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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

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von einer Weltreise

finden es auch nicht in der Ordnung, wenn der deutsche Kaiser erlaubt, daß
japanische oder türkische oder sonst ausländische Offiziere gelegentlich seinen
deutschen Unterthanen Kommandos geben oder sich von ihnen militärisch grüßen
lassen. Matrosen, die auf Handelsschiffen im Ausland gewesen sind, werden
es schwer begreifen, daß sie in der eignen Heimat den Fremden gegenüber
Respekt heucheln sollen, den sie in deren Heimat geflissentlich zu verleugnen
gewohnt sind. Ich glaube auch nicht, daß englische Soldaten in Indien
indischen Offizieren gehorchen, und sie sind doch nur gewordne Soldaten und
nicht die Söhne des Volks in Waffen. Ganz skandalös aber wird man es
draußen finden, wenn deutsche Damen Neger interessant finden oder sozusagen
poussieren, wie das bei der Ausstellung in Berlin beobachtet sein soll. Das
wird direkt als unmoralisch und wider die Natur empfunden.

Die kolonisierenden Holländer denken eher noch strenger. Sie haben es
verstanden, wenn ich recht berichtet bin, in ihren östlichen Kolonien auch die
Rechtsungleichheit zwischen Farbigen und Weißen noch aufrecht zu erhalten,
während die öffentliche Meinung Englands, weil sie die Gleichheit aller
Menschen will, immer gegen den Wunsch der draußen lebenden den Schein
der Gleichheit auch zwischen den Menschenrassen aufrecht erhalten will.

Auch die frommen Buren machen einen dicken Strich zwischen sich und
den Negern. Sie nennen sie Lvböxssl, d. h. Geschöpfe. Die Engländer über¬
setzen das mit arüing.18, d. h. Tiere, um zu beweisen, wie gottlos die Buren
mit den Knffern umgehn.

Die europäischen und zumal die protestantischen Missionare können nicht
anders, als den Farbigen die Gleichheit aller Menschen vor Gott lehren; denn
das ist einer der Grundsätze des Christentums. Da sie nun leicht die großen
Unterschiede zwischen den Menschenrassen unterschätzen, so wünschen sie, daß
mit der idealen Gleichheit auch im wirklichen geselligen und politischen Leben
Ernst gemacht werde, und damit rennen sie gegen die Sitten der draußen
lebenden Europäer. Darum ist die Mission von den Buren vielfach mit Mi߬
trauen angesehen worden. Sie wollen wohl auch Christentum für die Kaffern,
aber eben sozusagen ein Christentum für Kaffern. Andrerseits haben manche
der Missionare, z. B. ein so alter Afrikaner wie Merenski, in den Buren ihre
Gegner gesehen und waren bei Beginn des Kriegs auf feiten der Engländer.

Der tiefere Sinn dieses Rasseilhochmuts ist wohl ein instinktiver Selbstschutz
der Nasse. Man weiß, daß Mischlinge mit farbigen Nassen gewöhnlich moralisch
von geringerm Wert sind. Sie verderben dann auch die Sitten der Neinblutigen.
Darum soll mit den Farbigen keine Gemeinschaft sein. Man rühmt heute zu¬
weilen an den Russen ihr kolonisatorisches Talent, weil sie dein fremden Volke
gegenüber keinen Rassenhochmut herauskehrten, ebenso bescheiden zu leben ver¬
stünden wie die Einheimischen und ihnen damit das politische Los leicht
machten. Freilich die Kolonisationsart der germanischen Holländer, Engländer,
Amerikaner, Deutschen und aller Mitläufer ist Herrenkolonisation. Eine untre
ist auch für uns Deutsche unmöglich. Nur der thörichte Engländerhaß kann
die Methode der Russen loben, die nur einige dürftige Nomadenvölker unter¬
worfen hat, gegenüber der germanischen Kolonisation, die fast den ganzen


von einer Weltreise

finden es auch nicht in der Ordnung, wenn der deutsche Kaiser erlaubt, daß
japanische oder türkische oder sonst ausländische Offiziere gelegentlich seinen
deutschen Unterthanen Kommandos geben oder sich von ihnen militärisch grüßen
lassen. Matrosen, die auf Handelsschiffen im Ausland gewesen sind, werden
es schwer begreifen, daß sie in der eignen Heimat den Fremden gegenüber
Respekt heucheln sollen, den sie in deren Heimat geflissentlich zu verleugnen
gewohnt sind. Ich glaube auch nicht, daß englische Soldaten in Indien
indischen Offizieren gehorchen, und sie sind doch nur gewordne Soldaten und
nicht die Söhne des Volks in Waffen. Ganz skandalös aber wird man es
draußen finden, wenn deutsche Damen Neger interessant finden oder sozusagen
poussieren, wie das bei der Ausstellung in Berlin beobachtet sein soll. Das
wird direkt als unmoralisch und wider die Natur empfunden.

Die kolonisierenden Holländer denken eher noch strenger. Sie haben es
verstanden, wenn ich recht berichtet bin, in ihren östlichen Kolonien auch die
Rechtsungleichheit zwischen Farbigen und Weißen noch aufrecht zu erhalten,
während die öffentliche Meinung Englands, weil sie die Gleichheit aller
Menschen will, immer gegen den Wunsch der draußen lebenden den Schein
der Gleichheit auch zwischen den Menschenrassen aufrecht erhalten will.

Auch die frommen Buren machen einen dicken Strich zwischen sich und
den Negern. Sie nennen sie Lvböxssl, d. h. Geschöpfe. Die Engländer über¬
setzen das mit arüing.18, d. h. Tiere, um zu beweisen, wie gottlos die Buren
mit den Knffern umgehn.

Die europäischen und zumal die protestantischen Missionare können nicht
anders, als den Farbigen die Gleichheit aller Menschen vor Gott lehren; denn
das ist einer der Grundsätze des Christentums. Da sie nun leicht die großen
Unterschiede zwischen den Menschenrassen unterschätzen, so wünschen sie, daß
mit der idealen Gleichheit auch im wirklichen geselligen und politischen Leben
Ernst gemacht werde, und damit rennen sie gegen die Sitten der draußen
lebenden Europäer. Darum ist die Mission von den Buren vielfach mit Mi߬
trauen angesehen worden. Sie wollen wohl auch Christentum für die Kaffern,
aber eben sozusagen ein Christentum für Kaffern. Andrerseits haben manche
der Missionare, z. B. ein so alter Afrikaner wie Merenski, in den Buren ihre
Gegner gesehen und waren bei Beginn des Kriegs auf feiten der Engländer.

Der tiefere Sinn dieses Rasseilhochmuts ist wohl ein instinktiver Selbstschutz
der Nasse. Man weiß, daß Mischlinge mit farbigen Nassen gewöhnlich moralisch
von geringerm Wert sind. Sie verderben dann auch die Sitten der Neinblutigen.
Darum soll mit den Farbigen keine Gemeinschaft sein. Man rühmt heute zu¬
weilen an den Russen ihr kolonisatorisches Talent, weil sie dein fremden Volke
gegenüber keinen Rassenhochmut herauskehrten, ebenso bescheiden zu leben ver¬
stünden wie die Einheimischen und ihnen damit das politische Los leicht
machten. Freilich die Kolonisationsart der germanischen Holländer, Engländer,
Amerikaner, Deutschen und aller Mitläufer ist Herrenkolonisation. Eine untre
ist auch für uns Deutsche unmöglich. Nur der thörichte Engländerhaß kann
die Methode der Russen loben, die nur einige dürftige Nomadenvölker unter¬
worfen hat, gegenüber der germanischen Kolonisation, die fast den ganzen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/50>, abgerufen am 01.09.2024.