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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Doktor Duttmüller und seil" Freund

Man müsse von dieser günstigen Meinung zurückkommen, wenn man die Zu¬
stände eines benachbarten Kaliwerks ins Ange fasse. Dort herrschten heillose
Zustände. Die Arbeiter würden wie Sklaven von den Aufsehern mißhandelt und
geschlagen. Beschwerden beim Direktor seien fruchtlos, da dieser in den Zeiten,
die nicht seiner körperlichen Pflege gewidmet seien, sich mit Coupvuschneiden be¬
schäftige, worin ihn niemand stören dürfe. So sehe die Humanität des modernen
Sklavenhalterstaats ans. Niemand kümmere sich darum, ob der Arbeiter zum
Krüppel geschlagen werde. Glücklicherweise sei noch die Presse da, usw.

Dieser Aufsatz wurde dem Direktor unter Kreuzband zugesandt, und der
Direktor that dem Schreiber des Artikels den Gefallen, sich furchtbar zu ärger",
ja einen Wutanfall zu bekommen und danach in "geistigen Kollaps" zu geraten.
Er war kaum wieder genesen, so erschien, wie in der Volksversammlung verab¬
redet worden our, eine Deputation der Arbeiter, um beim Direktor wegen Er¬
höhung des Lohnes vorstellig zu werden. Die Mitglieder der Deputation waren
keineswegs die Hauptwühler, sondern Leute untergeordneten Ranges, die sich
hatten vorschieben lassen, unter ihnen auch Husarenweidling. Sie trugen ihre
Sache vor. Der Direktor hörte sie scheinbar wohlwollend an und sagte weder
ja noch nein. Am nächsten Tage erhielten sämtliche Mitglieder der Deputation
ihre Kündigung. Man war starr. Darauf erhob sich eine allgemeine Entrüstung.
Man schimpfte an allen Orten. Das Wort Solidarität wurde mit größtem Nach¬
druck ausgesprochen, man verlangte sofortige Arbeitseinstellung, der Volksherold
brachte wütende Artikel, aber weiter geschah nichts. Die unsichtbaren Führer
waren der Meinung, daß zum Losschlagen noch nicht die richtige Zeit gekommen
sei, und so ließ man die abgelvhnte Deputation einfach fallen. Das hatten sich
Husarenweidling und seine Genossen nicht gedacht. , Sie hatten gemeint, Soli¬
darität bedeute, daß einer unbedingt für den andern eintrete. Sie waren be¬
lehrt worden, daß dies nur unter Wahrung "höherer Gesichtspunkte" geschehe, und
hatten nun die Wahl, der Partei den Rücken zu kehren oder sich zu fügen. Sie
zogen es vor, nun erst recht wütende Sozialisten zu werden.

Sagen Sie mal, Rummel, fragte Wandrer,, wer hat denn angeordnet, daß
die Leute zu entlassen seien?

Der Direktor, antwortete Rummel.

Haben Sie ihn nicht darauf aufmerksam gemacht, welche Folgen das
haben werde?

Habe ich, Herr Wandrer. Aber der Direktor schnäuzte mich an. Der Direktor
ist jetzt manchmal ganz wunderlich. Ich denke manchmal, daß -- na, daß 7--
na Sie wissen ja, was ich meine.

Wandrer antwortete nicht, aber aus seiner sorgenvollen Miene konnte man
sehen, daß er wohl wußte, was Rummel meine. --

Die alte Duttmüllern hatte ihre runde Brille auf der Nase, saß in ihrem
Lehnstuhle und las mit dem innern Gleichmut, den ein gutes Gewissen und eine
gesicherte soziale Stellung verleiht, ihr Leib- und Magenblatt, die Braunfelser
Zeitung. Über die Hauptsache, die Familiennachrichten und die Annoncen war
sie schon hinweg und bis zum Vermischten gelangt, das von einem nmgeschlagneu
Kahne, drei Selbstmorden, einem Brande zufolge von Kurzschluß und zwei ent¬
flohenen Kassierern berichtete. Dann folgte ein Absatz mit der Überschrift: Ein
guter Sohn. Der "V.-H." berichtet aus unsrer Gegend folgende kaum glaubliche
Geschichte. In dem benachbarten H- praktiziert ein Doktor D. Derselbe erfreut
sich zufolge seiner ausgedehnten Praxis eines hohen Einkommens. Kürzlich enthüllte
sich nun die überraschende Thatsache, daß dieser Ehrenmann einen alten Vater
hat, den er, offenbar mit Rücksicht auf seine vornehmen Verwandten, verleugnet.
Während also der Sohn in Überfluß lebt, muß der alte Vater sein saures Brot
als gewöhnlicher Arbeiter in H . . . l verdienen. Das vierte Gebot scheint der
Herr Doktor nicht zu kennen. Wir würden solche Pietätlosigkeit nicht für möglich


Doktor Duttmüller und seil» Freund

Man müsse von dieser günstigen Meinung zurückkommen, wenn man die Zu¬
stände eines benachbarten Kaliwerks ins Ange fasse. Dort herrschten heillose
Zustände. Die Arbeiter würden wie Sklaven von den Aufsehern mißhandelt und
geschlagen. Beschwerden beim Direktor seien fruchtlos, da dieser in den Zeiten,
die nicht seiner körperlichen Pflege gewidmet seien, sich mit Coupvuschneiden be¬
schäftige, worin ihn niemand stören dürfe. So sehe die Humanität des modernen
Sklavenhalterstaats ans. Niemand kümmere sich darum, ob der Arbeiter zum
Krüppel geschlagen werde. Glücklicherweise sei noch die Presse da, usw.

Dieser Aufsatz wurde dem Direktor unter Kreuzband zugesandt, und der
Direktor that dem Schreiber des Artikels den Gefallen, sich furchtbar zu ärger«,
ja einen Wutanfall zu bekommen und danach in „geistigen Kollaps" zu geraten.
Er war kaum wieder genesen, so erschien, wie in der Volksversammlung verab¬
redet worden our, eine Deputation der Arbeiter, um beim Direktor wegen Er¬
höhung des Lohnes vorstellig zu werden. Die Mitglieder der Deputation waren
keineswegs die Hauptwühler, sondern Leute untergeordneten Ranges, die sich
hatten vorschieben lassen, unter ihnen auch Husarenweidling. Sie trugen ihre
Sache vor. Der Direktor hörte sie scheinbar wohlwollend an und sagte weder
ja noch nein. Am nächsten Tage erhielten sämtliche Mitglieder der Deputation
ihre Kündigung. Man war starr. Darauf erhob sich eine allgemeine Entrüstung.
Man schimpfte an allen Orten. Das Wort Solidarität wurde mit größtem Nach¬
druck ausgesprochen, man verlangte sofortige Arbeitseinstellung, der Volksherold
brachte wütende Artikel, aber weiter geschah nichts. Die unsichtbaren Führer
waren der Meinung, daß zum Losschlagen noch nicht die richtige Zeit gekommen
sei, und so ließ man die abgelvhnte Deputation einfach fallen. Das hatten sich
Husarenweidling und seine Genossen nicht gedacht. , Sie hatten gemeint, Soli¬
darität bedeute, daß einer unbedingt für den andern eintrete. Sie waren be¬
lehrt worden, daß dies nur unter Wahrung „höherer Gesichtspunkte" geschehe, und
hatten nun die Wahl, der Partei den Rücken zu kehren oder sich zu fügen. Sie
zogen es vor, nun erst recht wütende Sozialisten zu werden.

Sagen Sie mal, Rummel, fragte Wandrer,, wer hat denn angeordnet, daß
die Leute zu entlassen seien?

Der Direktor, antwortete Rummel.

Haben Sie ihn nicht darauf aufmerksam gemacht, welche Folgen das
haben werde?

Habe ich, Herr Wandrer. Aber der Direktor schnäuzte mich an. Der Direktor
ist jetzt manchmal ganz wunderlich. Ich denke manchmal, daß — na, daß 7—
na Sie wissen ja, was ich meine.

Wandrer antwortete nicht, aber aus seiner sorgenvollen Miene konnte man
sehen, daß er wohl wußte, was Rummel meine. —

Die alte Duttmüllern hatte ihre runde Brille auf der Nase, saß in ihrem
Lehnstuhle und las mit dem innern Gleichmut, den ein gutes Gewissen und eine
gesicherte soziale Stellung verleiht, ihr Leib- und Magenblatt, die Braunfelser
Zeitung. Über die Hauptsache, die Familiennachrichten und die Annoncen war
sie schon hinweg und bis zum Vermischten gelangt, das von einem nmgeschlagneu
Kahne, drei Selbstmorden, einem Brande zufolge von Kurzschluß und zwei ent¬
flohenen Kassierern berichtete. Dann folgte ein Absatz mit der Überschrift: Ein
guter Sohn. Der „V.-H." berichtet aus unsrer Gegend folgende kaum glaubliche
Geschichte. In dem benachbarten H- praktiziert ein Doktor D. Derselbe erfreut
sich zufolge seiner ausgedehnten Praxis eines hohen Einkommens. Kürzlich enthüllte
sich nun die überraschende Thatsache, daß dieser Ehrenmann einen alten Vater
hat, den er, offenbar mit Rücksicht auf seine vornehmen Verwandten, verleugnet.
Während also der Sohn in Überfluß lebt, muß der alte Vater sein saures Brot
als gewöhnlicher Arbeiter in H . . . l verdienen. Das vierte Gebot scheint der
Herr Doktor nicht zu kennen. Wir würden solche Pietätlosigkeit nicht für möglich


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[0400] Doktor Duttmüller und seil» Freund Man müsse von dieser günstigen Meinung zurückkommen, wenn man die Zu¬ stände eines benachbarten Kaliwerks ins Ange fasse. Dort herrschten heillose Zustände. Die Arbeiter würden wie Sklaven von den Aufsehern mißhandelt und geschlagen. Beschwerden beim Direktor seien fruchtlos, da dieser in den Zeiten, die nicht seiner körperlichen Pflege gewidmet seien, sich mit Coupvuschneiden be¬ schäftige, worin ihn niemand stören dürfe. So sehe die Humanität des modernen Sklavenhalterstaats ans. Niemand kümmere sich darum, ob der Arbeiter zum Krüppel geschlagen werde. Glücklicherweise sei noch die Presse da, usw. Dieser Aufsatz wurde dem Direktor unter Kreuzband zugesandt, und der Direktor that dem Schreiber des Artikels den Gefallen, sich furchtbar zu ärger«, ja einen Wutanfall zu bekommen und danach in „geistigen Kollaps" zu geraten. Er war kaum wieder genesen, so erschien, wie in der Volksversammlung verab¬ redet worden our, eine Deputation der Arbeiter, um beim Direktor wegen Er¬ höhung des Lohnes vorstellig zu werden. Die Mitglieder der Deputation waren keineswegs die Hauptwühler, sondern Leute untergeordneten Ranges, die sich hatten vorschieben lassen, unter ihnen auch Husarenweidling. Sie trugen ihre Sache vor. Der Direktor hörte sie scheinbar wohlwollend an und sagte weder ja noch nein. Am nächsten Tage erhielten sämtliche Mitglieder der Deputation ihre Kündigung. Man war starr. Darauf erhob sich eine allgemeine Entrüstung. Man schimpfte an allen Orten. Das Wort Solidarität wurde mit größtem Nach¬ druck ausgesprochen, man verlangte sofortige Arbeitseinstellung, der Volksherold brachte wütende Artikel, aber weiter geschah nichts. Die unsichtbaren Führer waren der Meinung, daß zum Losschlagen noch nicht die richtige Zeit gekommen sei, und so ließ man die abgelvhnte Deputation einfach fallen. Das hatten sich Husarenweidling und seine Genossen nicht gedacht. , Sie hatten gemeint, Soli¬ darität bedeute, daß einer unbedingt für den andern eintrete. Sie waren be¬ lehrt worden, daß dies nur unter Wahrung „höherer Gesichtspunkte" geschehe, und hatten nun die Wahl, der Partei den Rücken zu kehren oder sich zu fügen. Sie zogen es vor, nun erst recht wütende Sozialisten zu werden. Sagen Sie mal, Rummel, fragte Wandrer,, wer hat denn angeordnet, daß die Leute zu entlassen seien? Der Direktor, antwortete Rummel. Haben Sie ihn nicht darauf aufmerksam gemacht, welche Folgen das haben werde? Habe ich, Herr Wandrer. Aber der Direktor schnäuzte mich an. Der Direktor ist jetzt manchmal ganz wunderlich. Ich denke manchmal, daß — na, daß 7— na Sie wissen ja, was ich meine. Wandrer antwortete nicht, aber aus seiner sorgenvollen Miene konnte man sehen, daß er wohl wußte, was Rummel meine. — Die alte Duttmüllern hatte ihre runde Brille auf der Nase, saß in ihrem Lehnstuhle und las mit dem innern Gleichmut, den ein gutes Gewissen und eine gesicherte soziale Stellung verleiht, ihr Leib- und Magenblatt, die Braunfelser Zeitung. Über die Hauptsache, die Familiennachrichten und die Annoncen war sie schon hinweg und bis zum Vermischten gelangt, das von einem nmgeschlagneu Kahne, drei Selbstmorden, einem Brande zufolge von Kurzschluß und zwei ent¬ flohenen Kassierern berichtete. Dann folgte ein Absatz mit der Überschrift: Ein guter Sohn. Der „V.-H." berichtet aus unsrer Gegend folgende kaum glaubliche Geschichte. In dem benachbarten H- praktiziert ein Doktor D. Derselbe erfreut sich zufolge seiner ausgedehnten Praxis eines hohen Einkommens. Kürzlich enthüllte sich nun die überraschende Thatsache, daß dieser Ehrenmann einen alten Vater hat, den er, offenbar mit Rücksicht auf seine vornehmen Verwandten, verleugnet. Während also der Sohn in Überfluß lebt, muß der alte Vater sein saures Brot als gewöhnlicher Arbeiter in H . . . l verdienen. Das vierte Gebot scheint der Herr Doktor nicht zu kennen. Wir würden solche Pietätlosigkeit nicht für möglich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/400>, abgerufen am 29.06.2024.