Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.Doktor Duttmüller und sein Freund ein Mitglied des Aufsichtsrates an, Herr Wolfsohu, den wir schon kennen. Herr Auch hatte der Herr Amtsvorsteher an den Herrn Landrat berichtet, den Tumult Als der Herr Wachtmeister zum drittenmal erschien, brachte er in seiner Dienst¬ Duttmüller? Da sitzt er ja drin. Der Wachtmeister beendete den ersten Teil seines Frühstücks, dann zog er Jetzt schritt der Wachtmeister auf ihn zu, legte die Hand schwer auf seine Dnttmüller, der in seinem Leben reiche Erfahrungen mit Gendarmen gesammelt Wie Sie heißen? -- Um seinen Worten Nachdruck zu geben, schüttelte der Doktor Duttmüller und sein Freund ein Mitglied des Aufsichtsrates an, Herr Wolfsohu, den wir schon kennen. Herr Auch hatte der Herr Amtsvorsteher an den Herrn Landrat berichtet, den Tumult Als der Herr Wachtmeister zum drittenmal erschien, brachte er in seiner Dienst¬ Duttmüller? Da sitzt er ja drin. Der Wachtmeister beendete den ersten Teil seines Frühstücks, dann zog er Jetzt schritt der Wachtmeister auf ihn zu, legte die Hand schwer auf seine Dnttmüller, der in seinem Leben reiche Erfahrungen mit Gendarmen gesammelt Wie Sie heißen? — Um seinen Worten Nachdruck zu geben, schüttelte der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0516" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/237802"/> <fw type="header" place="top"> Doktor Duttmüller und sein Freund</fw><lb/> <p xml:id="ID_2634" prev="#ID_2633"> ein Mitglied des Aufsichtsrates an, Herr Wolfsohu, den wir schon kennen. Herr<lb/> Wolfsohn hatte es sehr eilig. Er machte ein sehr wichtiges Gesicht, billigte<lb/> alles, was geschehen war, und überließ alles, was geschehen mußte, der Einsicht<lb/> Wandrers, äußerte sich wenig respektvoll über den Direktor und fuhr vor Abend<lb/> wieder fort, gleich als wenn die Krankheit Wenzels ansteckend wäre.</p><lb/> <p xml:id="ID_2635"> Auch hatte der Herr Amtsvorsteher an den Herrn Landrat berichtet, den Tumult<lb/> in Heinrichshall in lebhaften Farben geschildert und weitere Ausschreitungen in Aussicht<lb/> gestellt. Darauf verfügte der Herr Landrat sogleich das Erforderliche, wies den Wacht¬<lb/> meister Kratzenstein, der sonst alle Dienstage und Freitage nach Holzweißig zu<lb/> kommen Pflegte, an, täglich nach Holzweißig und Siebendorf zu reiten und ihm<lb/> jeden Abend Rapport zu bringen. Wachtmeister Kratzenstein traf also täglich um<lb/> zehn Uhr in Holzweißig ein, woselbst er zunächst auf Kosten des Schulzen früh¬<lb/> stückte. Darauf beriet er die Straßen und Wege zwischen Holzweißig, Heiurichshall<lb/> und Siebendorf, verhinderte Volksauflaufe, schnäuzte harmlose Menschenkinder an<lb/> und ging gefährlichen Kumpanen klüglich aus dem Wege. Darauf wandte er sich<lb/> nach Heiurichshall, frühstückte in der Kantine abermals bis in den Nachmittag hinein,<lb/> ritt dann nach Siebendorf, wo er seine dienstliche Thätigkeit in gleicher Weise fort¬<lb/> setzte. Vor Dunkelwerden war er wieder in Braunfels bei Muttern, was für ihn<lb/> und seinen steifen Gaul sehr vorteilhaft war. Um acht Uhr hatte der Herr Land¬<lb/> rat seinen Rapport, der am andern Morgen von dem Herrn Kreissekretnr gelesen<lb/> wurde, und um neun Uhr lag Wachtmeister Kratzenstein in den Federn, mit dem<lb/> Bewußtsein, seine Schuldigkeit als Stütze des Staates voll und ganz gethan zu<lb/> haben. Es gab Leute, die meinten, es wäre die Aufgabe der Polizeiorgane ge¬<lb/> wesen, die Arbeitswilligen, die das jedenfalls berechtigte Verlangen hatten, nicht<lb/> müßig herum zu stehn, sondern für Frau und Kinder Brot zu verdienen, gegen<lb/> Zwang und Gewaltthat zu schützen; aber davon stand nichts in Kratzensteins In¬<lb/> struktion. Sein Gemüt war nur auf Landfriedensbruch, Hausfriedeusbruch, Sach¬<lb/> beschädigung und den groben Unfugsparagraphen gerichtet. Und so blieben die<lb/> Streikposten ruhig stehn, und es gab Schmähreden und Schlägerei, wenn die Ar¬<lb/> beiter, die aller Verhetzung zum Trotz die Arbeit nicht niedergelegt hatten, vor¬<lb/> über kamen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2636"> Als der Herr Wachtmeister zum drittenmal erschien, brachte er in seiner Dienst¬<lb/> tasche eine Requisition des Herrn Staatsanwalts mit, durch die der Amtsvorsteher<lb/> in Asseborn veranlaßt wurde, einen gewissen Alois Duttmüller zu vernehmen, gegen<lb/> den die Anzeige vorlag, durch Kurpfuscherei den Tod eines Menschen verursacht zu<lb/> haben. Der Herr Wachtmeister, der den Brief unverschlossen überbrachte und ihn<lb/> natürlich gelesen hatte, beschloß eine Voruntersuchung anzustellen. Er trat also<lb/> mit besondern? Ernste bei Schwersenz ein. So hatten sich die Zeiten geändert, die<lb/> Optimalen mußten sich mit den kleinen Räumen bei Schwersenz begnügen, während<lb/> das Hauptquartier der Sozialdemokraten bei Hnppich aufgeschlagen war. Der Herr<lb/> Wachtmeister ließ sich zum Frühstück nieder und brachte die Rede mit inquisitorischer<lb/> Feinheit auf Alois Duttmüller. Wo der sich aufhalte?</p><lb/> <p xml:id="ID_2637"> Duttmüller? Da sitzt er ja drin.</p><lb/> <p xml:id="ID_2638"> Der Wachtmeister beendete den ersten Teil seines Frühstücks, dann zog er<lb/> seine weißen Lederhandschuhe wieder an, erhob sich, erschien als Hüter des Gesetzes<lb/> in der Thür und winkte. Dieses Winken galt Alois Dnttmüller. Aller Augen waren<lb/> auf Dnttmüller gerichtet. Aber dieser, der in dem schon vorgeschrittueu Anfange<lb/> seines Quartalssnffes stand, ließ sich nichts anfechten, sondern trank ruhig weiter.</p><lb/> <p xml:id="ID_2639"> Jetzt schritt der Wachtmeister auf ihn zu, legte die Hand schwer auf seine<lb/> Schulter und sagte: Wie heißen Sie?</p><lb/> <p xml:id="ID_2640"> Dnttmüller, der in seinem Leben reiche Erfahrungen mit Gendarmen gesammelt<lb/> hatte und sich von dem grünen Rocke nicht imponieren ließ, schüttelte die Hand<lb/> ab und sagte: Nann! Wild will denn dieser Kolkrabe von mir?</p><lb/> <p xml:id="ID_2641"> Wie Sie heißen? — Um seinen Worten Nachdruck zu geben, schüttelte der<lb/> Wachtmeister den Delinquenten an der Schulter.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0516]
Doktor Duttmüller und sein Freund
ein Mitglied des Aufsichtsrates an, Herr Wolfsohu, den wir schon kennen. Herr
Wolfsohn hatte es sehr eilig. Er machte ein sehr wichtiges Gesicht, billigte
alles, was geschehen war, und überließ alles, was geschehen mußte, der Einsicht
Wandrers, äußerte sich wenig respektvoll über den Direktor und fuhr vor Abend
wieder fort, gleich als wenn die Krankheit Wenzels ansteckend wäre.
Auch hatte der Herr Amtsvorsteher an den Herrn Landrat berichtet, den Tumult
in Heinrichshall in lebhaften Farben geschildert und weitere Ausschreitungen in Aussicht
gestellt. Darauf verfügte der Herr Landrat sogleich das Erforderliche, wies den Wacht¬
meister Kratzenstein, der sonst alle Dienstage und Freitage nach Holzweißig zu
kommen Pflegte, an, täglich nach Holzweißig und Siebendorf zu reiten und ihm
jeden Abend Rapport zu bringen. Wachtmeister Kratzenstein traf also täglich um
zehn Uhr in Holzweißig ein, woselbst er zunächst auf Kosten des Schulzen früh¬
stückte. Darauf beriet er die Straßen und Wege zwischen Holzweißig, Heiurichshall
und Siebendorf, verhinderte Volksauflaufe, schnäuzte harmlose Menschenkinder an
und ging gefährlichen Kumpanen klüglich aus dem Wege. Darauf wandte er sich
nach Heiurichshall, frühstückte in der Kantine abermals bis in den Nachmittag hinein,
ritt dann nach Siebendorf, wo er seine dienstliche Thätigkeit in gleicher Weise fort¬
setzte. Vor Dunkelwerden war er wieder in Braunfels bei Muttern, was für ihn
und seinen steifen Gaul sehr vorteilhaft war. Um acht Uhr hatte der Herr Land¬
rat seinen Rapport, der am andern Morgen von dem Herrn Kreissekretnr gelesen
wurde, und um neun Uhr lag Wachtmeister Kratzenstein in den Federn, mit dem
Bewußtsein, seine Schuldigkeit als Stütze des Staates voll und ganz gethan zu
haben. Es gab Leute, die meinten, es wäre die Aufgabe der Polizeiorgane ge¬
wesen, die Arbeitswilligen, die das jedenfalls berechtigte Verlangen hatten, nicht
müßig herum zu stehn, sondern für Frau und Kinder Brot zu verdienen, gegen
Zwang und Gewaltthat zu schützen; aber davon stand nichts in Kratzensteins In¬
struktion. Sein Gemüt war nur auf Landfriedensbruch, Hausfriedeusbruch, Sach¬
beschädigung und den groben Unfugsparagraphen gerichtet. Und so blieben die
Streikposten ruhig stehn, und es gab Schmähreden und Schlägerei, wenn die Ar¬
beiter, die aller Verhetzung zum Trotz die Arbeit nicht niedergelegt hatten, vor¬
über kamen.
Als der Herr Wachtmeister zum drittenmal erschien, brachte er in seiner Dienst¬
tasche eine Requisition des Herrn Staatsanwalts mit, durch die der Amtsvorsteher
in Asseborn veranlaßt wurde, einen gewissen Alois Duttmüller zu vernehmen, gegen
den die Anzeige vorlag, durch Kurpfuscherei den Tod eines Menschen verursacht zu
haben. Der Herr Wachtmeister, der den Brief unverschlossen überbrachte und ihn
natürlich gelesen hatte, beschloß eine Voruntersuchung anzustellen. Er trat also
mit besondern? Ernste bei Schwersenz ein. So hatten sich die Zeiten geändert, die
Optimalen mußten sich mit den kleinen Räumen bei Schwersenz begnügen, während
das Hauptquartier der Sozialdemokraten bei Hnppich aufgeschlagen war. Der Herr
Wachtmeister ließ sich zum Frühstück nieder und brachte die Rede mit inquisitorischer
Feinheit auf Alois Duttmüller. Wo der sich aufhalte?
Duttmüller? Da sitzt er ja drin.
Der Wachtmeister beendete den ersten Teil seines Frühstücks, dann zog er
seine weißen Lederhandschuhe wieder an, erhob sich, erschien als Hüter des Gesetzes
in der Thür und winkte. Dieses Winken galt Alois Dnttmüller. Aller Augen waren
auf Dnttmüller gerichtet. Aber dieser, der in dem schon vorgeschrittueu Anfange
seines Quartalssnffes stand, ließ sich nichts anfechten, sondern trank ruhig weiter.
Jetzt schritt der Wachtmeister auf ihn zu, legte die Hand schwer auf seine
Schulter und sagte: Wie heißen Sie?
Dnttmüller, der in seinem Leben reiche Erfahrungen mit Gendarmen gesammelt
hatte und sich von dem grünen Rocke nicht imponieren ließ, schüttelte die Hand
ab und sagte: Nann! Wild will denn dieser Kolkrabe von mir?
Wie Sie heißen? — Um seinen Worten Nachdruck zu geben, schüttelte der
Wachtmeister den Delinquenten an der Schulter.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |