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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Aus italienischen Sommerfrischen

"allgemeine Povertt," der schmale Geldbeutel vieler Familienväter schuld sein. Ein
italienisches Wortspiel behauptet wenigstens, um ins Gebirge gehn zu können, müßten
viele Italiener erst den monts cU pie-ta, (zu deutsch das Pfandhans) erklettern.

Obgleich wir schon mehreremal und jedesmal monatelang in Italien gewesen
waren, wurde es uns doch Anfang Juli etwas zu heiß am Meeresstrnnde. Auf
dem Sommerprogramm stand sowieso ein Höhenaufenthalt ini Apennin, und eine
freundliche italienische Empfehlung wies uns an eine Stätte, die einer deutschen
Auffassung von Sommerfrische, deutschem Hunger nach Wald und reiner Luft, nach
Leben in der Natur so entsprach, wie es in Deutschland nicht besser hätte geschehen
können. Auf herrlichem Vahnwege, der an Lucca vorbei die westlichen Abhänge
des Apennins von Pistoia erklettert, denn in noch herrlicherer vierstündiger Wagen¬
fahrt, die an den eleganten, von Heine litterarisch verewigten Lagni all luneeÄ vorbei
und im Thal der Lima aufwärts führt, gelangen wir nach dem Hauptort des
Thales, S. Marcello-Pistoiese und dann -- weshalb sollte ich den uns lieb ge-
wordnen Erdenwinkel nicht ganz genau bezeichnen -- nach Limestre und zur Villa
Margherita. In dem breiten Thal der Limestre, die sich bei dem malerisch liegenden
nahen Mamminno in die Lima ergießt, unmittelbar um rauschenden Wasser steht
das freundliche Haus mit den grünen Fensterläden, versteckt in Laubwerk aller
Art und gesichert gegen den Lärm der Außenwelt, deun der Weg führt nur zu
ihm, keiner an ihm vorüber. Die wenigen kunstlosen Gartenanlagen, die es um¬
geben, und der Tennisplatz leiten sofort in Waldungen von Edelkastanien über.
Dieser herrliche Baum, der eben seine weißen Leuchterblüten anzuzünden beginnt,
giebt der zweiten Höhenzone des pistoiesischen Apennin, in der wir auf einer Hohe
von 630 Metern sind, den Charakter. Während in der untern Zone der Ölbaum
der herrschende Baum ist und mit dem Weinstock zusammen den Hauptreichtum
der untern Thalstufe ausmacht, während in den obern von etwa 890 Metern ab
bis zu den bis 2000 Metern ansteigenden Berghäuptern nur Eiche und Tanne
den Kältegraden und Winden des apenninischen Winters Trotz bieten, ist unsre
mittlere Zone auf weite Strecken mit dem grünen Gewand der Kastanienwaldunge"
bekleidet. Die Natur des Baumes, aber auch seine Kultur durch den Menschen,
das Streben nach Frucht- und Holzgewinnnng schreiben vor, daß in diesen grünen
Räumen die einzelnen Bäume nicht zu gedrängt stehn; dadurch wird das Auf¬
wachse" von Unterholz, die Bildung eiues fast ununterbrochnem Nasenteppichs,
einer reichen und interessanten Flora begünstigt. Die Behandlung der Kastanie
durch deu Menschen macht auch deu an sich schon malerischen Wuchs des Baumes
uoch herrlicher und oft geradezu bizarr, sodaß er dem Maler und seinem modernen
Nachfolger, dem Liebhaberphotographcn, prächtige Vorwürfe liefert.

Und wie herrlich wandert es sich in dieser Kastanienwaldung in der köstlichen
Ungebundenheit und Freiheit, die dem Fußwandrer in Italien beschieden ist. Hier
ist nicht "das laute Schreien und Singen im Walde" verboten, hier bekümmert
sich kein Mensch darum, ob man "außerhalb der gebahnten Wege" seineu botanischen,
geologische" oder sonstigen Sonderueigungen nachgeht. Man kann auch, wenn mau
durchaus will, "Feuer im Walde anmachen": höchstens wird sich der Köhler, der
hier überall Kastanienäste und -Zweige zu Holzkohle umwandelt, darüber wundern,
daß man in seinen anstrengenden Beruf zu pfuschen scheint. Hier begrüßt einen
keine Tafel der löblichen Forstbehörde: "Dieser Weg ist verboten" mit der ent¬
sprechenden liebenswürdige!? Strafandrohung. Im Gegenteil, man suche sich
uur selbst eiuen Weg, das ist in vielen Fällen nicht nur ratsam, sondern mich
nötig, denn gebahnte Wege giebts nicht allzuviel, und die durch den Gebrauch
geschaffnen täuschen oft und lassen den Wandrer ratlos im Stich, nachdem sie ihn
zum nächsten Kohlenmeiler in ein dichtes Gebüsch und an eine steile Gebirgshalde
geführt haben.

Hier, an einem an Thälern und Schluchten, Bächen und Wildwasserbetten
überreichen Gelände, das bald das Entzücken, bald die Verzweiflung des italienischen
Offiziers und Topographen hervorrufe" muß, lernt der moderne, durch Wegweiser


Aus italienischen Sommerfrischen

„allgemeine Povertt," der schmale Geldbeutel vieler Familienväter schuld sein. Ein
italienisches Wortspiel behauptet wenigstens, um ins Gebirge gehn zu können, müßten
viele Italiener erst den monts cU pie-ta, (zu deutsch das Pfandhans) erklettern.

Obgleich wir schon mehreremal und jedesmal monatelang in Italien gewesen
waren, wurde es uns doch Anfang Juli etwas zu heiß am Meeresstrnnde. Auf
dem Sommerprogramm stand sowieso ein Höhenaufenthalt ini Apennin, und eine
freundliche italienische Empfehlung wies uns an eine Stätte, die einer deutschen
Auffassung von Sommerfrische, deutschem Hunger nach Wald und reiner Luft, nach
Leben in der Natur so entsprach, wie es in Deutschland nicht besser hätte geschehen
können. Auf herrlichem Vahnwege, der an Lucca vorbei die westlichen Abhänge
des Apennins von Pistoia erklettert, denn in noch herrlicherer vierstündiger Wagen¬
fahrt, die an den eleganten, von Heine litterarisch verewigten Lagni all luneeÄ vorbei
und im Thal der Lima aufwärts führt, gelangen wir nach dem Hauptort des
Thales, S. Marcello-Pistoiese und dann — weshalb sollte ich den uns lieb ge-
wordnen Erdenwinkel nicht ganz genau bezeichnen — nach Limestre und zur Villa
Margherita. In dem breiten Thal der Limestre, die sich bei dem malerisch liegenden
nahen Mamminno in die Lima ergießt, unmittelbar um rauschenden Wasser steht
das freundliche Haus mit den grünen Fensterläden, versteckt in Laubwerk aller
Art und gesichert gegen den Lärm der Außenwelt, deun der Weg führt nur zu
ihm, keiner an ihm vorüber. Die wenigen kunstlosen Gartenanlagen, die es um¬
geben, und der Tennisplatz leiten sofort in Waldungen von Edelkastanien über.
Dieser herrliche Baum, der eben seine weißen Leuchterblüten anzuzünden beginnt,
giebt der zweiten Höhenzone des pistoiesischen Apennin, in der wir auf einer Hohe
von 630 Metern sind, den Charakter. Während in der untern Zone der Ölbaum
der herrschende Baum ist und mit dem Weinstock zusammen den Hauptreichtum
der untern Thalstufe ausmacht, während in den obern von etwa 890 Metern ab
bis zu den bis 2000 Metern ansteigenden Berghäuptern nur Eiche und Tanne
den Kältegraden und Winden des apenninischen Winters Trotz bieten, ist unsre
mittlere Zone auf weite Strecken mit dem grünen Gewand der Kastanienwaldunge»
bekleidet. Die Natur des Baumes, aber auch seine Kultur durch den Menschen,
das Streben nach Frucht- und Holzgewinnnng schreiben vor, daß in diesen grünen
Räumen die einzelnen Bäume nicht zu gedrängt stehn; dadurch wird das Auf¬
wachse» von Unterholz, die Bildung eiues fast ununterbrochnem Nasenteppichs,
einer reichen und interessanten Flora begünstigt. Die Behandlung der Kastanie
durch deu Menschen macht auch deu an sich schon malerischen Wuchs des Baumes
uoch herrlicher und oft geradezu bizarr, sodaß er dem Maler und seinem modernen
Nachfolger, dem Liebhaberphotographcn, prächtige Vorwürfe liefert.

Und wie herrlich wandert es sich in dieser Kastanienwaldung in der köstlichen
Ungebundenheit und Freiheit, die dem Fußwandrer in Italien beschieden ist. Hier
ist nicht „das laute Schreien und Singen im Walde" verboten, hier bekümmert
sich kein Mensch darum, ob man „außerhalb der gebahnten Wege" seineu botanischen,
geologische» oder sonstigen Sonderueigungen nachgeht. Man kann auch, wenn mau
durchaus will, „Feuer im Walde anmachen": höchstens wird sich der Köhler, der
hier überall Kastanienäste und -Zweige zu Holzkohle umwandelt, darüber wundern,
daß man in seinen anstrengenden Beruf zu pfuschen scheint. Hier begrüßt einen
keine Tafel der löblichen Forstbehörde: „Dieser Weg ist verboten" mit der ent¬
sprechenden liebenswürdige!? Strafandrohung. Im Gegenteil, man suche sich
uur selbst eiuen Weg, das ist in vielen Fällen nicht nur ratsam, sondern mich
nötig, denn gebahnte Wege giebts nicht allzuviel, und die durch den Gebrauch
geschaffnen täuschen oft und lassen den Wandrer ratlos im Stich, nachdem sie ihn
zum nächsten Kohlenmeiler in ein dichtes Gebüsch und an eine steile Gebirgshalde
geführt haben.

Hier, an einem an Thälern und Schluchten, Bächen und Wildwasserbetten
überreichen Gelände, das bald das Entzücken, bald die Verzweiflung des italienischen
Offiziers und Topographen hervorrufe» muß, lernt der moderne, durch Wegweiser


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[0504] Aus italienischen Sommerfrischen „allgemeine Povertt," der schmale Geldbeutel vieler Familienväter schuld sein. Ein italienisches Wortspiel behauptet wenigstens, um ins Gebirge gehn zu können, müßten viele Italiener erst den monts cU pie-ta, (zu deutsch das Pfandhans) erklettern. Obgleich wir schon mehreremal und jedesmal monatelang in Italien gewesen waren, wurde es uns doch Anfang Juli etwas zu heiß am Meeresstrnnde. Auf dem Sommerprogramm stand sowieso ein Höhenaufenthalt ini Apennin, und eine freundliche italienische Empfehlung wies uns an eine Stätte, die einer deutschen Auffassung von Sommerfrische, deutschem Hunger nach Wald und reiner Luft, nach Leben in der Natur so entsprach, wie es in Deutschland nicht besser hätte geschehen können. Auf herrlichem Vahnwege, der an Lucca vorbei die westlichen Abhänge des Apennins von Pistoia erklettert, denn in noch herrlicherer vierstündiger Wagen¬ fahrt, die an den eleganten, von Heine litterarisch verewigten Lagni all luneeÄ vorbei und im Thal der Lima aufwärts führt, gelangen wir nach dem Hauptort des Thales, S. Marcello-Pistoiese und dann — weshalb sollte ich den uns lieb ge- wordnen Erdenwinkel nicht ganz genau bezeichnen — nach Limestre und zur Villa Margherita. In dem breiten Thal der Limestre, die sich bei dem malerisch liegenden nahen Mamminno in die Lima ergießt, unmittelbar um rauschenden Wasser steht das freundliche Haus mit den grünen Fensterläden, versteckt in Laubwerk aller Art und gesichert gegen den Lärm der Außenwelt, deun der Weg führt nur zu ihm, keiner an ihm vorüber. Die wenigen kunstlosen Gartenanlagen, die es um¬ geben, und der Tennisplatz leiten sofort in Waldungen von Edelkastanien über. Dieser herrliche Baum, der eben seine weißen Leuchterblüten anzuzünden beginnt, giebt der zweiten Höhenzone des pistoiesischen Apennin, in der wir auf einer Hohe von 630 Metern sind, den Charakter. Während in der untern Zone der Ölbaum der herrschende Baum ist und mit dem Weinstock zusammen den Hauptreichtum der untern Thalstufe ausmacht, während in den obern von etwa 890 Metern ab bis zu den bis 2000 Metern ansteigenden Berghäuptern nur Eiche und Tanne den Kältegraden und Winden des apenninischen Winters Trotz bieten, ist unsre mittlere Zone auf weite Strecken mit dem grünen Gewand der Kastanienwaldunge» bekleidet. Die Natur des Baumes, aber auch seine Kultur durch den Menschen, das Streben nach Frucht- und Holzgewinnnng schreiben vor, daß in diesen grünen Räumen die einzelnen Bäume nicht zu gedrängt stehn; dadurch wird das Auf¬ wachse» von Unterholz, die Bildung eiues fast ununterbrochnem Nasenteppichs, einer reichen und interessanten Flora begünstigt. Die Behandlung der Kastanie durch deu Menschen macht auch deu an sich schon malerischen Wuchs des Baumes uoch herrlicher und oft geradezu bizarr, sodaß er dem Maler und seinem modernen Nachfolger, dem Liebhaberphotographcn, prächtige Vorwürfe liefert. Und wie herrlich wandert es sich in dieser Kastanienwaldung in der köstlichen Ungebundenheit und Freiheit, die dem Fußwandrer in Italien beschieden ist. Hier ist nicht „das laute Schreien und Singen im Walde" verboten, hier bekümmert sich kein Mensch darum, ob man „außerhalb der gebahnten Wege" seineu botanischen, geologische» oder sonstigen Sonderueigungen nachgeht. Man kann auch, wenn mau durchaus will, „Feuer im Walde anmachen": höchstens wird sich der Köhler, der hier überall Kastanienäste und -Zweige zu Holzkohle umwandelt, darüber wundern, daß man in seinen anstrengenden Beruf zu pfuschen scheint. Hier begrüßt einen keine Tafel der löblichen Forstbehörde: „Dieser Weg ist verboten" mit der ent¬ sprechenden liebenswürdige!? Strafandrohung. Im Gegenteil, man suche sich uur selbst eiuen Weg, das ist in vielen Fällen nicht nur ratsam, sondern mich nötig, denn gebahnte Wege giebts nicht allzuviel, und die durch den Gebrauch geschaffnen täuschen oft und lassen den Wandrer ratlos im Stich, nachdem sie ihn zum nächsten Kohlenmeiler in ein dichtes Gebüsch und an eine steile Gebirgshalde geführt haben. Hier, an einem an Thälern und Schluchten, Bächen und Wildwasserbetten überreichen Gelände, das bald das Entzücken, bald die Verzweiflung des italienischen Offiziers und Topographen hervorrufe» muß, lernt der moderne, durch Wegweiser

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/504>, abgerufen am 29.06.2024.