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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Doktor Dnttmüllcr und sein Freund

nachdem sie Dnttmüller behandelt und darauf zu Emden gebracht hatte. Nun
wollte der Professor Emden für Operation und Pflege 315 Mark haben, und da das
die Krügern nicht bezahlen konnte, die Leiche nicht eher herausgeben, ehe nicht das
Geld bezahlt sei. Die Krügern bebte vor Grauen und schrie, als wenn sie selber
in die Leichenknmmer eingesperrt werden sollte, und die alten und die jungen
Weiber hatten eine abergläubische Furcht und hielten, wenn sie unter sich waren,
mit ihrem Urteile über Professor Emden nicht zurück: Es sei eine Sünde und
eine Schande, einem armen Menschen das christliche Begräbnis zu verweigern.
Aber die Doktors glaubten selber um nichts und wüßten weiter nichts, als aus
den Kranken soviel Geld hernusznpressen, als nur möglich sei. Und es sei das
beste, sich mit dem Doktor gar nicht einzulassen. Aber wenn einmal einer käme,
der es mit dem armen Menschen gut meine, und der nicht daraus aus sei, den
Apotheker reich zu machen, der werde gleich weggebissen. Und wenn die Krügeru
nicht den jungen Dnttmüller raugelassen hätte, dann lebte ihre Tochter heute noch.

Das half freilich der alten Krügern nichts, und wer weiß, was geschehen
wäre, wenn nicht der alte Herr Pastor von der Sache gehört hätte. Der Herr
Pastor war ein hoher Siebziger und kam wenig aus seinem Pfarrhause heraus,
weil seine alten Beine den Dienst versagten. Als er aber die Not der Krügern
hörte, holte er mit zitternden Händen seinen schwarzen Rock ans dem Kleider¬
schranke, zog mühsam seine Stiefel an, bewaffnete sich mit einem Bogen Papier
und Bleistift und ging aus, um die 315 Mark zu sammeln. Es gelang ihm über
Erwarten leicht. Die Bauern, die sonst sehr zurückhaltend mit ihren Geldern
waren, gaben reichlich, und überall, wo man gab, wurden Professor Emden und
die Mediziner überhaupt in scharfe Kritik genommen.

Kleeberger, sagte der Herr Pastor zu seinem Kircheurendanten, fahren Sie doch
heute nachmittag in die Stadt und bringen Sie dem Professor Emden seiue 315 Mark.

Ich werde den Deibel thun, Herr Pastor, sagte Kleeberger.

Aber Kleeberger! sagte die Frau Pastorin.

Was? so ein Sündengeld dafür, daß er die Krügern totkuriert hat und für
die Paar Tage in der Klinik? Mehr als die Hälfte kriegt er nicht, und das
andre geben wir der alten Krügern zum Begräbnisse, und daß sie ein paar Thäler
in der Hand hat.

Und so geschah es. Professor Emden mußte mit der Hälste zufrieden sein,
und die arme Näherin wurde begraben mit einem Pomp und einer Beteiligung
der Gemeinde, als wenn sie fürs Vaterland gestorben sei. Und im ganzen Dorfe
herrschte große Zufriedenheit.

Weniger war dies der Fall im Hause vou Doktor Duttmüller. Duttmüller
war in der allerschlechtesten Laune, und er gab sich auch keine Mühe, sie zu ver¬
bergen. Die alte Duttmüllern wetterleuchtete im Hause herum. Alice hätte sich
gern mit einer ansehnliche" Gabe den Gebern angereiht, aber sie getraute sich
nicht. Sie konnte sich nicht verbergen, daß die Sammlung nicht allein gegen Pro¬
fessur Emden gerichtet war, sondern auch gegen ihren Mann, der die Kranke zu
Emden gebracht hatte, und dann hätte sie durch ihre Gabe gegen ihren Mann Partei
genommen. So steckte sie wenigstens heimlich Ellen ein Geldstück zu.

Es war, als wenn es Duttmüller geahnt hätte, denn um wandte sich seine
schlechte Laune auch gegen Alice. Als am Abend die Familie Duttmüller und
Ellen, die zu Besuch anwesend war, beim Thee saßen, verhielt sich Duttmüller, der
eifriger als sonst aß, stillschweigend, als er sich aber gesättigt hatte, und das Ge¬
spräch das Ereignis des Tages streifte, sagte er: Diese Bettelei ist ein Skandal.
Daß mir keiner von euch etwas dazu giebt.

Damit kommst du zu spät, Schwager, ich habe bereits zehn Mark dazu gespendet.

Wenn dn dein Geld wegwerfen willst, sagte Duttmüller, so kaun ich das nicht
hindern. Der alte Schleicher von Pastor hätte auch etwas besseres thun können,
"is im Dorfe herumznbctteln.

Höre einmal, Schwager, sagte Ellen, ein alter Schleicher ist der Pastor nicht, sondern
em guter alter Herr, vou dem andre Leute manches lernen könnten, z. B. Güte und


GrenzboK" II 1902 57
Doktor Dnttmüllcr und sein Freund

nachdem sie Dnttmüller behandelt und darauf zu Emden gebracht hatte. Nun
wollte der Professor Emden für Operation und Pflege 315 Mark haben, und da das
die Krügern nicht bezahlen konnte, die Leiche nicht eher herausgeben, ehe nicht das
Geld bezahlt sei. Die Krügern bebte vor Grauen und schrie, als wenn sie selber
in die Leichenknmmer eingesperrt werden sollte, und die alten und die jungen
Weiber hatten eine abergläubische Furcht und hielten, wenn sie unter sich waren,
mit ihrem Urteile über Professor Emden nicht zurück: Es sei eine Sünde und
eine Schande, einem armen Menschen das christliche Begräbnis zu verweigern.
Aber die Doktors glaubten selber um nichts und wüßten weiter nichts, als aus
den Kranken soviel Geld hernusznpressen, als nur möglich sei. Und es sei das
beste, sich mit dem Doktor gar nicht einzulassen. Aber wenn einmal einer käme,
der es mit dem armen Menschen gut meine, und der nicht daraus aus sei, den
Apotheker reich zu machen, der werde gleich weggebissen. Und wenn die Krügeru
nicht den jungen Dnttmüller raugelassen hätte, dann lebte ihre Tochter heute noch.

Das half freilich der alten Krügern nichts, und wer weiß, was geschehen
wäre, wenn nicht der alte Herr Pastor von der Sache gehört hätte. Der Herr
Pastor war ein hoher Siebziger und kam wenig aus seinem Pfarrhause heraus,
weil seine alten Beine den Dienst versagten. Als er aber die Not der Krügern
hörte, holte er mit zitternden Händen seinen schwarzen Rock ans dem Kleider¬
schranke, zog mühsam seine Stiefel an, bewaffnete sich mit einem Bogen Papier
und Bleistift und ging aus, um die 315 Mark zu sammeln. Es gelang ihm über
Erwarten leicht. Die Bauern, die sonst sehr zurückhaltend mit ihren Geldern
waren, gaben reichlich, und überall, wo man gab, wurden Professor Emden und
die Mediziner überhaupt in scharfe Kritik genommen.

Kleeberger, sagte der Herr Pastor zu seinem Kircheurendanten, fahren Sie doch
heute nachmittag in die Stadt und bringen Sie dem Professor Emden seiue 315 Mark.

Ich werde den Deibel thun, Herr Pastor, sagte Kleeberger.

Aber Kleeberger! sagte die Frau Pastorin.

Was? so ein Sündengeld dafür, daß er die Krügern totkuriert hat und für
die Paar Tage in der Klinik? Mehr als die Hälfte kriegt er nicht, und das
andre geben wir der alten Krügern zum Begräbnisse, und daß sie ein paar Thäler
in der Hand hat.

Und so geschah es. Professor Emden mußte mit der Hälste zufrieden sein,
und die arme Näherin wurde begraben mit einem Pomp und einer Beteiligung
der Gemeinde, als wenn sie fürs Vaterland gestorben sei. Und im ganzen Dorfe
herrschte große Zufriedenheit.

Weniger war dies der Fall im Hause vou Doktor Duttmüller. Duttmüller
war in der allerschlechtesten Laune, und er gab sich auch keine Mühe, sie zu ver¬
bergen. Die alte Duttmüllern wetterleuchtete im Hause herum. Alice hätte sich
gern mit einer ansehnliche» Gabe den Gebern angereiht, aber sie getraute sich
nicht. Sie konnte sich nicht verbergen, daß die Sammlung nicht allein gegen Pro¬
fessur Emden gerichtet war, sondern auch gegen ihren Mann, der die Kranke zu
Emden gebracht hatte, und dann hätte sie durch ihre Gabe gegen ihren Mann Partei
genommen. So steckte sie wenigstens heimlich Ellen ein Geldstück zu.

Es war, als wenn es Duttmüller geahnt hätte, denn um wandte sich seine
schlechte Laune auch gegen Alice. Als am Abend die Familie Duttmüller und
Ellen, die zu Besuch anwesend war, beim Thee saßen, verhielt sich Duttmüller, der
eifriger als sonst aß, stillschweigend, als er sich aber gesättigt hatte, und das Ge¬
spräch das Ereignis des Tages streifte, sagte er: Diese Bettelei ist ein Skandal.
Daß mir keiner von euch etwas dazu giebt.

Damit kommst du zu spät, Schwager, ich habe bereits zehn Mark dazu gespendet.

Wenn dn dein Geld wegwerfen willst, sagte Duttmüller, so kaun ich das nicht
hindern. Der alte Schleicher von Pastor hätte auch etwas besseres thun können,
"is im Dorfe herumznbctteln.

Höre einmal, Schwager, sagte Ellen, ein alter Schleicher ist der Pastor nicht, sondern
em guter alter Herr, vou dem andre Leute manches lernen könnten, z. B. Güte und


GrenzboK» II 1902 57
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[0457] Doktor Dnttmüllcr und sein Freund nachdem sie Dnttmüller behandelt und darauf zu Emden gebracht hatte. Nun wollte der Professor Emden für Operation und Pflege 315 Mark haben, und da das die Krügern nicht bezahlen konnte, die Leiche nicht eher herausgeben, ehe nicht das Geld bezahlt sei. Die Krügern bebte vor Grauen und schrie, als wenn sie selber in die Leichenknmmer eingesperrt werden sollte, und die alten und die jungen Weiber hatten eine abergläubische Furcht und hielten, wenn sie unter sich waren, mit ihrem Urteile über Professor Emden nicht zurück: Es sei eine Sünde und eine Schande, einem armen Menschen das christliche Begräbnis zu verweigern. Aber die Doktors glaubten selber um nichts und wüßten weiter nichts, als aus den Kranken soviel Geld hernusznpressen, als nur möglich sei. Und es sei das beste, sich mit dem Doktor gar nicht einzulassen. Aber wenn einmal einer käme, der es mit dem armen Menschen gut meine, und der nicht daraus aus sei, den Apotheker reich zu machen, der werde gleich weggebissen. Und wenn die Krügeru nicht den jungen Dnttmüller raugelassen hätte, dann lebte ihre Tochter heute noch. Das half freilich der alten Krügern nichts, und wer weiß, was geschehen wäre, wenn nicht der alte Herr Pastor von der Sache gehört hätte. Der Herr Pastor war ein hoher Siebziger und kam wenig aus seinem Pfarrhause heraus, weil seine alten Beine den Dienst versagten. Als er aber die Not der Krügern hörte, holte er mit zitternden Händen seinen schwarzen Rock ans dem Kleider¬ schranke, zog mühsam seine Stiefel an, bewaffnete sich mit einem Bogen Papier und Bleistift und ging aus, um die 315 Mark zu sammeln. Es gelang ihm über Erwarten leicht. Die Bauern, die sonst sehr zurückhaltend mit ihren Geldern waren, gaben reichlich, und überall, wo man gab, wurden Professor Emden und die Mediziner überhaupt in scharfe Kritik genommen. Kleeberger, sagte der Herr Pastor zu seinem Kircheurendanten, fahren Sie doch heute nachmittag in die Stadt und bringen Sie dem Professor Emden seiue 315 Mark. Ich werde den Deibel thun, Herr Pastor, sagte Kleeberger. Aber Kleeberger! sagte die Frau Pastorin. Was? so ein Sündengeld dafür, daß er die Krügern totkuriert hat und für die Paar Tage in der Klinik? Mehr als die Hälfte kriegt er nicht, und das andre geben wir der alten Krügern zum Begräbnisse, und daß sie ein paar Thäler in der Hand hat. Und so geschah es. Professor Emden mußte mit der Hälste zufrieden sein, und die arme Näherin wurde begraben mit einem Pomp und einer Beteiligung der Gemeinde, als wenn sie fürs Vaterland gestorben sei. Und im ganzen Dorfe herrschte große Zufriedenheit. Weniger war dies der Fall im Hause vou Doktor Duttmüller. Duttmüller war in der allerschlechtesten Laune, und er gab sich auch keine Mühe, sie zu ver¬ bergen. Die alte Duttmüllern wetterleuchtete im Hause herum. Alice hätte sich gern mit einer ansehnliche» Gabe den Gebern angereiht, aber sie getraute sich nicht. Sie konnte sich nicht verbergen, daß die Sammlung nicht allein gegen Pro¬ fessur Emden gerichtet war, sondern auch gegen ihren Mann, der die Kranke zu Emden gebracht hatte, und dann hätte sie durch ihre Gabe gegen ihren Mann Partei genommen. So steckte sie wenigstens heimlich Ellen ein Geldstück zu. Es war, als wenn es Duttmüller geahnt hätte, denn um wandte sich seine schlechte Laune auch gegen Alice. Als am Abend die Familie Duttmüller und Ellen, die zu Besuch anwesend war, beim Thee saßen, verhielt sich Duttmüller, der eifriger als sonst aß, stillschweigend, als er sich aber gesättigt hatte, und das Ge¬ spräch das Ereignis des Tages streifte, sagte er: Diese Bettelei ist ein Skandal. Daß mir keiner von euch etwas dazu giebt. Damit kommst du zu spät, Schwager, ich habe bereits zehn Mark dazu gespendet. Wenn dn dein Geld wegwerfen willst, sagte Duttmüller, so kaun ich das nicht hindern. Der alte Schleicher von Pastor hätte auch etwas besseres thun können, "is im Dorfe herumznbctteln. Höre einmal, Schwager, sagte Ellen, ein alter Schleicher ist der Pastor nicht, sondern em guter alter Herr, vou dem andre Leute manches lernen könnten, z. B. Güte und GrenzboK» II 1902 57

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/457>, abgerufen am 28.09.2024.