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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Iuszimioruug

Elfenkönig war etwas fade, und man ertrug deshalb die Nachricht, daß er ins
Feenreich zurückkehre, mit Fassung. Es gab auch -- ans welcher Bühne gäbe es
die nicht -- Elfengroßmütter und Elfengroßväter, und die eine der Elfenmütter,
eine kreuzbrave Frau, die jeden Chor "hielt," hätte man lieber mit dem Strick¬
strumpfe gesehen als mit dem gewissen Lilieustnb, den sie wie einen Besenstiel,
nur etwas verschämter, handhabte: aber im großen und ganzen hatte man doch
den Eindruck, bei einem wirklich vornehmen Kunstiustitut zu Gaste zu sein, eine
Genugthuung, die einem an jenem Abende im Theater der großen deutschen Mittel¬
stadt leider versagt war. Im Theater der Residenzstadt saug der gewaltige Huon
seine Partie mit der Weihe, die trotz des zu großen "Embonpoints" jede seiner
Rollen zu einer aus lauterster Empfindung hervorquellenden Kunstleistung machte,
und Nezia war bei geradezu himmlischem Gesaug zwar keine Odaliske -- nach
dieser Richtung ließ ihre Nase keine Illusion aufkommen --, aber wenn sie auch
keine Odaliske war, so war sie doch -- woran man das merkte, kann ich nicht so
schnell und im Handumdrehn beschreiben --- eine vornehme Dame, eine Fürstin,
eine Kalifentochter, die jeder in der Idee entführen konnte, er werde schließlich
auch ihre Nase lieben lernen, und dabei eine Orientalin, die Pumphosen anhatte,
Pumphosen von schwerem rvsedechinefarbigem Atlas und auf ganz kleinen aristo¬
kratischen Füßchen in winzigen Pantöffelchen im Harem oder am Strande des
"Ungeheuers" herumtrippelte.

Dagegen die auch ganz lieblich singende Nezia jenes verhängnisvollen andern
Abends, wie könnten, wie dürften wir je das schildern, was sie ausgedacht hatte,
um -- wir fragen uns, ans wen? -- einen orientalischen Eindruck zu machen.
Es schmückte sie ein entarteter toll-Ninon, in unheimlicher Weise wie eine Jahrmarkts¬
bude mit Stücken weißen Baumwollenstoffs besteckt, den bunte, ich glaube in der
Hauptsache rote Maschiuenstickerei als aus Chemnitz oder Glauchau gebürtig doku¬
mentierte. Wußte die unselige Rezia nicht, daß ein Mann von Bildung sich eine
orientalische Prinzessin auch uuter den erschwerendsten Umständen, zu denen ein
Schiffbruch ja offenbar gehört, nicht ohne schwcrseidne Pumphosen vorstellen kann?
War es ihr unbekannt, daß weißer Baumwollenstoff mit Chemnitzer Maschiuenstickerei
für eine Tochter Harun-al-Naschids nicht bloß ein Anachronismus, souderu auch in jeder
Beziehung etwas Unleidliches, geradezu Schimpfliches gewesen sein würde? Gold¬
durchwirkte Seidengaze schließt für Damen von Nezieus Rang und Erziehung das
sächsische Baumwolleuprodukt völlig aus.

Und so war an jenem verhängnisvollen Abend alles. Der Prospekt von
Bagdad abgescheuert, schuiutzig und faltig, die sich dem Textbuche zufolge auf
der wogenden Flut schaukelnden Meerjniigfrauen entweder hoffnungslos festgefahren
oder wie auf "Käsehitscheu" hin und her gerüttelt; die Serenade im Serail eine
Pasquinade, der Hofstaat Harun-al-Naschids ein Trottelmuseum. Was ich gar
nicht schildern kann, weil es unfaßlich war, ist das Kostüm, in das man die ver¬
kleideten Gärtner gesteckt hatte. Ich glaube auf der Foire des Boulevard Mont¬
martre in einem Akrvbatcnetablissement dritten Ranges etwas Ähnliches gesehen
zu haben, nicht so neu -- denn der Anputz war obendrein neu, das war das
Schlimme -- aber von ähnlichem Schlag, oomvoLiw, wie die Engländer von einer
gewissen Art von Säulenknäufen sagen, und wo der Obergärtner des Emirs, der
doch anständige "Terken" zu sehe" gewohnt sein mußte, die Augen gehabt haben
kann, als er diese Vogelscheuchen für Gläubige ansah, ist mir ein Rätsel.

Für den nächsten Tag standen die Hugenotten auf dem Zettel: sie ragten in
der That schon mehrfach mit ihren Dekorationen in die Oberonaufführnng herein.
Die im Garten des Emirs hinauf und hinab führenden ornamentalen Treppen
waren im Vnloisstil, und an den Hof Karls des Großen, Prospekt, Kulissen, ^>er-
satzstncke und Kostüme denke ich nur ungern zurück; beschreiben könnte us ohnehin
das unglaubliche Durcheinander von Baustilen und Trachten verschiedner Jahr¬
hunderte nicht.


Iuszimioruug

Elfenkönig war etwas fade, und man ertrug deshalb die Nachricht, daß er ins
Feenreich zurückkehre, mit Fassung. Es gab auch — ans welcher Bühne gäbe es
die nicht — Elfengroßmütter und Elfengroßväter, und die eine der Elfenmütter,
eine kreuzbrave Frau, die jeden Chor „hielt," hätte man lieber mit dem Strick¬
strumpfe gesehen als mit dem gewissen Lilieustnb, den sie wie einen Besenstiel,
nur etwas verschämter, handhabte: aber im großen und ganzen hatte man doch
den Eindruck, bei einem wirklich vornehmen Kunstiustitut zu Gaste zu sein, eine
Genugthuung, die einem an jenem Abende im Theater der großen deutschen Mittel¬
stadt leider versagt war. Im Theater der Residenzstadt saug der gewaltige Huon
seine Partie mit der Weihe, die trotz des zu großen „Embonpoints" jede seiner
Rollen zu einer aus lauterster Empfindung hervorquellenden Kunstleistung machte,
und Nezia war bei geradezu himmlischem Gesaug zwar keine Odaliske — nach
dieser Richtung ließ ihre Nase keine Illusion aufkommen —, aber wenn sie auch
keine Odaliske war, so war sie doch — woran man das merkte, kann ich nicht so
schnell und im Handumdrehn beschreiben -— eine vornehme Dame, eine Fürstin,
eine Kalifentochter, die jeder in der Idee entführen konnte, er werde schließlich
auch ihre Nase lieben lernen, und dabei eine Orientalin, die Pumphosen anhatte,
Pumphosen von schwerem rvsedechinefarbigem Atlas und auf ganz kleinen aristo¬
kratischen Füßchen in winzigen Pantöffelchen im Harem oder am Strande des
»Ungeheuers" herumtrippelte.

Dagegen die auch ganz lieblich singende Nezia jenes verhängnisvollen andern
Abends, wie könnten, wie dürften wir je das schildern, was sie ausgedacht hatte,
um — wir fragen uns, ans wen? — einen orientalischen Eindruck zu machen.
Es schmückte sie ein entarteter toll-Ninon, in unheimlicher Weise wie eine Jahrmarkts¬
bude mit Stücken weißen Baumwollenstoffs besteckt, den bunte, ich glaube in der
Hauptsache rote Maschiuenstickerei als aus Chemnitz oder Glauchau gebürtig doku¬
mentierte. Wußte die unselige Rezia nicht, daß ein Mann von Bildung sich eine
orientalische Prinzessin auch uuter den erschwerendsten Umständen, zu denen ein
Schiffbruch ja offenbar gehört, nicht ohne schwcrseidne Pumphosen vorstellen kann?
War es ihr unbekannt, daß weißer Baumwollenstoff mit Chemnitzer Maschiuenstickerei
für eine Tochter Harun-al-Naschids nicht bloß ein Anachronismus, souderu auch in jeder
Beziehung etwas Unleidliches, geradezu Schimpfliches gewesen sein würde? Gold¬
durchwirkte Seidengaze schließt für Damen von Nezieus Rang und Erziehung das
sächsische Baumwolleuprodukt völlig aus.

Und so war an jenem verhängnisvollen Abend alles. Der Prospekt von
Bagdad abgescheuert, schuiutzig und faltig, die sich dem Textbuche zufolge auf
der wogenden Flut schaukelnden Meerjniigfrauen entweder hoffnungslos festgefahren
oder wie auf „Käsehitscheu" hin und her gerüttelt; die Serenade im Serail eine
Pasquinade, der Hofstaat Harun-al-Naschids ein Trottelmuseum. Was ich gar
nicht schildern kann, weil es unfaßlich war, ist das Kostüm, in das man die ver¬
kleideten Gärtner gesteckt hatte. Ich glaube auf der Foire des Boulevard Mont¬
martre in einem Akrvbatcnetablissement dritten Ranges etwas Ähnliches gesehen
zu haben, nicht so neu — denn der Anputz war obendrein neu, das war das
Schlimme — aber von ähnlichem Schlag, oomvoLiw, wie die Engländer von einer
gewissen Art von Säulenknäufen sagen, und wo der Obergärtner des Emirs, der
doch anständige „Terken" zu sehe» gewohnt sein mußte, die Augen gehabt haben
kann, als er diese Vogelscheuchen für Gläubige ansah, ist mir ein Rätsel.

Für den nächsten Tag standen die Hugenotten auf dem Zettel: sie ragten in
der That schon mehrfach mit ihren Dekorationen in die Oberonaufführnng herein.
Die im Garten des Emirs hinauf und hinab führenden ornamentalen Treppen
waren im Vnloisstil, und an den Hof Karls des Großen, Prospekt, Kulissen, ^>er-
satzstncke und Kostüme denke ich nur ungern zurück; beschreiben könnte us ohnehin
das unglaubliche Durcheinander von Baustilen und Trachten verschiedner Jahr¬
hunderte nicht.


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[0391] Iuszimioruug Elfenkönig war etwas fade, und man ertrug deshalb die Nachricht, daß er ins Feenreich zurückkehre, mit Fassung. Es gab auch — ans welcher Bühne gäbe es die nicht — Elfengroßmütter und Elfengroßväter, und die eine der Elfenmütter, eine kreuzbrave Frau, die jeden Chor „hielt," hätte man lieber mit dem Strick¬ strumpfe gesehen als mit dem gewissen Lilieustnb, den sie wie einen Besenstiel, nur etwas verschämter, handhabte: aber im großen und ganzen hatte man doch den Eindruck, bei einem wirklich vornehmen Kunstiustitut zu Gaste zu sein, eine Genugthuung, die einem an jenem Abende im Theater der großen deutschen Mittel¬ stadt leider versagt war. Im Theater der Residenzstadt saug der gewaltige Huon seine Partie mit der Weihe, die trotz des zu großen „Embonpoints" jede seiner Rollen zu einer aus lauterster Empfindung hervorquellenden Kunstleistung machte, und Nezia war bei geradezu himmlischem Gesaug zwar keine Odaliske — nach dieser Richtung ließ ihre Nase keine Illusion aufkommen —, aber wenn sie auch keine Odaliske war, so war sie doch — woran man das merkte, kann ich nicht so schnell und im Handumdrehn beschreiben -— eine vornehme Dame, eine Fürstin, eine Kalifentochter, die jeder in der Idee entführen konnte, er werde schließlich auch ihre Nase lieben lernen, und dabei eine Orientalin, die Pumphosen anhatte, Pumphosen von schwerem rvsedechinefarbigem Atlas und auf ganz kleinen aristo¬ kratischen Füßchen in winzigen Pantöffelchen im Harem oder am Strande des »Ungeheuers" herumtrippelte. Dagegen die auch ganz lieblich singende Nezia jenes verhängnisvollen andern Abends, wie könnten, wie dürften wir je das schildern, was sie ausgedacht hatte, um — wir fragen uns, ans wen? — einen orientalischen Eindruck zu machen. Es schmückte sie ein entarteter toll-Ninon, in unheimlicher Weise wie eine Jahrmarkts¬ bude mit Stücken weißen Baumwollenstoffs besteckt, den bunte, ich glaube in der Hauptsache rote Maschiuenstickerei als aus Chemnitz oder Glauchau gebürtig doku¬ mentierte. Wußte die unselige Rezia nicht, daß ein Mann von Bildung sich eine orientalische Prinzessin auch uuter den erschwerendsten Umständen, zu denen ein Schiffbruch ja offenbar gehört, nicht ohne schwcrseidne Pumphosen vorstellen kann? War es ihr unbekannt, daß weißer Baumwollenstoff mit Chemnitzer Maschiuenstickerei für eine Tochter Harun-al-Naschids nicht bloß ein Anachronismus, souderu auch in jeder Beziehung etwas Unleidliches, geradezu Schimpfliches gewesen sein würde? Gold¬ durchwirkte Seidengaze schließt für Damen von Nezieus Rang und Erziehung das sächsische Baumwolleuprodukt völlig aus. Und so war an jenem verhängnisvollen Abend alles. Der Prospekt von Bagdad abgescheuert, schuiutzig und faltig, die sich dem Textbuche zufolge auf der wogenden Flut schaukelnden Meerjniigfrauen entweder hoffnungslos festgefahren oder wie auf „Käsehitscheu" hin und her gerüttelt; die Serenade im Serail eine Pasquinade, der Hofstaat Harun-al-Naschids ein Trottelmuseum. Was ich gar nicht schildern kann, weil es unfaßlich war, ist das Kostüm, in das man die ver¬ kleideten Gärtner gesteckt hatte. Ich glaube auf der Foire des Boulevard Mont¬ martre in einem Akrvbatcnetablissement dritten Ranges etwas Ähnliches gesehen zu haben, nicht so neu — denn der Anputz war obendrein neu, das war das Schlimme — aber von ähnlichem Schlag, oomvoLiw, wie die Engländer von einer gewissen Art von Säulenknäufen sagen, und wo der Obergärtner des Emirs, der doch anständige „Terken" zu sehe» gewohnt sein mußte, die Augen gehabt haben kann, als er diese Vogelscheuchen für Gläubige ansah, ist mir ein Rätsel. Für den nächsten Tag standen die Hugenotten auf dem Zettel: sie ragten in der That schon mehrfach mit ihren Dekorationen in die Oberonaufführnng herein. Die im Garten des Emirs hinauf und hinab führenden ornamentalen Treppen waren im Vnloisstil, und an den Hof Karls des Großen, Prospekt, Kulissen, ^>er- satzstncke und Kostüme denke ich nur ungern zurück; beschreiben könnte us ohnehin das unglaubliche Durcheinander von Baustilen und Trachten verschiedner Jahr¬ hunderte nicht.

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/391>, abgerufen am 29.06.2024.