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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

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erst recht. Jeder sagte das, nachdem der behäbige Pariser Spießbürger im Laufe
des zweiten Jahres einmal dagewesen war, ponr satistairs ü son äsvoir.

Jean gefiel den Verwandten, und die Verwandten gefielen ihm -- sehr sogar;
er hätte die Lehrzeit ganz gern ins sechste Jahr hinein ausgedehnt, aber das litt
der Vater nicht, wegen des Tropfens deutschen Bluts, der sowieso schon in dem
Gamin spuke und mit nichten obenauf kommen dürfe.

Merkwürdig, das; Jean trotz dieses Vielbeklagten Tropfens das gastliche Deutsch¬
land in Paris so schnell und so völlig wieder hatte vergessen können. Wie in einen
Abgrund versank die Großmutter Beauregard, die deutsche Luft und die deutsche
Freundschaft. Versank und ruhte. Paris verdrängte sie mit seinem Lärm und seinem
Glanz, seiner Lust und seinem Rausch, mit seiner Eile und seinem bunten, erregenden
Wechsel. Nur hatte all dieses flirrende, verwirrende Gaukelwerk dreier vollgenossener
Jugendjahre nichts umzubringen vermocht, lediglich geschlummert hatten die Erinne¬
rungen im Grunde seiner Seele, und jetzt kamen sie zurück: Kinderstubeuerinnerungeu
und Lehrjahrertnnerungen, die sich merkwürdigerweise immer vermischten, obgleich
sie in Wirklichkeit durch Raum und Zeit so scharf voneinander getrennt gewesen
waren -- aber sie hatte" doch beide einen deutschen Klang und deutsche Farbe.

Nun sollte er alles wieder haben: die grauen Straßen, die arbeitsvollen Gärten,
die alte Schulstube, das lauschige, wuchernde Grün der Himbeerhecken, den Feier-
cibeudfrieden der großen Hasellaubc vorm Haus, die behagliche Ruhe des Erfurter
Mütterchens und die herbe, kindliche Unbekümmertheit der Väschen, an die er kaum
noch zu glauben vermochte nach den Erfahrungen seiner letzten Jahre, die ihm so
viel elegante, kokette Mvdevüvpchen über den Weg geführt hatten.

Auf die Mädchen war er überhaupt sehr neugierig, wie die sich entwickelt
haben mochten in drei langen Jahren, und wie sie ihm gefallen würden, nachdem
er die große Welt gesehen hatte.

Wie ein lebendig gewordnes Märchenbuch stiegen sie ans seiner Erinnerungs¬
schatzkammer auf. Rotkäppchen, das Nachbarskind, allezeit rund und lustig; dessen stolze
Schwester, die sich selbst für ein Schneewittchen hielt, weshalb sie von den necklustigen
Jungen "böse Frau Königin" genannt wurde; die ebenso alte Base Lisa, die sie
zum Dornröschen machten, weil ihr spitzes Zünglein in hundertjährigem Schlafe
gezähmt werden müsse.

Bubenspäße; aber Jean LeporL lachte auch heute uoch fröhlich auf, als er an
die Wortgefechte dachte, in denen er zunächst immer den kürzern gezogen hatte,
denn Lisa-Dornröschen sprach ein ganz muntres Französisch, behauptete aber seine
ausländischen Bosheiten nicht zu verstehn, und sein Deutsch war erst nach und nach
kampffähig geworden.

Ist Dornröschen jetzt sanfter als ehedem? fragte Jean aus seiner Erinnerungs¬
wallfahrt heraus den schweigsamen Begleiter.

Braut, antwortete der, heimliche Braut! -- und wartete auf die um unumgäng¬
liche Frage: Wessen denn? aber die blieb aus. Jean dachte schon wieder an andre
Knabenfreuden.

Da blieb Robert mit plötzlichem Entschluß stehn. Sie waren gerade mitten
auf dem Domplatz, wo immer Fremde zu Aufblick und Umschau stehn blieben, aber
sie achteten nicht auf den gotischen Riesen, der seine Arme zum Himmel streckte,
sie waren beide weit ab mit ihren Gedanken. Lepore' lag so tief im Banne der
deutschen Luft, daß ihm gar nicht auffiel, wie stumm sie einander minutenlang gegen¬
über standen.

Robert suchte und fand das rechte Wort nicht; endlich begann er zögernd:
N"es eins, Jean, ehe wir nach Hause kommen -- uns freut dem Gedenken, aber --
wir wundern uns doch auch -- es ist so lange her -- weshalb bist du denn jetzt
auf Reisen, nachdem du so lange gezögert hast? Wolltest du dir nicht in Enghien
les bains einen Garten kaufen?

Jean sah seinen Begleiter mit einem drolligen Ausdruck von Verlegenheit an.


Grenzboten IV 41
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erst recht. Jeder sagte das, nachdem der behäbige Pariser Spießbürger im Laufe
des zweiten Jahres einmal dagewesen war, ponr satistairs ü son äsvoir.

Jean gefiel den Verwandten, und die Verwandten gefielen ihm — sehr sogar;
er hätte die Lehrzeit ganz gern ins sechste Jahr hinein ausgedehnt, aber das litt
der Vater nicht, wegen des Tropfens deutschen Bluts, der sowieso schon in dem
Gamin spuke und mit nichten obenauf kommen dürfe.

Merkwürdig, das; Jean trotz dieses Vielbeklagten Tropfens das gastliche Deutsch¬
land in Paris so schnell und so völlig wieder hatte vergessen können. Wie in einen
Abgrund versank die Großmutter Beauregard, die deutsche Luft und die deutsche
Freundschaft. Versank und ruhte. Paris verdrängte sie mit seinem Lärm und seinem
Glanz, seiner Lust und seinem Rausch, mit seiner Eile und seinem bunten, erregenden
Wechsel. Nur hatte all dieses flirrende, verwirrende Gaukelwerk dreier vollgenossener
Jugendjahre nichts umzubringen vermocht, lediglich geschlummert hatten die Erinne¬
rungen im Grunde seiner Seele, und jetzt kamen sie zurück: Kinderstubeuerinnerungeu
und Lehrjahrertnnerungen, die sich merkwürdigerweise immer vermischten, obgleich
sie in Wirklichkeit durch Raum und Zeit so scharf voneinander getrennt gewesen
waren — aber sie hatte« doch beide einen deutschen Klang und deutsche Farbe.

Nun sollte er alles wieder haben: die grauen Straßen, die arbeitsvollen Gärten,
die alte Schulstube, das lauschige, wuchernde Grün der Himbeerhecken, den Feier-
cibeudfrieden der großen Hasellaubc vorm Haus, die behagliche Ruhe des Erfurter
Mütterchens und die herbe, kindliche Unbekümmertheit der Väschen, an die er kaum
noch zu glauben vermochte nach den Erfahrungen seiner letzten Jahre, die ihm so
viel elegante, kokette Mvdevüvpchen über den Weg geführt hatten.

Auf die Mädchen war er überhaupt sehr neugierig, wie die sich entwickelt
haben mochten in drei langen Jahren, und wie sie ihm gefallen würden, nachdem
er die große Welt gesehen hatte.

Wie ein lebendig gewordnes Märchenbuch stiegen sie ans seiner Erinnerungs¬
schatzkammer auf. Rotkäppchen, das Nachbarskind, allezeit rund und lustig; dessen stolze
Schwester, die sich selbst für ein Schneewittchen hielt, weshalb sie von den necklustigen
Jungen „böse Frau Königin" genannt wurde; die ebenso alte Base Lisa, die sie
zum Dornröschen machten, weil ihr spitzes Zünglein in hundertjährigem Schlafe
gezähmt werden müsse.

Bubenspäße; aber Jean LeporL lachte auch heute uoch fröhlich auf, als er an
die Wortgefechte dachte, in denen er zunächst immer den kürzern gezogen hatte,
denn Lisa-Dornröschen sprach ein ganz muntres Französisch, behauptete aber seine
ausländischen Bosheiten nicht zu verstehn, und sein Deutsch war erst nach und nach
kampffähig geworden.

Ist Dornröschen jetzt sanfter als ehedem? fragte Jean aus seiner Erinnerungs¬
wallfahrt heraus den schweigsamen Begleiter.

Braut, antwortete der, heimliche Braut! — und wartete auf die um unumgäng¬
liche Frage: Wessen denn? aber die blieb aus. Jean dachte schon wieder an andre
Knabenfreuden.

Da blieb Robert mit plötzlichem Entschluß stehn. Sie waren gerade mitten
auf dem Domplatz, wo immer Fremde zu Aufblick und Umschau stehn blieben, aber
sie achteten nicht auf den gotischen Riesen, der seine Arme zum Himmel streckte,
sie waren beide weit ab mit ihren Gedanken. Lepore' lag so tief im Banne der
deutschen Luft, daß ihm gar nicht auffiel, wie stumm sie einander minutenlang gegen¬
über standen.

Robert suchte und fand das rechte Wort nicht; endlich begann er zögernd:
N»es eins, Jean, ehe wir nach Hause kommen — uns freut dem Gedenken, aber —
wir wundern uns doch auch — es ist so lange her — weshalb bist du denn jetzt
auf Reisen, nachdem du so lange gezögert hast? Wolltest du dir nicht in Enghien
les bains einen Garten kaufen?

Jean sah seinen Begleiter mit einem drolligen Ausdruck von Verlegenheit an.


Grenzboten IV 41
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/331>, abgerufen am 01.09.2024.