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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Lismarck und Garibcildi

Florenz ein Feldjäger c>us Berlin anlangte, der u. a. einen Brief des preußischen
Premiers, des Grafen Otto von Bismarck an Bernhnrdi enthielt. Er lautete:

"Berlin, 28. August 1867. Ganz geheim. Vor einigen Tagen präsentierte
sich mir eine unter dem Namen eines Herrn von Thugut reisende Persönlich¬
keit, welche sich durch einen an mich gerichteten französischen Brief des Generals
Garibaldi vom 9. d. M. als einen Oberstleutnant Chevalier Frigyesy intro-
duzierte und mit Aufträgen des gedachten Generals versehen zu sein behauptete.
Diese Aufträge gingen dahin, meine und der preußischen Regierung geheime
Unterstützung für die Absichten Garibaldis auf Rom nachzusuchen und mich
zugleich zu versichern, daß General Garibaldi niemals zustimmen werde, daß
Italien an der Seite Frankreichs gegen Preußen kämpfe. Der General
wisse, daß das italienische Gouvernement den Franzosen für den Fall eines
Krieges gegen Preußen die Mitwirkung einer Armee von 100000 Mann
bereits zugesagt habe, und daß der Preis dieses unnatürlichen Verrath an
seinem Bundesgenossen aus dem Jahre 1866 der Besitz von Rom sein solle.
Er, Garibaldi, werde aber die Ausführung dieses Vertrags verhindern können,
wenn er auf dein Wege nationaler Erhebung Rom für Italien gewinne, dadurch
den Zweck des Bündnisses vereitle und eine antifranzösische Diversion mache.

Abgesehen von der delikaten und zweifelhaften Natur der Angelegenheit
überhaupt, standen mir auch gar keine Mittel zu Gebote, um die Authentizität
des Schreibens und der Beziehungen der fraglichen Persönlichkeit zu prüfen.
Die von letzterm als die Äußerung des Generals wiedergegelmen Worte ent¬
sprechen allerdings dem bekannten Charakter desselben; es liegt aber auch der
Gedanke nicht fern, daß das Ganze eine von französischer oder österreichischer
Seite gestellte Falle sei, um uns gegenüber der italienischen Negierung zu
kompromittieren. Diese Befürchtung lag um so näher, als in den öffentlichen
Blättern, z. B. in der dem französischen Interesse dienenden "Jtalie" vom
6. August bereits Insinuationen sich finden, daß Preußen die Pläne Garibaldis
und der Aktiouspartei begünstige und unterstütze.

Ich habe mich deshalb dem angeblichen Gnribaldischen Abgesandten gegen¬
über auf allgemeine Äußerungen der Sympathie für die italienische National¬
sache beschränkt und ihm zugleich bemerkt, daß wir bis jetzt leine Veranlassung
hätten, an den guten und aufrichtigen Gesinnungen der italienischen Negierung
gegen Preußen zu zweifeln oder an das angeblich bereits mit Frankreich gegen
uns geschlossene Bündnis zu glauben. Ebenso habe ich ihn auf die Gefahren
aufmerksam gemacht, welche ein Vorgehn der Aktionspartei ohne die gesicherte
Billigung der italienischen Regierung haben müsse.

Es würde mir aber angenehm sein, wenn E. H. durch Ihre persönlichen
Verbindungen in einer ganz unauffälligen Weise hcrnnsbringen könnten, ob
der Chevalier Frigyesy in der That zu den Vertrauten Garibaldis gehört
und mit einem solchen Schreiben und den gedachten Aufträgen von ihm ver¬
sehen worden ist.

Wenn E. H. ohne Gefahr der Kompromittieruug zu direktem Verkehre mit
Garibaldi oder den einflußreichsten Personen seiner Umgebung Gelegenheit
haben, so wünsche ich, daß mündlich demselben mitgeteilt werde, daß die


Lismarck und Garibcildi

Florenz ein Feldjäger c>us Berlin anlangte, der u. a. einen Brief des preußischen
Premiers, des Grafen Otto von Bismarck an Bernhnrdi enthielt. Er lautete:

„Berlin, 28. August 1867. Ganz geheim. Vor einigen Tagen präsentierte
sich mir eine unter dem Namen eines Herrn von Thugut reisende Persönlich¬
keit, welche sich durch einen an mich gerichteten französischen Brief des Generals
Garibaldi vom 9. d. M. als einen Oberstleutnant Chevalier Frigyesy intro-
duzierte und mit Aufträgen des gedachten Generals versehen zu sein behauptete.
Diese Aufträge gingen dahin, meine und der preußischen Regierung geheime
Unterstützung für die Absichten Garibaldis auf Rom nachzusuchen und mich
zugleich zu versichern, daß General Garibaldi niemals zustimmen werde, daß
Italien an der Seite Frankreichs gegen Preußen kämpfe. Der General
wisse, daß das italienische Gouvernement den Franzosen für den Fall eines
Krieges gegen Preußen die Mitwirkung einer Armee von 100000 Mann
bereits zugesagt habe, und daß der Preis dieses unnatürlichen Verrath an
seinem Bundesgenossen aus dem Jahre 1866 der Besitz von Rom sein solle.
Er, Garibaldi, werde aber die Ausführung dieses Vertrags verhindern können,
wenn er auf dein Wege nationaler Erhebung Rom für Italien gewinne, dadurch
den Zweck des Bündnisses vereitle und eine antifranzösische Diversion mache.

Abgesehen von der delikaten und zweifelhaften Natur der Angelegenheit
überhaupt, standen mir auch gar keine Mittel zu Gebote, um die Authentizität
des Schreibens und der Beziehungen der fraglichen Persönlichkeit zu prüfen.
Die von letzterm als die Äußerung des Generals wiedergegelmen Worte ent¬
sprechen allerdings dem bekannten Charakter desselben; es liegt aber auch der
Gedanke nicht fern, daß das Ganze eine von französischer oder österreichischer
Seite gestellte Falle sei, um uns gegenüber der italienischen Negierung zu
kompromittieren. Diese Befürchtung lag um so näher, als in den öffentlichen
Blättern, z. B. in der dem französischen Interesse dienenden »Jtalie« vom
6. August bereits Insinuationen sich finden, daß Preußen die Pläne Garibaldis
und der Aktiouspartei begünstige und unterstütze.

Ich habe mich deshalb dem angeblichen Gnribaldischen Abgesandten gegen¬
über auf allgemeine Äußerungen der Sympathie für die italienische National¬
sache beschränkt und ihm zugleich bemerkt, daß wir bis jetzt leine Veranlassung
hätten, an den guten und aufrichtigen Gesinnungen der italienischen Negierung
gegen Preußen zu zweifeln oder an das angeblich bereits mit Frankreich gegen
uns geschlossene Bündnis zu glauben. Ebenso habe ich ihn auf die Gefahren
aufmerksam gemacht, welche ein Vorgehn der Aktionspartei ohne die gesicherte
Billigung der italienischen Regierung haben müsse.

Es würde mir aber angenehm sein, wenn E. H. durch Ihre persönlichen
Verbindungen in einer ganz unauffälligen Weise hcrnnsbringen könnten, ob
der Chevalier Frigyesy in der That zu den Vertrauten Garibaldis gehört
und mit einem solchen Schreiben und den gedachten Aufträgen von ihm ver¬
sehen worden ist.

Wenn E. H. ohne Gefahr der Kompromittieruug zu direktem Verkehre mit
Garibaldi oder den einflußreichsten Personen seiner Umgebung Gelegenheit
haben, so wünsche ich, daß mündlich demselben mitgeteilt werde, daß die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/702>, abgerufen am 26.06.2024.