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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Doktor Duttmnller und sein Freund

Doktor, ich meine, ein strengeres Pflichtbewußtsein, ein feineres Gefühl für das Schick¬
liche, natürlicher Takt, ein stärkeres Rechtsbewußtsein, turn das nicht durch Übung
von Geschlecht zu Geschlecht zu dem Besitztum dieses oder jenes Standes werden?

Hin! eine etwas schwierige Frage.

Ich meine also zum Beispiel den Ehrbegriff des Offiziers, den Pflichtbegriff
des Beamten, die Lebensanschauung des Geistlichen. Ich habe darüber viel nach¬
gedacht. Mit Darwin würde es stimmen. Ich gehöre nicht zu den Materialisten, ich
kann mich Ma dem schönen Vorurteil, daß wir eine Seele haben, nicht trennen. Aber
auch dann würde es stimmen. Wenn es eine körperliche Erbschaft giebt, muß es
auch eine geistige geben, da doch der Geist in Abhängigkeit vom Körper steht.

Ganz gewiß, Frau Collega.

Nicht wahr, Sie geben mir recht? fuhr Alice fort. Dann darf man aber auch den
einzelnen Menschen als solchen nicht beurteilen, man muß ihn betrachten als Glied
seines Standes. Man muß nachsichtig sein gegen solche, die in sogenannte höhere
Stände einrücken und die Vorurteile oder Mängel ihres Standes mitbringen. Sie
sind nun einmal nicht anders gestaltet, sie können nicht anders. So wenig man
der Arbeiterin ihre unschön gebildete Hand vorwerfen kann, so wenig einem Menschen
niedern Standes, wenn er die seinein Stande eigentümlichen Anschauungen beibehält.
Erst in der Zukunft, im nächsten Geschlecht gleicht sich das aus. Neulich klagte der
alte Herr Pastor über seine jungen Amtsbruder, sie seien von unten herein gerückt
und verschlechterten den Stand. Ich widersprach, aber er hatte doch Recht, nur daß
man sich nicht beklagen darf.

Doktor Blume fing an zu versteh". Denn mit den Mediziner" war es
ebenso, und bei Duttmüller traf es auch zu. Die arme Frau fühlte den Mangel
und suchte nach Gründen, ihn zu entschuldigen.

Ich sagte vorhin, entgegnete Doktor Blume, daß Sie mir nicht gefallen, jetzt
will ich Ihnen sagen, woran es fehlt. Sie tifteln zu viel. Als normale Frau
müssen Sie mehr reden und weniger denken. Beschäftigen Sie sich doch mit Ihrer
Wirtschaft.

Wenn ich das könnte!

Ja, warum denn nicht? Aha! Da ist die alte Duttmüllern, die hat wahr¬
scheinlich das Departement an sich gerissen und läßt Sie an nichts heran.

Alice nickte.

Man muß die Intelligenz dieser alten Weiber wirklich bewundern! Na
warten Sie, ich will Ihnen meine Fran schicken, die hat ein gottgesegnetes Mund¬
werk. Die soll Sie auf andre Gedanken bringen. Im Ernst geredet, Frauen
müssen sich aussprechen können, sonst bekommen sie geistige Indigestionen.

Hier kam Doktor Dnttmüller zurück. Als er seiue Frau Visavis von Doktor
Blume sah, machte er ein etwas verdutztes Gesicht. Er war ja dem Doktor Blume
nicht feind, aber er ging ihm aus dem Wege. Er fürchtete seinen scharfen Blick
und fein deutliches Wort. Der Verkehr zwischen den beiden Doktorhäusern in Nodes-
heini und in Holzweißig war nicht über einige notwendige Formen hinausgekommen.

Doktor Blume hatte mit dem Herrn Kollegen ein Wort zu sprechen, wozu
sich beide ins Sprechzimmer begaben. Es gab eine lange Auseinandersetzung.
Man hörte Doktor Duttmüller im Zimmer uncherstampfen. Als Doktor Blume ge¬
gangen war, folgte eine erregte Auseinandersetzung von Louis Duttmüller mit
seiner Mutter. Was er ihr mitgeteilt hat, ist nicht gehört worden, Wohl aber,
daß die Duttmüllern fuchswild war und mehrmals ausrief: Anzeigen mußt du
den Lump, ins Zuchthaus mußt du ihn bringen, den Luribmns miserabeln. Worauf
Doktor Duttmüller wieder erregt auf und ab lief, ohne jedoch zu einem Entschluß
kommen zu können.

Nach einiger Zeit erhob sich im Dorfe ein großer Lärm. Die alte Krügern
lief von Haus zu Haus, rang die Hände und schrie, so laut sie konnte. Man
redete in den Häusern, man blieb auf der Gasse stehn und tuschelte, ein Gefühl
noch nicht dagewesener Entrüstung verbreitete sich durch das ganze Dorf. Die
Tochter der Krügern war gestorben, und zwar in der Klinik von Professor Emden,


Doktor Duttmnller und sein Freund

Doktor, ich meine, ein strengeres Pflichtbewußtsein, ein feineres Gefühl für das Schick¬
liche, natürlicher Takt, ein stärkeres Rechtsbewußtsein, turn das nicht durch Übung
von Geschlecht zu Geschlecht zu dem Besitztum dieses oder jenes Standes werden?

Hin! eine etwas schwierige Frage.

Ich meine also zum Beispiel den Ehrbegriff des Offiziers, den Pflichtbegriff
des Beamten, die Lebensanschauung des Geistlichen. Ich habe darüber viel nach¬
gedacht. Mit Darwin würde es stimmen. Ich gehöre nicht zu den Materialisten, ich
kann mich Ma dem schönen Vorurteil, daß wir eine Seele haben, nicht trennen. Aber
auch dann würde es stimmen. Wenn es eine körperliche Erbschaft giebt, muß es
auch eine geistige geben, da doch der Geist in Abhängigkeit vom Körper steht.

Ganz gewiß, Frau Collega.

Nicht wahr, Sie geben mir recht? fuhr Alice fort. Dann darf man aber auch den
einzelnen Menschen als solchen nicht beurteilen, man muß ihn betrachten als Glied
seines Standes. Man muß nachsichtig sein gegen solche, die in sogenannte höhere
Stände einrücken und die Vorurteile oder Mängel ihres Standes mitbringen. Sie
sind nun einmal nicht anders gestaltet, sie können nicht anders. So wenig man
der Arbeiterin ihre unschön gebildete Hand vorwerfen kann, so wenig einem Menschen
niedern Standes, wenn er die seinein Stande eigentümlichen Anschauungen beibehält.
Erst in der Zukunft, im nächsten Geschlecht gleicht sich das aus. Neulich klagte der
alte Herr Pastor über seine jungen Amtsbruder, sie seien von unten herein gerückt
und verschlechterten den Stand. Ich widersprach, aber er hatte doch Recht, nur daß
man sich nicht beklagen darf.

Doktor Blume fing an zu versteh«. Denn mit den Mediziner» war es
ebenso, und bei Duttmüller traf es auch zu. Die arme Frau fühlte den Mangel
und suchte nach Gründen, ihn zu entschuldigen.

Ich sagte vorhin, entgegnete Doktor Blume, daß Sie mir nicht gefallen, jetzt
will ich Ihnen sagen, woran es fehlt. Sie tifteln zu viel. Als normale Frau
müssen Sie mehr reden und weniger denken. Beschäftigen Sie sich doch mit Ihrer
Wirtschaft.

Wenn ich das könnte!

Ja, warum denn nicht? Aha! Da ist die alte Duttmüllern, die hat wahr¬
scheinlich das Departement an sich gerissen und läßt Sie an nichts heran.

Alice nickte.

Man muß die Intelligenz dieser alten Weiber wirklich bewundern! Na
warten Sie, ich will Ihnen meine Fran schicken, die hat ein gottgesegnetes Mund¬
werk. Die soll Sie auf andre Gedanken bringen. Im Ernst geredet, Frauen
müssen sich aussprechen können, sonst bekommen sie geistige Indigestionen.

Hier kam Doktor Dnttmüller zurück. Als er seiue Frau Visavis von Doktor
Blume sah, machte er ein etwas verdutztes Gesicht. Er war ja dem Doktor Blume
nicht feind, aber er ging ihm aus dem Wege. Er fürchtete seinen scharfen Blick
und fein deutliches Wort. Der Verkehr zwischen den beiden Doktorhäusern in Nodes-
heini und in Holzweißig war nicht über einige notwendige Formen hinausgekommen.

Doktor Blume hatte mit dem Herrn Kollegen ein Wort zu sprechen, wozu
sich beide ins Sprechzimmer begaben. Es gab eine lange Auseinandersetzung.
Man hörte Doktor Duttmüller im Zimmer uncherstampfen. Als Doktor Blume ge¬
gangen war, folgte eine erregte Auseinandersetzung von Louis Duttmüller mit
seiner Mutter. Was er ihr mitgeteilt hat, ist nicht gehört worden, Wohl aber,
daß die Duttmüllern fuchswild war und mehrmals ausrief: Anzeigen mußt du
den Lump, ins Zuchthaus mußt du ihn bringen, den Luribmns miserabeln. Worauf
Doktor Duttmüller wieder erregt auf und ab lief, ohne jedoch zu einem Entschluß
kommen zu können.

Nach einiger Zeit erhob sich im Dorfe ein großer Lärm. Die alte Krügern
lief von Haus zu Haus, rang die Hände und schrie, so laut sie konnte. Man
redete in den Häusern, man blieb auf der Gasse stehn und tuschelte, ein Gefühl
noch nicht dagewesener Entrüstung verbreitete sich durch das ganze Dorf. Die
Tochter der Krügern war gestorben, und zwar in der Klinik von Professor Emden,


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[0456] Doktor Duttmnller und sein Freund Doktor, ich meine, ein strengeres Pflichtbewußtsein, ein feineres Gefühl für das Schick¬ liche, natürlicher Takt, ein stärkeres Rechtsbewußtsein, turn das nicht durch Übung von Geschlecht zu Geschlecht zu dem Besitztum dieses oder jenes Standes werden? Hin! eine etwas schwierige Frage. Ich meine also zum Beispiel den Ehrbegriff des Offiziers, den Pflichtbegriff des Beamten, die Lebensanschauung des Geistlichen. Ich habe darüber viel nach¬ gedacht. Mit Darwin würde es stimmen. Ich gehöre nicht zu den Materialisten, ich kann mich Ma dem schönen Vorurteil, daß wir eine Seele haben, nicht trennen. Aber auch dann würde es stimmen. Wenn es eine körperliche Erbschaft giebt, muß es auch eine geistige geben, da doch der Geist in Abhängigkeit vom Körper steht. Ganz gewiß, Frau Collega. Nicht wahr, Sie geben mir recht? fuhr Alice fort. Dann darf man aber auch den einzelnen Menschen als solchen nicht beurteilen, man muß ihn betrachten als Glied seines Standes. Man muß nachsichtig sein gegen solche, die in sogenannte höhere Stände einrücken und die Vorurteile oder Mängel ihres Standes mitbringen. Sie sind nun einmal nicht anders gestaltet, sie können nicht anders. So wenig man der Arbeiterin ihre unschön gebildete Hand vorwerfen kann, so wenig einem Menschen niedern Standes, wenn er die seinein Stande eigentümlichen Anschauungen beibehält. Erst in der Zukunft, im nächsten Geschlecht gleicht sich das aus. Neulich klagte der alte Herr Pastor über seine jungen Amtsbruder, sie seien von unten herein gerückt und verschlechterten den Stand. Ich widersprach, aber er hatte doch Recht, nur daß man sich nicht beklagen darf. Doktor Blume fing an zu versteh«. Denn mit den Mediziner» war es ebenso, und bei Duttmüller traf es auch zu. Die arme Frau fühlte den Mangel und suchte nach Gründen, ihn zu entschuldigen. Ich sagte vorhin, entgegnete Doktor Blume, daß Sie mir nicht gefallen, jetzt will ich Ihnen sagen, woran es fehlt. Sie tifteln zu viel. Als normale Frau müssen Sie mehr reden und weniger denken. Beschäftigen Sie sich doch mit Ihrer Wirtschaft. Wenn ich das könnte! Ja, warum denn nicht? Aha! Da ist die alte Duttmüllern, die hat wahr¬ scheinlich das Departement an sich gerissen und läßt Sie an nichts heran. Alice nickte. Man muß die Intelligenz dieser alten Weiber wirklich bewundern! Na warten Sie, ich will Ihnen meine Fran schicken, die hat ein gottgesegnetes Mund¬ werk. Die soll Sie auf andre Gedanken bringen. Im Ernst geredet, Frauen müssen sich aussprechen können, sonst bekommen sie geistige Indigestionen. Hier kam Doktor Dnttmüller zurück. Als er seiue Frau Visavis von Doktor Blume sah, machte er ein etwas verdutztes Gesicht. Er war ja dem Doktor Blume nicht feind, aber er ging ihm aus dem Wege. Er fürchtete seinen scharfen Blick und fein deutliches Wort. Der Verkehr zwischen den beiden Doktorhäusern in Nodes- heini und in Holzweißig war nicht über einige notwendige Formen hinausgekommen. Doktor Blume hatte mit dem Herrn Kollegen ein Wort zu sprechen, wozu sich beide ins Sprechzimmer begaben. Es gab eine lange Auseinandersetzung. Man hörte Doktor Duttmüller im Zimmer uncherstampfen. Als Doktor Blume ge¬ gangen war, folgte eine erregte Auseinandersetzung von Louis Duttmüller mit seiner Mutter. Was er ihr mitgeteilt hat, ist nicht gehört worden, Wohl aber, daß die Duttmüllern fuchswild war und mehrmals ausrief: Anzeigen mußt du den Lump, ins Zuchthaus mußt du ihn bringen, den Luribmns miserabeln. Worauf Doktor Duttmüller wieder erregt auf und ab lief, ohne jedoch zu einem Entschluß kommen zu können. Nach einiger Zeit erhob sich im Dorfe ein großer Lärm. Die alte Krügern lief von Haus zu Haus, rang die Hände und schrie, so laut sie konnte. Man redete in den Häusern, man blieb auf der Gasse stehn und tuschelte, ein Gefühl noch nicht dagewesener Entrüstung verbreitete sich durch das ganze Dorf. Die Tochter der Krügern war gestorben, und zwar in der Klinik von Professor Emden,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/456>, abgerufen am 29.06.2024.