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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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absolute Unbekanntschaft mit der Person, die mir als Vertreter Garibaldis
gegcnübertrat, sowie mit der angeblichen Handschrift des Generals mir vor¬
sich Bismarck." tige Zurückhaltung auferlegt hat.

Für Bernhard: war die größte Vorsicht geboten. Schon das Gerücht, er
wolle nach Siena reisen, wo sich einer Version zufolge Garibaldi aufhalten sollte,
führte zu unliebsamen Gerede. So redete der österreichische Gesandte einen
Bekannten auf der Straße mit den Worten an: "Bernhardt ist in Siena und
Pantscht mit Garibaldi," und im Auftrage des Premiers Rattazzi erschien am
15. September der Minister Barbolani bei Bernhardi, um ihn Garibaldis wegen
auszuholen.

Er erklärte im Gespräch, die italienische Negierung sei informiert, daß
Bernhardi "Millionen" (!) von seiner Regierung zur Verfügung gestellt
worden seien, um die Garibaldimnsche Bewegung zu fördern und auf Rom
zu leiten. Bernhardi, der sich in vorsichtiges Schweigen hüllte, hatte unter¬
dessen mit einem der Häupter der Aktionspartei, dem cinundsiebzigjährigen
Marquis Giorgio Pallavicini, dessen schöne und in nationalem Idealismus
aufgehende Frau er schon früher kennen und schätzen gelernt hatte, Beziehungen
angeknüpft, um mit Garibaldi zusammenzukommen. Pallavicini hatte die fünf¬
zehn besten Jahre seines Lebens vom siebenundzwanzigsten bis zweinndvicr-
zigsten Jahre seiner politischen Überzeugungen wegen in den Kasematten des
Spielbergs zugebracht, aber im Kampf für seine Ideen war er nicht müde ge¬
worden.

Am 19. September suchte ihn Bernhardi auf seiner im Mniländischen
liegenden Villa Codvgno auf, wo Garibaldi, aus Genf zurückkehrend, Rast
gemacht hatte. Der Marquis bestätigte Bernhardi die Identität Thuguts
mit Frigyesy, der von Garibaldi in der That nach Berlin geschickt worden
sei, um Bismarck von dem Stande der Dinge hier in Italien in Kenntnis zu
setzen; um zu sagen, daß das Königtum hierzulande zu Grunde gehe, wenn
die Dinge in der gegenwärtigen Weise fortgeführt würden, daß Italien der
Revolution, der Anarchie verfalle, daß sich unter Rattnzzis Herrschaft Italien
gegen einige Konzessionen in Bezug auf Rom in dem bevorstehenden Konflikt
zwischen Frankreich und Preußen unfehlbar Frankreich und seinem Beherrscher
anschließen werde, ja daß das Bündnis zwischen Frankreich und Italien schon
geschlossen sei -- daß das einzige Mittel, der Ausführung dieser Pläne und
allem Unheil zuvorzukommen, darin liege, daß sich die Aktionspartei durch
eine kühne That in den Besitz von Rom setze, dadurch das Ministerium
Rattazzi stürze und ein Ministerium aus ihrer Mitte an die Spitze der Re¬
gierung bringe. Preußen, das alle Patrioten als ihren Freund ansähen,
müsse sie moralisch unterstützen oder durch eine diplomatische Aktion, nötigen¬
falls sogar durch irgend eine Demonstration eine neue französische Expedition
nach Rom abwehren und fernhalten. Die preußische Negierung würde ferner
gut thun, wenn sie eine große Zeitung ihren Interessen dienstbar mache, wie
Frankreich das längst thue.

In betreff Garibaldis wies ihn der Marquis an seine nach Florenz zurück¬
gekehrte Gemahlin, die Marchesa, die Bernhardi im Hotel de Turin schon am


absolute Unbekanntschaft mit der Person, die mir als Vertreter Garibaldis
gegcnübertrat, sowie mit der angeblichen Handschrift des Generals mir vor¬
sich Bismarck." tige Zurückhaltung auferlegt hat.

Für Bernhard: war die größte Vorsicht geboten. Schon das Gerücht, er
wolle nach Siena reisen, wo sich einer Version zufolge Garibaldi aufhalten sollte,
führte zu unliebsamen Gerede. So redete der österreichische Gesandte einen
Bekannten auf der Straße mit den Worten an: „Bernhardt ist in Siena und
Pantscht mit Garibaldi," und im Auftrage des Premiers Rattazzi erschien am
15. September der Minister Barbolani bei Bernhardi, um ihn Garibaldis wegen
auszuholen.

Er erklärte im Gespräch, die italienische Negierung sei informiert, daß
Bernhardi „Millionen" (!) von seiner Regierung zur Verfügung gestellt
worden seien, um die Garibaldimnsche Bewegung zu fördern und auf Rom
zu leiten. Bernhardi, der sich in vorsichtiges Schweigen hüllte, hatte unter¬
dessen mit einem der Häupter der Aktionspartei, dem cinundsiebzigjährigen
Marquis Giorgio Pallavicini, dessen schöne und in nationalem Idealismus
aufgehende Frau er schon früher kennen und schätzen gelernt hatte, Beziehungen
angeknüpft, um mit Garibaldi zusammenzukommen. Pallavicini hatte die fünf¬
zehn besten Jahre seines Lebens vom siebenundzwanzigsten bis zweinndvicr-
zigsten Jahre seiner politischen Überzeugungen wegen in den Kasematten des
Spielbergs zugebracht, aber im Kampf für seine Ideen war er nicht müde ge¬
worden.

Am 19. September suchte ihn Bernhardi auf seiner im Mniländischen
liegenden Villa Codvgno auf, wo Garibaldi, aus Genf zurückkehrend, Rast
gemacht hatte. Der Marquis bestätigte Bernhardi die Identität Thuguts
mit Frigyesy, der von Garibaldi in der That nach Berlin geschickt worden
sei, um Bismarck von dem Stande der Dinge hier in Italien in Kenntnis zu
setzen; um zu sagen, daß das Königtum hierzulande zu Grunde gehe, wenn
die Dinge in der gegenwärtigen Weise fortgeführt würden, daß Italien der
Revolution, der Anarchie verfalle, daß sich unter Rattnzzis Herrschaft Italien
gegen einige Konzessionen in Bezug auf Rom in dem bevorstehenden Konflikt
zwischen Frankreich und Preußen unfehlbar Frankreich und seinem Beherrscher
anschließen werde, ja daß das Bündnis zwischen Frankreich und Italien schon
geschlossen sei — daß das einzige Mittel, der Ausführung dieser Pläne und
allem Unheil zuvorzukommen, darin liege, daß sich die Aktionspartei durch
eine kühne That in den Besitz von Rom setze, dadurch das Ministerium
Rattazzi stürze und ein Ministerium aus ihrer Mitte an die Spitze der Re¬
gierung bringe. Preußen, das alle Patrioten als ihren Freund ansähen,
müsse sie moralisch unterstützen oder durch eine diplomatische Aktion, nötigen¬
falls sogar durch irgend eine Demonstration eine neue französische Expedition
nach Rom abwehren und fernhalten. Die preußische Negierung würde ferner
gut thun, wenn sie eine große Zeitung ihren Interessen dienstbar mache, wie
Frankreich das längst thue.

In betreff Garibaldis wies ihn der Marquis an seine nach Florenz zurück¬
gekehrte Gemahlin, die Marchesa, die Bernhardi im Hotel de Turin schon am


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/703>, abgerufen am 26.06.2024.