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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

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Ilmßgebliches und Unmafjgebliches

das Recht, das sie bezwecken, ja das Gegenteil davon herauskounnt. Es ist immer
schwer zu sagen, wo die Schikane anfängt. Welcher "gesuchte" Anwalt hat nicht ge¬
legentlich einmal für seiue Prozeßpartei etwas schikaniert? Und welche Parlameuts-
miuderheit hat nicht gelegentlich ein wenig obstruiert, ohne daß mans ihr so sehr
übel genommen hätte? Daß aber die Schikane sittlich verächtlich ist, wird am
besten dadurch bewiese", daß sie im gewöhnlichen Leben, auch wo sie klar zu
Tage liegt, und der Schikancur sehr stolz darauf ist, voll Entrüstung geleugnet wird.
Im parlamentarischen, überhaupt im Politischen Lebe" ist mau zwar viel weniger
^rüde, aber im deutschen Reichstage leugnen die Obstrnktivnisten immer noch, daß
sie obstruieren, obgleich sie durch schikanösen Mißbrauch der parlamentarischen
Satzungen die Reichstagsarbeit völlig zu leidner anfangen, dem parlamentarischen
>>weck ins Gesicht schlagen und ihn vor dem ganzen dentschen Bolle zum Gespött
nincheu. Sie haben wohl noch eine dunkle Ahnung, daß öffentliche Schilaneure und
Rabulisten, boshafte und alberne, in Deutschland schließlich doch immer der öffent¬
lichen Verachtung und Lächerlichkeit verfallen müssen. Jedenfalls haben wirs jetzt
'U' dentschen Reichstage mit ausgesprochner Obstruktion zu thun. Es ist ein in
heutiger Zeit uicht hoch genug anzuerkennendes Verdienst Engen Richters, das
"ußcr Zweifel gestellt und die an dem Unfug beteiligten Parteien und Politiker in
'dran politischen Qualitäten mit einer Deutlichkeit gekennzeichnet zu haben, die nichts
Zu Wünschen übrig läßt. Wir brauchen hier ans die Formen, in denen sich die
Obstruktion bei uns bisher bethätigt hat, nicht naher einzugehn. Die Roheit der
"iierreichischeu Obstruktion ist vorläufig noch nicht erreicht, aber, wie Richter sagt:
^.tels sachliche Debattieren hat aufgehört, seitdem Dcmerredeu bis zu 4^ Stunden
^ ganzen parlamentarischen Verhandlungen zu einer Karikatur zu machen
^'den," und die "Anträge auf namentliche Abstimmung schablonenmäßig sich häufen
"und in Fällen, wo namentliche Abstimmungen sachlich in keiner Weise gerecht-
l^ligt sind."

Wenn Eugen Richter das Zustandekommen der Zolltarifvorlage sachlich be¬
tupft, so ist das sein Recht, und wenn er ihr Zustandekommen auch ohne Ob¬
duktion, solange die Mehrheit selbst in der Opposition steht, für unmöglich hält,
lo hat ex Recht. Die Vorlage ist der parteiagrarischen und grnndjänlich Schutz-
, mischen Mehrheit so weit entgegengekommen, daß sehr vielen, auch wirtschafts-
i^vmisch hin freisinnigen Reichstagsfraltioueu und den Sozialdemokraten sehr fern
lohenden Männern ernste Bedenken dagegen aufgestiegen sind, wenn sie anch wegen
bei vollständigem Scheitern vorauszusehenden Übel, die ihnen noch größere Be-
uilcn machen, für die möglichst baldige Annahme des Negiernngsentwnrfs ein-
^'im. Wjr die Ablehnung jedes Schntzzolls für die deutsche Landwirtschaft
iur heute und für absehbare Zeit für falsch und auch die unentwegte Gegnerschaft
Meu jede Agrarzollerhöhuug für einen Fehler und eine Übertreibung. Aber wenn
r , lcuentmegtcu wegen dieser Zollerhöhuugeu in der Regierungsvorlage auch
u"o s" Hegen den ganzen Entwurf stimmen, so werden wir das wohl bedauern
, ^ verkehrt halten, aber einen schweren politischen Vorwurf werden wir ihnen
g "icht, machen können. Die Mchrheitsparteieu, nach deren Wünschen die
^ ucrhvh,,,,,^, überhaupt vorgeschlagen sind, haben für die Annahme der Vorlage
nuM Oplws'ton und Uneinigkeit hat seit Einbringung des Entwurfs das
schuld "'"^ Verschleppung der Verhandlungen beigetragen und würde anch die Haupt-
"/^ ^nu behalten, wenn es deu Schikaueu der verbündeten Sozialdemokraten.
vert' v'!"""^" Vereinigung gelänge, das Zustandekommen des Tarifs ganz zu

edler, der selten die MehrheitSparteien für sich gehabt hat, und wie er selbst
den ^' Zukunft wohl immer zur Minderheit gehören wird, hat sich ehrlich zu
Al/bekannt: "Das parlamentarische System beruht auf dem Grundsatz der
^eueuuuug des Willens der Mehrheit." Aber wo ist dieser Mchrheitswille heute?
^ unfig ist sein Vorhandensein, auch wenn man alle Fraktionen als vollzählig
Gre


nzboten IV 1902 56
Ilmßgebliches und Unmafjgebliches

das Recht, das sie bezwecken, ja das Gegenteil davon herauskounnt. Es ist immer
schwer zu sagen, wo die Schikane anfängt. Welcher „gesuchte" Anwalt hat nicht ge¬
legentlich einmal für seiue Prozeßpartei etwas schikaniert? Und welche Parlameuts-
miuderheit hat nicht gelegentlich ein wenig obstruiert, ohne daß mans ihr so sehr
übel genommen hätte? Daß aber die Schikane sittlich verächtlich ist, wird am
besten dadurch bewiese», daß sie im gewöhnlichen Leben, auch wo sie klar zu
Tage liegt, und der Schikancur sehr stolz darauf ist, voll Entrüstung geleugnet wird.
Im parlamentarischen, überhaupt im Politischen Lebe» ist mau zwar viel weniger
^rüde, aber im deutschen Reichstage leugnen die Obstrnktivnisten immer noch, daß
sie obstruieren, obgleich sie durch schikanösen Mißbrauch der parlamentarischen
Satzungen die Reichstagsarbeit völlig zu leidner anfangen, dem parlamentarischen
>>weck ins Gesicht schlagen und ihn vor dem ganzen dentschen Bolle zum Gespött
nincheu. Sie haben wohl noch eine dunkle Ahnung, daß öffentliche Schilaneure und
Rabulisten, boshafte und alberne, in Deutschland schließlich doch immer der öffent¬
lichen Verachtung und Lächerlichkeit verfallen müssen. Jedenfalls haben wirs jetzt
'U' dentschen Reichstage mit ausgesprochner Obstruktion zu thun. Es ist ein in
heutiger Zeit uicht hoch genug anzuerkennendes Verdienst Engen Richters, das
"ußcr Zweifel gestellt und die an dem Unfug beteiligten Parteien und Politiker in
'dran politischen Qualitäten mit einer Deutlichkeit gekennzeichnet zu haben, die nichts
Zu Wünschen übrig läßt. Wir brauchen hier ans die Formen, in denen sich die
Obstruktion bei uns bisher bethätigt hat, nicht naher einzugehn. Die Roheit der
"iierreichischeu Obstruktion ist vorläufig noch nicht erreicht, aber, wie Richter sagt:
^.tels sachliche Debattieren hat aufgehört, seitdem Dcmerredeu bis zu 4^ Stunden
^ ganzen parlamentarischen Verhandlungen zu einer Karikatur zu machen
^'den," und die „Anträge auf namentliche Abstimmung schablonenmäßig sich häufen
"und in Fällen, wo namentliche Abstimmungen sachlich in keiner Weise gerecht-
l^ligt sind."

Wenn Eugen Richter das Zustandekommen der Zolltarifvorlage sachlich be¬
tupft, so ist das sein Recht, und wenn er ihr Zustandekommen auch ohne Ob¬
duktion, solange die Mehrheit selbst in der Opposition steht, für unmöglich hält,
lo hat ex Recht. Die Vorlage ist der parteiagrarischen und grnndjänlich Schutz-
, mischen Mehrheit so weit entgegengekommen, daß sehr vielen, auch wirtschafts-
i^vmisch hin freisinnigen Reichstagsfraltioueu und den Sozialdemokraten sehr fern
lohenden Männern ernste Bedenken dagegen aufgestiegen sind, wenn sie anch wegen
bei vollständigem Scheitern vorauszusehenden Übel, die ihnen noch größere Be-
uilcn machen, für die möglichst baldige Annahme des Negiernngsentwnrfs ein-
^'im. Wjr die Ablehnung jedes Schntzzolls für die deutsche Landwirtschaft
iur heute und für absehbare Zeit für falsch und auch die unentwegte Gegnerschaft
Meu jede Agrarzollerhöhuug für einen Fehler und eine Übertreibung. Aber wenn
r , lcuentmegtcu wegen dieser Zollerhöhuugeu in der Regierungsvorlage auch
u»o s" Hegen den ganzen Entwurf stimmen, so werden wir das wohl bedauern
, ^ verkehrt halten, aber einen schweren politischen Vorwurf werden wir ihnen
g "icht, machen können. Die Mchrheitsparteieu, nach deren Wünschen die
^ ucrhvh,,,,,^, überhaupt vorgeschlagen sind, haben für die Annahme der Vorlage
nuM Oplws'ton und Uneinigkeit hat seit Einbringung des Entwurfs das
schuld "'"^ Verschleppung der Verhandlungen beigetragen und würde anch die Haupt-
„/^ ^nu behalten, wenn es deu Schikaueu der verbündeten Sozialdemokraten.
vert' v'!"""^" Vereinigung gelänge, das Zustandekommen des Tarifs ganz zu

edler, der selten die MehrheitSparteien für sich gehabt hat, und wie er selbst
den ^' Zukunft wohl immer zur Minderheit gehören wird, hat sich ehrlich zu
Al/bekannt: „Das parlamentarische System beruht auf dem Grundsatz der
^eueuuuug des Willens der Mehrheit." Aber wo ist dieser Mchrheitswille heute?
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[0451] Ilmßgebliches und Unmafjgebliches das Recht, das sie bezwecken, ja das Gegenteil davon herauskounnt. Es ist immer schwer zu sagen, wo die Schikane anfängt. Welcher „gesuchte" Anwalt hat nicht ge¬ legentlich einmal für seiue Prozeßpartei etwas schikaniert? Und welche Parlameuts- miuderheit hat nicht gelegentlich ein wenig obstruiert, ohne daß mans ihr so sehr übel genommen hätte? Daß aber die Schikane sittlich verächtlich ist, wird am besten dadurch bewiese», daß sie im gewöhnlichen Leben, auch wo sie klar zu Tage liegt, und der Schikancur sehr stolz darauf ist, voll Entrüstung geleugnet wird. Im parlamentarischen, überhaupt im Politischen Lebe» ist mau zwar viel weniger ^rüde, aber im deutschen Reichstage leugnen die Obstrnktivnisten immer noch, daß sie obstruieren, obgleich sie durch schikanösen Mißbrauch der parlamentarischen Satzungen die Reichstagsarbeit völlig zu leidner anfangen, dem parlamentarischen >>weck ins Gesicht schlagen und ihn vor dem ganzen dentschen Bolle zum Gespött nincheu. Sie haben wohl noch eine dunkle Ahnung, daß öffentliche Schilaneure und Rabulisten, boshafte und alberne, in Deutschland schließlich doch immer der öffent¬ lichen Verachtung und Lächerlichkeit verfallen müssen. Jedenfalls haben wirs jetzt 'U' dentschen Reichstage mit ausgesprochner Obstruktion zu thun. Es ist ein in heutiger Zeit uicht hoch genug anzuerkennendes Verdienst Engen Richters, das "ußcr Zweifel gestellt und die an dem Unfug beteiligten Parteien und Politiker in 'dran politischen Qualitäten mit einer Deutlichkeit gekennzeichnet zu haben, die nichts Zu Wünschen übrig läßt. Wir brauchen hier ans die Formen, in denen sich die Obstruktion bei uns bisher bethätigt hat, nicht naher einzugehn. Die Roheit der "iierreichischeu Obstruktion ist vorläufig noch nicht erreicht, aber, wie Richter sagt: ^.tels sachliche Debattieren hat aufgehört, seitdem Dcmerredeu bis zu 4^ Stunden ^ ganzen parlamentarischen Verhandlungen zu einer Karikatur zu machen ^'den," und die „Anträge auf namentliche Abstimmung schablonenmäßig sich häufen "und in Fällen, wo namentliche Abstimmungen sachlich in keiner Weise gerecht- l^ligt sind." Wenn Eugen Richter das Zustandekommen der Zolltarifvorlage sachlich be¬ tupft, so ist das sein Recht, und wenn er ihr Zustandekommen auch ohne Ob¬ duktion, solange die Mehrheit selbst in der Opposition steht, für unmöglich hält, lo hat ex Recht. Die Vorlage ist der parteiagrarischen und grnndjänlich Schutz- , mischen Mehrheit so weit entgegengekommen, daß sehr vielen, auch wirtschafts- i^vmisch hin freisinnigen Reichstagsfraltioueu und den Sozialdemokraten sehr fern lohenden Männern ernste Bedenken dagegen aufgestiegen sind, wenn sie anch wegen bei vollständigem Scheitern vorauszusehenden Übel, die ihnen noch größere Be- uilcn machen, für die möglichst baldige Annahme des Negiernngsentwnrfs ein- ^'im. Wjr die Ablehnung jedes Schntzzolls für die deutsche Landwirtschaft iur heute und für absehbare Zeit für falsch und auch die unentwegte Gegnerschaft Meu jede Agrarzollerhöhuug für einen Fehler und eine Übertreibung. Aber wenn r , lcuentmegtcu wegen dieser Zollerhöhuugeu in der Regierungsvorlage auch u»o s" Hegen den ganzen Entwurf stimmen, so werden wir das wohl bedauern , ^ verkehrt halten, aber einen schweren politischen Vorwurf werden wir ihnen g "icht, machen können. Die Mchrheitsparteieu, nach deren Wünschen die ^ ucrhvh,,,,,^, überhaupt vorgeschlagen sind, haben für die Annahme der Vorlage nuM Oplws'ton und Uneinigkeit hat seit Einbringung des Entwurfs das schuld "'"^ Verschleppung der Verhandlungen beigetragen und würde anch die Haupt- „/^ ^nu behalten, wenn es deu Schikaueu der verbündeten Sozialdemokraten. vert' v'!"""^" Vereinigung gelänge, das Zustandekommen des Tarifs ganz zu edler, der selten die MehrheitSparteien für sich gehabt hat, und wie er selbst den ^' Zukunft wohl immer zur Minderheit gehören wird, hat sich ehrlich zu Al/bekannt: „Das parlamentarische System beruht auf dem Grundsatz der ^eueuuuug des Willens der Mehrheit." Aber wo ist dieser Mchrheitswille heute? ^ unfig ist sein Vorhandensein, auch wenn man alle Fraktionen als vollzählig Gre nzboten IV 1902 56

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/451>, abgerufen am 01.09.2024.