Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Am Fuße des Hradschins

Morgen! Joseph hätte es lieber gesehen, wenn die Sache nicht so kurz an¬
gerannt gewesen wäre, wenn er sie sich ein paar Tage hätte überlegen können.
Würde es mit dem Hengst, der so jäh stieg, daß er sich nur durch ein wahres
Wunder uoch nicht überschlagen hatte, und dessen Bewegungen im Schreck und in
der Angst blitzschnell und unberechenbar wie die eines Aales waren, nicht ein größeres
Unglück geben als das, wils er dem Mohren als tückischem und glücklichem Neben¬
buhler zugedacht hatte? War es nicht doch vielleicht besser, eine andre Gelegenheit
"bzuwnrten, wo man wenigstens genan wußte, was man that, und wo dem Zufall
nicht Thor und Thür geöffnet waren?

Gerade als er am unschlüssigsten war und, die Stirn gegen die kalte Scheibe
gepreßt, durch eines der hohen Korridorfenster in die Nacht hinaussah, hörte er,
wie der Kaplnn nach ihm rief. Er solle sich einrichten, morgen zur Weinlese nach
Kvlokno hinauszugehn. sagte ihm der Kaplan, da werde es tüchtig zu thun und
abends Musik und Essen geben. Der Prior habe ihm eben darum geschrieben, und
er, der Pater, werde mit der Gräfin Rücksprache nehmen, damit er sich gleich nach
der Frühmesse aufmachen könne. Wenn er nur am andern Tage zur Messe wieder
da sei, so werde es keine Not haben.

Wie hatte sich Joseph bisher auf diese Lese gefreut. Und nun lag ihm
der nächste Tag wie ein Stein auf dem Herzen. Aber er wollte "es" lieber doch
nicht thun. Er wollte ohne Lord gehn. Damit war jeder weitern Versuchung
vorgebeugt. Am andern Tage hatte er sich auch wirklich ohne den Hund, den er
sorgfältig eingesperrt hatte, ans den Weg gemacht, als ihm dieser -- er war schon
draußen in der Vorstadt -- in großen Sprüngen nachgesetzt kam. Nun in Gottes,
er hätte sagen sollen: in des Teufels Namen! Aber wer konnte den Hund heraus-
gelassen haben?




Eine kalte, dunkle Herbsinacht. Der Prior sollte beim Kardinal zu Abend
essen. Er wartete auf den Wagen, der ihn ins Fürsterzbischöfliche Palais bringen
sollte. Er war allein. Allein mit seinem Gewissen. Dessen leise, eindringliche
Stimme kam aus denselben unergründeten und unergründlichen Tiefen, aus denen,
wie Graf Viktor glaubte, dem Menschen auch hie und da die Gabe kam, Über¬
natürliches zu fassen und sich dafür zu begeistern. Mit seinem Gewissen stand der
Prior ans einem kühlen, korrekte" Fuße. Er wußte besser als dieses, was recht war,
und was er zu thun hatte, und er nahm, wenn es vorlaut sprach, die Gelegenheit
wahr, es zu' belehren. Und sonderbar, wenn er sich dabei in die offenbarsten
Widersprüche verwickelte, merkte er es nicht, und sein Gewissen, das ihn und seine
Kasuistik längst satt haben mochte, gab dann jedes weitere Zureden oder Abmahueu
"uf. Wenn man durch an sich unverfängliche Handlungen ein Ereignis herbei¬
führte, dessen Eintritt und Ausgang noch immer vom Zufall abhing, so war man
ohne Schuld, sobald man das Ereignis nicht gewollt, sondern nur als möglich und
sehr wahrscheinlich angesehen hatte. Der überlegne Kasuist wußte sich der aus¬
drücklichen Absicht zu enthalten und begnügte sich mit den, wunschlosen Abwarten,
ob das Ereignis eintreten werde oder nicht. Damit wäre an sich, sollte man
meinen, dem Gewissen gegenüber der Beweis geführt gewesen, daß einem jede be¬
denkliche Absicht fern lag.' Und doch konnte sich der Prior nicht enthalten, seinem
Gewissen im nächsten Augenblick auseinanderzusetzen, daß er das Ereignis, das er
für möglich und wahrscheinlich halte, im Interesse der heiligen Mutter Kirche
herbeizuwünschen verpflichtet sei. Nur wenn es eintrat, konnte ihr schwere Ein¬
buße an Einfluß, an Reichtum und Länderbesitz erspart werden. Es war ihr gegen¬
über seine Pflicht gewesen, die Konstellation, wie sie war, herbeizuführen, es war
ehr gegenüber seine Pflicht, zu wünschen, daß der Ansgnng ein für sie günstiger
Er hatte recht und weise gehandelt, und sie war ihm Dank schuldig. Er
hoffte, das kleinere Übel werde geschehn und so ein größeres verhüten. Das Übel,


Grenzbaten IV 1902 ^
Am Fuße des Hradschins

Morgen! Joseph hätte es lieber gesehen, wenn die Sache nicht so kurz an¬
gerannt gewesen wäre, wenn er sie sich ein paar Tage hätte überlegen können.
Würde es mit dem Hengst, der so jäh stieg, daß er sich nur durch ein wahres
Wunder uoch nicht überschlagen hatte, und dessen Bewegungen im Schreck und in
der Angst blitzschnell und unberechenbar wie die eines Aales waren, nicht ein größeres
Unglück geben als das, wils er dem Mohren als tückischem und glücklichem Neben¬
buhler zugedacht hatte? War es nicht doch vielleicht besser, eine andre Gelegenheit
"bzuwnrten, wo man wenigstens genan wußte, was man that, und wo dem Zufall
nicht Thor und Thür geöffnet waren?

Gerade als er am unschlüssigsten war und, die Stirn gegen die kalte Scheibe
gepreßt, durch eines der hohen Korridorfenster in die Nacht hinaussah, hörte er,
wie der Kaplnn nach ihm rief. Er solle sich einrichten, morgen zur Weinlese nach
Kvlokno hinauszugehn. sagte ihm der Kaplan, da werde es tüchtig zu thun und
abends Musik und Essen geben. Der Prior habe ihm eben darum geschrieben, und
er, der Pater, werde mit der Gräfin Rücksprache nehmen, damit er sich gleich nach
der Frühmesse aufmachen könne. Wenn er nur am andern Tage zur Messe wieder
da sei, so werde es keine Not haben.

Wie hatte sich Joseph bisher auf diese Lese gefreut. Und nun lag ihm
der nächste Tag wie ein Stein auf dem Herzen. Aber er wollte „es" lieber doch
nicht thun. Er wollte ohne Lord gehn. Damit war jeder weitern Versuchung
vorgebeugt. Am andern Tage hatte er sich auch wirklich ohne den Hund, den er
sorgfältig eingesperrt hatte, ans den Weg gemacht, als ihm dieser — er war schon
draußen in der Vorstadt — in großen Sprüngen nachgesetzt kam. Nun in Gottes,
er hätte sagen sollen: in des Teufels Namen! Aber wer konnte den Hund heraus-
gelassen haben?




Eine kalte, dunkle Herbsinacht. Der Prior sollte beim Kardinal zu Abend
essen. Er wartete auf den Wagen, der ihn ins Fürsterzbischöfliche Palais bringen
sollte. Er war allein. Allein mit seinem Gewissen. Dessen leise, eindringliche
Stimme kam aus denselben unergründeten und unergründlichen Tiefen, aus denen,
wie Graf Viktor glaubte, dem Menschen auch hie und da die Gabe kam, Über¬
natürliches zu fassen und sich dafür zu begeistern. Mit seinem Gewissen stand der
Prior ans einem kühlen, korrekte» Fuße. Er wußte besser als dieses, was recht war,
und was er zu thun hatte, und er nahm, wenn es vorlaut sprach, die Gelegenheit
wahr, es zu' belehren. Und sonderbar, wenn er sich dabei in die offenbarsten
Widersprüche verwickelte, merkte er es nicht, und sein Gewissen, das ihn und seine
Kasuistik längst satt haben mochte, gab dann jedes weitere Zureden oder Abmahueu
"uf. Wenn man durch an sich unverfängliche Handlungen ein Ereignis herbei¬
führte, dessen Eintritt und Ausgang noch immer vom Zufall abhing, so war man
ohne Schuld, sobald man das Ereignis nicht gewollt, sondern nur als möglich und
sehr wahrscheinlich angesehen hatte. Der überlegne Kasuist wußte sich der aus¬
drücklichen Absicht zu enthalten und begnügte sich mit den, wunschlosen Abwarten,
ob das Ereignis eintreten werde oder nicht. Damit wäre an sich, sollte man
meinen, dem Gewissen gegenüber der Beweis geführt gewesen, daß einem jede be¬
denkliche Absicht fern lag.' Und doch konnte sich der Prior nicht enthalten, seinem
Gewissen im nächsten Augenblick auseinanderzusetzen, daß er das Ereignis, das er
für möglich und wahrscheinlich halte, im Interesse der heiligen Mutter Kirche
herbeizuwünschen verpflichtet sei. Nur wenn es eintrat, konnte ihr schwere Ein¬
buße an Einfluß, an Reichtum und Länderbesitz erspart werden. Es war ihr gegen¬
über seine Pflicht gewesen, die Konstellation, wie sie war, herbeizuführen, es war
ehr gegenüber seine Pflicht, zu wünschen, daß der Ansgnng ein für sie günstiger
Er hatte recht und weise gehandelt, und sie war ihm Dank schuldig. Er
hoffte, das kleinere Übel werde geschehn und so ein größeres verhüten. Das Übel,


Grenzbaten IV 1902 ^
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0627" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/239415"/>
          <fw type="header" place="top"> Am Fuße des Hradschins</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2902"> Morgen! Joseph hätte es lieber gesehen, wenn die Sache nicht so kurz an¬<lb/>
gerannt gewesen wäre, wenn er sie sich ein paar Tage hätte überlegen können.<lb/>
Würde es mit dem Hengst, der so jäh stieg, daß er sich nur durch ein wahres<lb/>
Wunder uoch nicht überschlagen hatte, und dessen Bewegungen im Schreck und in<lb/>
der Angst blitzschnell und unberechenbar wie die eines Aales waren, nicht ein größeres<lb/>
Unglück geben als das, wils er dem Mohren als tückischem und glücklichem Neben¬<lb/>
buhler zugedacht hatte? War es nicht doch vielleicht besser, eine andre Gelegenheit<lb/>
"bzuwnrten, wo man wenigstens genan wußte, was man that, und wo dem Zufall<lb/>
nicht Thor und Thür geöffnet waren?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2903"> Gerade als er am unschlüssigsten war und, die Stirn gegen die kalte Scheibe<lb/>
gepreßt, durch eines der hohen Korridorfenster in die Nacht hinaussah, hörte er,<lb/>
wie der Kaplnn nach ihm rief. Er solle sich einrichten, morgen zur Weinlese nach<lb/>
Kvlokno hinauszugehn. sagte ihm der Kaplan, da werde es tüchtig zu thun und<lb/>
abends Musik und Essen geben. Der Prior habe ihm eben darum geschrieben, und<lb/>
er, der Pater, werde mit der Gräfin Rücksprache nehmen, damit er sich gleich nach<lb/>
der Frühmesse aufmachen könne. Wenn er nur am andern Tage zur Messe wieder<lb/>
da sei, so werde es keine Not haben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2904"> Wie hatte sich Joseph bisher auf diese Lese gefreut. Und nun lag ihm<lb/>
der nächste Tag wie ein Stein auf dem Herzen. Aber er wollte &#x201E;es" lieber doch<lb/>
nicht thun. Er wollte ohne Lord gehn. Damit war jeder weitern Versuchung<lb/>
vorgebeugt. Am andern Tage hatte er sich auch wirklich ohne den Hund, den er<lb/>
sorgfältig eingesperrt hatte, ans den Weg gemacht, als ihm dieser &#x2014; er war schon<lb/>
draußen in der Vorstadt &#x2014; in großen Sprüngen nachgesetzt kam. Nun in Gottes,<lb/>
er hätte sagen sollen: in des Teufels Namen! Aber wer konnte den Hund heraus-<lb/>
gelassen haben?</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p xml:id="ID_2905" next="#ID_2906"> Eine kalte, dunkle Herbsinacht. Der Prior sollte beim Kardinal zu Abend<lb/>
essen. Er wartete auf den Wagen, der ihn ins Fürsterzbischöfliche Palais bringen<lb/>
sollte. Er war allein. Allein mit seinem Gewissen. Dessen leise, eindringliche<lb/>
Stimme kam aus denselben unergründeten und unergründlichen Tiefen, aus denen,<lb/>
wie Graf Viktor glaubte, dem Menschen auch hie und da die Gabe kam, Über¬<lb/>
natürliches zu fassen und sich dafür zu begeistern. Mit seinem Gewissen stand der<lb/>
Prior ans einem kühlen, korrekte» Fuße. Er wußte besser als dieses, was recht war,<lb/>
und was er zu thun hatte, und er nahm, wenn es vorlaut sprach, die Gelegenheit<lb/>
wahr, es zu' belehren. Und sonderbar, wenn er sich dabei in die offenbarsten<lb/>
Widersprüche verwickelte, merkte er es nicht, und sein Gewissen, das ihn und seine<lb/>
Kasuistik längst satt haben mochte, gab dann jedes weitere Zureden oder Abmahueu<lb/>
"uf. Wenn man durch an sich unverfängliche Handlungen ein Ereignis herbei¬<lb/>
führte, dessen Eintritt und Ausgang noch immer vom Zufall abhing, so war man<lb/>
ohne Schuld, sobald man das Ereignis nicht gewollt, sondern nur als möglich und<lb/>
sehr wahrscheinlich angesehen hatte. Der überlegne Kasuist wußte sich der aus¬<lb/>
drücklichen Absicht zu enthalten und begnügte sich mit den, wunschlosen Abwarten,<lb/>
ob das Ereignis eintreten werde oder nicht. Damit wäre an sich, sollte man<lb/>
meinen, dem Gewissen gegenüber der Beweis geführt gewesen, daß einem jede be¬<lb/>
denkliche Absicht fern lag.' Und doch konnte sich der Prior nicht enthalten, seinem<lb/>
Gewissen im nächsten Augenblick auseinanderzusetzen, daß er das Ereignis, das er<lb/>
für möglich und wahrscheinlich halte, im Interesse der heiligen Mutter Kirche<lb/>
herbeizuwünschen verpflichtet sei. Nur wenn es eintrat, konnte ihr schwere Ein¬<lb/>
buße an Einfluß, an Reichtum und Länderbesitz erspart werden. Es war ihr gegen¬<lb/>
über seine Pflicht gewesen, die Konstellation, wie sie war, herbeizuführen, es war<lb/>
ehr gegenüber seine Pflicht, zu wünschen, daß der Ansgnng ein für sie günstiger<lb/>
Er hatte recht und weise gehandelt, und sie war ihm Dank schuldig. Er<lb/>
hoffte, das kleinere Übel werde geschehn und so ein größeres verhüten. Das Übel,</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzbaten IV 1902 ^</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0627] Am Fuße des Hradschins Morgen! Joseph hätte es lieber gesehen, wenn die Sache nicht so kurz an¬ gerannt gewesen wäre, wenn er sie sich ein paar Tage hätte überlegen können. Würde es mit dem Hengst, der so jäh stieg, daß er sich nur durch ein wahres Wunder uoch nicht überschlagen hatte, und dessen Bewegungen im Schreck und in der Angst blitzschnell und unberechenbar wie die eines Aales waren, nicht ein größeres Unglück geben als das, wils er dem Mohren als tückischem und glücklichem Neben¬ buhler zugedacht hatte? War es nicht doch vielleicht besser, eine andre Gelegenheit "bzuwnrten, wo man wenigstens genan wußte, was man that, und wo dem Zufall nicht Thor und Thür geöffnet waren? Gerade als er am unschlüssigsten war und, die Stirn gegen die kalte Scheibe gepreßt, durch eines der hohen Korridorfenster in die Nacht hinaussah, hörte er, wie der Kaplnn nach ihm rief. Er solle sich einrichten, morgen zur Weinlese nach Kvlokno hinauszugehn. sagte ihm der Kaplan, da werde es tüchtig zu thun und abends Musik und Essen geben. Der Prior habe ihm eben darum geschrieben, und er, der Pater, werde mit der Gräfin Rücksprache nehmen, damit er sich gleich nach der Frühmesse aufmachen könne. Wenn er nur am andern Tage zur Messe wieder da sei, so werde es keine Not haben. Wie hatte sich Joseph bisher auf diese Lese gefreut. Und nun lag ihm der nächste Tag wie ein Stein auf dem Herzen. Aber er wollte „es" lieber doch nicht thun. Er wollte ohne Lord gehn. Damit war jeder weitern Versuchung vorgebeugt. Am andern Tage hatte er sich auch wirklich ohne den Hund, den er sorgfältig eingesperrt hatte, ans den Weg gemacht, als ihm dieser — er war schon draußen in der Vorstadt — in großen Sprüngen nachgesetzt kam. Nun in Gottes, er hätte sagen sollen: in des Teufels Namen! Aber wer konnte den Hund heraus- gelassen haben? Eine kalte, dunkle Herbsinacht. Der Prior sollte beim Kardinal zu Abend essen. Er wartete auf den Wagen, der ihn ins Fürsterzbischöfliche Palais bringen sollte. Er war allein. Allein mit seinem Gewissen. Dessen leise, eindringliche Stimme kam aus denselben unergründeten und unergründlichen Tiefen, aus denen, wie Graf Viktor glaubte, dem Menschen auch hie und da die Gabe kam, Über¬ natürliches zu fassen und sich dafür zu begeistern. Mit seinem Gewissen stand der Prior ans einem kühlen, korrekte» Fuße. Er wußte besser als dieses, was recht war, und was er zu thun hatte, und er nahm, wenn es vorlaut sprach, die Gelegenheit wahr, es zu' belehren. Und sonderbar, wenn er sich dabei in die offenbarsten Widersprüche verwickelte, merkte er es nicht, und sein Gewissen, das ihn und seine Kasuistik längst satt haben mochte, gab dann jedes weitere Zureden oder Abmahueu "uf. Wenn man durch an sich unverfängliche Handlungen ein Ereignis herbei¬ führte, dessen Eintritt und Ausgang noch immer vom Zufall abhing, so war man ohne Schuld, sobald man das Ereignis nicht gewollt, sondern nur als möglich und sehr wahrscheinlich angesehen hatte. Der überlegne Kasuist wußte sich der aus¬ drücklichen Absicht zu enthalten und begnügte sich mit den, wunschlosen Abwarten, ob das Ereignis eintreten werde oder nicht. Damit wäre an sich, sollte man meinen, dem Gewissen gegenüber der Beweis geführt gewesen, daß einem jede be¬ denkliche Absicht fern lag.' Und doch konnte sich der Prior nicht enthalten, seinem Gewissen im nächsten Augenblick auseinanderzusetzen, daß er das Ereignis, das er für möglich und wahrscheinlich halte, im Interesse der heiligen Mutter Kirche herbeizuwünschen verpflichtet sei. Nur wenn es eintrat, konnte ihr schwere Ein¬ buße an Einfluß, an Reichtum und Länderbesitz erspart werden. Es war ihr gegen¬ über seine Pflicht gewesen, die Konstellation, wie sie war, herbeizuführen, es war ehr gegenüber seine Pflicht, zu wünschen, daß der Ansgnng ein für sie günstiger Er hatte recht und weise gehandelt, und sie war ihm Dank schuldig. Er hoffte, das kleinere Übel werde geschehn und so ein größeres verhüten. Das Übel, Grenzbaten IV 1902 ^

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/627
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/627>, abgerufen am 01.09.2024.