Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.brauchte, Unis zu thu" sei, wo er es denn instinktmäßig nnssprach und ich Was die selbstgcschaffnen Gestalten seiner dichterischen Phantasie anlangt, Endlich glaubte Goethe besonders in der Kunst das Wirken einer dämo¬ brauchte, Unis zu thu» sei, wo er es denn instinktmäßig nnssprach und ich Was die selbstgcschaffnen Gestalten seiner dichterischen Phantasie anlangt, Endlich glaubte Goethe besonders in der Kunst das Wirken einer dämo¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0374" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/237660"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1869" prev="#ID_1868"> brauchte, Unis zu thu» sei, wo er es denn instinktmäßig nnssprach und ich<lb/> immer im voraus eines guten Erfolgs gewiß sein konnte. Ihm wäre zu gönnen<lb/> gewesen, daß er sich meiner Ideen und höhern Bestrebungen hätte bemächtigen<lb/> können; denn wenn ihn der dämonische Geist verließ, so wußte er mit sich<lb/> nichts anzufangen, und er war übel daran." Als hochgradig von dämonischen<lb/> Geist beseelte Naturen nennt Goethe ausdrücklich Venvenuto Cellini und<lb/> Filippo Neri.</p><lb/> <p xml:id="ID_1870"> Was die selbstgcschaffnen Gestalten seiner dichterischen Phantasie anlangt,<lb/> so haben wir schon gesehen, daß Goethe dem Egmont eine dämonische Natur<lb/> beimißt. Es ist nun interessant, ans Goethes eignem Munde zu erfahren, daß<lb/> er der so markant-diabolischen Figur des Mephistopheles doch entschieden ein<lb/> dämonisches Wesen abspricht, ein solches hingegen ausdrücklich — dem Homun-<lb/> culus beilegt! Auf die direkte Jnterpellation Eckermanns, ob nicht Mephisto¬<lb/> pheles dämonische Züge habe, antwortet Goethe (2. März 1831) resolut: „Nein!<lb/> Der Mephistopheles ist ein viel zu negatives Wesen, das Dämonische aber<lb/> äußert sich in einer durchaus positiven Thatkraft." Aus andern Stellen er¬<lb/> fahren wir denn mich, daß Goethe als den Hauptcharakterzug des Mephisto¬<lb/> pheles die Ironie bezeichnet. Hingegen erklärt er (10. Dezember 1829) den<lb/> Homunculus für ein Wesen, dessen Sache das Räsonnieren nicht ist, sondern<lb/> der handeln will: Wagners Fragen über unbegreifliche Dinge lehnt er deshalb<lb/> ab und ist auch dem Mephistopheles durch seiue Tendenz zum Schönen nud<lb/> förderlich Thätigen überlegen. Als ein Wesen, dem die Gegenwart durchaus<lb/> klar und durchsichtig ist, sieht Homunculus das Innere des schlafenden Faust:<lb/> „Solche Geisterwesen, erklärt Goethe, die dnrch eine vollständige Menschwerdung<lb/> noch nicht verdüstert und beschränkt worden, zählt man zu den Dämonen!"<lb/> Ans dieser spiritistisch angehauchten Stelle könnte man schließen, daß Goethe<lb/> geradezu beabsichtigt habe, im Homunculus ein dieser seiner Idee von den<lb/> Dämonen entsprechendes Wesen dichterisch zu erschaffen und handelnd i» sein<lb/> Werk einzuführen. Züge, die für die Goethische Auffassung des Dämonischen<lb/> charakteristisch sind, offenbart das phantastische Gebilde unzweifelhaft in seineu<lb/> Aussprüchen: „Natürlichem genügt das Weltall kaum," und: „Dieweil ich bin,<lb/> muß ich anch thätig sein!" Und wie steht es mit „Faust" selbst'? „In meiner<lb/> Natur liegt das Dämonische nicht, erklärt Goethe am 2. März 1831, aber ich<lb/> bin ihm unterworfen."</p><lb/> <p xml:id="ID_1871" next="#ID_1872"> Endlich glaubte Goethe besonders in der Kunst das Wirken einer dämo¬<lb/> nischen Kraft zu verspüren. „In der Poesie ist durchaus etwas Dämonisches,<lb/> und zwar vorzüglich in der unbewußten, sagt er im März 1831 zu Eckermann,<lb/> bei der aller Verstand und alle Vernunft zu kurz kommen, und die daher auch<lb/> über alle Begriffe wirkt." Goethe steht also ganz auf dem Standpunkte<lb/> Schellings, der das Unbewußte für den Grundtrieb, für den schöpferischen<lb/> Drang in jedem Kunstschaffen bei der Konzeption des Kunstwerks, das Be¬<lb/> wußte dagegen nur für etwas Technisches erklärt hatte. „Jede Produktivität<lb/> höchster Art, äußerte sich Goethe ganz in diesem Sinne am 11. Mürz 1828<lb/> bei einem Gespräch über den Hamlet von Shakespeare, jedes bedeutende Apery«,<lb/> jede Erfindung, jeder große Gedanke, der Früchte bringt und Folgen hat, steht<lb/> in niemandes Gewalt und ist über aller irdischen Macht erhaben. Dergleichen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0374]
brauchte, Unis zu thu» sei, wo er es denn instinktmäßig nnssprach und ich
immer im voraus eines guten Erfolgs gewiß sein konnte. Ihm wäre zu gönnen
gewesen, daß er sich meiner Ideen und höhern Bestrebungen hätte bemächtigen
können; denn wenn ihn der dämonische Geist verließ, so wußte er mit sich
nichts anzufangen, und er war übel daran." Als hochgradig von dämonischen
Geist beseelte Naturen nennt Goethe ausdrücklich Venvenuto Cellini und
Filippo Neri.
Was die selbstgcschaffnen Gestalten seiner dichterischen Phantasie anlangt,
so haben wir schon gesehen, daß Goethe dem Egmont eine dämonische Natur
beimißt. Es ist nun interessant, ans Goethes eignem Munde zu erfahren, daß
er der so markant-diabolischen Figur des Mephistopheles doch entschieden ein
dämonisches Wesen abspricht, ein solches hingegen ausdrücklich — dem Homun-
culus beilegt! Auf die direkte Jnterpellation Eckermanns, ob nicht Mephisto¬
pheles dämonische Züge habe, antwortet Goethe (2. März 1831) resolut: „Nein!
Der Mephistopheles ist ein viel zu negatives Wesen, das Dämonische aber
äußert sich in einer durchaus positiven Thatkraft." Aus andern Stellen er¬
fahren wir denn mich, daß Goethe als den Hauptcharakterzug des Mephisto¬
pheles die Ironie bezeichnet. Hingegen erklärt er (10. Dezember 1829) den
Homunculus für ein Wesen, dessen Sache das Räsonnieren nicht ist, sondern
der handeln will: Wagners Fragen über unbegreifliche Dinge lehnt er deshalb
ab und ist auch dem Mephistopheles durch seiue Tendenz zum Schönen nud
förderlich Thätigen überlegen. Als ein Wesen, dem die Gegenwart durchaus
klar und durchsichtig ist, sieht Homunculus das Innere des schlafenden Faust:
„Solche Geisterwesen, erklärt Goethe, die dnrch eine vollständige Menschwerdung
noch nicht verdüstert und beschränkt worden, zählt man zu den Dämonen!"
Ans dieser spiritistisch angehauchten Stelle könnte man schließen, daß Goethe
geradezu beabsichtigt habe, im Homunculus ein dieser seiner Idee von den
Dämonen entsprechendes Wesen dichterisch zu erschaffen und handelnd i» sein
Werk einzuführen. Züge, die für die Goethische Auffassung des Dämonischen
charakteristisch sind, offenbart das phantastische Gebilde unzweifelhaft in seineu
Aussprüchen: „Natürlichem genügt das Weltall kaum," und: „Dieweil ich bin,
muß ich anch thätig sein!" Und wie steht es mit „Faust" selbst'? „In meiner
Natur liegt das Dämonische nicht, erklärt Goethe am 2. März 1831, aber ich
bin ihm unterworfen."
Endlich glaubte Goethe besonders in der Kunst das Wirken einer dämo¬
nischen Kraft zu verspüren. „In der Poesie ist durchaus etwas Dämonisches,
und zwar vorzüglich in der unbewußten, sagt er im März 1831 zu Eckermann,
bei der aller Verstand und alle Vernunft zu kurz kommen, und die daher auch
über alle Begriffe wirkt." Goethe steht also ganz auf dem Standpunkte
Schellings, der das Unbewußte für den Grundtrieb, für den schöpferischen
Drang in jedem Kunstschaffen bei der Konzeption des Kunstwerks, das Be¬
wußte dagegen nur für etwas Technisches erklärt hatte. „Jede Produktivität
höchster Art, äußerte sich Goethe ganz in diesem Sinne am 11. Mürz 1828
bei einem Gespräch über den Hamlet von Shakespeare, jedes bedeutende Apery«,
jede Erfindung, jeder große Gedanke, der Früchte bringt und Folgen hat, steht
in niemandes Gewalt und ist über aller irdischen Macht erhaben. Dergleichen
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