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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Doktor Duttmnller und sein Freund

empfingen. Dies nahm die alte Liese übel; sie kehrte um und brachte deu Herrn
Wachtmeister schneller auf den strategischen Punkt zurück, als es sich mit seiner
Würde vereinigte. Doch gelang es ihm, seinen Gaul vor dein Herrn Oberstleut¬
nant zu parieren und mit Haltung zu melden: Barrikade am Eisenbahnübergange.
Abschnitt ist besetzt. Man wirft mit Steinen. -- Der Wachtmeister und sein Gaul
bluteten, der Wachtmeister aus einer Schramme an der Backe, der Gaul aus der
Nase; der Wachtmeister fühlte mit Hochgenuß das Blut über die Wange fließe",
der Gaul schüttelte mit dem Kopfe.

Mau beobachtete vou dem strategischen Punkte aus den Fortgang der Dinge.
Es stieg Rauch aus den Materialienschuppen auf. Das Feuer griff um sich, die
Belagerer drangen in das Werk ein, das Schießen wurde lebhafter. Da riß der
Herr Oberstleutnant ein Blatt aus seinein Taschenbuche, schrieb: An den Herrn
Landrat in Brauufels. Revolte ausgebrochen. Heinrichshall brennt, bitte um
Militär -- und reichte die Depesche mit einer Haltung, als habe er eine Brigade
hinter sich, dem Wachtmeister, sie zu besorgen. Der Wachtmeister salutierte und
trabte zurück. Auch der Oberstleutnant kehrte um und ritt -- ach wenn er hätte
reiten könne"! -- und ließ sich zu Meister Semmelmcmn fahren. Meister Semmel-
mcmn war Schuhmacher, in seinen Militärverhältuissen war er aber Trommler ge¬
wesen, und in seinen Kriegervereiusverhältuisseu war er es noch. Der Oberstleutnant
ließ Klapphoru nu das Fenster klopfen. Endlich schaute Meister Semmelmaun
heraus.

Guten Abend, Herr Oberstleutnant.

Schlagen Sie Generalmarsch. -- Meister Semmelmcmn ließ das Kinn herab¬
sinken und schaute den Herrn Oberstleutnant verständnislos an. -- Schlagen Sie
Generalmarsch, wiederholte dieser, fix, fix!

Meister Semmelmaun zog seinen Kopf vorsichtig zurück, während einige Knaben¬
stimmen in der Stube Hurra riefen: Hurra, jetzt gehts los. Nachdem sich Meister
Semmelmann noch durch einige Tassen Kaffee gestärkt und sein Abendbrot eingesteckt
hatte, schnallte er die Trommel um und zog, den Ge"eralmarsch schlagend, durchs
Dorf. Zugleich war der Herr Kantor auf den Turm: gestiegen und läutete die
Feuerglocke. Das verursachte einen große" Schrecke". Die Leute stürzten aus ihren
Thüren und fragten, bei wem es brenne, und ob die große Revolution ausgebrochen
sei. Der Herr Schulze stand auf seinem Hofe und jammerte: Kinder, Kinder, ich
bitte euch um Gottes Wille"! und schaute mißtrauisch nach seiner Scheune, als ob
dort im nächste" Augenblicke die Flamme herausschlage" müßte. Und sogar der
alte Herr Pastor trat im Schlnfrock heraus auf die Straße und erkundigte sich,
was los sei. Jetzt war es deutlich zu erkennen, über Heinrichshall leuchtete ein
roter Schein auf. Die Bevölkerung überfiel ein Grn"e". Vor der Schmiede --
der Schmied war Spritzenführer -- debattierte man, ob die Spritze abfahren solle
oder nicht, ohne zu einer Entscheidung zu kommen.

Die Mobilisierung des Kriegervereins war fleißig von dem Herrn Oberst¬
leutnant geübt worden. Jedesmal hatte es ein Viertel Bier gegeben, und darum
war man auf das Signal mit Bereitwilligkeit gekommen. Diesesmal fehlten aber
verschiedne Krieger. Die einen waren unvermutet krank geworden, die andern
waren zum Zusehen hinaus nach Heiurichshall gezogen. Diesesmal gab es aber
auch kein Bier, und allen: Anschein nach wurde die Sache ernster als sonst. Endlich
war man so leidlich vollzählig und trat an in zwei Zügen. Der erste Zug war
mit alten Zündnadelgewehre" bewaffnet, die vom Kriegsminister den Kriegervereiuen
geschenkt waren in der Meinung, daß damit eine Art Vvlkswehr geschaffen werde,
ein Stamm der zuverlässigsten Elemente des Volkes, auf den sich der Staat in
Gefahr verlassen konnte. Der zweite Zug war mit allerlei Schießzeug vom Jagd¬
gewehr bis zum Tesching abwärts ausgerüstet. Die Disziplin trat in Thätigkeit..
Nur dem, der durchaus uoch einen Schnaps bei Schwersenz im Laden kaufen
mußte, wurde erlaubt, aus der Reihe zu treten.


Doktor Duttmnller und sein Freund

empfingen. Dies nahm die alte Liese übel; sie kehrte um und brachte deu Herrn
Wachtmeister schneller auf den strategischen Punkt zurück, als es sich mit seiner
Würde vereinigte. Doch gelang es ihm, seinen Gaul vor dein Herrn Oberstleut¬
nant zu parieren und mit Haltung zu melden: Barrikade am Eisenbahnübergange.
Abschnitt ist besetzt. Man wirft mit Steinen. — Der Wachtmeister und sein Gaul
bluteten, der Wachtmeister aus einer Schramme an der Backe, der Gaul aus der
Nase; der Wachtmeister fühlte mit Hochgenuß das Blut über die Wange fließe»,
der Gaul schüttelte mit dem Kopfe.

Mau beobachtete vou dem strategischen Punkte aus den Fortgang der Dinge.
Es stieg Rauch aus den Materialienschuppen auf. Das Feuer griff um sich, die
Belagerer drangen in das Werk ein, das Schießen wurde lebhafter. Da riß der
Herr Oberstleutnant ein Blatt aus seinein Taschenbuche, schrieb: An den Herrn
Landrat in Brauufels. Revolte ausgebrochen. Heinrichshall brennt, bitte um
Militär — und reichte die Depesche mit einer Haltung, als habe er eine Brigade
hinter sich, dem Wachtmeister, sie zu besorgen. Der Wachtmeister salutierte und
trabte zurück. Auch der Oberstleutnant kehrte um und ritt — ach wenn er hätte
reiten könne»! — und ließ sich zu Meister Semmelmcmn fahren. Meister Semmel-
mcmn war Schuhmacher, in seinen Militärverhältuissen war er aber Trommler ge¬
wesen, und in seinen Kriegervereiusverhältuisseu war er es noch. Der Oberstleutnant
ließ Klapphoru nu das Fenster klopfen. Endlich schaute Meister Semmelmaun
heraus.

Guten Abend, Herr Oberstleutnant.

Schlagen Sie Generalmarsch. — Meister Semmelmcmn ließ das Kinn herab¬
sinken und schaute den Herrn Oberstleutnant verständnislos an. — Schlagen Sie
Generalmarsch, wiederholte dieser, fix, fix!

Meister Semmelmaun zog seinen Kopf vorsichtig zurück, während einige Knaben¬
stimmen in der Stube Hurra riefen: Hurra, jetzt gehts los. Nachdem sich Meister
Semmelmann noch durch einige Tassen Kaffee gestärkt und sein Abendbrot eingesteckt
hatte, schnallte er die Trommel um und zog, den Ge»eralmarsch schlagend, durchs
Dorf. Zugleich war der Herr Kantor auf den Turm: gestiegen und läutete die
Feuerglocke. Das verursachte einen große» Schrecke». Die Leute stürzten aus ihren
Thüren und fragten, bei wem es brenne, und ob die große Revolution ausgebrochen
sei. Der Herr Schulze stand auf seinem Hofe und jammerte: Kinder, Kinder, ich
bitte euch um Gottes Wille»! und schaute mißtrauisch nach seiner Scheune, als ob
dort im nächste» Augenblicke die Flamme herausschlage» müßte. Und sogar der
alte Herr Pastor trat im Schlnfrock heraus auf die Straße und erkundigte sich,
was los sei. Jetzt war es deutlich zu erkennen, über Heinrichshall leuchtete ein
roter Schein auf. Die Bevölkerung überfiel ein Grn»e». Vor der Schmiede —
der Schmied war Spritzenführer — debattierte man, ob die Spritze abfahren solle
oder nicht, ohne zu einer Entscheidung zu kommen.

Die Mobilisierung des Kriegervereins war fleißig von dem Herrn Oberst¬
leutnant geübt worden. Jedesmal hatte es ein Viertel Bier gegeben, und darum
war man auf das Signal mit Bereitwilligkeit gekommen. Diesesmal fehlten aber
verschiedne Krieger. Die einen waren unvermutet krank geworden, die andern
waren zum Zusehen hinaus nach Heiurichshall gezogen. Diesesmal gab es aber
auch kein Bier, und allen: Anschein nach wurde die Sache ernster als sonst. Endlich
war man so leidlich vollzählig und trat an in zwei Zügen. Der erste Zug war
mit alten Zündnadelgewehre» bewaffnet, die vom Kriegsminister den Kriegervereiuen
geschenkt waren in der Meinung, daß damit eine Art Vvlkswehr geschaffen werde,
ein Stamm der zuverlässigsten Elemente des Volkes, auf den sich der Staat in
Gefahr verlassen konnte. Der zweite Zug war mit allerlei Schießzeug vom Jagd¬
gewehr bis zum Tesching abwärts ausgerüstet. Die Disziplin trat in Thätigkeit..
Nur dem, der durchaus uoch einen Schnaps bei Schwersenz im Laden kaufen
mußte, wurde erlaubt, aus der Reihe zu treten.


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[0568] Doktor Duttmnller und sein Freund empfingen. Dies nahm die alte Liese übel; sie kehrte um und brachte deu Herrn Wachtmeister schneller auf den strategischen Punkt zurück, als es sich mit seiner Würde vereinigte. Doch gelang es ihm, seinen Gaul vor dein Herrn Oberstleut¬ nant zu parieren und mit Haltung zu melden: Barrikade am Eisenbahnübergange. Abschnitt ist besetzt. Man wirft mit Steinen. — Der Wachtmeister und sein Gaul bluteten, der Wachtmeister aus einer Schramme an der Backe, der Gaul aus der Nase; der Wachtmeister fühlte mit Hochgenuß das Blut über die Wange fließe», der Gaul schüttelte mit dem Kopfe. Mau beobachtete vou dem strategischen Punkte aus den Fortgang der Dinge. Es stieg Rauch aus den Materialienschuppen auf. Das Feuer griff um sich, die Belagerer drangen in das Werk ein, das Schießen wurde lebhafter. Da riß der Herr Oberstleutnant ein Blatt aus seinein Taschenbuche, schrieb: An den Herrn Landrat in Brauufels. Revolte ausgebrochen. Heinrichshall brennt, bitte um Militär — und reichte die Depesche mit einer Haltung, als habe er eine Brigade hinter sich, dem Wachtmeister, sie zu besorgen. Der Wachtmeister salutierte und trabte zurück. Auch der Oberstleutnant kehrte um und ritt — ach wenn er hätte reiten könne»! — und ließ sich zu Meister Semmelmcmn fahren. Meister Semmel- mcmn war Schuhmacher, in seinen Militärverhältuissen war er aber Trommler ge¬ wesen, und in seinen Kriegervereiusverhältuisseu war er es noch. Der Oberstleutnant ließ Klapphoru nu das Fenster klopfen. Endlich schaute Meister Semmelmaun heraus. Guten Abend, Herr Oberstleutnant. Schlagen Sie Generalmarsch. — Meister Semmelmcmn ließ das Kinn herab¬ sinken und schaute den Herrn Oberstleutnant verständnislos an. — Schlagen Sie Generalmarsch, wiederholte dieser, fix, fix! Meister Semmelmaun zog seinen Kopf vorsichtig zurück, während einige Knaben¬ stimmen in der Stube Hurra riefen: Hurra, jetzt gehts los. Nachdem sich Meister Semmelmann noch durch einige Tassen Kaffee gestärkt und sein Abendbrot eingesteckt hatte, schnallte er die Trommel um und zog, den Ge»eralmarsch schlagend, durchs Dorf. Zugleich war der Herr Kantor auf den Turm: gestiegen und läutete die Feuerglocke. Das verursachte einen große» Schrecke». Die Leute stürzten aus ihren Thüren und fragten, bei wem es brenne, und ob die große Revolution ausgebrochen sei. Der Herr Schulze stand auf seinem Hofe und jammerte: Kinder, Kinder, ich bitte euch um Gottes Wille»! und schaute mißtrauisch nach seiner Scheune, als ob dort im nächste» Augenblicke die Flamme herausschlage» müßte. Und sogar der alte Herr Pastor trat im Schlnfrock heraus auf die Straße und erkundigte sich, was los sei. Jetzt war es deutlich zu erkennen, über Heinrichshall leuchtete ein roter Schein auf. Die Bevölkerung überfiel ein Grn»e». Vor der Schmiede — der Schmied war Spritzenführer — debattierte man, ob die Spritze abfahren solle oder nicht, ohne zu einer Entscheidung zu kommen. Die Mobilisierung des Kriegervereins war fleißig von dem Herrn Oberst¬ leutnant geübt worden. Jedesmal hatte es ein Viertel Bier gegeben, und darum war man auf das Signal mit Bereitwilligkeit gekommen. Diesesmal fehlten aber verschiedne Krieger. Die einen waren unvermutet krank geworden, die andern waren zum Zusehen hinaus nach Heiurichshall gezogen. Diesesmal gab es aber auch kein Bier, und allen: Anschein nach wurde die Sache ernster als sonst. Endlich war man so leidlich vollzählig und trat an in zwei Zügen. Der erste Zug war mit alten Zündnadelgewehre» bewaffnet, die vom Kriegsminister den Kriegervereiuen geschenkt waren in der Meinung, daß damit eine Art Vvlkswehr geschaffen werde, ein Stamm der zuverlässigsten Elemente des Volkes, auf den sich der Staat in Gefahr verlassen konnte. Der zweite Zug war mit allerlei Schießzeug vom Jagd¬ gewehr bis zum Tesching abwärts ausgerüstet. Die Disziplin trat in Thätigkeit.. Nur dem, der durchaus uoch einen Schnaps bei Schwersenz im Laden kaufen mußte, wurde erlaubt, aus der Reihe zu treten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/568>, abgerufen am 26.06.2024.