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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Unsre Themisjünger

Berliner Zeitschrift erschien. Das sind die Streber vom reinsten Wasser, die
Leute, die es nach Glanz und Macht gelüstet, und denen die Laufbahn des
Juristen der geeignetste Weg zur Erreichung ihrer Ziele zu sein scheint. Sie
sind häufig selbst Juristensöhne, und sie rechnen, wenn "Papa es zu was
gebracht hat," nicht immer ganz mit Unrecht ans ein wenig Nachhilfe in der
Karriere durch etwas -- ich möchte sagen: "kollegialen Nepotismus." Wir
werden ihnen später noch begegnen.

Bisweilen sind diese Streber aber auch durchaus Iwiniuss novi; als
solche nicht minder gefährlich, da sie in ihrem Bestreben, den beengenden Ver¬
hältnissen zu entgehn, oft in der Wahl ihrer Mittel recht skrupellos sind
und in dem thörichten Verlangen, ihre Herkunft vergessen zu machen, dienstlich
oft eine geradezu unsoziale Wirksamkeit entfalten. Auch von ihnen werden
wir später noch mehr hören.

Bei weitem größer als die Zahl der Streber ist aber die der In¬
differenten.

Es gab eine Zeit, wo jemand, der keinem Beruf eine besondre Neigung
entgegenbrachte und anch für keinen Beruf besonders bestimmt zu sein schien,
die Offizierlaufbahn einschlug, sofern er körperlich dazu geeignet schien und
die Verhältnisse es erlaubten. Die höher geschraubten Anforderungen und die
infolgedessen vielen allzunahe gelegte Wahrscheinlichkeit, an irgend einer Be-
fördrungsccke zu scheitern und also im besten Mannesalter kalt gestellt zu
werden, schreckt jetzt manchen von dieser Laufbahn zurück, der uun glaubt, als
Jurist ein "gutes Unterkommen" zu finden. Es ist sehr bitter, es nussprechcn
Zu müssen, aber es ist leider wahr und aus den oben dargelegten Gründen
fast selbstverständlich, daß man in keinem Beruf, der akademische Vorbildung
verlangt, auch nicht bei deu Theologen, so viel Leute trifft, die jedes höhern
geistigen Interesses und sogar des Interesses für ihre eigne Berufsthätigkeit
so vollständig ermangeln, wie bei den Juristen.

Es wäre um freilich unbillig. wollte man für die Berufswahl in allen
Fällen den Jüngling allein verantwortlich machen; einen guten Teil der Schuld
tragen die Eltern. Ist ihr Sinn mehr ans praktische Zwecke als auf ideale
Ziele gerichtet, oder sind sie berauscht durch glänzende Erfolge, seien es eigne
"der fremde, so wird ihre oft doch recht entscheidende Mitwirkung bei der Be¬
rufswahl gar manchen Sohn in eine Laufbahn hineinstoßen, in der ihm, statt
des erhofften, glänzenden Erfolges, vielleicht ein "bescheidnes Unterkommen"
zu teil wird, erkauft durch die beständige Höllenpein immer wachsender Unlust
an der Berufsthätigkeit.

Gehn wir um zu der zweiten Frage über, die uns beschäftigen soll,
und fragen nur: Wie, auf welchem Wege, werden nun die, die sich bei der
Berufswahl für die "Rechte" entschieden haben, Juristen?

Nun. der Weg ist ja nicht überall genan derselbe; es bestehn sowohl
für die Studienzeit, wie für die praktische Norbereitungszcit mancherlei Ver¬
schiedenheiten in den deutschen Landen, und es wird wohl noch lange dauern,
bis auch auf diesem Gebiete die "Einheitsmarke" erreicht ist. Es soll hier
auch weniger von dem Wege selbst die Rede sein, als vielmehr von der Art


Unsre Themisjünger

Berliner Zeitschrift erschien. Das sind die Streber vom reinsten Wasser, die
Leute, die es nach Glanz und Macht gelüstet, und denen die Laufbahn des
Juristen der geeignetste Weg zur Erreichung ihrer Ziele zu sein scheint. Sie
sind häufig selbst Juristensöhne, und sie rechnen, wenn „Papa es zu was
gebracht hat," nicht immer ganz mit Unrecht ans ein wenig Nachhilfe in der
Karriere durch etwas — ich möchte sagen: „kollegialen Nepotismus." Wir
werden ihnen später noch begegnen.

Bisweilen sind diese Streber aber auch durchaus Iwiniuss novi; als
solche nicht minder gefährlich, da sie in ihrem Bestreben, den beengenden Ver¬
hältnissen zu entgehn, oft in der Wahl ihrer Mittel recht skrupellos sind
und in dem thörichten Verlangen, ihre Herkunft vergessen zu machen, dienstlich
oft eine geradezu unsoziale Wirksamkeit entfalten. Auch von ihnen werden
wir später noch mehr hören.

Bei weitem größer als die Zahl der Streber ist aber die der In¬
differenten.

Es gab eine Zeit, wo jemand, der keinem Beruf eine besondre Neigung
entgegenbrachte und anch für keinen Beruf besonders bestimmt zu sein schien,
die Offizierlaufbahn einschlug, sofern er körperlich dazu geeignet schien und
die Verhältnisse es erlaubten. Die höher geschraubten Anforderungen und die
infolgedessen vielen allzunahe gelegte Wahrscheinlichkeit, an irgend einer Be-
fördrungsccke zu scheitern und also im besten Mannesalter kalt gestellt zu
werden, schreckt jetzt manchen von dieser Laufbahn zurück, der uun glaubt, als
Jurist ein „gutes Unterkommen" zu finden. Es ist sehr bitter, es nussprechcn
Zu müssen, aber es ist leider wahr und aus den oben dargelegten Gründen
fast selbstverständlich, daß man in keinem Beruf, der akademische Vorbildung
verlangt, auch nicht bei deu Theologen, so viel Leute trifft, die jedes höhern
geistigen Interesses und sogar des Interesses für ihre eigne Berufsthätigkeit
so vollständig ermangeln, wie bei den Juristen.

Es wäre um freilich unbillig. wollte man für die Berufswahl in allen
Fällen den Jüngling allein verantwortlich machen; einen guten Teil der Schuld
tragen die Eltern. Ist ihr Sinn mehr ans praktische Zwecke als auf ideale
Ziele gerichtet, oder sind sie berauscht durch glänzende Erfolge, seien es eigne
"der fremde, so wird ihre oft doch recht entscheidende Mitwirkung bei der Be¬
rufswahl gar manchen Sohn in eine Laufbahn hineinstoßen, in der ihm, statt
des erhofften, glänzenden Erfolges, vielleicht ein „bescheidnes Unterkommen"
zu teil wird, erkauft durch die beständige Höllenpein immer wachsender Unlust
an der Berufsthätigkeit.

Gehn wir um zu der zweiten Frage über, die uns beschäftigen soll,
und fragen nur: Wie, auf welchem Wege, werden nun die, die sich bei der
Berufswahl für die „Rechte" entschieden haben, Juristen?

Nun. der Weg ist ja nicht überall genan derselbe; es bestehn sowohl
für die Studienzeit, wie für die praktische Norbereitungszcit mancherlei Ver¬
schiedenheiten in den deutschen Landen, und es wird wohl noch lange dauern,
bis auch auf diesem Gebiete die „Einheitsmarke" erreicht ist. Es soll hier
auch weniger von dem Wege selbst die Rede sein, als vielmehr von der Art


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[0531] Unsre Themisjünger Berliner Zeitschrift erschien. Das sind die Streber vom reinsten Wasser, die Leute, die es nach Glanz und Macht gelüstet, und denen die Laufbahn des Juristen der geeignetste Weg zur Erreichung ihrer Ziele zu sein scheint. Sie sind häufig selbst Juristensöhne, und sie rechnen, wenn „Papa es zu was gebracht hat," nicht immer ganz mit Unrecht ans ein wenig Nachhilfe in der Karriere durch etwas — ich möchte sagen: „kollegialen Nepotismus." Wir werden ihnen später noch begegnen. Bisweilen sind diese Streber aber auch durchaus Iwiniuss novi; als solche nicht minder gefährlich, da sie in ihrem Bestreben, den beengenden Ver¬ hältnissen zu entgehn, oft in der Wahl ihrer Mittel recht skrupellos sind und in dem thörichten Verlangen, ihre Herkunft vergessen zu machen, dienstlich oft eine geradezu unsoziale Wirksamkeit entfalten. Auch von ihnen werden wir später noch mehr hören. Bei weitem größer als die Zahl der Streber ist aber die der In¬ differenten. Es gab eine Zeit, wo jemand, der keinem Beruf eine besondre Neigung entgegenbrachte und anch für keinen Beruf besonders bestimmt zu sein schien, die Offizierlaufbahn einschlug, sofern er körperlich dazu geeignet schien und die Verhältnisse es erlaubten. Die höher geschraubten Anforderungen und die infolgedessen vielen allzunahe gelegte Wahrscheinlichkeit, an irgend einer Be- fördrungsccke zu scheitern und also im besten Mannesalter kalt gestellt zu werden, schreckt jetzt manchen von dieser Laufbahn zurück, der uun glaubt, als Jurist ein „gutes Unterkommen" zu finden. Es ist sehr bitter, es nussprechcn Zu müssen, aber es ist leider wahr und aus den oben dargelegten Gründen fast selbstverständlich, daß man in keinem Beruf, der akademische Vorbildung verlangt, auch nicht bei deu Theologen, so viel Leute trifft, die jedes höhern geistigen Interesses und sogar des Interesses für ihre eigne Berufsthätigkeit so vollständig ermangeln, wie bei den Juristen. Es wäre um freilich unbillig. wollte man für die Berufswahl in allen Fällen den Jüngling allein verantwortlich machen; einen guten Teil der Schuld tragen die Eltern. Ist ihr Sinn mehr ans praktische Zwecke als auf ideale Ziele gerichtet, oder sind sie berauscht durch glänzende Erfolge, seien es eigne "der fremde, so wird ihre oft doch recht entscheidende Mitwirkung bei der Be¬ rufswahl gar manchen Sohn in eine Laufbahn hineinstoßen, in der ihm, statt des erhofften, glänzenden Erfolges, vielleicht ein „bescheidnes Unterkommen" zu teil wird, erkauft durch die beständige Höllenpein immer wachsender Unlust an der Berufsthätigkeit. Gehn wir um zu der zweiten Frage über, die uns beschäftigen soll, und fragen nur: Wie, auf welchem Wege, werden nun die, die sich bei der Berufswahl für die „Rechte" entschieden haben, Juristen? Nun. der Weg ist ja nicht überall genan derselbe; es bestehn sowohl für die Studienzeit, wie für die praktische Norbereitungszcit mancherlei Ver¬ schiedenheiten in den deutschen Landen, und es wird wohl noch lange dauern, bis auch auf diesem Gebiete die „Einheitsmarke" erreicht ist. Es soll hier auch weniger von dem Wege selbst die Rede sein, als vielmehr von der Art

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/531>, abgerufen am 29.06.2024.