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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Doktor Dnttmüller und sein Freund

dem Mistwagen aufs Feld fuhren und das Zittern kriegten, wenn sie einen Thaler
ausgeben sollten. Das hat die Industrie auf dem Gewissen. Die Industrie demo¬
ralisiert die Menschen, sie untergräbt den Staat. Wenn solche Patrioten die Elemente
sind, auf die sich der Staat bei Erschütterungen stützen soll, dann sind wir auf¬
geschrieben. Wie sieht es denn bei Ihnen aus?

Schlecht, Herr Oberstleutnant. Der Rummel wird nächstens losgehn.

Donnerwetter! Und Sie meinen, die Sache wird schlimm?

Das kann kein Mensch wissen. Wenn die Bestie losgebrochen ist, weiß keiner,
was sie für Unheil anrichtet.

Und was werden Sie thun?

Wir müssen es kommen lassen. Zur Vernunft reden hilft nichts. Wenn ich
nur ein, zwei Dutzend entschlossener Leute hätte, wollte ich mich nicht furchten.

Sie haben Recht. Wandrer, Sie haben Recht. Nur ein paar Dutzend Kerls,
die sich schneidig für die gute Sache einsetzen, und die ganze Schwefelbande reißt
ans. Unsre Stärke ist die Armee, und die Leute, die in der Armee gedient haben,
das Volk in Waffen, die Leute, die sich vor Gott fürchten und sonst vor nichts in
der Welt. Wandrer, bilden Sie Ihre Cadres, suchen Sie die guten Elemente her¬
aus, ich werde dasselbe thun. Ich werde mich an den Kricgerverein wenden.
Die Kriegervereine sind das Knochengerüst des Volkes. Die Kriegervereine bilden
in kritischen Zeiten die Stütze der Gesellschaft. Sie werden von mir hören.
Himmeldonnerwetter, wenn ich denke, daß so ein Haufen zusammengelaufuer Hans¬
wurste mit ihrem verrückten Unsinn im Kopfe die Welt umstülpen wollen, das sollte
ja mit dem Teufel zugehn, wenn wir da nicht Ordnung schaffen wollten.

Der Herr Oberstleutnant war ganz lebhaft geworden. Die schwere Sorge
um Jork war von ihm genommen worden. Er fragte nicht nach dem Wie oder
Wielange, sondern fühlte sich wie ein freier Mann und griff in seiner Weise mit
Feuer eine neue Aufgabe an, und die bestand darin, den Holzweißiger Kriegerverein
auf Kriegsfuß zu bringen. Vor seinen Augen stand es schon fix und fertig, eine
Kompagnie kriegsgeübter und entschlossener Männer, und voraus er selber -- auf
dem Fahrstuhle.

Sehen Sie, lieber Wandrer, sagte er betrübt, so ein Krüppel ist man nun.
Wenn ich aufs Pferd steigen und meine Kriegskameraden hinter mir die Rassel¬
bande in alle Vier Winde auseinanderjagen könnte, das wäre der schönste Tag
Meines Lebens, an dem Tage würde ich gern sterben. Aber so --?

Herr Oberstleutnant, sagte Wandrer scherzend, Sie müssen das nicht so tragisch
nehmen. In dem Zeitalter des Zweirads und des Automobils hat das Pferd nur
noch einen relativen Wert. Der Mann macht es doch, und nicht die Pferdebeine.

Die Augen des Oberstleutnants leuchteten. -- Sie haben Recht, Herr Wandrer,
weiß Gott, Sie haben Recht. Der Mann -nachts und wird es machen. Klapphvrn!

Klapphorn war dienstlich in der Kantine beschäftigt und horte nicht. Auch
nötigten Lydia und der Direktor zum Bleiben, und so mußte man in der Veranda
Erfrischungen annehmen. Der Oberstleutnant war in der besten Laune und er¬
zählte alte Kriegsgeschichten. Dann legte er die Idee einer Erfindung von Chloro¬
formbomben dar und kam auf die Notwendigkeit einer Morphiumsteuer und auf
die Ausbeutung seiner Steinbrüche zu sprechen. Am Abend aber ließ er sich von
Klapphorn in den Kriegcrverein fahren, dessen Ehrenmitglied er war. Der Krieger¬
verein hatte gerade Appell, das heißt er hatte sich versammelt, ein Faß Bier zu
trinken. Der Oberstleutnant bezahlte dieses Bier und hielt eine schneidige Rede
über die gesellschaftstützende Aufgabe der Kriegervereine, und die Krieger hörten
die Rede gleichsam Gewehr bei Fuß um und tranken ihr Bier aus.

Nunmehr erschien im Volksherold der zweite Brandartikel unter der Über¬
schrift: Russische Zustände in Deutschland. Man sei, so führte der Artikel aus,
bisher der Meinung gewesen, daß wenn auch die Arbeiterschaft in Deutschland
keineswegs auf Rosen gebettet sei, doch wenigstens die Knute nicht über sie herrsche.


Doktor Dnttmüller und sein Freund

dem Mistwagen aufs Feld fuhren und das Zittern kriegten, wenn sie einen Thaler
ausgeben sollten. Das hat die Industrie auf dem Gewissen. Die Industrie demo¬
ralisiert die Menschen, sie untergräbt den Staat. Wenn solche Patrioten die Elemente
sind, auf die sich der Staat bei Erschütterungen stützen soll, dann sind wir auf¬
geschrieben. Wie sieht es denn bei Ihnen aus?

Schlecht, Herr Oberstleutnant. Der Rummel wird nächstens losgehn.

Donnerwetter! Und Sie meinen, die Sache wird schlimm?

Das kann kein Mensch wissen. Wenn die Bestie losgebrochen ist, weiß keiner,
was sie für Unheil anrichtet.

Und was werden Sie thun?

Wir müssen es kommen lassen. Zur Vernunft reden hilft nichts. Wenn ich
nur ein, zwei Dutzend entschlossener Leute hätte, wollte ich mich nicht furchten.

Sie haben Recht. Wandrer, Sie haben Recht. Nur ein paar Dutzend Kerls,
die sich schneidig für die gute Sache einsetzen, und die ganze Schwefelbande reißt
ans. Unsre Stärke ist die Armee, und die Leute, die in der Armee gedient haben,
das Volk in Waffen, die Leute, die sich vor Gott fürchten und sonst vor nichts in
der Welt. Wandrer, bilden Sie Ihre Cadres, suchen Sie die guten Elemente her¬
aus, ich werde dasselbe thun. Ich werde mich an den Kricgerverein wenden.
Die Kriegervereine sind das Knochengerüst des Volkes. Die Kriegervereine bilden
in kritischen Zeiten die Stütze der Gesellschaft. Sie werden von mir hören.
Himmeldonnerwetter, wenn ich denke, daß so ein Haufen zusammengelaufuer Hans¬
wurste mit ihrem verrückten Unsinn im Kopfe die Welt umstülpen wollen, das sollte
ja mit dem Teufel zugehn, wenn wir da nicht Ordnung schaffen wollten.

Der Herr Oberstleutnant war ganz lebhaft geworden. Die schwere Sorge
um Jork war von ihm genommen worden. Er fragte nicht nach dem Wie oder
Wielange, sondern fühlte sich wie ein freier Mann und griff in seiner Weise mit
Feuer eine neue Aufgabe an, und die bestand darin, den Holzweißiger Kriegerverein
auf Kriegsfuß zu bringen. Vor seinen Augen stand es schon fix und fertig, eine
Kompagnie kriegsgeübter und entschlossener Männer, und voraus er selber — auf
dem Fahrstuhle.

Sehen Sie, lieber Wandrer, sagte er betrübt, so ein Krüppel ist man nun.
Wenn ich aufs Pferd steigen und meine Kriegskameraden hinter mir die Rassel¬
bande in alle Vier Winde auseinanderjagen könnte, das wäre der schönste Tag
Meines Lebens, an dem Tage würde ich gern sterben. Aber so —?

Herr Oberstleutnant, sagte Wandrer scherzend, Sie müssen das nicht so tragisch
nehmen. In dem Zeitalter des Zweirads und des Automobils hat das Pferd nur
noch einen relativen Wert. Der Mann macht es doch, und nicht die Pferdebeine.

Die Augen des Oberstleutnants leuchteten. — Sie haben Recht, Herr Wandrer,
weiß Gott, Sie haben Recht. Der Mann -nachts und wird es machen. Klapphvrn!

Klapphorn war dienstlich in der Kantine beschäftigt und horte nicht. Auch
nötigten Lydia und der Direktor zum Bleiben, und so mußte man in der Veranda
Erfrischungen annehmen. Der Oberstleutnant war in der besten Laune und er¬
zählte alte Kriegsgeschichten. Dann legte er die Idee einer Erfindung von Chloro¬
formbomben dar und kam auf die Notwendigkeit einer Morphiumsteuer und auf
die Ausbeutung seiner Steinbrüche zu sprechen. Am Abend aber ließ er sich von
Klapphorn in den Kriegcrverein fahren, dessen Ehrenmitglied er war. Der Krieger¬
verein hatte gerade Appell, das heißt er hatte sich versammelt, ein Faß Bier zu
trinken. Der Oberstleutnant bezahlte dieses Bier und hielt eine schneidige Rede
über die gesellschaftstützende Aufgabe der Kriegervereine, und die Krieger hörten
die Rede gleichsam Gewehr bei Fuß um und tranken ihr Bier aus.

Nunmehr erschien im Volksherold der zweite Brandartikel unter der Über¬
schrift: Russische Zustände in Deutschland. Man sei, so führte der Artikel aus,
bisher der Meinung gewesen, daß wenn auch die Arbeiterschaft in Deutschland
keineswegs auf Rosen gebettet sei, doch wenigstens die Knute nicht über sie herrsche.


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[0399] Doktor Dnttmüller und sein Freund dem Mistwagen aufs Feld fuhren und das Zittern kriegten, wenn sie einen Thaler ausgeben sollten. Das hat die Industrie auf dem Gewissen. Die Industrie demo¬ ralisiert die Menschen, sie untergräbt den Staat. Wenn solche Patrioten die Elemente sind, auf die sich der Staat bei Erschütterungen stützen soll, dann sind wir auf¬ geschrieben. Wie sieht es denn bei Ihnen aus? Schlecht, Herr Oberstleutnant. Der Rummel wird nächstens losgehn. Donnerwetter! Und Sie meinen, die Sache wird schlimm? Das kann kein Mensch wissen. Wenn die Bestie losgebrochen ist, weiß keiner, was sie für Unheil anrichtet. Und was werden Sie thun? Wir müssen es kommen lassen. Zur Vernunft reden hilft nichts. Wenn ich nur ein, zwei Dutzend entschlossener Leute hätte, wollte ich mich nicht furchten. Sie haben Recht. Wandrer, Sie haben Recht. Nur ein paar Dutzend Kerls, die sich schneidig für die gute Sache einsetzen, und die ganze Schwefelbande reißt ans. Unsre Stärke ist die Armee, und die Leute, die in der Armee gedient haben, das Volk in Waffen, die Leute, die sich vor Gott fürchten und sonst vor nichts in der Welt. Wandrer, bilden Sie Ihre Cadres, suchen Sie die guten Elemente her¬ aus, ich werde dasselbe thun. Ich werde mich an den Kricgerverein wenden. Die Kriegervereine sind das Knochengerüst des Volkes. Die Kriegervereine bilden in kritischen Zeiten die Stütze der Gesellschaft. Sie werden von mir hören. Himmeldonnerwetter, wenn ich denke, daß so ein Haufen zusammengelaufuer Hans¬ wurste mit ihrem verrückten Unsinn im Kopfe die Welt umstülpen wollen, das sollte ja mit dem Teufel zugehn, wenn wir da nicht Ordnung schaffen wollten. Der Herr Oberstleutnant war ganz lebhaft geworden. Die schwere Sorge um Jork war von ihm genommen worden. Er fragte nicht nach dem Wie oder Wielange, sondern fühlte sich wie ein freier Mann und griff in seiner Weise mit Feuer eine neue Aufgabe an, und die bestand darin, den Holzweißiger Kriegerverein auf Kriegsfuß zu bringen. Vor seinen Augen stand es schon fix und fertig, eine Kompagnie kriegsgeübter und entschlossener Männer, und voraus er selber — auf dem Fahrstuhle. Sehen Sie, lieber Wandrer, sagte er betrübt, so ein Krüppel ist man nun. Wenn ich aufs Pferd steigen und meine Kriegskameraden hinter mir die Rassel¬ bande in alle Vier Winde auseinanderjagen könnte, das wäre der schönste Tag Meines Lebens, an dem Tage würde ich gern sterben. Aber so —? Herr Oberstleutnant, sagte Wandrer scherzend, Sie müssen das nicht so tragisch nehmen. In dem Zeitalter des Zweirads und des Automobils hat das Pferd nur noch einen relativen Wert. Der Mann macht es doch, und nicht die Pferdebeine. Die Augen des Oberstleutnants leuchteten. — Sie haben Recht, Herr Wandrer, weiß Gott, Sie haben Recht. Der Mann -nachts und wird es machen. Klapphvrn! Klapphorn war dienstlich in der Kantine beschäftigt und horte nicht. Auch nötigten Lydia und der Direktor zum Bleiben, und so mußte man in der Veranda Erfrischungen annehmen. Der Oberstleutnant war in der besten Laune und er¬ zählte alte Kriegsgeschichten. Dann legte er die Idee einer Erfindung von Chloro¬ formbomben dar und kam auf die Notwendigkeit einer Morphiumsteuer und auf die Ausbeutung seiner Steinbrüche zu sprechen. Am Abend aber ließ er sich von Klapphorn in den Kriegcrverein fahren, dessen Ehrenmitglied er war. Der Krieger¬ verein hatte gerade Appell, das heißt er hatte sich versammelt, ein Faß Bier zu trinken. Der Oberstleutnant bezahlte dieses Bier und hielt eine schneidige Rede über die gesellschaftstützende Aufgabe der Kriegervereine, und die Krieger hörten die Rede gleichsam Gewehr bei Fuß um und tranken ihr Bier aus. Nunmehr erschien im Volksherold der zweite Brandartikel unter der Über¬ schrift: Russische Zustände in Deutschland. Man sei, so führte der Artikel aus, bisher der Meinung gewesen, daß wenn auch die Arbeiterschaft in Deutschland keineswegs auf Rosen gebettet sei, doch wenigstens die Knute nicht über sie herrsche.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/399>, abgerufen am 29.06.2024.