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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Gin sächsisches Gymnasium vor vierzig Jahren

Versetze, wünschten das auch gar nicht und starben meist im Amte oder als ZZme-riti
in der Stadt ihrer Wirksamkeit; ein einziger, der einzige jetzt noch lebende meiner
damaligen Lehrer, ging später in eine andre Stellung über, blieb aber auch in
dieser in Zitten. Das gab dem Kollegium ein merkwürdiges Gepräge der Stabilität
und einen konservativen Zug, wie das in dieser Weise heute uur selten möglich ist.
Erst die Verbindung mit der Realschule brachte neue, zum Teil ganz fremdartige
Elemente herein, und seitdem begann in den untern Stufen auch ein rascherer
Wechsel. Seit Ostern 1855 zahlte das neu konstituierte Kollegium dreizehn wissen¬
schaftliche Lehrer, darunter sieben Theologen und Philologen, und drei Fachlehrer;
auch gab es darunter schon drei Mitglieder mit dem Doktortitel. Die Schülerzahl
wuchs natürlich seit der Verewigung mit der Realschule. Hatte das Gymnasium allein
vorher rund 100 Schüler gehabt, von Sexta bis Tertia zwölf bis vierzehn in jeder
Klasse, so betrug 1862 die Gesamtzahl 287, von denen die größere Hälfte ans die
Realschule kam. Weitaus die Mehrzahl stammte ans der Stadt und der Landschaft,
einzelne aus Schlesien, eine ziemliche Anzahl von Realschülern aus Böhmen, ein
Zuzug, der erst nach 1866 aufgehört hat. So schloß sich auch in dieser Beziehung
die Schule gewissermaßen ab, ähnlich wie die städtischen Gymnasien Leipzigs noch
jetzt, die ja auch wenige auswärtige unter ihren Schülern haben, nur daß freilich
viele dieser Leipziger Familien erst aus allen möglichen Teilen Deutschlands zuge¬
wandert sind und die Frequenz auch der humanistischen Gymnasien auf 500 bis 800
gestiegen ist. Jedenfalls ließ sich die alte Zittauer Doppelanstalt, wie sie vor
vierzig Jahren war, leichter übersehen, als diese modernen großstädtischen Doppelgym¬
nasien, die vom pädagogischen Standpunkt aus doch Monstra sind.

In der Lehrverfassung dagegen tritt die Überlegenheit des heutigen Gymna¬
siums augenfällig hervor. Während wir heute neun in allen wissenschaftlichen Fächern
vollständig getrennte, in ebensovielen Jahrgängen aufsteigende Klassen haben, waren
damals nur die drei untern Klassen, Sexta, Quinta, Quarta, einjährig, die drei
obern zweijährig, die Tertia uur im Griechischen in zwei Abteilungen getrennt.
Also hatte jeder Lehrer in jedem Fache zwei Schülerjahrgänge von verschiednen
Alter und verschiedner Reife vor sich und mußte seinen Stoff danach zuschneiden,
kam aber natürlich in die Gefahr, die Behandlung für die eine Generation zu hoch,
für die andre zu tief zu greifen. Dazu gesellte sich die große Unbequemlichkeit,
in Grammatik, Mathematik, Geschichte, Religion in jedem zweiten Jahre der eben
in die Klasse eintretenden Schülergenerntion immer den zweiten Teil des Gesamt-
pcnsums der Klasse zuerst bieten zu müssen, also z. B. in Tertia die römische
Geschichte vor der griechischen, in Sekunda die zweite Hälfte des Mittelalters, in
Prima die zweite Hälfte der Neuzeit vor der ersten zu behandeln. Ohne Schaden
behaupten ließ sich diese unvollkommne Einrichtung, die an kleinern Gymnasien bis
tief in die siebziger Jahre fortgedauert hat, nur, weil die Klassen schwach waren,
also auf den einzelnen Schüler mehr Arbeit und Sorgfalt verwandt werden konnte,
als in den vollen Klassen moderner großstädtischer Gymnasien. Freilich steigerten
sich die Schwierigkeiten dann, wenn zwei dieser obern Klassen, also vier Jahrgänge,
verbunden werden mußten, wie z. B. in der Religion Prima und Sekunda bis ein
Jahr vor meinem Abgange. Ich habe noch eine sehr deutliche Erinnerung daran,
wie viel Mühe es mir kostete, mich als angehender Sekuudauer in die mir ganz
neue Behandlung des Stoffs hineinzufinden. Und doch hatte die Einrichtung auch
manches Gute. Sie förderte gründliche Repetitionen und erleichterte für begabte
und strebsame Schüler das raschere Aufsteigen, sodaß es nicht so sehr schwierig war,
mit einem Jahre durch Sekunda zu kommen, während heute ein derartiges außer¬
ordentliches Aufsteigen mit den allergrößten Schwierigkeiten verbunden ist und des¬
halb zu den seltensten Ausnahmen gehört, nicht zum Vorteil der besonders begabten
Schüler.

Die Stundenzahl für die einzelnen Fächer war schon ziemlich dieselbe wie heute;
doch begann das Französische, das auf allen Stufen über zwei Stunden verfügte,


Gin sächsisches Gymnasium vor vierzig Jahren

Versetze, wünschten das auch gar nicht und starben meist im Amte oder als ZZme-riti
in der Stadt ihrer Wirksamkeit; ein einziger, der einzige jetzt noch lebende meiner
damaligen Lehrer, ging später in eine andre Stellung über, blieb aber auch in
dieser in Zitten. Das gab dem Kollegium ein merkwürdiges Gepräge der Stabilität
und einen konservativen Zug, wie das in dieser Weise heute uur selten möglich ist.
Erst die Verbindung mit der Realschule brachte neue, zum Teil ganz fremdartige
Elemente herein, und seitdem begann in den untern Stufen auch ein rascherer
Wechsel. Seit Ostern 1855 zahlte das neu konstituierte Kollegium dreizehn wissen¬
schaftliche Lehrer, darunter sieben Theologen und Philologen, und drei Fachlehrer;
auch gab es darunter schon drei Mitglieder mit dem Doktortitel. Die Schülerzahl
wuchs natürlich seit der Verewigung mit der Realschule. Hatte das Gymnasium allein
vorher rund 100 Schüler gehabt, von Sexta bis Tertia zwölf bis vierzehn in jeder
Klasse, so betrug 1862 die Gesamtzahl 287, von denen die größere Hälfte ans die
Realschule kam. Weitaus die Mehrzahl stammte ans der Stadt und der Landschaft,
einzelne aus Schlesien, eine ziemliche Anzahl von Realschülern aus Böhmen, ein
Zuzug, der erst nach 1866 aufgehört hat. So schloß sich auch in dieser Beziehung
die Schule gewissermaßen ab, ähnlich wie die städtischen Gymnasien Leipzigs noch
jetzt, die ja auch wenige auswärtige unter ihren Schülern haben, nur daß freilich
viele dieser Leipziger Familien erst aus allen möglichen Teilen Deutschlands zuge¬
wandert sind und die Frequenz auch der humanistischen Gymnasien auf 500 bis 800
gestiegen ist. Jedenfalls ließ sich die alte Zittauer Doppelanstalt, wie sie vor
vierzig Jahren war, leichter übersehen, als diese modernen großstädtischen Doppelgym¬
nasien, die vom pädagogischen Standpunkt aus doch Monstra sind.

In der Lehrverfassung dagegen tritt die Überlegenheit des heutigen Gymna¬
siums augenfällig hervor. Während wir heute neun in allen wissenschaftlichen Fächern
vollständig getrennte, in ebensovielen Jahrgängen aufsteigende Klassen haben, waren
damals nur die drei untern Klassen, Sexta, Quinta, Quarta, einjährig, die drei
obern zweijährig, die Tertia uur im Griechischen in zwei Abteilungen getrennt.
Also hatte jeder Lehrer in jedem Fache zwei Schülerjahrgänge von verschiednen
Alter und verschiedner Reife vor sich und mußte seinen Stoff danach zuschneiden,
kam aber natürlich in die Gefahr, die Behandlung für die eine Generation zu hoch,
für die andre zu tief zu greifen. Dazu gesellte sich die große Unbequemlichkeit,
in Grammatik, Mathematik, Geschichte, Religion in jedem zweiten Jahre der eben
in die Klasse eintretenden Schülergenerntion immer den zweiten Teil des Gesamt-
pcnsums der Klasse zuerst bieten zu müssen, also z. B. in Tertia die römische
Geschichte vor der griechischen, in Sekunda die zweite Hälfte des Mittelalters, in
Prima die zweite Hälfte der Neuzeit vor der ersten zu behandeln. Ohne Schaden
behaupten ließ sich diese unvollkommne Einrichtung, die an kleinern Gymnasien bis
tief in die siebziger Jahre fortgedauert hat, nur, weil die Klassen schwach waren,
also auf den einzelnen Schüler mehr Arbeit und Sorgfalt verwandt werden konnte,
als in den vollen Klassen moderner großstädtischer Gymnasien. Freilich steigerten
sich die Schwierigkeiten dann, wenn zwei dieser obern Klassen, also vier Jahrgänge,
verbunden werden mußten, wie z. B. in der Religion Prima und Sekunda bis ein
Jahr vor meinem Abgange. Ich habe noch eine sehr deutliche Erinnerung daran,
wie viel Mühe es mir kostete, mich als angehender Sekuudauer in die mir ganz
neue Behandlung des Stoffs hineinzufinden. Und doch hatte die Einrichtung auch
manches Gute. Sie förderte gründliche Repetitionen und erleichterte für begabte
und strebsame Schüler das raschere Aufsteigen, sodaß es nicht so sehr schwierig war,
mit einem Jahre durch Sekunda zu kommen, während heute ein derartiges außer¬
ordentliches Aufsteigen mit den allergrößten Schwierigkeiten verbunden ist und des¬
halb zu den seltensten Ausnahmen gehört, nicht zum Vorteil der besonders begabten
Schüler.

Die Stundenzahl für die einzelnen Fächer war schon ziemlich dieselbe wie heute;
doch begann das Französische, das auf allen Stufen über zwei Stunden verfügte,


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[0666] Gin sächsisches Gymnasium vor vierzig Jahren Versetze, wünschten das auch gar nicht und starben meist im Amte oder als ZZme-riti in der Stadt ihrer Wirksamkeit; ein einziger, der einzige jetzt noch lebende meiner damaligen Lehrer, ging später in eine andre Stellung über, blieb aber auch in dieser in Zitten. Das gab dem Kollegium ein merkwürdiges Gepräge der Stabilität und einen konservativen Zug, wie das in dieser Weise heute uur selten möglich ist. Erst die Verbindung mit der Realschule brachte neue, zum Teil ganz fremdartige Elemente herein, und seitdem begann in den untern Stufen auch ein rascherer Wechsel. Seit Ostern 1855 zahlte das neu konstituierte Kollegium dreizehn wissen¬ schaftliche Lehrer, darunter sieben Theologen und Philologen, und drei Fachlehrer; auch gab es darunter schon drei Mitglieder mit dem Doktortitel. Die Schülerzahl wuchs natürlich seit der Verewigung mit der Realschule. Hatte das Gymnasium allein vorher rund 100 Schüler gehabt, von Sexta bis Tertia zwölf bis vierzehn in jeder Klasse, so betrug 1862 die Gesamtzahl 287, von denen die größere Hälfte ans die Realschule kam. Weitaus die Mehrzahl stammte ans der Stadt und der Landschaft, einzelne aus Schlesien, eine ziemliche Anzahl von Realschülern aus Böhmen, ein Zuzug, der erst nach 1866 aufgehört hat. So schloß sich auch in dieser Beziehung die Schule gewissermaßen ab, ähnlich wie die städtischen Gymnasien Leipzigs noch jetzt, die ja auch wenige auswärtige unter ihren Schülern haben, nur daß freilich viele dieser Leipziger Familien erst aus allen möglichen Teilen Deutschlands zuge¬ wandert sind und die Frequenz auch der humanistischen Gymnasien auf 500 bis 800 gestiegen ist. Jedenfalls ließ sich die alte Zittauer Doppelanstalt, wie sie vor vierzig Jahren war, leichter übersehen, als diese modernen großstädtischen Doppelgym¬ nasien, die vom pädagogischen Standpunkt aus doch Monstra sind. In der Lehrverfassung dagegen tritt die Überlegenheit des heutigen Gymna¬ siums augenfällig hervor. Während wir heute neun in allen wissenschaftlichen Fächern vollständig getrennte, in ebensovielen Jahrgängen aufsteigende Klassen haben, waren damals nur die drei untern Klassen, Sexta, Quinta, Quarta, einjährig, die drei obern zweijährig, die Tertia uur im Griechischen in zwei Abteilungen getrennt. Also hatte jeder Lehrer in jedem Fache zwei Schülerjahrgänge von verschiednen Alter und verschiedner Reife vor sich und mußte seinen Stoff danach zuschneiden, kam aber natürlich in die Gefahr, die Behandlung für die eine Generation zu hoch, für die andre zu tief zu greifen. Dazu gesellte sich die große Unbequemlichkeit, in Grammatik, Mathematik, Geschichte, Religion in jedem zweiten Jahre der eben in die Klasse eintretenden Schülergenerntion immer den zweiten Teil des Gesamt- pcnsums der Klasse zuerst bieten zu müssen, also z. B. in Tertia die römische Geschichte vor der griechischen, in Sekunda die zweite Hälfte des Mittelalters, in Prima die zweite Hälfte der Neuzeit vor der ersten zu behandeln. Ohne Schaden behaupten ließ sich diese unvollkommne Einrichtung, die an kleinern Gymnasien bis tief in die siebziger Jahre fortgedauert hat, nur, weil die Klassen schwach waren, also auf den einzelnen Schüler mehr Arbeit und Sorgfalt verwandt werden konnte, als in den vollen Klassen moderner großstädtischer Gymnasien. Freilich steigerten sich die Schwierigkeiten dann, wenn zwei dieser obern Klassen, also vier Jahrgänge, verbunden werden mußten, wie z. B. in der Religion Prima und Sekunda bis ein Jahr vor meinem Abgange. Ich habe noch eine sehr deutliche Erinnerung daran, wie viel Mühe es mir kostete, mich als angehender Sekuudauer in die mir ganz neue Behandlung des Stoffs hineinzufinden. Und doch hatte die Einrichtung auch manches Gute. Sie förderte gründliche Repetitionen und erleichterte für begabte und strebsame Schüler das raschere Aufsteigen, sodaß es nicht so sehr schwierig war, mit einem Jahre durch Sekunda zu kommen, während heute ein derartiges außer¬ ordentliches Aufsteigen mit den allergrößten Schwierigkeiten verbunden ist und des¬ halb zu den seltensten Ausnahmen gehört, nicht zum Vorteil der besonders begabten Schüler. Die Stundenzahl für die einzelnen Fächer war schon ziemlich dieselbe wie heute; doch begann das Französische, das auf allen Stufen über zwei Stunden verfügte,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/666>, abgerufen am 26.06.2024.