Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.Uleltentwicklung und Iveltschöxfung Gewinn darin, daß ich das gottsuchende Denken und Dichten nun mit andern Was wir im Raum und in der Zeit umfassen wollten, das ist nun alles Es konnte zwar an sich keinen tiefen Eindruck machen, wenn die Natur¬ ^^ ") Ich zitiere hier .ins dem Buche: Die Welt als That. Umrisse einer Weltansicht
Uleltentwicklung und Iveltschöxfung Gewinn darin, daß ich das gottsuchende Denken und Dichten nun mit andern Was wir im Raum und in der Zeit umfassen wollten, das ist nun alles Es konnte zwar an sich keinen tiefen Eindruck machen, wenn die Natur¬ ^^ ") Ich zitiere hier .ins dem Buche: Die Welt als That. Umrisse einer Weltansicht
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0581" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/237867"/> <fw type="header" place="top"> Uleltentwicklung und Iveltschöxfung</fw><lb/> <p xml:id="ID_2957" prev="#ID_2956"> Gewinn darin, daß ich das gottsuchende Denken und Dichten nun mit andern<lb/> Augen betrachte. Darin liegt eben die Denknotwendigkeit der Wendung von<lb/> der Naturforschung zur Philosophie. Bedrängt, ja bedrückt von der Un¬<lb/> endlichkeit, in der unsre Sinnenwelt zu nichts zusammenstürzt, erkennen wir<lb/> die Nutzlosigkeit des Bemühens an, aus unsrer engkreisigen Erfahrung allein<lb/> heraus uns eine Weltanschauung aufzubauen. Je mehr aber unser großes<lb/> Ich zusammensinkt, um so mächtiger erhebt sich Gott. Dem Faust in uns<lb/> erscheint der Erdgeist.</p><lb/> <p xml:id="ID_2958"> Was wir im Raum und in der Zeit umfassen wollten, das ist nun alles<lb/> viel zu eng, daß wir darauf eine Gottesvorstellung aufbauen könnten, nach<lb/> der wir uns zurücksehnen. Wir müssen darüber hinaus. Zwar wäre die<lb/> Hoffnung vergebens, jenseits unsrer Zeitlichkeit gleichsam Entdeckungen zu<lb/> machen, die den Gesichtskreis hinaufrücken. Für jene Regionen giebt es keinen<lb/> Kolumbus und keinen Magalhäes. Im Grunde handelt es sich auch gar nicht<lb/> darum, Neues zu gewinnen, sondern viel eher könnte man diesem Streben über<lb/> die Grenzen der Zeitlichkeit hinaus deu Zweck setzen, Altes zu verlieren, abzu¬<lb/> streifen. Dazu zähle ich auch die Abneigung der Naturforscher, mit einem<lb/> geistigen Wesen zu rechnen, das über der Welt unsrer Sinne schwebt oder<lb/> sie durchdringt, was mir, beiläufig gesagt, kein Unterschied ist. Auch sie wird<lb/> abgestreift werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_2959"> Es konnte zwar an sich keinen tiefen Eindruck machen, wenn die Natur¬<lb/> wissenschaft so lange Jahre nicht mehr gern Gott sagte. Es war eine Zunftsache<lb/> wie eine andre. Wir, die wir nicht verpflichtet sind, irgend eine allgemeine An¬<lb/> sicht, die die Naturwissenschaft uns vermittelt, unbesehen hinzunehmen, konnten<lb/> bei allem Respekt vor ihren Einzelergebnissen, allem Zweifel gegenüber ihren<lb/> allgemeinen Folgerungen Raum geben und haben das redlich gethan. Deswegen<lb/> sind wir nun auch nicht erstaunt, daß man beim Hereinfallen der ersten Strahlen<lb/> der Philosophie das große Wort Gott, das größte der Sprache, wieder ver¬<lb/> nimmt, gleich als wie ein Morgengebet nach langer Nacht das liebe Licht und<lb/> den. der es aussendet, zugleich begrüßt. Man sollte nicht glauben, daß em<lb/> besondrer Mut dazu gehöre, dieses Wort selbst in einer wissenschaftlichen Abhand¬<lb/> lung auszusprechen. Aber thatsächlich beging der. der es that, etwas Unzünftiges,<lb/> und noch heute stellt er sich außerhalb des großen Kreises der „Fachmänner."<lb/> Ganz allein steht er dort nicht mehr, aber groß ist die Gruppe auch nicht, zu<lb/> er sich gesellt. </p><lb/> <p xml:id="ID_2960" next="#ID_2961"> ^^<lb/> Doppelt achte ich darum den Mann. der. ein anerkannter Naturforscher,<lb/> uns sagt: Ich vermag mir die Natur nicht anders zu erklären, als indem ich<lb/> eine höchste Ursache oder eine Weltvernunft annehme. Gerade die Organismen<lb/> beweisen, daß hinter den Kulissen der sichtbaren Natur noch etwas wirkt,<lb/> das unsern Sinnen nicht zugänglich ist; gerade aus deu biologischen Arbeiten<lb/> Über diese Organismen muß es mit Notwendigkeit gefolgert werden. In den<lb/> Organismen wirkt der intelligente schöpferische Impuls vergleichbar einer von<lb/> der Sonne losgelösten Lichtwelle fort.*) Es hat ja Größere gegeben, die das-</p><lb/> <note xml:id="FID_24" place="foot" next="#FID_25"> ") Ich zitiere hier .ins dem Buche: Die Welt als That. Umrisse einer Weltansicht</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0581]
Uleltentwicklung und Iveltschöxfung
Gewinn darin, daß ich das gottsuchende Denken und Dichten nun mit andern
Augen betrachte. Darin liegt eben die Denknotwendigkeit der Wendung von
der Naturforschung zur Philosophie. Bedrängt, ja bedrückt von der Un¬
endlichkeit, in der unsre Sinnenwelt zu nichts zusammenstürzt, erkennen wir
die Nutzlosigkeit des Bemühens an, aus unsrer engkreisigen Erfahrung allein
heraus uns eine Weltanschauung aufzubauen. Je mehr aber unser großes
Ich zusammensinkt, um so mächtiger erhebt sich Gott. Dem Faust in uns
erscheint der Erdgeist.
Was wir im Raum und in der Zeit umfassen wollten, das ist nun alles
viel zu eng, daß wir darauf eine Gottesvorstellung aufbauen könnten, nach
der wir uns zurücksehnen. Wir müssen darüber hinaus. Zwar wäre die
Hoffnung vergebens, jenseits unsrer Zeitlichkeit gleichsam Entdeckungen zu
machen, die den Gesichtskreis hinaufrücken. Für jene Regionen giebt es keinen
Kolumbus und keinen Magalhäes. Im Grunde handelt es sich auch gar nicht
darum, Neues zu gewinnen, sondern viel eher könnte man diesem Streben über
die Grenzen der Zeitlichkeit hinaus deu Zweck setzen, Altes zu verlieren, abzu¬
streifen. Dazu zähle ich auch die Abneigung der Naturforscher, mit einem
geistigen Wesen zu rechnen, das über der Welt unsrer Sinne schwebt oder
sie durchdringt, was mir, beiläufig gesagt, kein Unterschied ist. Auch sie wird
abgestreift werden.
Es konnte zwar an sich keinen tiefen Eindruck machen, wenn die Natur¬
wissenschaft so lange Jahre nicht mehr gern Gott sagte. Es war eine Zunftsache
wie eine andre. Wir, die wir nicht verpflichtet sind, irgend eine allgemeine An¬
sicht, die die Naturwissenschaft uns vermittelt, unbesehen hinzunehmen, konnten
bei allem Respekt vor ihren Einzelergebnissen, allem Zweifel gegenüber ihren
allgemeinen Folgerungen Raum geben und haben das redlich gethan. Deswegen
sind wir nun auch nicht erstaunt, daß man beim Hereinfallen der ersten Strahlen
der Philosophie das große Wort Gott, das größte der Sprache, wieder ver¬
nimmt, gleich als wie ein Morgengebet nach langer Nacht das liebe Licht und
den. der es aussendet, zugleich begrüßt. Man sollte nicht glauben, daß em
besondrer Mut dazu gehöre, dieses Wort selbst in einer wissenschaftlichen Abhand¬
lung auszusprechen. Aber thatsächlich beging der. der es that, etwas Unzünftiges,
und noch heute stellt er sich außerhalb des großen Kreises der „Fachmänner."
Ganz allein steht er dort nicht mehr, aber groß ist die Gruppe auch nicht, zu
er sich gesellt.
^^
Doppelt achte ich darum den Mann. der. ein anerkannter Naturforscher,
uns sagt: Ich vermag mir die Natur nicht anders zu erklären, als indem ich
eine höchste Ursache oder eine Weltvernunft annehme. Gerade die Organismen
beweisen, daß hinter den Kulissen der sichtbaren Natur noch etwas wirkt,
das unsern Sinnen nicht zugänglich ist; gerade aus deu biologischen Arbeiten
Über diese Organismen muß es mit Notwendigkeit gefolgert werden. In den
Organismen wirkt der intelligente schöpferische Impuls vergleichbar einer von
der Sonne losgelösten Lichtwelle fort.*) Es hat ja Größere gegeben, die das-
") Ich zitiere hier .ins dem Buche: Die Welt als That. Umrisse einer Weltansicht
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |