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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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Marokko waldeinar Hemeling von
1

>arakko hat ein Flächeugebiet von ungefähr 700000 Quadrat¬
kilometern ohne das Tucitgebiet. Die Schätzungen der Ein¬
wohnerzahl schwanken zwischen sechs und acht Millionen. Zur
bessern Übersicht empfiehlt es sich, das Land in drei Teile
Jm zerlegen: den gebirgigen Norden, die Ebnen der Mitte
und das Atlas- und das Saharagebiet im Süden. Der Norden wird zer¬
schnitten von einer großen Menge meist kurzer Flüsse; in seinem Innern liegen
die Städte Fes mit 100000 Einwohnern, Meines mit 60000, Udschda,
Uassan und El Ksor. Die Küste dieses Gebiets wird umsäumt von den
Häfen Melitta, Tetuan, Ceuta, Tanger, Larache und Rabat. Abgesehen von
den Städten ist der Norden nur müßig bevölkert. Die Mitte gliedert sich in
die Flußgebiete des Und el Kbt, der bei Rabat mündet, des Und el Rbia,
der bei Mazagan, und des Und Tensift, der südlich von Saffi mündet. Die
Städte an der Küste sind Casabianca, Asimur, Mazagan, Saffi und Mogador,
die Hauptstadt des Innern ist Marrakesch oder richtiger Marracksch (mit
100000 Einwohnern). Diese mittlern Gebiete weisen bis in die-. Täter
des Atlas hinein neben steinigen Flächen weite anbaufähige Gebiete auf, sie
sind der wirtschaftliche Kern des Landes und beherbergen die zahlreichste Be¬
völkerung. Die riesige weiße Mauer des Atlas trennt den Süden von der
Mitte und vom Norden Marokkos ab. Dieser Süden Marokkos wird in der
Nähe der Küste durchströmt von dem Uad Sus, dessen Stromgebiet denselben.
Namen trägt. Östlich vom Sus liegen die Oasengebiete von Draua und
Tafilelt, während das Tucitgebiet seit der Besetzung durch die Franzosen
nicht mehr hinzugerechnet werden kann. Die Städte des Südens sind Tama-
grnt, Tarudant, Tisnit und an der Küste Agadir, das jedoch dem Handel
verschlossen ist, der Hafen für dieses ganze Gebiet ist deshalb Mogador.
Südlich vom Sus und vom Tafilelt beansprucht Marokko die Herrschaft über die
Sahara bis zur Breite von Kap Indi, den Kanarischen Inseln gegenüber. An
diesem Kap unterhält Marokko einen Bnrgflecken (Ksba) mit einer Besatzung;
das dortige Küstengebiet heißt Torfeici.

Die Bevölkerung ist sechs bis acht Millionen stark und besteht zum
größten Teile aus Berbern, zum kleinern aus Arabern. Die Berber sind vor allem
Landbewohner, außerdem bestehn aus ihnen in den Städten die niedern Klassen;
nördlich vom Atlas sprechen sie arabisch, während südlich vom Atlas die eigent¬
liche Berbersprache, das Schellha, herrscht. Sie waren von jeher und sind




Marokko waldeinar Hemeling von
1

>arakko hat ein Flächeugebiet von ungefähr 700000 Quadrat¬
kilometern ohne das Tucitgebiet. Die Schätzungen der Ein¬
wohnerzahl schwanken zwischen sechs und acht Millionen. Zur
bessern Übersicht empfiehlt es sich, das Land in drei Teile
Jm zerlegen: den gebirgigen Norden, die Ebnen der Mitte
und das Atlas- und das Saharagebiet im Süden. Der Norden wird zer¬
schnitten von einer großen Menge meist kurzer Flüsse; in seinem Innern liegen
die Städte Fes mit 100000 Einwohnern, Meines mit 60000, Udschda,
Uassan und El Ksor. Die Küste dieses Gebiets wird umsäumt von den
Häfen Melitta, Tetuan, Ceuta, Tanger, Larache und Rabat. Abgesehen von
den Städten ist der Norden nur müßig bevölkert. Die Mitte gliedert sich in
die Flußgebiete des Und el Kbt, der bei Rabat mündet, des Und el Rbia,
der bei Mazagan, und des Und Tensift, der südlich von Saffi mündet. Die
Städte an der Küste sind Casabianca, Asimur, Mazagan, Saffi und Mogador,
die Hauptstadt des Innern ist Marrakesch oder richtiger Marracksch (mit
100000 Einwohnern). Diese mittlern Gebiete weisen bis in die-. Täter
des Atlas hinein neben steinigen Flächen weite anbaufähige Gebiete auf, sie
sind der wirtschaftliche Kern des Landes und beherbergen die zahlreichste Be¬
völkerung. Die riesige weiße Mauer des Atlas trennt den Süden von der
Mitte und vom Norden Marokkos ab. Dieser Süden Marokkos wird in der
Nähe der Küste durchströmt von dem Uad Sus, dessen Stromgebiet denselben.
Namen trägt. Östlich vom Sus liegen die Oasengebiete von Draua und
Tafilelt, während das Tucitgebiet seit der Besetzung durch die Franzosen
nicht mehr hinzugerechnet werden kann. Die Städte des Südens sind Tama-
grnt, Tarudant, Tisnit und an der Küste Agadir, das jedoch dem Handel
verschlossen ist, der Hafen für dieses ganze Gebiet ist deshalb Mogador.
Südlich vom Sus und vom Tafilelt beansprucht Marokko die Herrschaft über die
Sahara bis zur Breite von Kap Indi, den Kanarischen Inseln gegenüber. An
diesem Kap unterhält Marokko einen Bnrgflecken (Ksba) mit einer Besatzung;
das dortige Küstengebiet heißt Torfeici.

Die Bevölkerung ist sechs bis acht Millionen stark und besteht zum
größten Teile aus Berbern, zum kleinern aus Arabern. Die Berber sind vor allem
Landbewohner, außerdem bestehn aus ihnen in den Städten die niedern Klassen;
nördlich vom Atlas sprechen sie arabisch, während südlich vom Atlas die eigent¬
liche Berbersprache, das Schellha, herrscht. Sie waren von jeher und sind


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[0200] [Abbildung] Marokko waldeinar Hemeling von 1 >arakko hat ein Flächeugebiet von ungefähr 700000 Quadrat¬ kilometern ohne das Tucitgebiet. Die Schätzungen der Ein¬ wohnerzahl schwanken zwischen sechs und acht Millionen. Zur bessern Übersicht empfiehlt es sich, das Land in drei Teile Jm zerlegen: den gebirgigen Norden, die Ebnen der Mitte und das Atlas- und das Saharagebiet im Süden. Der Norden wird zer¬ schnitten von einer großen Menge meist kurzer Flüsse; in seinem Innern liegen die Städte Fes mit 100000 Einwohnern, Meines mit 60000, Udschda, Uassan und El Ksor. Die Küste dieses Gebiets wird umsäumt von den Häfen Melitta, Tetuan, Ceuta, Tanger, Larache und Rabat. Abgesehen von den Städten ist der Norden nur müßig bevölkert. Die Mitte gliedert sich in die Flußgebiete des Und el Kbt, der bei Rabat mündet, des Und el Rbia, der bei Mazagan, und des Und Tensift, der südlich von Saffi mündet. Die Städte an der Küste sind Casabianca, Asimur, Mazagan, Saffi und Mogador, die Hauptstadt des Innern ist Marrakesch oder richtiger Marracksch (mit 100000 Einwohnern). Diese mittlern Gebiete weisen bis in die-. Täter des Atlas hinein neben steinigen Flächen weite anbaufähige Gebiete auf, sie sind der wirtschaftliche Kern des Landes und beherbergen die zahlreichste Be¬ völkerung. Die riesige weiße Mauer des Atlas trennt den Süden von der Mitte und vom Norden Marokkos ab. Dieser Süden Marokkos wird in der Nähe der Küste durchströmt von dem Uad Sus, dessen Stromgebiet denselben. Namen trägt. Östlich vom Sus liegen die Oasengebiete von Draua und Tafilelt, während das Tucitgebiet seit der Besetzung durch die Franzosen nicht mehr hinzugerechnet werden kann. Die Städte des Südens sind Tama- grnt, Tarudant, Tisnit und an der Küste Agadir, das jedoch dem Handel verschlossen ist, der Hafen für dieses ganze Gebiet ist deshalb Mogador. Südlich vom Sus und vom Tafilelt beansprucht Marokko die Herrschaft über die Sahara bis zur Breite von Kap Indi, den Kanarischen Inseln gegenüber. An diesem Kap unterhält Marokko einen Bnrgflecken (Ksba) mit einer Besatzung; das dortige Küstengebiet heißt Torfeici. Die Bevölkerung ist sechs bis acht Millionen stark und besteht zum größten Teile aus Berbern, zum kleinern aus Arabern. Die Berber sind vor allem Landbewohner, außerdem bestehn aus ihnen in den Städten die niedern Klassen; nördlich vom Atlas sprechen sie arabisch, während südlich vom Atlas die eigent¬ liche Berbersprache, das Schellha, herrscht. Sie waren von jeher und sind

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/200>, abgerufen am 27.07.2024.