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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Uursächfische Streifzüge

er auch wirklich Studierens halber gekommen sei. Deshalb entstand damals
die Studentenregel: "Willst du dich Vergnügen, geh sonstwohin, willst du
studieren, so geh nach Wittenberg."

Aber je mehr die Zahl der Studenten wuchs, um so mehr wuchs auch
unter ihnen die Zahl der unreinen Geister, denen das Evangelium und die
Wissenschaft Nebensache war; sie hießen in Wittenberg "Speckstudenten," weil
sie sich lieber in der "Specke," einem Lustwäldchen beim Dorfe Lopez, herum¬
trieben, als die Collegia besuchten; liederliche Dirnen erschienen in ihrem
Gefolge. Vergebens bittet Luther seinen "Bruder Studium, sich still, züchtig
und ehrlich zu halten, des warten, warum sie hergesandt und mit schweren
Kosten von den Ihren erhalten werden, daß sie Kunst und Tugend lernen,
weil die Zeit da ist, und solche feine Prüzeptoren da sind," vergebens wendet
er sich in Predigt und Ermahnung an den Rat und die Bürgerschaft, das;
sie der einreihenden Liederlichkeit steuern. Es geschah nichts Durchgreifendes,
weil zahlreiche Bürger am Bruder Studio um so besser ihr Schäfchen scheren
konnten, je mehr dieser in Saus und Braus dahinlebte. Allerhand amtlicher
Verdruß, namentlich mit den "garstigen Juristen" der Universität kam hinzu,
sodaß Luther im Jahre 1545, als er überdies durch körperliche Leiden arg
mitgenommen war, zu dem Entschlüsse kam, Wittenberg den Rücken zu kehren.
Am 28. Juli dieses Jahres schrieb er von Zeitz aus an seine Frau: "Ich
wollts gerne so machen, daß ich nicht müßte wieder geu Wittenberg kommen.
Mein Herz ist erkaltet, daß ich nicht gern da bin; wollt auch, daß Du ver¬
kauftest Garten und Hufe, Haus und Hof. . . Und wäre Dein Bestes, daß
Du Dich gen Zulsdorf setzest, weil ich noch lebe. . . Will also umher¬
schweifen und eher das Bettelbrot essen, ehe ich meine arm alte letzte Tage
mit dem unordigen Wesen zu Wittenberg martern und beunruhigen will mit
Verlust meiner sauern und teuern Arbeit." Dieser Brief, den Frau Käthe
alsbald den Freunden zeigte, und der in Abschrift anch an den Kurfürsten
uach Torgau geschickt wurde, machte tiefen Eindruck. Eine Abordnung des
akademischen Senats und des Rats wurde zu Luther nach Merseburg geschickt
und versprach gründliche Abändrung aller der Unsitten, über die sich Luther
beschwert hatte: "das verthunliche Wesen" bei Hochzeiten und Kindtaufen,
das leichtfertige Treiben auf den Tanzböden, die unzüchtige Kleidung der
Jungfrauen, das nächtliche Geschrei und Toben auf deu Straßen sollte auf¬
hören; auch der kurfürstliche Leibarzt Ratzeberger kam im Auftrage seines Herrn,
den erzürnten Reformator zu beschwichtigen, und so kehrte denn Luther zur
Freude aller Beteiligten nach Wittenberg zurück und blieb in gutem Ein¬
vernehmen mit der Stadt und den Bürgern, bis ihn im folgenden Jahre
zu Eisleben der Tod heimholte.

Nach seinem Tode kamen schwere Zeiten über die Stadt. Der Kurfürst
Johann Friedrich hatte sie durch Befestigungsbauten aller Art zu seinem
Hauptbollwerk umgeschaffen, um nötigenfalls den Angriff des Kaisers hinter
ihren Mauern zu besteh" -- aber noch ehe er auf dem Rückzüge aus
Moritzens Gebiet Wittenberg erreichte, wurde sein Heer auf der Lochaner
Heide zersprengt, und er selbst gefangen. Statt seiner erschienen mit der
Schreckenskunde der verwundete Kurprinz und einige Hundert Reiter, wenig
Tage später der Kaiser. Als er im Westen der Stadt dein Dorfe Blcsern
gegenüber, wo noch jetzt ein Ackerstück das Kaiscrlager heißt, am Bistritzerbach
sein Zelt aufschlagen ließ, soll er erstaunt über die Stärke der vor ihm
liegenden Festung geäußert haben: "Hütten wir den Vogel nicht, das Nest
würden wir schwerlich bekommen" -- und in der That, er wäre uicht im¬
stande gewesen, die Stadt einzunehmen, aber durch das über Johann
Friedrich verhängte Todesurteil erschreckte er die tapfere Kurfürstin Sibylle
so sehr, daß Wittenberg am 15. Mai 1547 kapitulierte. Nun ritt Karl mit
König Ferdinand durch die Straßen bis an die Marienkirche, entblößte dort


Uursächfische Streifzüge

er auch wirklich Studierens halber gekommen sei. Deshalb entstand damals
die Studentenregel: „Willst du dich Vergnügen, geh sonstwohin, willst du
studieren, so geh nach Wittenberg."

Aber je mehr die Zahl der Studenten wuchs, um so mehr wuchs auch
unter ihnen die Zahl der unreinen Geister, denen das Evangelium und die
Wissenschaft Nebensache war; sie hießen in Wittenberg „Speckstudenten," weil
sie sich lieber in der „Specke," einem Lustwäldchen beim Dorfe Lopez, herum¬
trieben, als die Collegia besuchten; liederliche Dirnen erschienen in ihrem
Gefolge. Vergebens bittet Luther seinen „Bruder Studium, sich still, züchtig
und ehrlich zu halten, des warten, warum sie hergesandt und mit schweren
Kosten von den Ihren erhalten werden, daß sie Kunst und Tugend lernen,
weil die Zeit da ist, und solche feine Prüzeptoren da sind," vergebens wendet
er sich in Predigt und Ermahnung an den Rat und die Bürgerschaft, das;
sie der einreihenden Liederlichkeit steuern. Es geschah nichts Durchgreifendes,
weil zahlreiche Bürger am Bruder Studio um so besser ihr Schäfchen scheren
konnten, je mehr dieser in Saus und Braus dahinlebte. Allerhand amtlicher
Verdruß, namentlich mit den „garstigen Juristen" der Universität kam hinzu,
sodaß Luther im Jahre 1545, als er überdies durch körperliche Leiden arg
mitgenommen war, zu dem Entschlüsse kam, Wittenberg den Rücken zu kehren.
Am 28. Juli dieses Jahres schrieb er von Zeitz aus an seine Frau: „Ich
wollts gerne so machen, daß ich nicht müßte wieder geu Wittenberg kommen.
Mein Herz ist erkaltet, daß ich nicht gern da bin; wollt auch, daß Du ver¬
kauftest Garten und Hufe, Haus und Hof. . . Und wäre Dein Bestes, daß
Du Dich gen Zulsdorf setzest, weil ich noch lebe. . . Will also umher¬
schweifen und eher das Bettelbrot essen, ehe ich meine arm alte letzte Tage
mit dem unordigen Wesen zu Wittenberg martern und beunruhigen will mit
Verlust meiner sauern und teuern Arbeit." Dieser Brief, den Frau Käthe
alsbald den Freunden zeigte, und der in Abschrift anch an den Kurfürsten
uach Torgau geschickt wurde, machte tiefen Eindruck. Eine Abordnung des
akademischen Senats und des Rats wurde zu Luther nach Merseburg geschickt
und versprach gründliche Abändrung aller der Unsitten, über die sich Luther
beschwert hatte: „das verthunliche Wesen" bei Hochzeiten und Kindtaufen,
das leichtfertige Treiben auf den Tanzböden, die unzüchtige Kleidung der
Jungfrauen, das nächtliche Geschrei und Toben auf deu Straßen sollte auf¬
hören; auch der kurfürstliche Leibarzt Ratzeberger kam im Auftrage seines Herrn,
den erzürnten Reformator zu beschwichtigen, und so kehrte denn Luther zur
Freude aller Beteiligten nach Wittenberg zurück und blieb in gutem Ein¬
vernehmen mit der Stadt und den Bürgern, bis ihn im folgenden Jahre
zu Eisleben der Tod heimholte.

Nach seinem Tode kamen schwere Zeiten über die Stadt. Der Kurfürst
Johann Friedrich hatte sie durch Befestigungsbauten aller Art zu seinem
Hauptbollwerk umgeschaffen, um nötigenfalls den Angriff des Kaisers hinter
ihren Mauern zu besteh» — aber noch ehe er auf dem Rückzüge aus
Moritzens Gebiet Wittenberg erreichte, wurde sein Heer auf der Lochaner
Heide zersprengt, und er selbst gefangen. Statt seiner erschienen mit der
Schreckenskunde der verwundete Kurprinz und einige Hundert Reiter, wenig
Tage später der Kaiser. Als er im Westen der Stadt dein Dorfe Blcsern
gegenüber, wo noch jetzt ein Ackerstück das Kaiscrlager heißt, am Bistritzerbach
sein Zelt aufschlagen ließ, soll er erstaunt über die Stärke der vor ihm
liegenden Festung geäußert haben: „Hütten wir den Vogel nicht, das Nest
würden wir schwerlich bekommen" — und in der That, er wäre uicht im¬
stande gewesen, die Stadt einzunehmen, aber durch das über Johann
Friedrich verhängte Todesurteil erschreckte er die tapfere Kurfürstin Sibylle
so sehr, daß Wittenberg am 15. Mai 1547 kapitulierte. Nun ritt Karl mit
König Ferdinand durch die Straßen bis an die Marienkirche, entblößte dort


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[0498] Uursächfische Streifzüge er auch wirklich Studierens halber gekommen sei. Deshalb entstand damals die Studentenregel: „Willst du dich Vergnügen, geh sonstwohin, willst du studieren, so geh nach Wittenberg." Aber je mehr die Zahl der Studenten wuchs, um so mehr wuchs auch unter ihnen die Zahl der unreinen Geister, denen das Evangelium und die Wissenschaft Nebensache war; sie hießen in Wittenberg „Speckstudenten," weil sie sich lieber in der „Specke," einem Lustwäldchen beim Dorfe Lopez, herum¬ trieben, als die Collegia besuchten; liederliche Dirnen erschienen in ihrem Gefolge. Vergebens bittet Luther seinen „Bruder Studium, sich still, züchtig und ehrlich zu halten, des warten, warum sie hergesandt und mit schweren Kosten von den Ihren erhalten werden, daß sie Kunst und Tugend lernen, weil die Zeit da ist, und solche feine Prüzeptoren da sind," vergebens wendet er sich in Predigt und Ermahnung an den Rat und die Bürgerschaft, das; sie der einreihenden Liederlichkeit steuern. Es geschah nichts Durchgreifendes, weil zahlreiche Bürger am Bruder Studio um so besser ihr Schäfchen scheren konnten, je mehr dieser in Saus und Braus dahinlebte. Allerhand amtlicher Verdruß, namentlich mit den „garstigen Juristen" der Universität kam hinzu, sodaß Luther im Jahre 1545, als er überdies durch körperliche Leiden arg mitgenommen war, zu dem Entschlüsse kam, Wittenberg den Rücken zu kehren. Am 28. Juli dieses Jahres schrieb er von Zeitz aus an seine Frau: „Ich wollts gerne so machen, daß ich nicht müßte wieder geu Wittenberg kommen. Mein Herz ist erkaltet, daß ich nicht gern da bin; wollt auch, daß Du ver¬ kauftest Garten und Hufe, Haus und Hof. . . Und wäre Dein Bestes, daß Du Dich gen Zulsdorf setzest, weil ich noch lebe. . . Will also umher¬ schweifen und eher das Bettelbrot essen, ehe ich meine arm alte letzte Tage mit dem unordigen Wesen zu Wittenberg martern und beunruhigen will mit Verlust meiner sauern und teuern Arbeit." Dieser Brief, den Frau Käthe alsbald den Freunden zeigte, und der in Abschrift anch an den Kurfürsten uach Torgau geschickt wurde, machte tiefen Eindruck. Eine Abordnung des akademischen Senats und des Rats wurde zu Luther nach Merseburg geschickt und versprach gründliche Abändrung aller der Unsitten, über die sich Luther beschwert hatte: „das verthunliche Wesen" bei Hochzeiten und Kindtaufen, das leichtfertige Treiben auf den Tanzböden, die unzüchtige Kleidung der Jungfrauen, das nächtliche Geschrei und Toben auf deu Straßen sollte auf¬ hören; auch der kurfürstliche Leibarzt Ratzeberger kam im Auftrage seines Herrn, den erzürnten Reformator zu beschwichtigen, und so kehrte denn Luther zur Freude aller Beteiligten nach Wittenberg zurück und blieb in gutem Ein¬ vernehmen mit der Stadt und den Bürgern, bis ihn im folgenden Jahre zu Eisleben der Tod heimholte. Nach seinem Tode kamen schwere Zeiten über die Stadt. Der Kurfürst Johann Friedrich hatte sie durch Befestigungsbauten aller Art zu seinem Hauptbollwerk umgeschaffen, um nötigenfalls den Angriff des Kaisers hinter ihren Mauern zu besteh» — aber noch ehe er auf dem Rückzüge aus Moritzens Gebiet Wittenberg erreichte, wurde sein Heer auf der Lochaner Heide zersprengt, und er selbst gefangen. Statt seiner erschienen mit der Schreckenskunde der verwundete Kurprinz und einige Hundert Reiter, wenig Tage später der Kaiser. Als er im Westen der Stadt dein Dorfe Blcsern gegenüber, wo noch jetzt ein Ackerstück das Kaiscrlager heißt, am Bistritzerbach sein Zelt aufschlagen ließ, soll er erstaunt über die Stärke der vor ihm liegenden Festung geäußert haben: „Hütten wir den Vogel nicht, das Nest würden wir schwerlich bekommen" — und in der That, er wäre uicht im¬ stande gewesen, die Stadt einzunehmen, aber durch das über Johann Friedrich verhängte Todesurteil erschreckte er die tapfere Kurfürstin Sibylle so sehr, daß Wittenberg am 15. Mai 1547 kapitulierte. Nun ritt Karl mit König Ferdinand durch die Straßen bis an die Marienkirche, entblößte dort

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/498>, abgerufen am 29.06.2024.