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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Doktor Duttmüller und sein Freund

befriedigt. Es hatte zwar einen ganzen Haufen Geld gekostet, aber schön wars
doch! Das Essen -- großartig, der Wein -- nnr fein, und der Cham¬
pagner -- tadellos. Nur auf der Hochzeit bei Breitenbachs in Altum, wo der
Hoftraiteur mit zwei Möbelwagen auf der Eisenbahn angekommen war und gleich
zehn Kellner mitgebracht hatte, war es noch feiner gewesen. Karl Emmrich, der
Wirt, war aber auch ein solider Mann, umgänglich und aufmerksam. Übrigens hatte
er auch ein hübsches Vermögen von seiner Frau, die eine Cousine von der
Schwestertochter der alten Klausewitzen in Klein-Siebendorf war. Man mußte
doch das alles loben, um zu zeigen, daß man es zu beurteilen verstand.

Aber das Zeug in derbrannen Terrine konnte ich nicht essen, sagte August Quarg.

Menschenkind, erwiderte Fritze Poplitz, das war ja Gänseleberpastete. Er
hatte aber auch nichts davon gegessen.

Ja ja, meinte Andreas Piepenpahl, das war ja alles ganz schön, aber satt
bin ich nicht geworden. So ein rechter schöner Hammelbraten mit Zwiebeln, wie
ihn meine Frau macht, ist mir lieber wie das Zeug, wo man nicht weiß, was es ist.

Oder ein Hasenbraten mit saurer Sahne, meinte Qnarg.

Oder Schmorwurst, fügte Vetter Klaus hinzu.

Dunnerkiel, rief August Quarg, Vetter Klaus, Ihr blutet ja.

Vetter Klaus war nicht erschrocken, sondern sah nur nach der Seite, wo er
bluten sollte, und machte ein unglaublich dummes Gesicht. Piepenpahl, der neben
Vetter Klaus saß, rückte zur Seite, aber schon war es zu spät, auf seinem schönen
femmelfarbnen Überzieher war ein großer roter Fleck zu sehen, und aus Vetter
Klausens Seitentasche kam es heraus. Wenn schon Blut dicker ist als Wasser, so
ist es doch nicht so dick wie diese Flüssigkeit. Und wenn Vetter Klaus allerdings
nicht zu den Heißblütlern gehörte, so konnte man doch nicht annehmen, daß sein
Blut so kalt sei, wie dieses rote Naß. Jetzt nahm sein Schafsgesicht einen Schein
von Verschmitztheit an, und er sagte: I wo! Blut ist es nicht, sondern schaltet).

Aber Menschenkind, rief Fritze Poplitz, wie kommt denn das in Eure Tasche?

Ich konnte das Zeug nicht essen, sagte Vetter Klaus geheimnißvoll. Da könnt
ihr mir geben, was ihr wollt, sowas kann ich nicht essen. Und stehn lassen konnte
ich es doch auch nicht. Das hätte doch Herr Emmrich übel genommen. Da habe
ich es in die Tasche gelöffelt.

Jetzt erhob sich ein großes Gelächter. Man hatte zuviel Sekt getrunken, als
daß man die Sache hätte tragisch nehmen können, und auch Herr Piepenpahl lachte
trotz seines verdorbnen Überziehers mit. Darauf fabrizierte man Dauerwitze auf
Vetter Klaus und Piepenpahl und seinen Martin und den schaltet) in der Tasche,
bis man am Böhnhardt anlangte. Während der Wagen langsam den Berg empor
kroch, wurde man müde und starrte gleichgilttg in die Dämmrung, die schon an¬
gebrochen war. Als man aber die Höhe überschritten hatte und in dem sich
öffnenden Thale Heinrichshall liegen sah, wurde man aufmerksam. Was war denn
das? Was war denn anders, als man es zu sehen gewohnt war? Anscheinend
nichts, und doch machte der Anblick einen befremdenden Eindruck. Die elektrischen
Lampen des Werkes brannten nicht. Das Werk lag dunkel da, die Räder auf
dem Förderturm drehten sich nicht, nur die Maschine der Wasserpnmpe puffte träge
ihre weißen Wolken in die dämmrige Luft. Als die Herren Aktionäre in ihrem
Wagen an dem Werke vorbeifuhren, sahen sie, daß das Thor geschlossen war. Ein
Haufe von Menschen, Männer, Weiber und anch Kinder standen davor. Arbeiter,
mit Kober und Flasche ausgerüstet, standen am Bahnübergange der Straße und
schienen zweifelhaft zu sein, ob sie weitergehn oder umkehren sollten. Man par-
lamentierte herüber und hinüber und drohte mit den Stöcken. Als Fritze Poplitz
und Genossen vorüberfuhren, erhob sich ein höllisches Gejohle. Die Pferde scheuten
und gingen davon. Die Jungens warfen Steine hinter dem Wagen her, und die
Alten schimpften: Mistbauern! Räuberbande! Menschenschinder, die Haut müßte mau
solchen Kerls abziehen. Na wartet, wir stecken euch die Scheunen auch noch an.


Doktor Duttmüller und sein Freund

befriedigt. Es hatte zwar einen ganzen Haufen Geld gekostet, aber schön wars
doch! Das Essen — großartig, der Wein — nnr fein, und der Cham¬
pagner — tadellos. Nur auf der Hochzeit bei Breitenbachs in Altum, wo der
Hoftraiteur mit zwei Möbelwagen auf der Eisenbahn angekommen war und gleich
zehn Kellner mitgebracht hatte, war es noch feiner gewesen. Karl Emmrich, der
Wirt, war aber auch ein solider Mann, umgänglich und aufmerksam. Übrigens hatte
er auch ein hübsches Vermögen von seiner Frau, die eine Cousine von der
Schwestertochter der alten Klausewitzen in Klein-Siebendorf war. Man mußte
doch das alles loben, um zu zeigen, daß man es zu beurteilen verstand.

Aber das Zeug in derbrannen Terrine konnte ich nicht essen, sagte August Quarg.

Menschenkind, erwiderte Fritze Poplitz, das war ja Gänseleberpastete. Er
hatte aber auch nichts davon gegessen.

Ja ja, meinte Andreas Piepenpahl, das war ja alles ganz schön, aber satt
bin ich nicht geworden. So ein rechter schöner Hammelbraten mit Zwiebeln, wie
ihn meine Frau macht, ist mir lieber wie das Zeug, wo man nicht weiß, was es ist.

Oder ein Hasenbraten mit saurer Sahne, meinte Qnarg.

Oder Schmorwurst, fügte Vetter Klaus hinzu.

Dunnerkiel, rief August Quarg, Vetter Klaus, Ihr blutet ja.

Vetter Klaus war nicht erschrocken, sondern sah nur nach der Seite, wo er
bluten sollte, und machte ein unglaublich dummes Gesicht. Piepenpahl, der neben
Vetter Klaus saß, rückte zur Seite, aber schon war es zu spät, auf seinem schönen
femmelfarbnen Überzieher war ein großer roter Fleck zu sehen, und aus Vetter
Klausens Seitentasche kam es heraus. Wenn schon Blut dicker ist als Wasser, so
ist es doch nicht so dick wie diese Flüssigkeit. Und wenn Vetter Klaus allerdings
nicht zu den Heißblütlern gehörte, so konnte man doch nicht annehmen, daß sein
Blut so kalt sei, wie dieses rote Naß. Jetzt nahm sein Schafsgesicht einen Schein
von Verschmitztheit an, und er sagte: I wo! Blut ist es nicht, sondern schaltet).

Aber Menschenkind, rief Fritze Poplitz, wie kommt denn das in Eure Tasche?

Ich konnte das Zeug nicht essen, sagte Vetter Klaus geheimnißvoll. Da könnt
ihr mir geben, was ihr wollt, sowas kann ich nicht essen. Und stehn lassen konnte
ich es doch auch nicht. Das hätte doch Herr Emmrich übel genommen. Da habe
ich es in die Tasche gelöffelt.

Jetzt erhob sich ein großes Gelächter. Man hatte zuviel Sekt getrunken, als
daß man die Sache hätte tragisch nehmen können, und auch Herr Piepenpahl lachte
trotz seines verdorbnen Überziehers mit. Darauf fabrizierte man Dauerwitze auf
Vetter Klaus und Piepenpahl und seinen Martin und den schaltet) in der Tasche,
bis man am Böhnhardt anlangte. Während der Wagen langsam den Berg empor
kroch, wurde man müde und starrte gleichgilttg in die Dämmrung, die schon an¬
gebrochen war. Als man aber die Höhe überschritten hatte und in dem sich
öffnenden Thale Heinrichshall liegen sah, wurde man aufmerksam. Was war denn
das? Was war denn anders, als man es zu sehen gewohnt war? Anscheinend
nichts, und doch machte der Anblick einen befremdenden Eindruck. Die elektrischen
Lampen des Werkes brannten nicht. Das Werk lag dunkel da, die Räder auf
dem Förderturm drehten sich nicht, nur die Maschine der Wasserpnmpe puffte träge
ihre weißen Wolken in die dämmrige Luft. Als die Herren Aktionäre in ihrem
Wagen an dem Werke vorbeifuhren, sahen sie, daß das Thor geschlossen war. Ein
Haufe von Menschen, Männer, Weiber und anch Kinder standen davor. Arbeiter,
mit Kober und Flasche ausgerüstet, standen am Bahnübergange der Straße und
schienen zweifelhaft zu sein, ob sie weitergehn oder umkehren sollten. Man par-
lamentierte herüber und hinüber und drohte mit den Stöcken. Als Fritze Poplitz
und Genossen vorüberfuhren, erhob sich ein höllisches Gejohle. Die Pferde scheuten
und gingen davon. Die Jungens warfen Steine hinter dem Wagen her, und die
Alten schimpften: Mistbauern! Räuberbande! Menschenschinder, die Haut müßte mau
solchen Kerls abziehen. Na wartet, wir stecken euch die Scheunen auch noch an.


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[0508] Doktor Duttmüller und sein Freund befriedigt. Es hatte zwar einen ganzen Haufen Geld gekostet, aber schön wars doch! Das Essen — großartig, der Wein — nnr fein, und der Cham¬ pagner — tadellos. Nur auf der Hochzeit bei Breitenbachs in Altum, wo der Hoftraiteur mit zwei Möbelwagen auf der Eisenbahn angekommen war und gleich zehn Kellner mitgebracht hatte, war es noch feiner gewesen. Karl Emmrich, der Wirt, war aber auch ein solider Mann, umgänglich und aufmerksam. Übrigens hatte er auch ein hübsches Vermögen von seiner Frau, die eine Cousine von der Schwestertochter der alten Klausewitzen in Klein-Siebendorf war. Man mußte doch das alles loben, um zu zeigen, daß man es zu beurteilen verstand. Aber das Zeug in derbrannen Terrine konnte ich nicht essen, sagte August Quarg. Menschenkind, erwiderte Fritze Poplitz, das war ja Gänseleberpastete. Er hatte aber auch nichts davon gegessen. Ja ja, meinte Andreas Piepenpahl, das war ja alles ganz schön, aber satt bin ich nicht geworden. So ein rechter schöner Hammelbraten mit Zwiebeln, wie ihn meine Frau macht, ist mir lieber wie das Zeug, wo man nicht weiß, was es ist. Oder ein Hasenbraten mit saurer Sahne, meinte Qnarg. Oder Schmorwurst, fügte Vetter Klaus hinzu. Dunnerkiel, rief August Quarg, Vetter Klaus, Ihr blutet ja. Vetter Klaus war nicht erschrocken, sondern sah nur nach der Seite, wo er bluten sollte, und machte ein unglaublich dummes Gesicht. Piepenpahl, der neben Vetter Klaus saß, rückte zur Seite, aber schon war es zu spät, auf seinem schönen femmelfarbnen Überzieher war ein großer roter Fleck zu sehen, und aus Vetter Klausens Seitentasche kam es heraus. Wenn schon Blut dicker ist als Wasser, so ist es doch nicht so dick wie diese Flüssigkeit. Und wenn Vetter Klaus allerdings nicht zu den Heißblütlern gehörte, so konnte man doch nicht annehmen, daß sein Blut so kalt sei, wie dieses rote Naß. Jetzt nahm sein Schafsgesicht einen Schein von Verschmitztheit an, und er sagte: I wo! Blut ist es nicht, sondern schaltet). Aber Menschenkind, rief Fritze Poplitz, wie kommt denn das in Eure Tasche? Ich konnte das Zeug nicht essen, sagte Vetter Klaus geheimnißvoll. Da könnt ihr mir geben, was ihr wollt, sowas kann ich nicht essen. Und stehn lassen konnte ich es doch auch nicht. Das hätte doch Herr Emmrich übel genommen. Da habe ich es in die Tasche gelöffelt. Jetzt erhob sich ein großes Gelächter. Man hatte zuviel Sekt getrunken, als daß man die Sache hätte tragisch nehmen können, und auch Herr Piepenpahl lachte trotz seines verdorbnen Überziehers mit. Darauf fabrizierte man Dauerwitze auf Vetter Klaus und Piepenpahl und seinen Martin und den schaltet) in der Tasche, bis man am Böhnhardt anlangte. Während der Wagen langsam den Berg empor kroch, wurde man müde und starrte gleichgilttg in die Dämmrung, die schon an¬ gebrochen war. Als man aber die Höhe überschritten hatte und in dem sich öffnenden Thale Heinrichshall liegen sah, wurde man aufmerksam. Was war denn das? Was war denn anders, als man es zu sehen gewohnt war? Anscheinend nichts, und doch machte der Anblick einen befremdenden Eindruck. Die elektrischen Lampen des Werkes brannten nicht. Das Werk lag dunkel da, die Räder auf dem Förderturm drehten sich nicht, nur die Maschine der Wasserpnmpe puffte träge ihre weißen Wolken in die dämmrige Luft. Als die Herren Aktionäre in ihrem Wagen an dem Werke vorbeifuhren, sahen sie, daß das Thor geschlossen war. Ein Haufe von Menschen, Männer, Weiber und anch Kinder standen davor. Arbeiter, mit Kober und Flasche ausgerüstet, standen am Bahnübergange der Straße und schienen zweifelhaft zu sein, ob sie weitergehn oder umkehren sollten. Man par- lamentierte herüber und hinüber und drohte mit den Stöcken. Als Fritze Poplitz und Genossen vorüberfuhren, erhob sich ein höllisches Gejohle. Die Pferde scheuten und gingen davon. Die Jungens warfen Steine hinter dem Wagen her, und die Alten schimpften: Mistbauern! Räuberbande! Menschenschinder, die Haut müßte mau solchen Kerls abziehen. Na wartet, wir stecken euch die Scheunen auch noch an.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/508>, abgerufen am 29.06.2024.