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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

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von einer Weltreise

In einer dieser Städte lernte ich einen Herrn mit adlichen deutschem
Namen kennen, der in Deutschland als Kaufmann ausgebildet worden war,
vollendete Manieren hatte und fließend deutsch sprach. Trotzdem gehörte er
nicht zur Gesellschaft, deun er war in dieser Gegend geboren, stammte von
einem ausgewanderten Deutschen und von einer Mutter, die nicht etwa eine
heidnische Malaiin gewesen war, sondern eine portugiesische Christin; aber sie
konnte doch ans frühern Generationen etwas Malaienblut haben und hatte
es wohl auch. Ja. nicht nnr dieser Mann wird zu keiner Tafel geladen, wo
europäische Damen sind, sondern auch seine Frau nicht, die er aus Deutsch¬
land mitgebracht hat. Sie war aus einfachen Verhältnissen, aber das hätte
ihre Gesellschaftsfähigkeit nicht gehindert, wenn sie einen reinblütigen Deutschen
geheiratet hatte. So lernte sie deutsche Häuser bloß als Kmnkenpflegerm
kennen.

Ist ein reicher Europäer mit einer halbblütigen Einheimischen regelrecht ver¬
heiratet, und hat er aus dieser Ehe etwa Töchter, so kann er sie, wenn er
reich genug ist, in Genfer Pensionen erziehn lassen. Dort werden sie viel¬
leicht gerade wegen ihres Halbbluts interessant sein und gute Partien machen.
Draußen nicht. Unser Kapitän erzählte von einer deutschen Dame, die er
einmal an Bord gehabt hätte, die als Braut eines vornehmen und reichen
hinterindischen Fürsten hinausging, der sie in Europa kennen gelernt hatte,
eines Mohammedaners, der ihr aber die Einehe versprochen hatte. Auf dem
Dampfer mieden sie alle, besonders die Damen, denn sie würde draußen outest,
sein. Sie hielt das für Neid und spielte in ihrer Kabine die gekränkte Fürstin.
Sie glaubte wunder, was sie draußen würde, wenn sie einen hinterindischen
^'gierenden, wenn auch mediatisierten Fürsten heiratete. Draußen giebt es nur
eine Aristokratie, die des blutreinen Europäers. eigentlich der Germanen, zu
denen nur die Franzosen noch hinzugerechnet werden.

Diesen Rasfenhochmut giebt es überall, wo englische Kultur ist, also auch
in Nordamerika. Obwohl dort Neger und Weiße schon eine Generation hin¬
durch unter denselben Gesetzen miteinander leben, ist Konnubium die Ausnahme.
Noch vor nicht langer Zeit ging die Notiz durch die Blätter, daß Präsident
Noosevelt einen angesehenen Negergeistlichen an seine Tafel geladen habe.
Wir in Enropa haben gar keine rechte Vorstellung, was das den Anschauungen
des amerikanischen Volkes gegenüber bedeutet. Ist es nicht wunderbar, daß
unsre in Enropa doch arg demokratisierte Welt Kolonialstaaten erzeugt, in
denen sich die Menschen nach ihrer Abstammung scheiden, und in denen em
Blutsadel herrscht, der viel exklusiver und hochmütiger ist, als der Adel früherer
Zeiten je gewesen ist? Freilich ein Adel, der nicht innerhalb eines Volkes
Grenzen zieht, sondern zwischen den Völkern. Es giebt auch deutliche Unter¬
schiede zwischen der Denkweise der Heimat und der draußen lebenden Europäer.
Diese werden es immer wunderlich finden, wenn z. B. der deutsche Kaiser
oder der König von England ein paar marokkanische Häuptlinge oder indische
Fürsten mit einem Pomp empfängt, als wären sie, wenn auch nur im kleinen,
seinesgleichen. Draußen macht man nicht soviel Umstände mit ihnen, sondern
läßt sie, wenn die Gelegenheit es erlaubt, den Europäerhochmut fühlen. Sie


von einer Weltreise

In einer dieser Städte lernte ich einen Herrn mit adlichen deutschem
Namen kennen, der in Deutschland als Kaufmann ausgebildet worden war,
vollendete Manieren hatte und fließend deutsch sprach. Trotzdem gehörte er
nicht zur Gesellschaft, deun er war in dieser Gegend geboren, stammte von
einem ausgewanderten Deutschen und von einer Mutter, die nicht etwa eine
heidnische Malaiin gewesen war, sondern eine portugiesische Christin; aber sie
konnte doch ans frühern Generationen etwas Malaienblut haben und hatte
es wohl auch. Ja. nicht nnr dieser Mann wird zu keiner Tafel geladen, wo
europäische Damen sind, sondern auch seine Frau nicht, die er aus Deutsch¬
land mitgebracht hat. Sie war aus einfachen Verhältnissen, aber das hätte
ihre Gesellschaftsfähigkeit nicht gehindert, wenn sie einen reinblütigen Deutschen
geheiratet hatte. So lernte sie deutsche Häuser bloß als Kmnkenpflegerm
kennen.

Ist ein reicher Europäer mit einer halbblütigen Einheimischen regelrecht ver¬
heiratet, und hat er aus dieser Ehe etwa Töchter, so kann er sie, wenn er
reich genug ist, in Genfer Pensionen erziehn lassen. Dort werden sie viel¬
leicht gerade wegen ihres Halbbluts interessant sein und gute Partien machen.
Draußen nicht. Unser Kapitän erzählte von einer deutschen Dame, die er
einmal an Bord gehabt hätte, die als Braut eines vornehmen und reichen
hinterindischen Fürsten hinausging, der sie in Europa kennen gelernt hatte,
eines Mohammedaners, der ihr aber die Einehe versprochen hatte. Auf dem
Dampfer mieden sie alle, besonders die Damen, denn sie würde draußen outest,
sein. Sie hielt das für Neid und spielte in ihrer Kabine die gekränkte Fürstin.
Sie glaubte wunder, was sie draußen würde, wenn sie einen hinterindischen
^'gierenden, wenn auch mediatisierten Fürsten heiratete. Draußen giebt es nur
eine Aristokratie, die des blutreinen Europäers. eigentlich der Germanen, zu
denen nur die Franzosen noch hinzugerechnet werden.

Diesen Rasfenhochmut giebt es überall, wo englische Kultur ist, also auch
in Nordamerika. Obwohl dort Neger und Weiße schon eine Generation hin¬
durch unter denselben Gesetzen miteinander leben, ist Konnubium die Ausnahme.
Noch vor nicht langer Zeit ging die Notiz durch die Blätter, daß Präsident
Noosevelt einen angesehenen Negergeistlichen an seine Tafel geladen habe.
Wir in Enropa haben gar keine rechte Vorstellung, was das den Anschauungen
des amerikanischen Volkes gegenüber bedeutet. Ist es nicht wunderbar, daß
unsre in Enropa doch arg demokratisierte Welt Kolonialstaaten erzeugt, in
denen sich die Menschen nach ihrer Abstammung scheiden, und in denen em
Blutsadel herrscht, der viel exklusiver und hochmütiger ist, als der Adel früherer
Zeiten je gewesen ist? Freilich ein Adel, der nicht innerhalb eines Volkes
Grenzen zieht, sondern zwischen den Völkern. Es giebt auch deutliche Unter¬
schiede zwischen der Denkweise der Heimat und der draußen lebenden Europäer.
Diese werden es immer wunderlich finden, wenn z. B. der deutsche Kaiser
oder der König von England ein paar marokkanische Häuptlinge oder indische
Fürsten mit einem Pomp empfängt, als wären sie, wenn auch nur im kleinen,
seinesgleichen. Draußen macht man nicht soviel Umstände mit ihnen, sondern
läßt sie, wenn die Gelegenheit es erlaubt, den Europäerhochmut fühlen. Sie


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[0049] von einer Weltreise In einer dieser Städte lernte ich einen Herrn mit adlichen deutschem Namen kennen, der in Deutschland als Kaufmann ausgebildet worden war, vollendete Manieren hatte und fließend deutsch sprach. Trotzdem gehörte er nicht zur Gesellschaft, deun er war in dieser Gegend geboren, stammte von einem ausgewanderten Deutschen und von einer Mutter, die nicht etwa eine heidnische Malaiin gewesen war, sondern eine portugiesische Christin; aber sie konnte doch ans frühern Generationen etwas Malaienblut haben und hatte es wohl auch. Ja. nicht nnr dieser Mann wird zu keiner Tafel geladen, wo europäische Damen sind, sondern auch seine Frau nicht, die er aus Deutsch¬ land mitgebracht hat. Sie war aus einfachen Verhältnissen, aber das hätte ihre Gesellschaftsfähigkeit nicht gehindert, wenn sie einen reinblütigen Deutschen geheiratet hatte. So lernte sie deutsche Häuser bloß als Kmnkenpflegerm kennen. Ist ein reicher Europäer mit einer halbblütigen Einheimischen regelrecht ver¬ heiratet, und hat er aus dieser Ehe etwa Töchter, so kann er sie, wenn er reich genug ist, in Genfer Pensionen erziehn lassen. Dort werden sie viel¬ leicht gerade wegen ihres Halbbluts interessant sein und gute Partien machen. Draußen nicht. Unser Kapitän erzählte von einer deutschen Dame, die er einmal an Bord gehabt hätte, die als Braut eines vornehmen und reichen hinterindischen Fürsten hinausging, der sie in Europa kennen gelernt hatte, eines Mohammedaners, der ihr aber die Einehe versprochen hatte. Auf dem Dampfer mieden sie alle, besonders die Damen, denn sie würde draußen outest, sein. Sie hielt das für Neid und spielte in ihrer Kabine die gekränkte Fürstin. Sie glaubte wunder, was sie draußen würde, wenn sie einen hinterindischen ^'gierenden, wenn auch mediatisierten Fürsten heiratete. Draußen giebt es nur eine Aristokratie, die des blutreinen Europäers. eigentlich der Germanen, zu denen nur die Franzosen noch hinzugerechnet werden. Diesen Rasfenhochmut giebt es überall, wo englische Kultur ist, also auch in Nordamerika. Obwohl dort Neger und Weiße schon eine Generation hin¬ durch unter denselben Gesetzen miteinander leben, ist Konnubium die Ausnahme. Noch vor nicht langer Zeit ging die Notiz durch die Blätter, daß Präsident Noosevelt einen angesehenen Negergeistlichen an seine Tafel geladen habe. Wir in Enropa haben gar keine rechte Vorstellung, was das den Anschauungen des amerikanischen Volkes gegenüber bedeutet. Ist es nicht wunderbar, daß unsre in Enropa doch arg demokratisierte Welt Kolonialstaaten erzeugt, in denen sich die Menschen nach ihrer Abstammung scheiden, und in denen em Blutsadel herrscht, der viel exklusiver und hochmütiger ist, als der Adel früherer Zeiten je gewesen ist? Freilich ein Adel, der nicht innerhalb eines Volkes Grenzen zieht, sondern zwischen den Völkern. Es giebt auch deutliche Unter¬ schiede zwischen der Denkweise der Heimat und der draußen lebenden Europäer. Diese werden es immer wunderlich finden, wenn z. B. der deutsche Kaiser oder der König von England ein paar marokkanische Häuptlinge oder indische Fürsten mit einem Pomp empfängt, als wären sie, wenn auch nur im kleinen, seinesgleichen. Draußen macht man nicht soviel Umstände mit ihnen, sondern läßt sie, wenn die Gelegenheit es erlaubt, den Europäerhochmut fühlen. Sie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/49>, abgerufen am 01.09.2024.