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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Doktor Duttmüller und sein Freund

hatte mit angstvollen Blicken dem Verdikte der Wissenschaft zugehört, hatte sich aber
daraus nicht bestimmt vernehmen können. Im Grunde genommen der Doktor
auch nicht. Nun hatte er die Gewohnheit, wenn er im unklaren über einen Zu¬
stand war, den Kranken zu perkutieren, wobei jedenfalls Zeit gewonnen wurde.
Aber der Kranke ließ sich nicht an deu Leib kommen. Jetzt gehts los, schrie
er, jetzt gehts los! und strampelte mit den Beinen. Und als ihm das Thermo¬
meter unter den Arm gesteckt werden sollte, hielt er es für ein Messer und fing
an zu wüten. Es war nichts zu machen. Da nun jedenfalls etwas verordnet
werden mußte, so verordnete Duttmüller salicylsaures Natron, diesesmal in Ver¬
bindung mit Chinin und Himbecrsirup. Darauf wurde ein Bote in die Apotheke
geschickt, und als dieser außer Atem mit seinem salicylsauern Natron wieder ange-
kommen war, und man dem Patienten seine Medizin mit vieler Mühe beigebracht
hatte, konnte man sich bei dem Bewußtsein beruhigen, daß alles geschehen sei, was
die ärztliche Kunst vermochte.

Wandrer brachte Louis Duttmüllcr zu seinem Wagen zurück. Beim Abschied
betrachtete Louis seine schöne Hosenfalte und sagte: Ich verstehe nicht, Wandrer,
warum habt ihr es eigentlich zum Streik kommen lassen? Davon hat doch kein
Mensch etwas.

Unzweifelhaft richtig, erwiderte Wandrer, davon hat kein Mensch etwas.

Könntet ihr denn nicht den Leuten entgegenkommen? Man liest es ja überall,
daß den sozialen Forderungen ein berechtigter Kern innewohnt. Es ist doch den
Leuten nicht zu verdenken, wenn sie ihre soziale Lage verbessern wollen, und da
müssen denn doch die Besitzenden nachgeben.

Du zum Beispiel, sagte Wandrer, gieb du doch nach, praktiziere du doch
gratis. Nein, alter Freund, du bist zwar ein gelehrtes Haus, aber das sind Dinge,
die verstehst du nicht. Adieu. Hier ist übrigens noch ein Brief, deu du Fräulein
Ellen mitbringen möchtest. Duttmüller nahm den Brief und empfahl sich etwas ver¬
stimmt. Wie kam dieser Wandrer dazu, zu behaupten, er verstehe nichts von der
sozialen Frage, von der doch jeder etwas versteht?

Eine halbe Stunde später trat Ellen in das Zimmer ihres Vaters. Sie hatte
Lydias Brief geöffnet in der Hand. Lydia schrieb: Ellen! Frage nicht, was ge¬
schehen ist. Ich kann es nicht sagen. Aber es ist furchtbar. Mein armer Vater! Ich
bin völlig gebrochen, ich kann nicht mehr. Ellen, komm und hilf. -- Lydia.

Ellen setzte sich hinter ihres Vaters Lehnstuhl auf einen Sessel, strich ihm leise
über die spärlichen weißen Haare und sagte: Pa, hör mal zu.

Pa, der beschäftigt war, dicke Rauchwolken aus seiner Pfeife aufsteigen zu
lassen, ließ die Pfeife sinken und sagte: Was denn, Schnncki?

Ich muß sogleich nach Heinrichshall.

Geh nicht hin, Schnucki. Dort ist der Teufel los. Die Kerls sind ja ganz
rabiat. Nächstens fangen sie an zu schießen, und mich solls wundern, ob sie nicht
die Bude anstecken.

Das kann schon sein, aber ich muß doch hiu. Der Direktor ist übergeschnappt,
und Lydia ruft um Hilfe.

So? Da willst du wohl den Direktor kurieren?

Du bist ein ganz alter schlechter Pa. Kurieren mag ihn Louis. Aber es muß
jemand dort die Zügel in die Hand nehmen, denn Lydia scheint mir auch schon ein
bischen übergeschnappt zu sein. Du weißt doch, daß ich vou Beruf Tante bin, und
Tanten müssen kommen, wenn man sie ruft.

An deiner Stelle, sagte Pa, würde ich mich fürchten, Schnucki.

Fürchten? Aber Pa! Die Tochter eines alten Soldaten wird sich doch nicht
fürchten!

Und wie willst du denn überhaupt hinkommen?

Ich fresse mich durch wie Schwefelsäure, wie Klapphoru sagt. Ein paar
Tage wirds wohl dauern, bis ich wieder komme. Adieu, alter Pa. -- Sie
streichelte ihm die weißen Haare. -- Sei hübsch artig und begehe keine jugendlichen


Doktor Duttmüller und sein Freund

hatte mit angstvollen Blicken dem Verdikte der Wissenschaft zugehört, hatte sich aber
daraus nicht bestimmt vernehmen können. Im Grunde genommen der Doktor
auch nicht. Nun hatte er die Gewohnheit, wenn er im unklaren über einen Zu¬
stand war, den Kranken zu perkutieren, wobei jedenfalls Zeit gewonnen wurde.
Aber der Kranke ließ sich nicht an deu Leib kommen. Jetzt gehts los, schrie
er, jetzt gehts los! und strampelte mit den Beinen. Und als ihm das Thermo¬
meter unter den Arm gesteckt werden sollte, hielt er es für ein Messer und fing
an zu wüten. Es war nichts zu machen. Da nun jedenfalls etwas verordnet
werden mußte, so verordnete Duttmüller salicylsaures Natron, diesesmal in Ver¬
bindung mit Chinin und Himbecrsirup. Darauf wurde ein Bote in die Apotheke
geschickt, und als dieser außer Atem mit seinem salicylsauern Natron wieder ange-
kommen war, und man dem Patienten seine Medizin mit vieler Mühe beigebracht
hatte, konnte man sich bei dem Bewußtsein beruhigen, daß alles geschehen sei, was
die ärztliche Kunst vermochte.

Wandrer brachte Louis Duttmüllcr zu seinem Wagen zurück. Beim Abschied
betrachtete Louis seine schöne Hosenfalte und sagte: Ich verstehe nicht, Wandrer,
warum habt ihr es eigentlich zum Streik kommen lassen? Davon hat doch kein
Mensch etwas.

Unzweifelhaft richtig, erwiderte Wandrer, davon hat kein Mensch etwas.

Könntet ihr denn nicht den Leuten entgegenkommen? Man liest es ja überall,
daß den sozialen Forderungen ein berechtigter Kern innewohnt. Es ist doch den
Leuten nicht zu verdenken, wenn sie ihre soziale Lage verbessern wollen, und da
müssen denn doch die Besitzenden nachgeben.

Du zum Beispiel, sagte Wandrer, gieb du doch nach, praktiziere du doch
gratis. Nein, alter Freund, du bist zwar ein gelehrtes Haus, aber das sind Dinge,
die verstehst du nicht. Adieu. Hier ist übrigens noch ein Brief, deu du Fräulein
Ellen mitbringen möchtest. Duttmüller nahm den Brief und empfahl sich etwas ver¬
stimmt. Wie kam dieser Wandrer dazu, zu behaupten, er verstehe nichts von der
sozialen Frage, von der doch jeder etwas versteht?

Eine halbe Stunde später trat Ellen in das Zimmer ihres Vaters. Sie hatte
Lydias Brief geöffnet in der Hand. Lydia schrieb: Ellen! Frage nicht, was ge¬
schehen ist. Ich kann es nicht sagen. Aber es ist furchtbar. Mein armer Vater! Ich
bin völlig gebrochen, ich kann nicht mehr. Ellen, komm und hilf. — Lydia.

Ellen setzte sich hinter ihres Vaters Lehnstuhl auf einen Sessel, strich ihm leise
über die spärlichen weißen Haare und sagte: Pa, hör mal zu.

Pa, der beschäftigt war, dicke Rauchwolken aus seiner Pfeife aufsteigen zu
lassen, ließ die Pfeife sinken und sagte: Was denn, Schnncki?

Ich muß sogleich nach Heinrichshall.

Geh nicht hin, Schnucki. Dort ist der Teufel los. Die Kerls sind ja ganz
rabiat. Nächstens fangen sie an zu schießen, und mich solls wundern, ob sie nicht
die Bude anstecken.

Das kann schon sein, aber ich muß doch hiu. Der Direktor ist übergeschnappt,
und Lydia ruft um Hilfe.

So? Da willst du wohl den Direktor kurieren?

Du bist ein ganz alter schlechter Pa. Kurieren mag ihn Louis. Aber es muß
jemand dort die Zügel in die Hand nehmen, denn Lydia scheint mir auch schon ein
bischen übergeschnappt zu sein. Du weißt doch, daß ich vou Beruf Tante bin, und
Tanten müssen kommen, wenn man sie ruft.

An deiner Stelle, sagte Pa, würde ich mich fürchten, Schnucki.

Fürchten? Aber Pa! Die Tochter eines alten Soldaten wird sich doch nicht
fürchten!

Und wie willst du denn überhaupt hinkommen?

Ich fresse mich durch wie Schwefelsäure, wie Klapphoru sagt. Ein paar
Tage wirds wohl dauern, bis ich wieder komme. Adieu, alter Pa. — Sie
streichelte ihm die weißen Haare. — Sei hübsch artig und begehe keine jugendlichen


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[0514] Doktor Duttmüller und sein Freund hatte mit angstvollen Blicken dem Verdikte der Wissenschaft zugehört, hatte sich aber daraus nicht bestimmt vernehmen können. Im Grunde genommen der Doktor auch nicht. Nun hatte er die Gewohnheit, wenn er im unklaren über einen Zu¬ stand war, den Kranken zu perkutieren, wobei jedenfalls Zeit gewonnen wurde. Aber der Kranke ließ sich nicht an deu Leib kommen. Jetzt gehts los, schrie er, jetzt gehts los! und strampelte mit den Beinen. Und als ihm das Thermo¬ meter unter den Arm gesteckt werden sollte, hielt er es für ein Messer und fing an zu wüten. Es war nichts zu machen. Da nun jedenfalls etwas verordnet werden mußte, so verordnete Duttmüller salicylsaures Natron, diesesmal in Ver¬ bindung mit Chinin und Himbecrsirup. Darauf wurde ein Bote in die Apotheke geschickt, und als dieser außer Atem mit seinem salicylsauern Natron wieder ange- kommen war, und man dem Patienten seine Medizin mit vieler Mühe beigebracht hatte, konnte man sich bei dem Bewußtsein beruhigen, daß alles geschehen sei, was die ärztliche Kunst vermochte. Wandrer brachte Louis Duttmüllcr zu seinem Wagen zurück. Beim Abschied betrachtete Louis seine schöne Hosenfalte und sagte: Ich verstehe nicht, Wandrer, warum habt ihr es eigentlich zum Streik kommen lassen? Davon hat doch kein Mensch etwas. Unzweifelhaft richtig, erwiderte Wandrer, davon hat kein Mensch etwas. Könntet ihr denn nicht den Leuten entgegenkommen? Man liest es ja überall, daß den sozialen Forderungen ein berechtigter Kern innewohnt. Es ist doch den Leuten nicht zu verdenken, wenn sie ihre soziale Lage verbessern wollen, und da müssen denn doch die Besitzenden nachgeben. Du zum Beispiel, sagte Wandrer, gieb du doch nach, praktiziere du doch gratis. Nein, alter Freund, du bist zwar ein gelehrtes Haus, aber das sind Dinge, die verstehst du nicht. Adieu. Hier ist übrigens noch ein Brief, deu du Fräulein Ellen mitbringen möchtest. Duttmüller nahm den Brief und empfahl sich etwas ver¬ stimmt. Wie kam dieser Wandrer dazu, zu behaupten, er verstehe nichts von der sozialen Frage, von der doch jeder etwas versteht? Eine halbe Stunde später trat Ellen in das Zimmer ihres Vaters. Sie hatte Lydias Brief geöffnet in der Hand. Lydia schrieb: Ellen! Frage nicht, was ge¬ schehen ist. Ich kann es nicht sagen. Aber es ist furchtbar. Mein armer Vater! Ich bin völlig gebrochen, ich kann nicht mehr. Ellen, komm und hilf. — Lydia. Ellen setzte sich hinter ihres Vaters Lehnstuhl auf einen Sessel, strich ihm leise über die spärlichen weißen Haare und sagte: Pa, hör mal zu. Pa, der beschäftigt war, dicke Rauchwolken aus seiner Pfeife aufsteigen zu lassen, ließ die Pfeife sinken und sagte: Was denn, Schnncki? Ich muß sogleich nach Heinrichshall. Geh nicht hin, Schnucki. Dort ist der Teufel los. Die Kerls sind ja ganz rabiat. Nächstens fangen sie an zu schießen, und mich solls wundern, ob sie nicht die Bude anstecken. Das kann schon sein, aber ich muß doch hiu. Der Direktor ist übergeschnappt, und Lydia ruft um Hilfe. So? Da willst du wohl den Direktor kurieren? Du bist ein ganz alter schlechter Pa. Kurieren mag ihn Louis. Aber es muß jemand dort die Zügel in die Hand nehmen, denn Lydia scheint mir auch schon ein bischen übergeschnappt zu sein. Du weißt doch, daß ich vou Beruf Tante bin, und Tanten müssen kommen, wenn man sie ruft. An deiner Stelle, sagte Pa, würde ich mich fürchten, Schnucki. Fürchten? Aber Pa! Die Tochter eines alten Soldaten wird sich doch nicht fürchten! Und wie willst du denn überhaupt hinkommen? Ich fresse mich durch wie Schwefelsäure, wie Klapphoru sagt. Ein paar Tage wirds wohl dauern, bis ich wieder komme. Adieu, alter Pa. — Sie streichelte ihm die weißen Haare. — Sei hübsch artig und begehe keine jugendlichen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/514>, abgerufen am 28.09.2024.