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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Versammelt betrachtet, noch niemals zum Ausdruck gelangt. Die unerläßliche Vor¬
aussetzung für sein erkennbares Zustandekommen ist die Vereinigung der Mehr-
hcitsparteien auf der Regierungsvorlage. Daran kann auch in diesen Parteien
niemand mehr zweifeln. Das beweist ihre Presse zur Genüge. Sie rechnet längst
damit, daß die Regierung nicht umfällt, daß also das Scheitern des Tarifs besiegelt
ist, wenn das Zentrum und die Rechte nicht der Regierungsvorlage zustimmen.
Nur die verhängnisvolle Scheu, durch die Extreme vertretende Agitation draußen von
den Wählermassen des "Umfallens" geziehn zu werden, hält die genannten Par¬
teien immer noch ub, die allein vernünftige Konsequenz zu ziehn, denn das Scheitern
der Vorlage will im Ernst keine. Bei der Obstruktion tritt das immer deutlicher
hervor, und vielleicht hat der Abgeordnete Richter auch darin Recht, daß die Ob-
strnktionisten dem Zustandekommen des Tarifs dienen, indem sie die Mehrheits¬
parteien zur Erkenntnis der Unvernunft ihres Verhaltens bringen. Vor allem aber
sollten sich die Herren von der Rechten und dem Zentruni durch das Überhand¬
nehmen der Obstruktion und durch die Handgreiflichkeit der ans ihr erwachsenden Ge¬
fahr endlich überzeugen lassen, daß keine Woche mehr verloren werden darf, den Mehr¬
heitswillen, der unausgesprochen da ist, endlich auch auszusprechen. Das bis zur
dritten Lesung hinauszuschieben, geht nicht mehr um, dann fällt der Tarif unter
den Tisch. Eine Mehrheit, die ans Furcht vor der Demagogie nicht den Mut
findet, ihren Willen auszusprechen, kann unmöglich der schikanösen Obstruktion der
Demokratie Herr werden. ^ le machte sich im Kampfe dagegen selbst lächerlich, und
alle etwaigen Vergewaltigungen des parlamentarischen Rechts und Brauchs würden
nnr Wasser ans die Mühle der Schikaneure sein.

8aw8 xubliv" suprows, lex! Sollten^ die Herren von der Rechten und dem
Zentrum wirklich die Scheu vor dem Uttrnt, den einige hyperagrarische Demagogen
hier und da in ihren Wahlkreisen anrichten können, höher stellen als das Gemein¬
wohl? Das ist doch gar nicht zu glauben, wenn man bedenkt, welche Vertrauens¬
stellung gerade sie meist den ländlichen Wählern ihrer Kreise gegenüber einnehmen.
Kein Mensch, der nicht lügt, wird ihnen vorwerfen können, daß sie nicht bis aufs
äußerste für die agrarischen Interessen gcknmpft haben, und kein verständiger Wähler
wird ihnen, wenn sie jetzt nachgeben, sobald er sich nnr ruhig besinnt, einen Vor-
wurf machen. Wer die politischen Anschauungen und Neigungen unsrer Landleute
kennt, weiß, das; sie Ruh und Frieden lieben und ini Grunde durchaus regiernngs-
frcuudlich sind. Wenn nur die systematische, diesen Gefühlen entgegenarbeitende
Agitation aufhört und die Abgeordneten im Verein mit dem verständigen Beamten¬
tum ihnen die Sache richtig darstellen werden, so kann von einer Erbitterung der Land¬
wirte infolge der Annahme der Regierungsvorlage gar keine Rede sein. Natürlich
haben es die konservativen und die Zentrumsabgeordneter in der Hand, eine solche
Erbitterung hervorzurufen. Wenn sie nachher kommen und selbst über die Re¬
gierung Gewalt schreien, dann müssen die Wähler ihnen "Schlappheit" zutrauen,
dann muß ihnen der "Unfall" unverantwortlich erscheinen. Nur dann werden die
Extremen bei den Neuwahlen bessere Chancen haben. Sonst aber nicht.

Aber noch in andrer Weise erwächst angesichts der Obstruktion den Mitgliedern
der Mehrheitsparteien die dringende Pflicht, den Mehrheitswillen energisch zum
Ausdruck zu bringen. Es ist gewiß für viele Abgeordnete ein Opfer, den Reichs-
wgsverhandlmin.er regelmäßig beizuwohnen. Aber das Wegbleiben von den Sitzungen
in dem Maße, wie es seit einigen Jahren eingerissen und auch jetzt immer wieder
zu beklagen ist, ist doch eine offenbare Pflichtverletzung. Es ist uns schou längst
unbegreiflich erschienen, daß die konservative und die Zentrnmspresse diese Vernach¬
lässigung des einmal übernommnen, hochehrenvollen Maubads fortwährend beschimpf,
niemals ernstlich rügt. Daß es keine Diäten giebt, wußte jeder Abgeordnete, als
er sich wählen ließ. Er wußte, daß er Opfer zu bringen habe im Interesse des Ge¬
meinwohls, und die Wähler haben ein gutes Recht, von dem Gewählten zu ver¬
langen, daß er nnn auch das Opfer bringe. Die Frage, ob Diäten oder Anwesen-


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Versammelt betrachtet, noch niemals zum Ausdruck gelangt. Die unerläßliche Vor¬
aussetzung für sein erkennbares Zustandekommen ist die Vereinigung der Mehr-
hcitsparteien auf der Regierungsvorlage. Daran kann auch in diesen Parteien
niemand mehr zweifeln. Das beweist ihre Presse zur Genüge. Sie rechnet längst
damit, daß die Regierung nicht umfällt, daß also das Scheitern des Tarifs besiegelt
ist, wenn das Zentrum und die Rechte nicht der Regierungsvorlage zustimmen.
Nur die verhängnisvolle Scheu, durch die Extreme vertretende Agitation draußen von
den Wählermassen des „Umfallens" geziehn zu werden, hält die genannten Par¬
teien immer noch ub, die allein vernünftige Konsequenz zu ziehn, denn das Scheitern
der Vorlage will im Ernst keine. Bei der Obstruktion tritt das immer deutlicher
hervor, und vielleicht hat der Abgeordnete Richter auch darin Recht, daß die Ob-
strnktionisten dem Zustandekommen des Tarifs dienen, indem sie die Mehrheits¬
parteien zur Erkenntnis der Unvernunft ihres Verhaltens bringen. Vor allem aber
sollten sich die Herren von der Rechten und dem Zentruni durch das Überhand¬
nehmen der Obstruktion und durch die Handgreiflichkeit der ans ihr erwachsenden Ge¬
fahr endlich überzeugen lassen, daß keine Woche mehr verloren werden darf, den Mehr¬
heitswillen, der unausgesprochen da ist, endlich auch auszusprechen. Das bis zur
dritten Lesung hinauszuschieben, geht nicht mehr um, dann fällt der Tarif unter
den Tisch. Eine Mehrheit, die ans Furcht vor der Demagogie nicht den Mut
findet, ihren Willen auszusprechen, kann unmöglich der schikanösen Obstruktion der
Demokratie Herr werden. ^ le machte sich im Kampfe dagegen selbst lächerlich, und
alle etwaigen Vergewaltigungen des parlamentarischen Rechts und Brauchs würden
nnr Wasser ans die Mühle der Schikaneure sein.

8aw8 xubliv» suprows, lex! Sollten^ die Herren von der Rechten und dem
Zentrum wirklich die Scheu vor dem Uttrnt, den einige hyperagrarische Demagogen
hier und da in ihren Wahlkreisen anrichten können, höher stellen als das Gemein¬
wohl? Das ist doch gar nicht zu glauben, wenn man bedenkt, welche Vertrauens¬
stellung gerade sie meist den ländlichen Wählern ihrer Kreise gegenüber einnehmen.
Kein Mensch, der nicht lügt, wird ihnen vorwerfen können, daß sie nicht bis aufs
äußerste für die agrarischen Interessen gcknmpft haben, und kein verständiger Wähler
wird ihnen, wenn sie jetzt nachgeben, sobald er sich nnr ruhig besinnt, einen Vor-
wurf machen. Wer die politischen Anschauungen und Neigungen unsrer Landleute
kennt, weiß, das; sie Ruh und Frieden lieben und ini Grunde durchaus regiernngs-
frcuudlich sind. Wenn nur die systematische, diesen Gefühlen entgegenarbeitende
Agitation aufhört und die Abgeordneten im Verein mit dem verständigen Beamten¬
tum ihnen die Sache richtig darstellen werden, so kann von einer Erbitterung der Land¬
wirte infolge der Annahme der Regierungsvorlage gar keine Rede sein. Natürlich
haben es die konservativen und die Zentrumsabgeordneter in der Hand, eine solche
Erbitterung hervorzurufen. Wenn sie nachher kommen und selbst über die Re¬
gierung Gewalt schreien, dann müssen die Wähler ihnen „Schlappheit" zutrauen,
dann muß ihnen der „Unfall" unverantwortlich erscheinen. Nur dann werden die
Extremen bei den Neuwahlen bessere Chancen haben. Sonst aber nicht.

Aber noch in andrer Weise erwächst angesichts der Obstruktion den Mitgliedern
der Mehrheitsparteien die dringende Pflicht, den Mehrheitswillen energisch zum
Ausdruck zu bringen. Es ist gewiß für viele Abgeordnete ein Opfer, den Reichs-
wgsverhandlmin.er regelmäßig beizuwohnen. Aber das Wegbleiben von den Sitzungen
in dem Maße, wie es seit einigen Jahren eingerissen und auch jetzt immer wieder
zu beklagen ist, ist doch eine offenbare Pflichtverletzung. Es ist uns schou längst
unbegreiflich erschienen, daß die konservative und die Zentrnmspresse diese Vernach¬
lässigung des einmal übernommnen, hochehrenvollen Maubads fortwährend beschimpf,
niemals ernstlich rügt. Daß es keine Diäten giebt, wußte jeder Abgeordnete, als
er sich wählen ließ. Er wußte, daß er Opfer zu bringen habe im Interesse des Ge¬
meinwohls, und die Wähler haben ein gutes Recht, von dem Gewählten zu ver¬
langen, daß er nnn auch das Opfer bringe. Die Frage, ob Diäten oder Anwesen-


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[0452] Maßgebliches und Unmaßgebliches Versammelt betrachtet, noch niemals zum Ausdruck gelangt. Die unerläßliche Vor¬ aussetzung für sein erkennbares Zustandekommen ist die Vereinigung der Mehr- hcitsparteien auf der Regierungsvorlage. Daran kann auch in diesen Parteien niemand mehr zweifeln. Das beweist ihre Presse zur Genüge. Sie rechnet längst damit, daß die Regierung nicht umfällt, daß also das Scheitern des Tarifs besiegelt ist, wenn das Zentrum und die Rechte nicht der Regierungsvorlage zustimmen. Nur die verhängnisvolle Scheu, durch die Extreme vertretende Agitation draußen von den Wählermassen des „Umfallens" geziehn zu werden, hält die genannten Par¬ teien immer noch ub, die allein vernünftige Konsequenz zu ziehn, denn das Scheitern der Vorlage will im Ernst keine. Bei der Obstruktion tritt das immer deutlicher hervor, und vielleicht hat der Abgeordnete Richter auch darin Recht, daß die Ob- strnktionisten dem Zustandekommen des Tarifs dienen, indem sie die Mehrheits¬ parteien zur Erkenntnis der Unvernunft ihres Verhaltens bringen. Vor allem aber sollten sich die Herren von der Rechten und dem Zentruni durch das Überhand¬ nehmen der Obstruktion und durch die Handgreiflichkeit der ans ihr erwachsenden Ge¬ fahr endlich überzeugen lassen, daß keine Woche mehr verloren werden darf, den Mehr¬ heitswillen, der unausgesprochen da ist, endlich auch auszusprechen. Das bis zur dritten Lesung hinauszuschieben, geht nicht mehr um, dann fällt der Tarif unter den Tisch. Eine Mehrheit, die ans Furcht vor der Demagogie nicht den Mut findet, ihren Willen auszusprechen, kann unmöglich der schikanösen Obstruktion der Demokratie Herr werden. ^ le machte sich im Kampfe dagegen selbst lächerlich, und alle etwaigen Vergewaltigungen des parlamentarischen Rechts und Brauchs würden nnr Wasser ans die Mühle der Schikaneure sein. 8aw8 xubliv» suprows, lex! Sollten^ die Herren von der Rechten und dem Zentrum wirklich die Scheu vor dem Uttrnt, den einige hyperagrarische Demagogen hier und da in ihren Wahlkreisen anrichten können, höher stellen als das Gemein¬ wohl? Das ist doch gar nicht zu glauben, wenn man bedenkt, welche Vertrauens¬ stellung gerade sie meist den ländlichen Wählern ihrer Kreise gegenüber einnehmen. Kein Mensch, der nicht lügt, wird ihnen vorwerfen können, daß sie nicht bis aufs äußerste für die agrarischen Interessen gcknmpft haben, und kein verständiger Wähler wird ihnen, wenn sie jetzt nachgeben, sobald er sich nnr ruhig besinnt, einen Vor- wurf machen. Wer die politischen Anschauungen und Neigungen unsrer Landleute kennt, weiß, das; sie Ruh und Frieden lieben und ini Grunde durchaus regiernngs- frcuudlich sind. Wenn nur die systematische, diesen Gefühlen entgegenarbeitende Agitation aufhört und die Abgeordneten im Verein mit dem verständigen Beamten¬ tum ihnen die Sache richtig darstellen werden, so kann von einer Erbitterung der Land¬ wirte infolge der Annahme der Regierungsvorlage gar keine Rede sein. Natürlich haben es die konservativen und die Zentrumsabgeordneter in der Hand, eine solche Erbitterung hervorzurufen. Wenn sie nachher kommen und selbst über die Re¬ gierung Gewalt schreien, dann müssen die Wähler ihnen „Schlappheit" zutrauen, dann muß ihnen der „Unfall" unverantwortlich erscheinen. Nur dann werden die Extremen bei den Neuwahlen bessere Chancen haben. Sonst aber nicht. Aber noch in andrer Weise erwächst angesichts der Obstruktion den Mitgliedern der Mehrheitsparteien die dringende Pflicht, den Mehrheitswillen energisch zum Ausdruck zu bringen. Es ist gewiß für viele Abgeordnete ein Opfer, den Reichs- wgsverhandlmin.er regelmäßig beizuwohnen. Aber das Wegbleiben von den Sitzungen in dem Maße, wie es seit einigen Jahren eingerissen und auch jetzt immer wieder zu beklagen ist, ist doch eine offenbare Pflichtverletzung. Es ist uns schou längst unbegreiflich erschienen, daß die konservative und die Zentrnmspresse diese Vernach¬ lässigung des einmal übernommnen, hochehrenvollen Maubads fortwährend beschimpf, niemals ernstlich rügt. Daß es keine Diäten giebt, wußte jeder Abgeordnete, als er sich wählen ließ. Er wußte, daß er Opfer zu bringen habe im Interesse des Ge¬ meinwohls, und die Wähler haben ein gutes Recht, von dem Gewählten zu ver¬ langen, daß er nnn auch das Opfer bringe. Die Frage, ob Diäten oder Anwesen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/452>, abgerufen am 01.09.2024.