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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Doktor Duttmüller und sein Freund

Ick habe nich jestohlen und ooch nich jebettelt, also bitte ick mir aus, dat Sie
mir anständig befummeln, wenn Sie mit mir reden. Versteh" Sie? Hier, wo ick
der Mann von die Wissenschaft bin.

Wie Sie heißen, will ich wissen.

Wenn Ihnen so viel daran liegt, dann lassen Sie sich doch meinen Doofschcin
aus Köpenick kommen. Übrigens heiße ick Alois Duttmüller.

Sie sind angezeigt, daß Sie Kurpfuscherei getrieben haben sollen.
'

Angezeigt? Als wie late? Dat s ne Jemeinheit, is et. Kurpfuscherei? Ick
mochte wohl wissen, wer doller pfusche, die Doktors oder ick. Hier, wo ick dem
alten Schafer Matthias sein Buch habe, wo alles drin steht von der sauern Gärung
und deu Porussen.

Haben Sie eine gewisse Emma Krüger behandelt?

Hab ick, und nur ausjezeichnet behandelt.

Sie sollen den Tod dieses Mädchens verursacht haben.

I, wo werde ick denu? Solange, als ick ihr behandelt habe, jing et jroß-
artig; als sie aber in die Klauen von diese Doktors jefcilleu is, da war et natürlich
Trallarum.

Sie gestehn also zu, daß der Inhalt der Anzeige auf Wahrheit beruht.
'

Anzeije? Wer hat mir denn cmjezcigt? Dat s eine Jemeinheit, is et. Dieser
Denunziant kann nur der Doktor, mein saubrer Louis gewesen sein, denn der
gönnt seinem alten Vater nicht einmal ein Stückchen Brot, oder die Karnallje,
meine Alte. -- Alois Duttmüller erhob sich, nahm eine hochtragische Haltung an
und rief: Wer hat mir denunziert, ick muß et wissen, Herr Oberstwachtmeister,
hier, wo ick in meine heiligsten Jefühle blamiert bin.

Der Wachtmeister hätte am liebsten geantwortet: Schweigen Sie, ich verhafte
Sie im Namen des Gesetzes, hätte die Handschellen vorgezogen und den Übelthäter
vor den Augen des erschrocknen Publikums abgeführt, aber er durfte das nicht.
Er hatte ja nur eine Voruntersuchung angestellt und durfte dem Herr" Amtsvor¬
steher uicht vorgreifen. Und so nahm er aus seiner Tasche, die von einem Haufen
Signalements und Steckbriefen überfloß, das betreffende Schreiben und las: Auf
die Anzeige der verwitweten Duttmüller -- und so weiter. Dn hören Sie es ja.

Ick habe et jewußt, erwiderte Duttmüller mit dumpfem Grollen, keine andre
"is diese Karnnllje war sowas kompafel. Und wat? Verwitwete nennt sie sich?
Als ob ick nich ihr eheleiblicher Ehejatte wäre? Verwitwete Duttmüllern! Meine
Herren, lebe ick, oder lebe ick nich? Herr Oberstwachtmeister, dat is Urkundenfälschung
und wird mit zehn Jahren Zuchthaus oder verhältnismäßigen Gefängnis bestraft.
Und wenn et Jerechtigkeit in der Welt jiebt, dann müssen Sie jetzt hinjehn und ihr
verarretieren. Und jriißeu Sie ihr von mir und sagen Sie ihr, eine halbpfündige
Dhnamitpatrone unter ihren Stuhl legen und dann losgeschossen, das wäre das
jcsündeste für ihr.

Damit stülpte er seinen Cylinderhut auf deu Kopf, daß der Hut zu den vor-
handnen noch einige neue Knicke bekam, ergriff den Kugelstock und sein Buch und
schwankte hinaus. -- Laufen Sie nicht davon, Duttmüller, rief ihm der Wacht¬
meister nach, nur kriegen Sie doch. Ihre Sache kann Ihnen ganz gut drei Jahre
einbringen: Fahrlässige Tötung unter Vorspieglung falscher Thatsachen.

Alois Duttmüller, empört bis in das Tiefste seines Herzens, sowohl über die
Schlechtigkeit seiner Gattin im besondern, als auch über die Schlechtigkeit der Welt
wi allgemeinen, daß er für die Wohlthat, die er der Menschheit als Natnrdoltor
erwies,' drei Jahre brummen solle, begab sich wankenden Schrittes zu Happich.
Hier wurde er trinkend bis zum Abend in einer Gruppe vou Schachteru gesehen,
die als gewaltthätig bekannt waren. Am nächsten Morgen fand das Dienstmädchen
eine Dhnamitpatrone. deren Zündschnur erloschen war, vor der Thür von Louis
Duttmüllers Wohnung. Sie erschrak furchtbar. Auf ihr Geschrei versammelte sich
d"s ganze Haus. Duttmüller war ganz konsterniert. Sollte die Verwilderung
der Arbeiter schon soweit gegangen sein, daß man selbst die Wissenschaft nicht mehr


Doktor Duttmüller und sein Freund

Ick habe nich jestohlen und ooch nich jebettelt, also bitte ick mir aus, dat Sie
mir anständig befummeln, wenn Sie mit mir reden. Versteh» Sie? Hier, wo ick
der Mann von die Wissenschaft bin.

Wie Sie heißen, will ich wissen.

Wenn Ihnen so viel daran liegt, dann lassen Sie sich doch meinen Doofschcin
aus Köpenick kommen. Übrigens heiße ick Alois Duttmüller.

Sie sind angezeigt, daß Sie Kurpfuscherei getrieben haben sollen.
'

Angezeigt? Als wie late? Dat s ne Jemeinheit, is et. Kurpfuscherei? Ick
mochte wohl wissen, wer doller pfusche, die Doktors oder ick. Hier, wo ick dem
alten Schafer Matthias sein Buch habe, wo alles drin steht von der sauern Gärung
und deu Porussen.

Haben Sie eine gewisse Emma Krüger behandelt?

Hab ick, und nur ausjezeichnet behandelt.

Sie sollen den Tod dieses Mädchens verursacht haben.

I, wo werde ick denu? Solange, als ick ihr behandelt habe, jing et jroß-
artig; als sie aber in die Klauen von diese Doktors jefcilleu is, da war et natürlich
Trallarum.

Sie gestehn also zu, daß der Inhalt der Anzeige auf Wahrheit beruht.
'

Anzeije? Wer hat mir denn cmjezcigt? Dat s eine Jemeinheit, is et. Dieser
Denunziant kann nur der Doktor, mein saubrer Louis gewesen sein, denn der
gönnt seinem alten Vater nicht einmal ein Stückchen Brot, oder die Karnallje,
meine Alte. — Alois Duttmüller erhob sich, nahm eine hochtragische Haltung an
und rief: Wer hat mir denunziert, ick muß et wissen, Herr Oberstwachtmeister,
hier, wo ick in meine heiligsten Jefühle blamiert bin.

Der Wachtmeister hätte am liebsten geantwortet: Schweigen Sie, ich verhafte
Sie im Namen des Gesetzes, hätte die Handschellen vorgezogen und den Übelthäter
vor den Augen des erschrocknen Publikums abgeführt, aber er durfte das nicht.
Er hatte ja nur eine Voruntersuchung angestellt und durfte dem Herr» Amtsvor¬
steher uicht vorgreifen. Und so nahm er aus seiner Tasche, die von einem Haufen
Signalements und Steckbriefen überfloß, das betreffende Schreiben und las: Auf
die Anzeige der verwitweten Duttmüller — und so weiter. Dn hören Sie es ja.

Ick habe et jewußt, erwiderte Duttmüller mit dumpfem Grollen, keine andre
"is diese Karnnllje war sowas kompafel. Und wat? Verwitwete nennt sie sich?
Als ob ick nich ihr eheleiblicher Ehejatte wäre? Verwitwete Duttmüllern! Meine
Herren, lebe ick, oder lebe ick nich? Herr Oberstwachtmeister, dat is Urkundenfälschung
und wird mit zehn Jahren Zuchthaus oder verhältnismäßigen Gefängnis bestraft.
Und wenn et Jerechtigkeit in der Welt jiebt, dann müssen Sie jetzt hinjehn und ihr
verarretieren. Und jriißeu Sie ihr von mir und sagen Sie ihr, eine halbpfündige
Dhnamitpatrone unter ihren Stuhl legen und dann losgeschossen, das wäre das
jcsündeste für ihr.

Damit stülpte er seinen Cylinderhut auf deu Kopf, daß der Hut zu den vor-
handnen noch einige neue Knicke bekam, ergriff den Kugelstock und sein Buch und
schwankte hinaus. — Laufen Sie nicht davon, Duttmüller, rief ihm der Wacht¬
meister nach, nur kriegen Sie doch. Ihre Sache kann Ihnen ganz gut drei Jahre
einbringen: Fahrlässige Tötung unter Vorspieglung falscher Thatsachen.

Alois Duttmüller, empört bis in das Tiefste seines Herzens, sowohl über die
Schlechtigkeit seiner Gattin im besondern, als auch über die Schlechtigkeit der Welt
wi allgemeinen, daß er für die Wohlthat, die er der Menschheit als Natnrdoltor
erwies,' drei Jahre brummen solle, begab sich wankenden Schrittes zu Happich.
Hier wurde er trinkend bis zum Abend in einer Gruppe vou Schachteru gesehen,
die als gewaltthätig bekannt waren. Am nächsten Morgen fand das Dienstmädchen
eine Dhnamitpatrone. deren Zündschnur erloschen war, vor der Thür von Louis
Duttmüllers Wohnung. Sie erschrak furchtbar. Auf ihr Geschrei versammelte sich
d"s ganze Haus. Duttmüller war ganz konsterniert. Sollte die Verwilderung
der Arbeiter schon soweit gegangen sein, daß man selbst die Wissenschaft nicht mehr


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[0517] Doktor Duttmüller und sein Freund Ick habe nich jestohlen und ooch nich jebettelt, also bitte ick mir aus, dat Sie mir anständig befummeln, wenn Sie mit mir reden. Versteh» Sie? Hier, wo ick der Mann von die Wissenschaft bin. Wie Sie heißen, will ich wissen. Wenn Ihnen so viel daran liegt, dann lassen Sie sich doch meinen Doofschcin aus Köpenick kommen. Übrigens heiße ick Alois Duttmüller. Sie sind angezeigt, daß Sie Kurpfuscherei getrieben haben sollen. ' Angezeigt? Als wie late? Dat s ne Jemeinheit, is et. Kurpfuscherei? Ick mochte wohl wissen, wer doller pfusche, die Doktors oder ick. Hier, wo ick dem alten Schafer Matthias sein Buch habe, wo alles drin steht von der sauern Gärung und deu Porussen. Haben Sie eine gewisse Emma Krüger behandelt? Hab ick, und nur ausjezeichnet behandelt. Sie sollen den Tod dieses Mädchens verursacht haben. I, wo werde ick denu? Solange, als ick ihr behandelt habe, jing et jroß- artig; als sie aber in die Klauen von diese Doktors jefcilleu is, da war et natürlich Trallarum. Sie gestehn also zu, daß der Inhalt der Anzeige auf Wahrheit beruht. ' Anzeije? Wer hat mir denn cmjezcigt? Dat s eine Jemeinheit, is et. Dieser Denunziant kann nur der Doktor, mein saubrer Louis gewesen sein, denn der gönnt seinem alten Vater nicht einmal ein Stückchen Brot, oder die Karnallje, meine Alte. — Alois Duttmüller erhob sich, nahm eine hochtragische Haltung an und rief: Wer hat mir denunziert, ick muß et wissen, Herr Oberstwachtmeister, hier, wo ick in meine heiligsten Jefühle blamiert bin. Der Wachtmeister hätte am liebsten geantwortet: Schweigen Sie, ich verhafte Sie im Namen des Gesetzes, hätte die Handschellen vorgezogen und den Übelthäter vor den Augen des erschrocknen Publikums abgeführt, aber er durfte das nicht. Er hatte ja nur eine Voruntersuchung angestellt und durfte dem Herr» Amtsvor¬ steher uicht vorgreifen. Und so nahm er aus seiner Tasche, die von einem Haufen Signalements und Steckbriefen überfloß, das betreffende Schreiben und las: Auf die Anzeige der verwitweten Duttmüller — und so weiter. Dn hören Sie es ja. Ick habe et jewußt, erwiderte Duttmüller mit dumpfem Grollen, keine andre "is diese Karnnllje war sowas kompafel. Und wat? Verwitwete nennt sie sich? Als ob ick nich ihr eheleiblicher Ehejatte wäre? Verwitwete Duttmüllern! Meine Herren, lebe ick, oder lebe ick nich? Herr Oberstwachtmeister, dat is Urkundenfälschung und wird mit zehn Jahren Zuchthaus oder verhältnismäßigen Gefängnis bestraft. Und wenn et Jerechtigkeit in der Welt jiebt, dann müssen Sie jetzt hinjehn und ihr verarretieren. Und jriißeu Sie ihr von mir und sagen Sie ihr, eine halbpfündige Dhnamitpatrone unter ihren Stuhl legen und dann losgeschossen, das wäre das jcsündeste für ihr. Damit stülpte er seinen Cylinderhut auf deu Kopf, daß der Hut zu den vor- handnen noch einige neue Knicke bekam, ergriff den Kugelstock und sein Buch und schwankte hinaus. — Laufen Sie nicht davon, Duttmüller, rief ihm der Wacht¬ meister nach, nur kriegen Sie doch. Ihre Sache kann Ihnen ganz gut drei Jahre einbringen: Fahrlässige Tötung unter Vorspieglung falscher Thatsachen. Alois Duttmüller, empört bis in das Tiefste seines Herzens, sowohl über die Schlechtigkeit seiner Gattin im besondern, als auch über die Schlechtigkeit der Welt wi allgemeinen, daß er für die Wohlthat, die er der Menschheit als Natnrdoltor erwies,' drei Jahre brummen solle, begab sich wankenden Schrittes zu Happich. Hier wurde er trinkend bis zum Abend in einer Gruppe vou Schachteru gesehen, die als gewaltthätig bekannt waren. Am nächsten Morgen fand das Dienstmädchen eine Dhnamitpatrone. deren Zündschnur erloschen war, vor der Thür von Louis Duttmüllers Wohnung. Sie erschrak furchtbar. Auf ihr Geschrei versammelte sich d"s ganze Haus. Duttmüller war ganz konsterniert. Sollte die Verwilderung der Arbeiter schon soweit gegangen sein, daß man selbst die Wissenschaft nicht mehr

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/517>, abgerufen am 28.09.2024.