ohne daß den Polen dafür ihre Stimme im Neichsrate für die Fülle entzogen worden wäre, in denen es sich um Ordnung von Angelegenheiten der andern Kronländer Österreichs mit Allsnahme Galiziens handelt. Auf dieser politischen Anomalie beruht in der Hauptsache die gegenwärtig so einflußreiche Stellung der Polen. Sie beschließen mit über Dinge, die Galizien nichts allgehn, sie polvnisieren und zentralisieren dort nach Herzenslust, aber sie schwärmen im Neichsrate für eine schrankenlose Gleichberechtigung im nichtgalizischen Österreich, sie untergraben damit die geschichtliche Stellung des Deutschtums, aber sie können sich diesen Scherz leisten, denn Dankbarkeit für die ihnen einst von den Deutschliberalcn zugewandte politische Gefälligkeit empfinden sie in ihrem nationalen Hochmut nicht, und überdies können sie die Politik der Gleich¬ berechtigung leicht mitmachen, weil sie vor ihrer Anwendung auf Galizien durch die erweiterte Autonomie des Landtags gesichert sind.
Man muß zugeben, daß darin eine politische Ungeheuerlichkeit liegt, und daraus wird erklärlich, daß die Dentschnationalen auf die Forderung der Sonderstellung Galiziens verfallen sind. Sie verstehn darunter in der Haupt¬ sache die Ausscheidung der galizischen Stimmen im Neichsrate bei allen Westösterreich und Galizien nicht gemeinsamen Angelegenheiten. Eine solche Sonderstellung Galiziens würde die Gesetzgebung für Westösterreich von dem polnischen Einflüsse loslösen und die Zahl der Slaven in Westösterreich ver¬ mindern, was natürlich den Deutschen zu gute kommen würde. Das ist alles ganz richtig, leider aber undurchführbar; der alte Fehler wird sich nicht so leicht wieder gut machen lassen. Den Dentschnationalen könnte es freilich ziemlich gleichgiltig sein, wenn die Durchführung ihrer Forderung auch mit einer noch weiter gehenden Selbständigkeit Galiziens enden würde. Aber die übrigen Mitentscheidenden dürften darüber andrer Meinung sein. Daß weder Deutschland noch Rußland, namentlich bei der heutigen Unruhe des Polen- tums, über eine größere Erweiterung der politischen Selbständigkeit Galiziens erfreut sein würden, mag hier als eine die äußere Politik berührende Frage unerörtert bleiben, aber die Krone würde eine solche dem weitern Föderalismus Vorschub leistende Maßregel nicht zugeben. Ferner werden sich die Polen selbst mit Händen und Füßen dagegen wehren, in eine Sonderstellung ihres Landes zu willige". Sie fühlen sich in dem bestehenden Verhältnis recht wohl, weil sich dabei alle möglichen finanziellen Vorteile für das ewig passive Galizien herausschlagen lassen, während jede Sonderstellung, auch bei einer hohen Dotierung vom Reich, doch nur den zukünftigen Bankrott des Landes bedeuten wurde. Bei der heute allgemein betriebnen "Pvstulatenpolitik" der einzelnen Nationalitäten, soviel Finanz- lind Sprachvergünstigungen wie möglich zu erwerben, das möchte den Polen schon gefallen, sie haben ja auch vor kurzem wieder einen reichhaltigen Wunschzettel präsentiert -- aber sich loslösen zu lassen von der guten Nährmutter Österreich, die uur zu geben aber nichts zu sagen hat, darauf werden sie niemals eingehn. Daß die Tschechen und die Slovencn ebenfalls dagegen sein würden, liegt auf der Hand, denn sie werden keineswegs freiwillig dazu bereit sein, den slavischen Einfluß in Österreich zu Gunsten des deutschen zu mindern. Auch die Konservativen im klerikalen Lager wie im Großgrundbesitz werden sich schwerlich dazu bewegen lassen,
Galizien
ohne daß den Polen dafür ihre Stimme im Neichsrate für die Fülle entzogen worden wäre, in denen es sich um Ordnung von Angelegenheiten der andern Kronländer Österreichs mit Allsnahme Galiziens handelt. Auf dieser politischen Anomalie beruht in der Hauptsache die gegenwärtig so einflußreiche Stellung der Polen. Sie beschließen mit über Dinge, die Galizien nichts allgehn, sie polvnisieren und zentralisieren dort nach Herzenslust, aber sie schwärmen im Neichsrate für eine schrankenlose Gleichberechtigung im nichtgalizischen Österreich, sie untergraben damit die geschichtliche Stellung des Deutschtums, aber sie können sich diesen Scherz leisten, denn Dankbarkeit für die ihnen einst von den Deutschliberalcn zugewandte politische Gefälligkeit empfinden sie in ihrem nationalen Hochmut nicht, und überdies können sie die Politik der Gleich¬ berechtigung leicht mitmachen, weil sie vor ihrer Anwendung auf Galizien durch die erweiterte Autonomie des Landtags gesichert sind.
Man muß zugeben, daß darin eine politische Ungeheuerlichkeit liegt, und daraus wird erklärlich, daß die Dentschnationalen auf die Forderung der Sonderstellung Galiziens verfallen sind. Sie verstehn darunter in der Haupt¬ sache die Ausscheidung der galizischen Stimmen im Neichsrate bei allen Westösterreich und Galizien nicht gemeinsamen Angelegenheiten. Eine solche Sonderstellung Galiziens würde die Gesetzgebung für Westösterreich von dem polnischen Einflüsse loslösen und die Zahl der Slaven in Westösterreich ver¬ mindern, was natürlich den Deutschen zu gute kommen würde. Das ist alles ganz richtig, leider aber undurchführbar; der alte Fehler wird sich nicht so leicht wieder gut machen lassen. Den Dentschnationalen könnte es freilich ziemlich gleichgiltig sein, wenn die Durchführung ihrer Forderung auch mit einer noch weiter gehenden Selbständigkeit Galiziens enden würde. Aber die übrigen Mitentscheidenden dürften darüber andrer Meinung sein. Daß weder Deutschland noch Rußland, namentlich bei der heutigen Unruhe des Polen- tums, über eine größere Erweiterung der politischen Selbständigkeit Galiziens erfreut sein würden, mag hier als eine die äußere Politik berührende Frage unerörtert bleiben, aber die Krone würde eine solche dem weitern Föderalismus Vorschub leistende Maßregel nicht zugeben. Ferner werden sich die Polen selbst mit Händen und Füßen dagegen wehren, in eine Sonderstellung ihres Landes zu willige». Sie fühlen sich in dem bestehenden Verhältnis recht wohl, weil sich dabei alle möglichen finanziellen Vorteile für das ewig passive Galizien herausschlagen lassen, während jede Sonderstellung, auch bei einer hohen Dotierung vom Reich, doch nur den zukünftigen Bankrott des Landes bedeuten wurde. Bei der heute allgemein betriebnen „Pvstulatenpolitik" der einzelnen Nationalitäten, soviel Finanz- lind Sprachvergünstigungen wie möglich zu erwerben, das möchte den Polen schon gefallen, sie haben ja auch vor kurzem wieder einen reichhaltigen Wunschzettel präsentiert — aber sich loslösen zu lassen von der guten Nährmutter Österreich, die uur zu geben aber nichts zu sagen hat, darauf werden sie niemals eingehn. Daß die Tschechen und die Slovencn ebenfalls dagegen sein würden, liegt auf der Hand, denn sie werden keineswegs freiwillig dazu bereit sein, den slavischen Einfluß in Österreich zu Gunsten des deutschen zu mindern. Auch die Konservativen im klerikalen Lager wie im Großgrundbesitz werden sich schwerlich dazu bewegen lassen,
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[0256]
Galizien
ohne daß den Polen dafür ihre Stimme im Neichsrate für die Fülle entzogen
worden wäre, in denen es sich um Ordnung von Angelegenheiten der andern
Kronländer Österreichs mit Allsnahme Galiziens handelt. Auf dieser politischen
Anomalie beruht in der Hauptsache die gegenwärtig so einflußreiche Stellung
der Polen. Sie beschließen mit über Dinge, die Galizien nichts allgehn, sie
polvnisieren und zentralisieren dort nach Herzenslust, aber sie schwärmen im
Neichsrate für eine schrankenlose Gleichberechtigung im nichtgalizischen Österreich,
sie untergraben damit die geschichtliche Stellung des Deutschtums, aber sie
können sich diesen Scherz leisten, denn Dankbarkeit für die ihnen einst von
den Deutschliberalcn zugewandte politische Gefälligkeit empfinden sie in ihrem
nationalen Hochmut nicht, und überdies können sie die Politik der Gleich¬
berechtigung leicht mitmachen, weil sie vor ihrer Anwendung auf Galizien
durch die erweiterte Autonomie des Landtags gesichert sind.
Man muß zugeben, daß darin eine politische Ungeheuerlichkeit liegt, und
daraus wird erklärlich, daß die Dentschnationalen auf die Forderung der
Sonderstellung Galiziens verfallen sind. Sie verstehn darunter in der Haupt¬
sache die Ausscheidung der galizischen Stimmen im Neichsrate bei allen
Westösterreich und Galizien nicht gemeinsamen Angelegenheiten. Eine solche
Sonderstellung Galiziens würde die Gesetzgebung für Westösterreich von dem
polnischen Einflüsse loslösen und die Zahl der Slaven in Westösterreich ver¬
mindern, was natürlich den Deutschen zu gute kommen würde. Das ist alles
ganz richtig, leider aber undurchführbar; der alte Fehler wird sich nicht so
leicht wieder gut machen lassen. Den Dentschnationalen könnte es freilich
ziemlich gleichgiltig sein, wenn die Durchführung ihrer Forderung auch mit
einer noch weiter gehenden Selbständigkeit Galiziens enden würde. Aber die
übrigen Mitentscheidenden dürften darüber andrer Meinung sein. Daß weder
Deutschland noch Rußland, namentlich bei der heutigen Unruhe des Polen-
tums, über eine größere Erweiterung der politischen Selbständigkeit Galiziens
erfreut sein würden, mag hier als eine die äußere Politik berührende Frage
unerörtert bleiben, aber die Krone würde eine solche dem weitern Föderalismus
Vorschub leistende Maßregel nicht zugeben. Ferner werden sich die Polen
selbst mit Händen und Füßen dagegen wehren, in eine Sonderstellung ihres
Landes zu willige». Sie fühlen sich in dem bestehenden Verhältnis recht
wohl, weil sich dabei alle möglichen finanziellen Vorteile für das ewig passive
Galizien herausschlagen lassen, während jede Sonderstellung, auch bei einer
hohen Dotierung vom Reich, doch nur den zukünftigen Bankrott des Landes
bedeuten wurde. Bei der heute allgemein betriebnen „Pvstulatenpolitik" der
einzelnen Nationalitäten, soviel Finanz- lind Sprachvergünstigungen wie möglich
zu erwerben, das möchte den Polen schon gefallen, sie haben ja auch vor
kurzem wieder einen reichhaltigen Wunschzettel präsentiert — aber sich loslösen
zu lassen von der guten Nährmutter Österreich, die uur zu geben aber nichts
zu sagen hat, darauf werden sie niemals eingehn. Daß die Tschechen und die
Slovencn ebenfalls dagegen sein würden, liegt auf der Hand, denn sie werden
keineswegs freiwillig dazu bereit sein, den slavischen Einfluß in Österreich
zu Gunsten des deutschen zu mindern. Auch die Konservativen im klerikalen
Lager wie im Großgrundbesitz werden sich schwerlich dazu bewegen lassen,
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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/256>, abgerufen am 24.11.2024.
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