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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Doktor Duttmüller und sein Freund

nämlich daß es außer Zweifel sei, daß Onkel Felix und Taute Ellen ganz expreß
für einander geschaffen seien, daß man einander vom ersten Tage an gut gewesen
sei, und daß all der "unbemittelte Edelmut" und alle die klugen Gründe, die man
zwischen sich aufgebaut hatte, dummes Zeug gewesen seien.

Nach einiger Zeit erhaben sich Ellen und Wandrer und schickte" sich an, heim¬
zukehren. Ellen hatte ihre Hand in den Arm Wandrers gelegt und sagte: Felix,
wir dürfe" unsre Verlobung noch nicht veröffentlichen. Nicht der Trauer wegen!
Was würde sich Pa freuen, wenn er jetzt bei uns sein könnte, statt dort hinterm
Turin zu liegen. Ich werde es ihm schon sagen. Und ich bin gewiß, daß er
wich Hort. Aber der Mama und der lieben Nebenmenschen wegen müssen wir
"och schweigen und vorläufig Onkel und Tante bleiben. Nur Lydia darf es erfahren.
Herr Gott, Felix, da steht ja Klapphorn, den haben wir ja ganz vergessen.

In der That, da stand Klapphvrn in respektvoller Entfernung, machte ein
knrioses Gesicht und beschäftigte sich eingehend mit seiner Nase. Er sah aus wie
ein Maikäfer, der zählt, aber nicht zum Auffliegen kommt. Ellen war sehr erschrocken,
aber Wnudrer lachte und sagte: Klapphorn, Sie alter, guter Kerl, kommen Sie
uni her. Gratulieren dürfen Sie, aber hernach halten Sie hübsch den Mund.
Verstanden?

Klapphorn kam heran und gratulierte und sagte einmal über das andre: Nein
svwns, sowas, sowas! Und sagen thue ich keinem Menschen was, bis die Fabrik
steht, und die gnädige Fran die Firma mit der Longschette gesegnet haben.

Aber Lydia erfahr die Verlobung noch selbigen Tages, und es gab in dem ver¬
schwiegnen Jungfernstübchen stürmische Umarmungen und reichliche Thränenergüsse.

Als die Verlobten, gefolgt von Klapphorn, den Kirschberg verlassen hatten
"ut sich der Dorfstraße näherten, zog Ellen ihren Arm ans dem Wandrers und
verabschiedete sich lächelnd und errötend. Es war doch etwas andres, ob man mit¬
einander im Onkel- und Tautenverhältnisse stand, oder in dem etwas schwierigem
Verhältnisse von Braut und Bräutigam -- uoch dazu, wenn man eine Mutter hatte,
die es noch nicht wissen sollte. Wandrer fühlte, was Ellen empfand, empfahl sich
w korrektester Weise, blieb zurück und schaute seiner Ellen, wie sie leicht und ein-
"leidig die Dorfstraße hinabschritt, frohen Herzens nach.

Da kam hinter ihm in grausamen Quietschtöueu ein wohlbekannter Break
den Waldweg herab, und vier wohlbekannte Personen saßen darin, Larisch, Bolze,
Bernhard Scholz und der Braumeister. Als man bei Wandrer angelangt war,
hielt der Wagen still, und Larisch rief in seinen breitesten Tönen: Wo den Deibel
stehn Sie denn in der Welt herum, Herr Wandrer?

Wo zum Kuckuck kutschieren Sie den" in der Welt herum? erwiderte Wandrer.

Wie dieser Industrielle fragt! sagte Larisch. Allemal da, wo eine Bierquelle
stießt, lassen wir unsern Wagen quietschen. Denn wir sind tugendhaft, Herr Wandrer,
^ir handeln aus Pflichtgefühl und Nächstenliebe. Erstens, daß unser Braumeister,
der übrigens Brauereibesitzer geworden ist, sich nicht vor der Zeit totsäuft, welchem
Geschicke er übrigens doch nicht entgehn wird. Und zweitens wollen wir hente die
^'imitation der Toten-Asse-und so weiter-Gesellschaft beschließen und sehen, was wir
diesem Jesuiter von Gastrnt noch etwa abzwacken können. Und Sie lassen wir heute
ruht aus den Klaue". Sie sind ja auch "Konsorte." Steigen Sie nur gleich ein.

Wandrer lachte und stieg ein. Es war ihm recht, unter die Leute zu gehn,
^ hatte es ja zu Hanse sowieso nicht ausgehalten. Und jetzt erinnerte er sich,
d"ß Drillhose heute mit den Musikern, die ihm noch geblieben waren, in Happichs
^al ein Konzert geben wollte. Er war demnach auch moralisch verpflichtet, das
Konzert zu besuchen und seinen Leuten etwas zuzuwenden.

Das Konzert war uicht gerade glänzend. Es fehlten wichtige Mitglieder der
^"Pelle, die zu ersetzen auch der Kunst Drillhosens nicht gelungen war. Auch war
^ Besuch nicht eben stark, und die Stimmung nicht gerade gehoben. Man war,
die ganze Gegend von dem Unglück des Werkes so oder so mit getroffen war,
"übt in der Laune, Feste zu feiern. Doch waren die maßgebenden Personen von


^renzbotcn II 1902 85
Doktor Duttmüller und sein Freund

nämlich daß es außer Zweifel sei, daß Onkel Felix und Taute Ellen ganz expreß
für einander geschaffen seien, daß man einander vom ersten Tage an gut gewesen
sei, und daß all der „unbemittelte Edelmut" und alle die klugen Gründe, die man
zwischen sich aufgebaut hatte, dummes Zeug gewesen seien.

Nach einiger Zeit erhaben sich Ellen und Wandrer und schickte» sich an, heim¬
zukehren. Ellen hatte ihre Hand in den Arm Wandrers gelegt und sagte: Felix,
wir dürfe» unsre Verlobung noch nicht veröffentlichen. Nicht der Trauer wegen!
Was würde sich Pa freuen, wenn er jetzt bei uns sein könnte, statt dort hinterm
Turin zu liegen. Ich werde es ihm schon sagen. Und ich bin gewiß, daß er
wich Hort. Aber der Mama und der lieben Nebenmenschen wegen müssen wir
»och schweigen und vorläufig Onkel und Tante bleiben. Nur Lydia darf es erfahren.
Herr Gott, Felix, da steht ja Klapphorn, den haben wir ja ganz vergessen.

In der That, da stand Klapphvrn in respektvoller Entfernung, machte ein
knrioses Gesicht und beschäftigte sich eingehend mit seiner Nase. Er sah aus wie
ein Maikäfer, der zählt, aber nicht zum Auffliegen kommt. Ellen war sehr erschrocken,
aber Wnudrer lachte und sagte: Klapphorn, Sie alter, guter Kerl, kommen Sie
uni her. Gratulieren dürfen Sie, aber hernach halten Sie hübsch den Mund.
Verstanden?

Klapphorn kam heran und gratulierte und sagte einmal über das andre: Nein
svwns, sowas, sowas! Und sagen thue ich keinem Menschen was, bis die Fabrik
steht, und die gnädige Fran die Firma mit der Longschette gesegnet haben.

Aber Lydia erfahr die Verlobung noch selbigen Tages, und es gab in dem ver¬
schwiegnen Jungfernstübchen stürmische Umarmungen und reichliche Thränenergüsse.

Als die Verlobten, gefolgt von Klapphorn, den Kirschberg verlassen hatten
"ut sich der Dorfstraße näherten, zog Ellen ihren Arm ans dem Wandrers und
verabschiedete sich lächelnd und errötend. Es war doch etwas andres, ob man mit¬
einander im Onkel- und Tautenverhältnisse stand, oder in dem etwas schwierigem
Verhältnisse von Braut und Bräutigam — uoch dazu, wenn man eine Mutter hatte,
die es noch nicht wissen sollte. Wandrer fühlte, was Ellen empfand, empfahl sich
w korrektester Weise, blieb zurück und schaute seiner Ellen, wie sie leicht und ein-
»leidig die Dorfstraße hinabschritt, frohen Herzens nach.

Da kam hinter ihm in grausamen Quietschtöueu ein wohlbekannter Break
den Waldweg herab, und vier wohlbekannte Personen saßen darin, Larisch, Bolze,
Bernhard Scholz und der Braumeister. Als man bei Wandrer angelangt war,
hielt der Wagen still, und Larisch rief in seinen breitesten Tönen: Wo den Deibel
stehn Sie denn in der Welt herum, Herr Wandrer?

Wo zum Kuckuck kutschieren Sie den» in der Welt herum? erwiderte Wandrer.

Wie dieser Industrielle fragt! sagte Larisch. Allemal da, wo eine Bierquelle
stießt, lassen wir unsern Wagen quietschen. Denn wir sind tugendhaft, Herr Wandrer,
^ir handeln aus Pflichtgefühl und Nächstenliebe. Erstens, daß unser Braumeister,
der übrigens Brauereibesitzer geworden ist, sich nicht vor der Zeit totsäuft, welchem
Geschicke er übrigens doch nicht entgehn wird. Und zweitens wollen wir hente die
^'imitation der Toten-Asse-und so weiter-Gesellschaft beschließen und sehen, was wir
diesem Jesuiter von Gastrnt noch etwa abzwacken können. Und Sie lassen wir heute
ruht aus den Klaue». Sie sind ja auch „Konsorte." Steigen Sie nur gleich ein.

Wandrer lachte und stieg ein. Es war ihm recht, unter die Leute zu gehn,
^ hatte es ja zu Hanse sowieso nicht ausgehalten. Und jetzt erinnerte er sich,
d"ß Drillhose heute mit den Musikern, die ihm noch geblieben waren, in Happichs
^al ein Konzert geben wollte. Er war demnach auch moralisch verpflichtet, das
Konzert zu besuchen und seinen Leuten etwas zuzuwenden.

Das Konzert war uicht gerade glänzend. Es fehlten wichtige Mitglieder der
^"Pelle, die zu ersetzen auch der Kunst Drillhosens nicht gelungen war. Auch war
^ Besuch nicht eben stark, und die Stimmung nicht gerade gehoben. Man war,
die ganze Gegend von dem Unglück des Werkes so oder so mit getroffen war,
"übt in der Laune, Feste zu feiern. Doch waren die maßgebenden Personen von


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[0681] Doktor Duttmüller und sein Freund nämlich daß es außer Zweifel sei, daß Onkel Felix und Taute Ellen ganz expreß für einander geschaffen seien, daß man einander vom ersten Tage an gut gewesen sei, und daß all der „unbemittelte Edelmut" und alle die klugen Gründe, die man zwischen sich aufgebaut hatte, dummes Zeug gewesen seien. Nach einiger Zeit erhaben sich Ellen und Wandrer und schickte» sich an, heim¬ zukehren. Ellen hatte ihre Hand in den Arm Wandrers gelegt und sagte: Felix, wir dürfe» unsre Verlobung noch nicht veröffentlichen. Nicht der Trauer wegen! Was würde sich Pa freuen, wenn er jetzt bei uns sein könnte, statt dort hinterm Turin zu liegen. Ich werde es ihm schon sagen. Und ich bin gewiß, daß er wich Hort. Aber der Mama und der lieben Nebenmenschen wegen müssen wir »och schweigen und vorläufig Onkel und Tante bleiben. Nur Lydia darf es erfahren. Herr Gott, Felix, da steht ja Klapphorn, den haben wir ja ganz vergessen. In der That, da stand Klapphvrn in respektvoller Entfernung, machte ein knrioses Gesicht und beschäftigte sich eingehend mit seiner Nase. Er sah aus wie ein Maikäfer, der zählt, aber nicht zum Auffliegen kommt. Ellen war sehr erschrocken, aber Wnudrer lachte und sagte: Klapphorn, Sie alter, guter Kerl, kommen Sie uni her. Gratulieren dürfen Sie, aber hernach halten Sie hübsch den Mund. Verstanden? Klapphorn kam heran und gratulierte und sagte einmal über das andre: Nein svwns, sowas, sowas! Und sagen thue ich keinem Menschen was, bis die Fabrik steht, und die gnädige Fran die Firma mit der Longschette gesegnet haben. Aber Lydia erfahr die Verlobung noch selbigen Tages, und es gab in dem ver¬ schwiegnen Jungfernstübchen stürmische Umarmungen und reichliche Thränenergüsse. Als die Verlobten, gefolgt von Klapphorn, den Kirschberg verlassen hatten "ut sich der Dorfstraße näherten, zog Ellen ihren Arm ans dem Wandrers und verabschiedete sich lächelnd und errötend. Es war doch etwas andres, ob man mit¬ einander im Onkel- und Tautenverhältnisse stand, oder in dem etwas schwierigem Verhältnisse von Braut und Bräutigam — uoch dazu, wenn man eine Mutter hatte, die es noch nicht wissen sollte. Wandrer fühlte, was Ellen empfand, empfahl sich w korrektester Weise, blieb zurück und schaute seiner Ellen, wie sie leicht und ein- »leidig die Dorfstraße hinabschritt, frohen Herzens nach. Da kam hinter ihm in grausamen Quietschtöueu ein wohlbekannter Break den Waldweg herab, und vier wohlbekannte Personen saßen darin, Larisch, Bolze, Bernhard Scholz und der Braumeister. Als man bei Wandrer angelangt war, hielt der Wagen still, und Larisch rief in seinen breitesten Tönen: Wo den Deibel stehn Sie denn in der Welt herum, Herr Wandrer? Wo zum Kuckuck kutschieren Sie den» in der Welt herum? erwiderte Wandrer. Wie dieser Industrielle fragt! sagte Larisch. Allemal da, wo eine Bierquelle stießt, lassen wir unsern Wagen quietschen. Denn wir sind tugendhaft, Herr Wandrer, ^ir handeln aus Pflichtgefühl und Nächstenliebe. Erstens, daß unser Braumeister, der übrigens Brauereibesitzer geworden ist, sich nicht vor der Zeit totsäuft, welchem Geschicke er übrigens doch nicht entgehn wird. Und zweitens wollen wir hente die ^'imitation der Toten-Asse-und so weiter-Gesellschaft beschließen und sehen, was wir diesem Jesuiter von Gastrnt noch etwa abzwacken können. Und Sie lassen wir heute ruht aus den Klaue». Sie sind ja auch „Konsorte." Steigen Sie nur gleich ein. Wandrer lachte und stieg ein. Es war ihm recht, unter die Leute zu gehn, ^ hatte es ja zu Hanse sowieso nicht ausgehalten. Und jetzt erinnerte er sich, d"ß Drillhose heute mit den Musikern, die ihm noch geblieben waren, in Happichs ^al ein Konzert geben wollte. Er war demnach auch moralisch verpflichtet, das Konzert zu besuchen und seinen Leuten etwas zuzuwenden. Das Konzert war uicht gerade glänzend. Es fehlten wichtige Mitglieder der ^"Pelle, die zu ersetzen auch der Kunst Drillhosens nicht gelungen war. Auch war ^ Besuch nicht eben stark, und die Stimmung nicht gerade gehoben. Man war, die ganze Gegend von dem Unglück des Werkes so oder so mit getroffen war, "übt in der Laune, Feste zu feiern. Doch waren die maßgebenden Personen von ^renzbotcn II 1902 85

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/681>, abgerufen am 26.06.2024.