Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.Nordcifrikanische Stroifznge zur Genüge ein. Aber eine richtige Via orala ist diese Schlucht doch, die Man bekommt einen Begriff von der Schwierigkeit der Arbeit, wenn man Zwar begegneten uns gerade inmitten der Schlucht natürlich einige deutsch Nordcifrikanische Stroifznge zur Genüge ein. Aber eine richtige Via orala ist diese Schlucht doch, die Man bekommt einen Begriff von der Schwierigkeit der Arbeit, wenn man Zwar begegneten uns gerade inmitten der Schlucht natürlich einige deutsch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0297" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/239853"/> <fw type="header" place="top"> Nordcifrikanische Stroifznge</fw><lb/> <p xml:id="ID_1404" prev="#ID_1403"> zur Genüge ein. Aber eine richtige Via orala ist diese Schlucht doch, die<lb/> ihresgleichen in ganz Afrika sucht, ebenso wie die durch ihre Wirrsale hin¬<lb/> durch erzwungne Straße. Die Gesamtarbeiten hatten 1630000 Franken gekostet.<lb/> Das ist nicht viel, wenn man das Wunderwerk der Technik ansieht und dazu<lb/> noch die vollständige Abgelegenheit und Einsamkeit in Betracht zieht, 2000 Kubik¬<lb/> meter Felsgestein mußten entfernt werden- Die Masse der aufzuführenden Stütz¬<lb/> mauern wurde auf 16000 Kubikmeter berechnet. Mehr als 100000 Kilogramm<lb/> Sprengpulver wurden aufgebraucht. Über 500 Kabhlen — die nehmen jeden<lb/> Verdienst mit — waren als Mineure beschäftigt (zusammen über 12000 Ar¬<lb/> beiter), und so kam es, daß der Bau eine Zeit lang, vom 1. November 1864<lb/> bis 1. November 1865, liegen blieb — einer der üblichen Kabyleuaufstäude<lb/> hatte die Arbeiter zur Fahne des Propheten gerufen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1405"> Man bekommt einen Begriff von der Schwierigkeit der Arbeit, wenn man<lb/> vernimmt, daß sich die Schlucht zwischen dem Adrar-Amellal weißer Berg)<lb/> und dem Dschebel Koucht Kraterberg), was eine Entfernung von vier<lb/> Kilometern ausmacht, um 1600 Meter senkt. So jäh, ja häufig überhängend<lb/> die Felsen dastehn, ein reiches Pflnnzenwachstum hat sich auch ihrer bemächtigt:<lb/> knorrige Olivenstämme, Korkeichen, Feigen schauen von den Klippen, aller-<lb/> haud Wunderblumen nicken uus zu. Tief unten stürzt der tobende Agrium<lb/> von Fall zu Fall, von Kessel zu Kessel. Über den in fast grauenhafter Tiefe<lb/> dahinschießender Fluß setzt uns eine kühne Brücke, hundert'Meter lang, mit<lb/> sechs riesigen Bogen, deren mittelster eine Spannweite von 28 Metern hat.<lb/> Man wird sich der Großartigkeit dieses Brückenwerks gar nicht recht bewußt;<lb/> deun gerade bei diesem Übergang auf die rechte Flußseite, der wegen der<lb/> drüben senkrecht in den Strom abstürzenden Felswände durchaus notwendig war,<lb/> schieben sich die bis zu 1800 Metern aufsteigenden ungeheuern Felstürme in<lb/> einer Weise durcheinander und ineinander, daß ein Ausweg aus diesem un¬<lb/> heimlichen Wald riesenhafter Steinungetüme ganz unmöglich, und die Brücke<lb/> beiucch nebensächlich erscheint. Aber immer wieder öffnet sich im letzten Augen¬<lb/> blick das finstere Tor eines Durchbruchs, und sieh, wie dort aus der dunkeln<lb/> Tunnelpfvrte uus entgegen ein Kamel tritt, daneben in den weißen Mantel ge¬<lb/> wickelt der Führer, gleich dahinter aus dem Dunkel ein zweites, ein drittes u.s.f.<lb/> eine langsam und bedächtig dahinschreitende stumme Gesellschaft, in ihrer Ruhe<lb/> ein merkwürdiger Gegensatz zu den zerrissenen Klippen, den zahllosen himmel¬<lb/> stürmenden Felstürmen, dem erschütternden Donner des Flusses, der mit Ur¬<lb/> gewalt seinem Steinkerker zu entrinnen trachtet. Mit dieser Karawane ver¬<lb/> schwand aber auch jeder weitere Versuch, Ähnlichkeiten zwischen der Todesschlucht<lb/> und der Via eng-I-z. festzustellen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1406"> Zwar begegneten uns gerade inmitten der Schlucht natürlich einige deutsch<lb/> aussehende Touristen, die den Weg umgekehrt wie wir machten, von setis nach<lb/> Bougie hinunter (was durchaus zu empfehlen ist, da man dann als Hinter¬<lb/> grund der Schluchtöffnungen immer das Meer vor sich hat). Aber ein paar<lb/> heimische Laute, die wir da auffingen, verschwamme» sofort, da wir jetzt nach<lb/> den Affenherden emporschauteu, die sich droben in den zahlreichen Höhlen und<lb/> Klüften herumtn nackten.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0297]
Nordcifrikanische Stroifznge
zur Genüge ein. Aber eine richtige Via orala ist diese Schlucht doch, die
ihresgleichen in ganz Afrika sucht, ebenso wie die durch ihre Wirrsale hin¬
durch erzwungne Straße. Die Gesamtarbeiten hatten 1630000 Franken gekostet.
Das ist nicht viel, wenn man das Wunderwerk der Technik ansieht und dazu
noch die vollständige Abgelegenheit und Einsamkeit in Betracht zieht, 2000 Kubik¬
meter Felsgestein mußten entfernt werden- Die Masse der aufzuführenden Stütz¬
mauern wurde auf 16000 Kubikmeter berechnet. Mehr als 100000 Kilogramm
Sprengpulver wurden aufgebraucht. Über 500 Kabhlen — die nehmen jeden
Verdienst mit — waren als Mineure beschäftigt (zusammen über 12000 Ar¬
beiter), und so kam es, daß der Bau eine Zeit lang, vom 1. November 1864
bis 1. November 1865, liegen blieb — einer der üblichen Kabyleuaufstäude
hatte die Arbeiter zur Fahne des Propheten gerufen.
Man bekommt einen Begriff von der Schwierigkeit der Arbeit, wenn man
vernimmt, daß sich die Schlucht zwischen dem Adrar-Amellal weißer Berg)
und dem Dschebel Koucht Kraterberg), was eine Entfernung von vier
Kilometern ausmacht, um 1600 Meter senkt. So jäh, ja häufig überhängend
die Felsen dastehn, ein reiches Pflnnzenwachstum hat sich auch ihrer bemächtigt:
knorrige Olivenstämme, Korkeichen, Feigen schauen von den Klippen, aller-
haud Wunderblumen nicken uus zu. Tief unten stürzt der tobende Agrium
von Fall zu Fall, von Kessel zu Kessel. Über den in fast grauenhafter Tiefe
dahinschießender Fluß setzt uns eine kühne Brücke, hundert'Meter lang, mit
sechs riesigen Bogen, deren mittelster eine Spannweite von 28 Metern hat.
Man wird sich der Großartigkeit dieses Brückenwerks gar nicht recht bewußt;
deun gerade bei diesem Übergang auf die rechte Flußseite, der wegen der
drüben senkrecht in den Strom abstürzenden Felswände durchaus notwendig war,
schieben sich die bis zu 1800 Metern aufsteigenden ungeheuern Felstürme in
einer Weise durcheinander und ineinander, daß ein Ausweg aus diesem un¬
heimlichen Wald riesenhafter Steinungetüme ganz unmöglich, und die Brücke
beiucch nebensächlich erscheint. Aber immer wieder öffnet sich im letzten Augen¬
blick das finstere Tor eines Durchbruchs, und sieh, wie dort aus der dunkeln
Tunnelpfvrte uus entgegen ein Kamel tritt, daneben in den weißen Mantel ge¬
wickelt der Führer, gleich dahinter aus dem Dunkel ein zweites, ein drittes u.s.f.
eine langsam und bedächtig dahinschreitende stumme Gesellschaft, in ihrer Ruhe
ein merkwürdiger Gegensatz zu den zerrissenen Klippen, den zahllosen himmel¬
stürmenden Felstürmen, dem erschütternden Donner des Flusses, der mit Ur¬
gewalt seinem Steinkerker zu entrinnen trachtet. Mit dieser Karawane ver¬
schwand aber auch jeder weitere Versuch, Ähnlichkeiten zwischen der Todesschlucht
und der Via eng-I-z. festzustellen.
Zwar begegneten uns gerade inmitten der Schlucht natürlich einige deutsch
aussehende Touristen, die den Weg umgekehrt wie wir machten, von setis nach
Bougie hinunter (was durchaus zu empfehlen ist, da man dann als Hinter¬
grund der Schluchtöffnungen immer das Meer vor sich hat). Aber ein paar
heimische Laute, die wir da auffingen, verschwamme» sofort, da wir jetzt nach
den Affenherden emporschauteu, die sich droben in den zahlreichen Höhlen und
Klüften herumtn nackten.
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