von dem flimmernden Kalkstein und der flimmernden Luft
geblendete Auge. Unter diesem Baume und im Schatten der beiden kleinen
Gebäude und der überhangenden Felsen lagerte sich malerisch auf Steinen und
ausgebreiteten Tüchern und Mänteln unsre Gesellschaft und wartete mit Sehn¬
sucht der verheißenen Getränke. Bald brachte denn auch ein Maultier das Faß
mit Wasser, gleich darauf ein zweites das mit dem Wein aus Pyrgos herbei.
Jeder mischte nach seinem Geschmack und Wohlgefallen, und es trat dabei die
eigentümliche Erscheinung zu Tage, daß diese Mischungen, je mehr der Durst
gestillt wurde, um so feuriger wurden und zuletzt ganz aufhörten, Mischung
zu sein. Auch die Damen schlürften mit Wohlbehagen das durchaus nicht
harmlos zu nennende Getränk, und mancher und manche hätten auf dieser
Höhe angesichts des unendlichen Meeres wohl am liebsten stundenlang träumend
und plaudernd gesessen, aber unser gestrenger Führer mahnte zum Aufbruch
nach der ausgegrabnen Stadt.
In dem Kirchlein nämlich, in dessen Schatten wir lagerten, hat seit 1896
mehrere Sommer Herr Hiller von Gürtringen gehaust. Er hatte den Auftrag,
für die große Sammlung griechischer Inschriften die Inseln von Rhodos an
nach unbekannten Inschriften abzusuchen, und fand dabei auf dem Stadtgebiete
des alten Thera eine überreiche Ausbeute. Man konnte leicht erkennen, daß
eine regelrechte Ausgrabung hier noch viel mehr ergeben würde, und so faßte
er den Entschluß, auf eigne Kosten die ganze Stadt bis auf den natürlichen
Felsen auszugraben. Er warb sich zu diesem Behuf einige tüchtige Mitarbeiter,
auch Männer der Naturwissenschaft, um die Flora und die Fauna, das Klima
und die meteorologischen Erscheinungen der Insel zu erforschen. Während
er sich selbst mit einem Genossen in der Kirche einquartierte, wohnten vier andre
Herren in dem zugleich als Küche eingerichteten Wächterhäuschen. Die deutschen
Forscher brachten hier in der reinsten Gottesnatur mit dem weiten Blick über
das Meer köstliche Monate und Jahre in erfolgreichster Arbeit hin, und im
Jahre 1900 war das ganze alte Thera aus dem Schütte der Jahrhunderte
herausgeholt. Es ist allerdings nur eine kleine Jnselstadt, auf dem hohen,
zerrissenen Berghügel unregelmäßig angelegt, aber dafür bis jetzt die einzige
griechische Stadt, die vollständig wieder ans Tageslicht gebracht worden ist.
Wir schritten nun langsam durch ihre engen, steilen Straßen und traten
ein in ihre Gymnasien, Tempel und Theater. Das Jnteressanteste ist die
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