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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Aursächsische Streifzüge

vor dem an der Ostseite angebrachten Kruzifix, das er erstaunt betrachtete, sein
Haupt und ordnete trotz der Hetzreden seiner Beichtiger an, daß der evangelische
Gottesdienst zunächst nicht gestört werde. Was man sonst von seinem Aufenthalt
in Wittenberg erzählt, namentlich die berühmte Szene in der Schloßkirche am
Grabe des Erzketzers, läßt sich schlechterdings nicht als geschichtlich erweisen.

Die Stadt Wittenberg kam, da sie vertragsmäßig nur vou deutschen
Söldnern be clzt wurde, verhältnismäßig glimpflich weg. Auch im Dreißig¬
jährigen Kriege erging es Wittenberg nicht am schlimmsten. Wahrend des
Nordischen Krieges sah es am 21. Februar 1707 den trotzigen Helden
Karl XII in seinen Mauern, der als eifriger Protestant Luthers Gedächtnis
zu verehren kam, am 14. Oktober 1712 den von der Hochzeit seines Sohnes
Alexei aus Torgau kommenden Peter den Großen: er war auch in Luthers
Stube und begehrte die kostbarste Reliquie dieses Raumes, Luthers Trinkglas,
mitzunehmen:'als es ihm verwehrt wurde, regte sich in ihm der Asiat, und
er ließ es fallen, sodaß es in Stücke zersprang. Im siebenjährigen Kriege
litt die Stadt furchtbar durch ein Bombardement der Österreicher (13. Ok¬
tober 1760). Nach dem Hubertnsburger Frieden sollte sie aufhören. Festung
zu sein. Ein sächsischer Topograph schreibt von Wittenbcrgs Festungswerken
im Jnhre 1802: "Der breite tiefe Wassergraben hat sich größtenteils durch
Vermehrung des Schlammes zugcfüllt und ist seit zehn Jahren an mehreren
Stellen der Nordseite ausgefüllt, vererbpachtct und in Gärten verwandelt, die
Basteien sind eingerissen, und der hohe Wall ist seit 1768 mit Frucht- und
Maulbeerbäumen bepflanzt worden."

Aber Napoleon befahl schon 1806. die wichtige Stadt aufs neue zu
befestige". Später wünschte er sie zu einem Waffenplatz ersten Ranges
umzugestalten; zum Glück für die Altertümer der Stadt trat Torgau für
Wittenberg ein. Doch hat Wittenberg die Schrecken des Krieges von 1813
und 1814 ganz in demselben Maße ' erfahren wie Torgau. Nachdem noch
am 15. August 1813, am Napolconstcige, in der Stadtkirche das Lslvum
tuo Mxolvcmöin mit begleitenden Trommelwirbel und folgendem Vivs
l'öinxsrizur erklungen war, wurde Wittenberg im September von Bülow von
Dennewitz belagert und sechs Tage lang vergeblich bombardiert. Erst die
dritte Belagerung und Beschießung führte zum Ziel: in der Nacht vom 12.
zum 13. Januar 1814 wurde Wittenberg, nicht viel mehr als ein rauchender,
blut- und leichmbedeckter Trümmerhaufen, vou den Preußen unter Geueral
von Dobschütz erstürmt. Das Elend der Stadt in dieser Zeit war so groß,
daß für ihre Wiederherstellung in ganz Deutschland, ja sogar in Schottland Geld
gesammelt wurde. Auch die Universität war auf das härteste betroffen: in den
Pfarrakten des Dorfes Merschwitz bei Meißen fand ich eine Notiz, wonach die
Wittenberger Universitätsbibliothek während der Kriegsgrenel des Jahres 1813
auf Kähne verladen nach Dresden gebracht werden sollte; doch waren die Kähne
von Kosaken angehalten und zum Passieren der Elbe verwandt worden, sodaßvie kostbaren Bücher gelandet und einstweilen in Seußlitz untergebracht wurden.

^ Die preußische Herrschaft brachte der Stadt zunächst einen empfindlichen
^erlust: die Verlegung der Universität und ihre Vereinigung mit der Hallischen
(1815). Doch vernarbten allmählich die Wunden des Kriegs, und während
Teil der deutschen akademischen Jugend am 31. Oktober 1817 die Farce
sogeucinuteu Wartburgfestes beging, weilte Friedrich Wilhelm III. mit
mehreren Prinzen in Wittenberg, stiftete die notdürftig erneuerte Schloßkirche
euiem Predigerseminar und legte auf dein Markte den Grundstein zu Schadows
^utherdeukmal. Weit großartiger und nachhaltiger waren die Luthertage des
Wahres 1883 und die Feier des 31. Oktober 1892. wo die prachtvoll erneuerte
Schloßkirche vom Kaiser Wilhelm II. persönlich geweiht wurde.

Heute ist Wittenberg eine Stadt, der weder eine besondre geschäftliche
noch eine besondre geistige Regsamkeit nachgerühmt wird. Sogar die Theater-


Aursächsische Streifzüge

vor dem an der Ostseite angebrachten Kruzifix, das er erstaunt betrachtete, sein
Haupt und ordnete trotz der Hetzreden seiner Beichtiger an, daß der evangelische
Gottesdienst zunächst nicht gestört werde. Was man sonst von seinem Aufenthalt
in Wittenberg erzählt, namentlich die berühmte Szene in der Schloßkirche am
Grabe des Erzketzers, läßt sich schlechterdings nicht als geschichtlich erweisen.

Die Stadt Wittenberg kam, da sie vertragsmäßig nur vou deutschen
Söldnern be clzt wurde, verhältnismäßig glimpflich weg. Auch im Dreißig¬
jährigen Kriege erging es Wittenberg nicht am schlimmsten. Wahrend des
Nordischen Krieges sah es am 21. Februar 1707 den trotzigen Helden
Karl XII in seinen Mauern, der als eifriger Protestant Luthers Gedächtnis
zu verehren kam, am 14. Oktober 1712 den von der Hochzeit seines Sohnes
Alexei aus Torgau kommenden Peter den Großen: er war auch in Luthers
Stube und begehrte die kostbarste Reliquie dieses Raumes, Luthers Trinkglas,
mitzunehmen:'als es ihm verwehrt wurde, regte sich in ihm der Asiat, und
er ließ es fallen, sodaß es in Stücke zersprang. Im siebenjährigen Kriege
litt die Stadt furchtbar durch ein Bombardement der Österreicher (13. Ok¬
tober 1760). Nach dem Hubertnsburger Frieden sollte sie aufhören. Festung
zu sein. Ein sächsischer Topograph schreibt von Wittenbcrgs Festungswerken
im Jnhre 1802: „Der breite tiefe Wassergraben hat sich größtenteils durch
Vermehrung des Schlammes zugcfüllt und ist seit zehn Jahren an mehreren
Stellen der Nordseite ausgefüllt, vererbpachtct und in Gärten verwandelt, die
Basteien sind eingerissen, und der hohe Wall ist seit 1768 mit Frucht- und
Maulbeerbäumen bepflanzt worden."

Aber Napoleon befahl schon 1806. die wichtige Stadt aufs neue zu
befestige». Später wünschte er sie zu einem Waffenplatz ersten Ranges
umzugestalten; zum Glück für die Altertümer der Stadt trat Torgau für
Wittenberg ein. Doch hat Wittenberg die Schrecken des Krieges von 1813
und 1814 ganz in demselben Maße ' erfahren wie Torgau. Nachdem noch
am 15. August 1813, am Napolconstcige, in der Stadtkirche das Lslvum
tuo Mxolvcmöin mit begleitenden Trommelwirbel und folgendem Vivs
l'öinxsrizur erklungen war, wurde Wittenberg im September von Bülow von
Dennewitz belagert und sechs Tage lang vergeblich bombardiert. Erst die
dritte Belagerung und Beschießung führte zum Ziel: in der Nacht vom 12.
zum 13. Januar 1814 wurde Wittenberg, nicht viel mehr als ein rauchender,
blut- und leichmbedeckter Trümmerhaufen, vou den Preußen unter Geueral
von Dobschütz erstürmt. Das Elend der Stadt in dieser Zeit war so groß,
daß für ihre Wiederherstellung in ganz Deutschland, ja sogar in Schottland Geld
gesammelt wurde. Auch die Universität war auf das härteste betroffen: in den
Pfarrakten des Dorfes Merschwitz bei Meißen fand ich eine Notiz, wonach die
Wittenberger Universitätsbibliothek während der Kriegsgrenel des Jahres 1813
auf Kähne verladen nach Dresden gebracht werden sollte; doch waren die Kähne
von Kosaken angehalten und zum Passieren der Elbe verwandt worden, sodaßvie kostbaren Bücher gelandet und einstweilen in Seußlitz untergebracht wurden.

^ Die preußische Herrschaft brachte der Stadt zunächst einen empfindlichen
^erlust: die Verlegung der Universität und ihre Vereinigung mit der Hallischen
(1815). Doch vernarbten allmählich die Wunden des Kriegs, und während
Teil der deutschen akademischen Jugend am 31. Oktober 1817 die Farce
sogeucinuteu Wartburgfestes beging, weilte Friedrich Wilhelm III. mit
mehreren Prinzen in Wittenberg, stiftete die notdürftig erneuerte Schloßkirche
euiem Predigerseminar und legte auf dein Markte den Grundstein zu Schadows
^utherdeukmal. Weit großartiger und nachhaltiger waren die Luthertage des
Wahres 1883 und die Feier des 31. Oktober 1892. wo die prachtvoll erneuerte
Schloßkirche vom Kaiser Wilhelm II. persönlich geweiht wurde.

Heute ist Wittenberg eine Stadt, der weder eine besondre geschäftliche
noch eine besondre geistige Regsamkeit nachgerühmt wird. Sogar die Theater-


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[0499] Aursächsische Streifzüge vor dem an der Ostseite angebrachten Kruzifix, das er erstaunt betrachtete, sein Haupt und ordnete trotz der Hetzreden seiner Beichtiger an, daß der evangelische Gottesdienst zunächst nicht gestört werde. Was man sonst von seinem Aufenthalt in Wittenberg erzählt, namentlich die berühmte Szene in der Schloßkirche am Grabe des Erzketzers, läßt sich schlechterdings nicht als geschichtlich erweisen. Die Stadt Wittenberg kam, da sie vertragsmäßig nur vou deutschen Söldnern be clzt wurde, verhältnismäßig glimpflich weg. Auch im Dreißig¬ jährigen Kriege erging es Wittenberg nicht am schlimmsten. Wahrend des Nordischen Krieges sah es am 21. Februar 1707 den trotzigen Helden Karl XII in seinen Mauern, der als eifriger Protestant Luthers Gedächtnis zu verehren kam, am 14. Oktober 1712 den von der Hochzeit seines Sohnes Alexei aus Torgau kommenden Peter den Großen: er war auch in Luthers Stube und begehrte die kostbarste Reliquie dieses Raumes, Luthers Trinkglas, mitzunehmen:'als es ihm verwehrt wurde, regte sich in ihm der Asiat, und er ließ es fallen, sodaß es in Stücke zersprang. Im siebenjährigen Kriege litt die Stadt furchtbar durch ein Bombardement der Österreicher (13. Ok¬ tober 1760). Nach dem Hubertnsburger Frieden sollte sie aufhören. Festung zu sein. Ein sächsischer Topograph schreibt von Wittenbcrgs Festungswerken im Jnhre 1802: „Der breite tiefe Wassergraben hat sich größtenteils durch Vermehrung des Schlammes zugcfüllt und ist seit zehn Jahren an mehreren Stellen der Nordseite ausgefüllt, vererbpachtct und in Gärten verwandelt, die Basteien sind eingerissen, und der hohe Wall ist seit 1768 mit Frucht- und Maulbeerbäumen bepflanzt worden." Aber Napoleon befahl schon 1806. die wichtige Stadt aufs neue zu befestige». Später wünschte er sie zu einem Waffenplatz ersten Ranges umzugestalten; zum Glück für die Altertümer der Stadt trat Torgau für Wittenberg ein. Doch hat Wittenberg die Schrecken des Krieges von 1813 und 1814 ganz in demselben Maße ' erfahren wie Torgau. Nachdem noch am 15. August 1813, am Napolconstcige, in der Stadtkirche das Lslvum tuo Mxolvcmöin mit begleitenden Trommelwirbel und folgendem Vivs l'öinxsrizur erklungen war, wurde Wittenberg im September von Bülow von Dennewitz belagert und sechs Tage lang vergeblich bombardiert. Erst die dritte Belagerung und Beschießung führte zum Ziel: in der Nacht vom 12. zum 13. Januar 1814 wurde Wittenberg, nicht viel mehr als ein rauchender, blut- und leichmbedeckter Trümmerhaufen, vou den Preußen unter Geueral von Dobschütz erstürmt. Das Elend der Stadt in dieser Zeit war so groß, daß für ihre Wiederherstellung in ganz Deutschland, ja sogar in Schottland Geld gesammelt wurde. Auch die Universität war auf das härteste betroffen: in den Pfarrakten des Dorfes Merschwitz bei Meißen fand ich eine Notiz, wonach die Wittenberger Universitätsbibliothek während der Kriegsgrenel des Jahres 1813 auf Kähne verladen nach Dresden gebracht werden sollte; doch waren die Kähne von Kosaken angehalten und zum Passieren der Elbe verwandt worden, sodaßvie kostbaren Bücher gelandet und einstweilen in Seußlitz untergebracht wurden. ^ Die preußische Herrschaft brachte der Stadt zunächst einen empfindlichen ^erlust: die Verlegung der Universität und ihre Vereinigung mit der Hallischen (1815). Doch vernarbten allmählich die Wunden des Kriegs, und während Teil der deutschen akademischen Jugend am 31. Oktober 1817 die Farce sogeucinuteu Wartburgfestes beging, weilte Friedrich Wilhelm III. mit mehreren Prinzen in Wittenberg, stiftete die notdürftig erneuerte Schloßkirche euiem Predigerseminar und legte auf dein Markte den Grundstein zu Schadows ^utherdeukmal. Weit großartiger und nachhaltiger waren die Luthertage des Wahres 1883 und die Feier des 31. Oktober 1892. wo die prachtvoll erneuerte Schloßkirche vom Kaiser Wilhelm II. persönlich geweiht wurde. Heute ist Wittenberg eine Stadt, der weder eine besondre geschäftliche noch eine besondre geistige Regsamkeit nachgerühmt wird. Sogar die Theater-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/499>, abgerufen am 28.09.2024.