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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Inszenierung

Wie unus nicht machen soll, hatte ich ein jenem Abende gesehen, und wie
mens mcichen muß much: weit früher in jenem subventionierten Hoftheater, dessen
Intendant, ein alter vornehmer Herr, noch der inzwischen abgekommnen Tradition
huldigte, daß es besser sei, ein Stück gar nicht aufzuführen als schlecht. Er hatte vor¬
zügliche Dekorationsmaler an der Hand, und Noschcmcis Divan habe ich nirgends
anders so pittoresk aufgefaßt und mit so feinem Geschmack ausgestattet gesehen,
aber die einheimischen Künstler genügten ihm, wenn er etwas ganz Apartes und
Verschmitztes haben wollte, nicht immer, und von Zeit zu Zeit war denn auch auf
ein paar Tage oder Wochen der damals in Paris berühmte Desplöchin da, um Rat
zu erteilen oder selbst Hand anzulegen (pour Vrossor un Mit äöeoi). Etwas
Pratschiges, Gewöhnliches oder sonst Geschmackloses kam grundsätzlich nicht auf
die Bühne.

Wie im Oberon damals manche Dinge geleistet worden sind, ohne daß es
einen Bühnen- und Theaterbrand gegeben hat, habe ich mich seitdem manchmal
gefragt; Thatsache ist, daß die getrvffnen Veranstaltungen überaus feuergefährlicher
Art waren. So oft nach den Vorschriften des Scenarios das Feenreich von der
Bühne Besitz nahm, senkte sich, nicht auf einmal sondern allmählich in vielfältigen
Schleiern, erst leicht und durchsichtig, dann immer dichter und undurchsichtiger
werdend ein Wolkennebel auf die Bühne herab, oder er hüllte sie vou rechts
und links kommend ein: eine Prozedur von so fein berechneter Wirkuug, wie ich
seitdem nie wieder etwas Ähnliches gesehen habe. Alles ging facht, geräuschlos
und feierlich vor sich, ohne Gewackel und Gefackel, ohne Zucken und Mucken, ohne
Falten oder Spalten, und es würde mich nicht überraschen zu hören, daß die ge¬
malten Wolkenschleier und die Veranstaltungen, die getroffen worden waren, ihr
geisterhaftes Herab- und Zusammenfließen zu sichern, mehr gekostet hätten als eines
unsrer modernen, in allen Farben schillernden und doch häufig banalen Balletts.
Aber wie nobel, einfach und befriedigend war dafür auch der Effekt: die sich ihrer
Schleier langsam und allmählich wieder entledigende Bühne beginnt in hellerm
Lichte zu strahlen, die Zaubernebel, die letzten noch verbleibenden leichtesten und
dünnsten Schleier scheinen sich zu lösen, zu verduften, und der entzückende Küsten¬
strich, an dem Huon und Scherasmin eben durch Feenhände abgesetzt worden sind
-- die tiefblaue, unter einem Saphirhimmel brandende See, weiße Mauern und
Kiosks auf Hellem Gestade, schlauke, schwanke, goldigschimmernde Palmen über grauen
Aloes emporragend -- liegt heiter lächelnd, in harmonischer Schönheit vor dem
Auge des staunenden Beschauers. Das nenne ich Zauber, und solche Eindrücke
verfeinern den Geschmack dessen, dem sie zuteil werden.

Derselbe märchenhafte Zauber lag über der ganzen Vorstellung. Es giebt
kaum etwas, was schwerer zu inszenieren wäre als die Serenade und das Ballabile-
busfo im Serail des Kalifen. Wie fein, wie graziös, wie elegant war das gemacht!
Ein über die ganze Breite der Bühne gespanntes, mit bunten exotischen Schling¬
pflanzen bewachsenes leichtes Gitterwerk trennte die Sultauiuuen von der vorbei¬
ziehenden Janitscharenbnnda, und das Haremsgelichter, meist kleine zierliche Mvhren-
kinder, quirlte dann zu den Zauberklängen des Horns innerhalb der "Klausur"
so geräuschlos, drollig, luftig und elfenartig im Kreise herum, daß mau eher ein
Märchen zu lesen als im Theater zu sein glaubte. Eine solche Inszenierung ist
dann wirklich ein Triumph des guten Geschmacks, und die Erinnerung daran hat
mich in Paris mit Wehmut erfüllt, als ich, durch die Reklame eines Spektnkelstücks
angelockt, im Theatre Chatelet gleich bei meinem Eintritt von dem Menageriegeruch
begrüßt wurde, der mit Hilfe der in dem Stücke vorkommenden Elefanten,
Dromedare, Löwen und Tiger aus dem sonst leidlich eleganten Hanse eine wider¬
liche Tierbude gemacht hatte.

Von den sich auf der wogenden Flut schaukelnden Nereiden der idealen
Oberonvorstelluug sage ich nichts. Sie waren zu schön. Die Mütter und die Gro߬
mütter mit den herrlichen Stimmen sangen ungesehen hinter den Kulissen, und deren


Inszenierung

Wie unus nicht machen soll, hatte ich ein jenem Abende gesehen, und wie
mens mcichen muß much: weit früher in jenem subventionierten Hoftheater, dessen
Intendant, ein alter vornehmer Herr, noch der inzwischen abgekommnen Tradition
huldigte, daß es besser sei, ein Stück gar nicht aufzuführen als schlecht. Er hatte vor¬
zügliche Dekorationsmaler an der Hand, und Noschcmcis Divan habe ich nirgends
anders so pittoresk aufgefaßt und mit so feinem Geschmack ausgestattet gesehen,
aber die einheimischen Künstler genügten ihm, wenn er etwas ganz Apartes und
Verschmitztes haben wollte, nicht immer, und von Zeit zu Zeit war denn auch auf
ein paar Tage oder Wochen der damals in Paris berühmte Desplöchin da, um Rat
zu erteilen oder selbst Hand anzulegen (pour Vrossor un Mit äöeoi). Etwas
Pratschiges, Gewöhnliches oder sonst Geschmackloses kam grundsätzlich nicht auf
die Bühne.

Wie im Oberon damals manche Dinge geleistet worden sind, ohne daß es
einen Bühnen- und Theaterbrand gegeben hat, habe ich mich seitdem manchmal
gefragt; Thatsache ist, daß die getrvffnen Veranstaltungen überaus feuergefährlicher
Art waren. So oft nach den Vorschriften des Scenarios das Feenreich von der
Bühne Besitz nahm, senkte sich, nicht auf einmal sondern allmählich in vielfältigen
Schleiern, erst leicht und durchsichtig, dann immer dichter und undurchsichtiger
werdend ein Wolkennebel auf die Bühne herab, oder er hüllte sie vou rechts
und links kommend ein: eine Prozedur von so fein berechneter Wirkuug, wie ich
seitdem nie wieder etwas Ähnliches gesehen habe. Alles ging facht, geräuschlos
und feierlich vor sich, ohne Gewackel und Gefackel, ohne Zucken und Mucken, ohne
Falten oder Spalten, und es würde mich nicht überraschen zu hören, daß die ge¬
malten Wolkenschleier und die Veranstaltungen, die getroffen worden waren, ihr
geisterhaftes Herab- und Zusammenfließen zu sichern, mehr gekostet hätten als eines
unsrer modernen, in allen Farben schillernden und doch häufig banalen Balletts.
Aber wie nobel, einfach und befriedigend war dafür auch der Effekt: die sich ihrer
Schleier langsam und allmählich wieder entledigende Bühne beginnt in hellerm
Lichte zu strahlen, die Zaubernebel, die letzten noch verbleibenden leichtesten und
dünnsten Schleier scheinen sich zu lösen, zu verduften, und der entzückende Küsten¬
strich, an dem Huon und Scherasmin eben durch Feenhände abgesetzt worden sind
— die tiefblaue, unter einem Saphirhimmel brandende See, weiße Mauern und
Kiosks auf Hellem Gestade, schlauke, schwanke, goldigschimmernde Palmen über grauen
Aloes emporragend — liegt heiter lächelnd, in harmonischer Schönheit vor dem
Auge des staunenden Beschauers. Das nenne ich Zauber, und solche Eindrücke
verfeinern den Geschmack dessen, dem sie zuteil werden.

Derselbe märchenhafte Zauber lag über der ganzen Vorstellung. Es giebt
kaum etwas, was schwerer zu inszenieren wäre als die Serenade und das Ballabile-
busfo im Serail des Kalifen. Wie fein, wie graziös, wie elegant war das gemacht!
Ein über die ganze Breite der Bühne gespanntes, mit bunten exotischen Schling¬
pflanzen bewachsenes leichtes Gitterwerk trennte die Sultauiuuen von der vorbei¬
ziehenden Janitscharenbnnda, und das Haremsgelichter, meist kleine zierliche Mvhren-
kinder, quirlte dann zu den Zauberklängen des Horns innerhalb der „Klausur"
so geräuschlos, drollig, luftig und elfenartig im Kreise herum, daß mau eher ein
Märchen zu lesen als im Theater zu sein glaubte. Eine solche Inszenierung ist
dann wirklich ein Triumph des guten Geschmacks, und die Erinnerung daran hat
mich in Paris mit Wehmut erfüllt, als ich, durch die Reklame eines Spektnkelstücks
angelockt, im Theatre Chatelet gleich bei meinem Eintritt von dem Menageriegeruch
begrüßt wurde, der mit Hilfe der in dem Stücke vorkommenden Elefanten,
Dromedare, Löwen und Tiger aus dem sonst leidlich eleganten Hanse eine wider¬
liche Tierbude gemacht hatte.

Von den sich auf der wogenden Flut schaukelnden Nereiden der idealen
Oberonvorstelluug sage ich nichts. Sie waren zu schön. Die Mütter und die Gro߬
mütter mit den herrlichen Stimmen sangen ungesehen hinter den Kulissen, und deren


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[0392] Inszenierung Wie unus nicht machen soll, hatte ich ein jenem Abende gesehen, und wie mens mcichen muß much: weit früher in jenem subventionierten Hoftheater, dessen Intendant, ein alter vornehmer Herr, noch der inzwischen abgekommnen Tradition huldigte, daß es besser sei, ein Stück gar nicht aufzuführen als schlecht. Er hatte vor¬ zügliche Dekorationsmaler an der Hand, und Noschcmcis Divan habe ich nirgends anders so pittoresk aufgefaßt und mit so feinem Geschmack ausgestattet gesehen, aber die einheimischen Künstler genügten ihm, wenn er etwas ganz Apartes und Verschmitztes haben wollte, nicht immer, und von Zeit zu Zeit war denn auch auf ein paar Tage oder Wochen der damals in Paris berühmte Desplöchin da, um Rat zu erteilen oder selbst Hand anzulegen (pour Vrossor un Mit äöeoi). Etwas Pratschiges, Gewöhnliches oder sonst Geschmackloses kam grundsätzlich nicht auf die Bühne. Wie im Oberon damals manche Dinge geleistet worden sind, ohne daß es einen Bühnen- und Theaterbrand gegeben hat, habe ich mich seitdem manchmal gefragt; Thatsache ist, daß die getrvffnen Veranstaltungen überaus feuergefährlicher Art waren. So oft nach den Vorschriften des Scenarios das Feenreich von der Bühne Besitz nahm, senkte sich, nicht auf einmal sondern allmählich in vielfältigen Schleiern, erst leicht und durchsichtig, dann immer dichter und undurchsichtiger werdend ein Wolkennebel auf die Bühne herab, oder er hüllte sie vou rechts und links kommend ein: eine Prozedur von so fein berechneter Wirkuug, wie ich seitdem nie wieder etwas Ähnliches gesehen habe. Alles ging facht, geräuschlos und feierlich vor sich, ohne Gewackel und Gefackel, ohne Zucken und Mucken, ohne Falten oder Spalten, und es würde mich nicht überraschen zu hören, daß die ge¬ malten Wolkenschleier und die Veranstaltungen, die getroffen worden waren, ihr geisterhaftes Herab- und Zusammenfließen zu sichern, mehr gekostet hätten als eines unsrer modernen, in allen Farben schillernden und doch häufig banalen Balletts. Aber wie nobel, einfach und befriedigend war dafür auch der Effekt: die sich ihrer Schleier langsam und allmählich wieder entledigende Bühne beginnt in hellerm Lichte zu strahlen, die Zaubernebel, die letzten noch verbleibenden leichtesten und dünnsten Schleier scheinen sich zu lösen, zu verduften, und der entzückende Küsten¬ strich, an dem Huon und Scherasmin eben durch Feenhände abgesetzt worden sind — die tiefblaue, unter einem Saphirhimmel brandende See, weiße Mauern und Kiosks auf Hellem Gestade, schlauke, schwanke, goldigschimmernde Palmen über grauen Aloes emporragend — liegt heiter lächelnd, in harmonischer Schönheit vor dem Auge des staunenden Beschauers. Das nenne ich Zauber, und solche Eindrücke verfeinern den Geschmack dessen, dem sie zuteil werden. Derselbe märchenhafte Zauber lag über der ganzen Vorstellung. Es giebt kaum etwas, was schwerer zu inszenieren wäre als die Serenade und das Ballabile- busfo im Serail des Kalifen. Wie fein, wie graziös, wie elegant war das gemacht! Ein über die ganze Breite der Bühne gespanntes, mit bunten exotischen Schling¬ pflanzen bewachsenes leichtes Gitterwerk trennte die Sultauiuuen von der vorbei¬ ziehenden Janitscharenbnnda, und das Haremsgelichter, meist kleine zierliche Mvhren- kinder, quirlte dann zu den Zauberklängen des Horns innerhalb der „Klausur" so geräuschlos, drollig, luftig und elfenartig im Kreise herum, daß mau eher ein Märchen zu lesen als im Theater zu sein glaubte. Eine solche Inszenierung ist dann wirklich ein Triumph des guten Geschmacks, und die Erinnerung daran hat mich in Paris mit Wehmut erfüllt, als ich, durch die Reklame eines Spektnkelstücks angelockt, im Theatre Chatelet gleich bei meinem Eintritt von dem Menageriegeruch begrüßt wurde, der mit Hilfe der in dem Stücke vorkommenden Elefanten, Dromedare, Löwen und Tiger aus dem sonst leidlich eleganten Hanse eine wider¬ liche Tierbude gemacht hatte. Von den sich auf der wogenden Flut schaukelnden Nereiden der idealen Oberonvorstelluug sage ich nichts. Sie waren zu schön. Die Mütter und die Gro߬ mütter mit den herrlichen Stimmen sangen ungesehen hinter den Kulissen, und deren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/392>, abgerufen am 28.09.2024.