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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Inszenierung

Töchter mit den herrlichen Armen gaukelten in feenhaftem "Überlicht" zwischen
den schäkernden Wellen herum. Der Intendant, ein feiner Kenner des Schönen
in jeder Gestalt, machte gelegentlich ans die eine oder die andre seiner Meinung
nach besonders gelungne Tanzleistuug, eiuen roncl als vras oder einen rcmÄ as
,j"nrdo, wie das Ding mit dem technischen Ausdrucke hieß, besonders aufmerksam,
und der Ballettmeister hatte dann keine Schwierigkeit, für die graziöse Nereide eine
Gehaltszulage zu erwirken, während die Mütter und die Großmütter das mögliche
Mnximum schon vor Jahren erreicht hatten.

Die beiden Pseudogärtner, ja das war faules, in Babuschen dahinschlurfendes,
mit Pumphosen bekleidetes, kahlgeschvrnes, Allah willkommnes und erstaunlich echt
aussehendes Pack: da konnte man den Obergärtner, der sich hatte täuschen lasse",
zur Not noch versteh" i anfänglich hatte man ja selbst geglaubt, es müßten mos-
lemitische, mit Pflanzenwnrtnng beschäftigte Tagediebe sein. Und nun der Einzug
der glücklich heimgekehrte" beiden Helden und ihrer Schönen in den Festsaal der
kaiserlichen Pfalz! Ich erinnere mich, daß ich an jenem verhängnisvolle" Abend,
ohne daß es jemand bemerkte, vor Scham rot wurde, als sich das erbärmliche
Schauspiel vor mir abspielte. So leid war es mir um den Regisseur, den Direktor,
die Stadt. So lumpig und elend wars. Im andern Theater in frühern Jahren
wurde man sogleich durch den ersten Trompetenstoß der Märchenwelt entrückt:
mit dem herrlichen Einzngsmarsche kehrte man in historische Verhältnisse zurück.
Jeder von uns Jungen hätte sich darauf totschlagen lassen, daß die Trompeten,
auf denen geblasen wurde, "von Silber" wären. Ich will das zwar im Lichte
später cingezogner Erkundigungen nicht so schroff hinstellen, aber der Einzug der
Palasttruppen, des Hoff und des Kaisers in den prächtigen, wie ein Saal, nicht wie ein
Knlissensammelsnrium aussehenden Festraum, ja das war Inszenierung. Wenn dann
schließlich alles herein war, wenn alle Emporen, Tribünen, Treppen und Galerien
"gerappelt" voll waren von Geharnischten und Paladinen, und der Kaiser -- er
war seines Zeichens Köhler, gab nur diese eine Rolle und wurde jedesmal mittels
eines besondern Wagens aus seinem Waldreviere herbeigeholt -- umgeben von
Page", Seneschallen, Schild- und Schwertträgern wie ein Gott durch den Saal
schritt und auf dem Throne Platz nahm, von dem wir wußten, daß er massiv
war und auf einem massiven Unterbau stand -- beides hatte sich der Köhler, der
ein Niese und ein vorsichtiger Mann war, ausdrücklich ausgebeten --, da wurde
in einem wirklich etwas lebendig, was sich wie geschichtliche Wiedererweckung
aufnahm, und ob sich in einem solchen Falle nicht doch vielleicht das Theater
"seiner Natur nach zur Volksbildung geeignet" haben dürfte, wollen wir dahin¬
gestellt sein lassen.

Diese vornehme, von dem besten geläuterte" Geschmacke getragne und auf
ihn berechnete Inszenierung, und zwar in dem besondern Falle des Weberschen
Obervns in erster Reihe das Festhalten der Idee des märchenhaften Traums ist
es, was man bewundern mußte, und was ich als nachnhmungswürdiges Beispiel hin¬
stellen möchte. Zu den Sonderbarkeiten des alten Intendanten gehörte es, daß
er sich in seiner Szenerie und in seine" Kostüme", wie er sich ausdrückte, uicht
"herummantscheu" ließ. Eine Bank, eine Rosenlande, die für den und den Akt
des Oberon oder für die und die Stelle der Bühne gemalt war, durfte unter
keinen Umständen anders verwandt werden. Eine fünfte Kulisse wurde gleich ga"z
unters gemalt als eine erste, und er hielt streng darauf, daß die Miediugs, was
sie zu thun geneigt waren, keine "zweckmäßigen" Einrichtungen von ihrer eignen
Erfindung trafen. Damit erreichte er es meist, daß man beim ersten Sichtbar¬
werden einer Dekoration wirklich einen Augenblick wahrer Sinnentäuschung hatte
und eiuen Prospekt, einzelne Kulissen und 'Versatzstücke vor sich zu haben vergaß.
Und patriarchalisch war er insofern, als er oft aus seiner Küche und aus seinem
Keller das echt lieferte, was auf der Bühne verspeist und vertrunkc" werden sollte.
Er war der Überzeugung, daß das dem Gelingen der Vorstellung zu gute kam,


Grenzboten II 1902 ^
Inszenierung

Töchter mit den herrlichen Armen gaukelten in feenhaftem „Überlicht" zwischen
den schäkernden Wellen herum. Der Intendant, ein feiner Kenner des Schönen
in jeder Gestalt, machte gelegentlich ans die eine oder die andre seiner Meinung
nach besonders gelungne Tanzleistuug, eiuen roncl als vras oder einen rcmÄ as
,j»nrdo, wie das Ding mit dem technischen Ausdrucke hieß, besonders aufmerksam,
und der Ballettmeister hatte dann keine Schwierigkeit, für die graziöse Nereide eine
Gehaltszulage zu erwirken, während die Mütter und die Großmütter das mögliche
Mnximum schon vor Jahren erreicht hatten.

Die beiden Pseudogärtner, ja das war faules, in Babuschen dahinschlurfendes,
mit Pumphosen bekleidetes, kahlgeschvrnes, Allah willkommnes und erstaunlich echt
aussehendes Pack: da konnte man den Obergärtner, der sich hatte täuschen lasse»,
zur Not noch versteh» i anfänglich hatte man ja selbst geglaubt, es müßten mos-
lemitische, mit Pflanzenwnrtnng beschäftigte Tagediebe sein. Und nun der Einzug
der glücklich heimgekehrte» beiden Helden und ihrer Schönen in den Festsaal der
kaiserlichen Pfalz! Ich erinnere mich, daß ich an jenem verhängnisvolle» Abend,
ohne daß es jemand bemerkte, vor Scham rot wurde, als sich das erbärmliche
Schauspiel vor mir abspielte. So leid war es mir um den Regisseur, den Direktor,
die Stadt. So lumpig und elend wars. Im andern Theater in frühern Jahren
wurde man sogleich durch den ersten Trompetenstoß der Märchenwelt entrückt:
mit dem herrlichen Einzngsmarsche kehrte man in historische Verhältnisse zurück.
Jeder von uns Jungen hätte sich darauf totschlagen lassen, daß die Trompeten,
auf denen geblasen wurde, „von Silber" wären. Ich will das zwar im Lichte
später cingezogner Erkundigungen nicht so schroff hinstellen, aber der Einzug der
Palasttruppen, des Hoff und des Kaisers in den prächtigen, wie ein Saal, nicht wie ein
Knlissensammelsnrium aussehenden Festraum, ja das war Inszenierung. Wenn dann
schließlich alles herein war, wenn alle Emporen, Tribünen, Treppen und Galerien
„gerappelt" voll waren von Geharnischten und Paladinen, und der Kaiser — er
war seines Zeichens Köhler, gab nur diese eine Rolle und wurde jedesmal mittels
eines besondern Wagens aus seinem Waldreviere herbeigeholt — umgeben von
Page», Seneschallen, Schild- und Schwertträgern wie ein Gott durch den Saal
schritt und auf dem Throne Platz nahm, von dem wir wußten, daß er massiv
war und auf einem massiven Unterbau stand — beides hatte sich der Köhler, der
ein Niese und ein vorsichtiger Mann war, ausdrücklich ausgebeten —, da wurde
in einem wirklich etwas lebendig, was sich wie geschichtliche Wiedererweckung
aufnahm, und ob sich in einem solchen Falle nicht doch vielleicht das Theater
„seiner Natur nach zur Volksbildung geeignet" haben dürfte, wollen wir dahin¬
gestellt sein lassen.

Diese vornehme, von dem besten geläuterte» Geschmacke getragne und auf
ihn berechnete Inszenierung, und zwar in dem besondern Falle des Weberschen
Obervns in erster Reihe das Festhalten der Idee des märchenhaften Traums ist
es, was man bewundern mußte, und was ich als nachnhmungswürdiges Beispiel hin¬
stellen möchte. Zu den Sonderbarkeiten des alten Intendanten gehörte es, daß
er sich in seiner Szenerie und in seine» Kostüme», wie er sich ausdrückte, uicht
„herummantscheu" ließ. Eine Bank, eine Rosenlande, die für den und den Akt
des Oberon oder für die und die Stelle der Bühne gemalt war, durfte unter
keinen Umständen anders verwandt werden. Eine fünfte Kulisse wurde gleich ga»z
unters gemalt als eine erste, und er hielt streng darauf, daß die Miediugs, was
sie zu thun geneigt waren, keine „zweckmäßigen" Einrichtungen von ihrer eignen
Erfindung trafen. Damit erreichte er es meist, daß man beim ersten Sichtbar¬
werden einer Dekoration wirklich einen Augenblick wahrer Sinnentäuschung hatte
und eiuen Prospekt, einzelne Kulissen und 'Versatzstücke vor sich zu haben vergaß.
Und patriarchalisch war er insofern, als er oft aus seiner Küche und aus seinem
Keller das echt lieferte, was auf der Bühne verspeist und vertrunkc» werden sollte.
Er war der Überzeugung, daß das dem Gelingen der Vorstellung zu gute kam,


Grenzboten II 1902 ^
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[0393] Inszenierung Töchter mit den herrlichen Armen gaukelten in feenhaftem „Überlicht" zwischen den schäkernden Wellen herum. Der Intendant, ein feiner Kenner des Schönen in jeder Gestalt, machte gelegentlich ans die eine oder die andre seiner Meinung nach besonders gelungne Tanzleistuug, eiuen roncl als vras oder einen rcmÄ as ,j»nrdo, wie das Ding mit dem technischen Ausdrucke hieß, besonders aufmerksam, und der Ballettmeister hatte dann keine Schwierigkeit, für die graziöse Nereide eine Gehaltszulage zu erwirken, während die Mütter und die Großmütter das mögliche Mnximum schon vor Jahren erreicht hatten. Die beiden Pseudogärtner, ja das war faules, in Babuschen dahinschlurfendes, mit Pumphosen bekleidetes, kahlgeschvrnes, Allah willkommnes und erstaunlich echt aussehendes Pack: da konnte man den Obergärtner, der sich hatte täuschen lasse», zur Not noch versteh» i anfänglich hatte man ja selbst geglaubt, es müßten mos- lemitische, mit Pflanzenwnrtnng beschäftigte Tagediebe sein. Und nun der Einzug der glücklich heimgekehrte» beiden Helden und ihrer Schönen in den Festsaal der kaiserlichen Pfalz! Ich erinnere mich, daß ich an jenem verhängnisvolle» Abend, ohne daß es jemand bemerkte, vor Scham rot wurde, als sich das erbärmliche Schauspiel vor mir abspielte. So leid war es mir um den Regisseur, den Direktor, die Stadt. So lumpig und elend wars. Im andern Theater in frühern Jahren wurde man sogleich durch den ersten Trompetenstoß der Märchenwelt entrückt: mit dem herrlichen Einzngsmarsche kehrte man in historische Verhältnisse zurück. Jeder von uns Jungen hätte sich darauf totschlagen lassen, daß die Trompeten, auf denen geblasen wurde, „von Silber" wären. Ich will das zwar im Lichte später cingezogner Erkundigungen nicht so schroff hinstellen, aber der Einzug der Palasttruppen, des Hoff und des Kaisers in den prächtigen, wie ein Saal, nicht wie ein Knlissensammelsnrium aussehenden Festraum, ja das war Inszenierung. Wenn dann schließlich alles herein war, wenn alle Emporen, Tribünen, Treppen und Galerien „gerappelt" voll waren von Geharnischten und Paladinen, und der Kaiser — er war seines Zeichens Köhler, gab nur diese eine Rolle und wurde jedesmal mittels eines besondern Wagens aus seinem Waldreviere herbeigeholt — umgeben von Page», Seneschallen, Schild- und Schwertträgern wie ein Gott durch den Saal schritt und auf dem Throne Platz nahm, von dem wir wußten, daß er massiv war und auf einem massiven Unterbau stand — beides hatte sich der Köhler, der ein Niese und ein vorsichtiger Mann war, ausdrücklich ausgebeten —, da wurde in einem wirklich etwas lebendig, was sich wie geschichtliche Wiedererweckung aufnahm, und ob sich in einem solchen Falle nicht doch vielleicht das Theater „seiner Natur nach zur Volksbildung geeignet" haben dürfte, wollen wir dahin¬ gestellt sein lassen. Diese vornehme, von dem besten geläuterte» Geschmacke getragne und auf ihn berechnete Inszenierung, und zwar in dem besondern Falle des Weberschen Obervns in erster Reihe das Festhalten der Idee des märchenhaften Traums ist es, was man bewundern mußte, und was ich als nachnhmungswürdiges Beispiel hin¬ stellen möchte. Zu den Sonderbarkeiten des alten Intendanten gehörte es, daß er sich in seiner Szenerie und in seine» Kostüme», wie er sich ausdrückte, uicht „herummantscheu" ließ. Eine Bank, eine Rosenlande, die für den und den Akt des Oberon oder für die und die Stelle der Bühne gemalt war, durfte unter keinen Umständen anders verwandt werden. Eine fünfte Kulisse wurde gleich ga»z unters gemalt als eine erste, und er hielt streng darauf, daß die Miediugs, was sie zu thun geneigt waren, keine „zweckmäßigen" Einrichtungen von ihrer eignen Erfindung trafen. Damit erreichte er es meist, daß man beim ersten Sichtbar¬ werden einer Dekoration wirklich einen Augenblick wahrer Sinnentäuschung hatte und eiuen Prospekt, einzelne Kulissen und 'Versatzstücke vor sich zu haben vergaß. Und patriarchalisch war er insofern, als er oft aus seiner Küche und aus seinem Keller das echt lieferte, was auf der Bühne verspeist und vertrunkc» werden sollte. Er war der Überzeugung, daß das dem Gelingen der Vorstellung zu gute kam, Grenzboten II 1902 ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/393>, abgerufen am 28.09.2024.